Schenkelweichen vs Schulterherein oder beides?

Rund um die klassische Reitkunst

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susiesonja
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Schenkelweichen vs Schulterherein oder beides?

Beitrag von susiesonja »

Am Wochenende war ich als Zuschauer auf einem Seminar mit Bent Branderup. Dort wurde er gefragt, ob er selbst Schenkelweichen reitet oder reiten lässt. Diese Frage hat er verneint, mit dem Argument, im Schenkelweichen würde der Huf schräg und nicht gerade auffussen und das wäre seiner Meinung nach auch biomechanischer Sicht nicht sinnvoll. Darum lehnt er Schenkelweichen ab.
Durch die Biegung im Schulterherein würde das Pferd sein Hinterbein eben anders winkeln und daher gelenkschonender aufsetzen. Ist das so?

Ich habe das Schenkelweichen auch lange abgelehnt (einfach, weil ich immer das Gefühl hatte, das es meinem Pferd nichts bringt), es aber seit einiger Zeit wieder sehr zu schätzen gelernt.
Es hilft mir mittlerweile oft Pferde wieder an den äußeren Zügel zu bringen, wenn ich merke das es z.B. in der Biegung noch schwer fällt und
wenn der Schenkelgehorsam nicht so ist, wie ich es gern hätte, dann reite ich auch hin und wieder Schenkelweichen.
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Kosmonova
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Beitrag von Kosmonova »

Huhu! Wie hat es dir insgesamt gefallen?

Also bei dem Kurs im Februar hat er noch ganz prinzipiell gemeint, dass es nicht sinnvoll ist dem Pferd beizubringen vom Schwerpunkt wegzutreten. Das wäre ja beim Schenkelweichen der Fall. Von Naturaus wollen die Pferde immer unter den Schwerpunkt treten, aus Reiterlicher Sicht ist das auch sinnvoll und man verwirrt sie nur, wenn man dann genau das Gegenteil verlangt und dann mal wieder anders (in den echten Seitengängen).


So grob und weniger elementar mein (!) Verständnis seiner Erläuterung. Seit Klassikzeiten reite ich auch kein SW mehr ;-) Mit Schenkelgehorsam etc. Haben wir auch zu tun bei Hannes, arbeiten dann aber über Biegearbeit auf dem kleinen Zirkel daran mit peinlich genauem Blick, dass alle Füße dahin treten, wo sie sollen.
Es grüßt Nadine

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Alkasar
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Beitrag von Alkasar »

Da muss ich überlegen, reite ich Schenkelweichen? Ja, ich denke schon. Manchmal, je nachdem, ob ich meine, dass es helfen kann. Dann aber in ruhigem Tempo, gut nach vorne mit nicht zuviel Abstellung.
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Beitrag von Max1404 »

Ich sehe bei meinen Pferden keine Verwirrung dadurch, dass ich Schenkelweichen reite und auch die "klassischen" Seitengänge. Sie können sehr klar unterscheiden. :)

Schenkelweichen ist eine lösende Übung, und sie ist hervorragend geeignet, um z. B. ein Pferd an den äußeren Zügel zu bringen und den Schenkelgehorsam zu installieren. Weiterhin ist sie eine Vorübung zur Vorhandwendung.

SW in Kombination mit Traversalen kann z. B. einen sehr positiven Einfluss auf die Ausführung der Traversale haben und sie erheblich verbessern. Es gibt zahlreiche Einsatzmöglichkeiten für das SW, und ich persönlich fände es schade, darauf verzichten zu müssen. Vor allem, weil SW - im Gegensatz zu den "klassischen Seitengängen" nicht in der Versammlung stattfindet - jedenfalls nicht nach der Auffassung in meiner Lehre.

Ich fände es interessant, wenn jemand noch genauer darauf eingehen könnte, warum BB (und PK übrigens auch, soweit ich weiß) auf SW verzichtet. :)
Viele Grüße
Sabine
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Finchen
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Re: Schenkelweichen vs Schulterherein oder beides?

Beitrag von Finchen »

susiesonja hat geschrieben:... mit dem Argument, im Schenkelweichen würde der Huf schräg und nicht gerade auffussen und das wäre seiner Meinung nach auch biomechanischer Sicht nicht sinnvoll. Darum lehnt er Schenkelweichen ab.
...
Durch die Biegung im Schulterherein würde das Pferd sein Hinterbein eben anders winkeln und daher gelenkschonender aufsetzen. Ist das so?
Hast du noch eine Idee wie genau das mit dem schräg gemeint war? Ich versuche mir das grade vorzustellen - und kann mir das nur in Bezug aufs äußere HB erklären... und überlege (rein theoretisch natürlich grade) dass die Bewegung des Körpers über den Huf hinweg bis zum Abfußen nicht "grade" erfolgt, sondern in einer Diagonalen, die drum "unnormal" sein sollte!?

Bin sehr gespannt, ob dazu jemand was weiß!
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susiesonja
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Beitrag von susiesonja »

Kosmonova hat geschrieben:Huhu! Wie hat es dir insgesamt gefallen?
Kurz off topic....

Ich werde jetzt nicht ab sofort mit meiner Gerte aufrecht in der Hand reiten... :lol:
Aber es hat mir insgesamt gut gefallen, weil er viele Dinge gesagt und erklärt hat, mit denen ich gut etwas anfangen kann. Gerade so ethische Aspekte die ich manchmal in meinem Umfeld im Umgang mit den Pferden vermisse.
Auch von den gezeigten Pferden war ich größtenteils positiv überrascht.
Er hat viel über den Sitz, die Hilfen usw geredet.
Es hat mich auf jeden Fall dazu gebracht, mal wieder über das ein oder andere nachzudenken und mich selbst zu hinterfragen. Es war für mich das berühmte "über den Tellerrand schauen" um dann doch eingies zu entdecken, was sich in anderen "Reitweisen" ähnelt.


Finchen hat geschrieben:Hast du noch eine Idee wie genau das mit dem schräg gemeint war?
Tja.... ich glaube, er meinte, dass der Huf erst auf der Kante (außen/ innen) auffusst und dann erst mit der gesamten Fläche. Aber ob er jetzt den inneren oder den äußeren Hinterhuf meinte wieß ich eben nicht.
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Beitrag von Max1404 »

susiesonja hat geschrieben:
Finchen hat geschrieben:Hast du noch eine Idee wie genau das mit dem schräg gemeint war?
Tja.... ich glaube, er meinte, dass der Huf erst auf der Kante (außen/ innen) auffusst und dann erst mit der gesamten Fläche. Aber ob er jetzt den inneren oder den äußeren Hinterhuf meinte wieß ich eben nicht.
Also, das mit der Kante würde mich jetzt auch interessieren. Warum macht es das im SW und nicht in der Traversale? Hier ist ein Bild einer Traversale: http://www.pferdesport-blog.de/wp-conte ... 07x300.jpg Meiner Meinung nach wird das eine Vorderbein gleich mit der äußeren Kante auffußen, und das andere Vorderbein verlässt den Boden über die äußere Kante.
Und genau dasselbe passiert, wenn die Hinterbeine kreuzen: http://www.klassische-reitkunst.com/ima ... ar868a.jpg
Irgendwas verstehe ich vermutlich falsch.
Viele Grüße
Sabine
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Finchen
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Beitrag von Finchen »

@Susiesonja:
ok, das war das was ich mir vorgestellt hatte. Danke!

@Max:
ich habe es in der Erklärung so verstanden, als wäre es nur im Vergleich zu SH so bewertet - und beim SH tritt das HB ja quasi grade vor, gleich bzw sehr ähnlich wie in der Vorwärtsbewegung.

Das fand ich den einzigen Aspekt zwischen den beiden den Unterschied zu sehen.
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Beitrag von Max1404 »

Aber was hat denn SW mit SH zu tun? Das habe ich schon im Eingangspost nicht verstanden, die Ausführungen sind komplett verschieden.
Viele Grüße
Sabine
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susiesonja
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Beitrag von susiesonja »

Max1404 hat geschrieben:Aber was hat denn SW mit SH zu tun? Das habe ich schon im Eingangspost nicht verstanden, die Ausführungen sind komplett verschieden.
SW und SH haben nichts miteinander zu tun. :wink:
Ich wollte nur wissen, ob die Art und Weise wie die Hufe den Boden berühren tatsächlich so unterschiedlich ist, das die Gelenke im SW mehr belastet werden als im SH. Das war Branderups Aussage....
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Kosmonova
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Beitrag von Kosmonova »

Darum geht es ja ;-)

Ob SW wirklich sinnvoll ist unter den genannten Gesichtspunkten und ob man es (dennoch) reitet. Die Frage haben ja alle für sich beantwortet, denn jeder hat da andere Ansichten.

Finchen, ja glaub so ist das gemeint, seitwärts am SP vorbei, statt gerade unter den SP.
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Beitrag von Max1404 »

Susiesonja, ich stehe gerade komplett auf dem Schlauch: wenn man sich fragt, ob SW oder SH die Gelenke mehr belasten, vergleicht man Äpfel mit Birnen. Weil die Lektionen nichts miteinander gemeinsam haben. Es macht doch nur Sinn, artverwandte Lektionen miteinander zu vergleichen. :)
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susiesonja
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Beitrag von susiesonja »

Max... ich bin immer nicht so gut im Erklären (darum schreibe ich hier auch so selten). :lol:

Mir ging es auch gar nicht um einen Vergleich der Lektionen, sondern eher darum, ob man das SW vielleicht tatsächlich nicht reiten sollte wenn es sich denn mit der ungünstigen Belastung so verhält wie es in dem Seminar angedeutet wurde.

Denn die Dinge, die ich durch das SW erreiche, kann ich ja auch durch andere Übungen (evtl positiver belastende...) erreichen.

Ich wollte lediglich eine, für mich nachvollziehbare, Erklärung für das im Seminar gehörte.
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Max1404
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Beitrag von Max1404 »

Ok, verstanden.
Nur wenn ich dieser Erklärung folge, dürfte ich auch kein Travers oder Traversalen reiten.
Ich gehe einfach mal davon aus, dass sich die Erklärung aus einer speziellen Unterrichtssituation heraus ergeben hat, die ich gar nicht nachvollziehen kann, weil ich nicht beim Seminar war. :wink:
Viele Grüße
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esge
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Beitrag von esge »

Och, SH und SW haben insofern sehr viel miteinander zu tun, als viele Leute meinen, dass sie SH reiten aber in Wirklichkeit SW reiten... oder anders herum: Viele die SW ablehnen, reiten kein SH sondern nur ein schlichtes, krumm gezogenes Nase-Herein.

Ich gebe aber Max Recht: SW hat eine komplett andere Funktion als SH. Das bedeutet aber nicht, dass es keine Funktion hätte. Nur eben nicht versammelnd. Im Lernprozess für Pferd und Reiter ist das SW aber in meinen Augen elementar, da es die Beherrschung der äußeren Pferdeschulter und das Zusammenspiel der diagonalen Hilfen auf simple und gleichzeitig sehr eindrucksvolle Weise lehrt, ohne gleich all die Schwierigkeiten mitzubringen, die ein korrektes SH erfordert.

ich muss leider sagen, dass ich gerade bei Leuten, die sich auf Branderup beziehen, sehr häufig einfach krumm gezogene Pferde sehe, bei denen die äußere Schulter aus dem Rahmen herausfällt. Statt SH wird hier oft eher ein Schulterheraus geritten, die Pferde sind an der Schulter abgeknickt und die Hinterhand fußt überall hin nur nicht unter den Schwerpunkt.
Ich behaupte nicht, dass Herr Branderup (den ich sehr schätze!) das so lehrt, aber Schüler ohne genügend Grundlagen setzen es leider häufig so um. Kann man diese Leute überzeugen, sich doch einmal mit dem unklassischen Schenkelweichen zu beschäftigen, wird danach auch das Schulterherein meist Klassen besser.
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