Schenkelweichen vs Schulterherein oder beides?

Rund um die klassische Reitkunst

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Phanja

Beitrag von Phanja »

Aber esge, das ist doch genau der Punkt. Du schreibst, du musst in Punkto Raumgriff bescheiden sein. Die Frage ist doch nicht, wie ich eine Traversale mit möglichst viel Raumgriff reiten kann, sondern wie ich den gymnastizierenden Effekt der Traversale für genau dieses Pferd umsetzen muss. Man muss das Pferd nicht dazu bringen, einem bestimmten Lektionsbild zu entsprechen, sondern viel mehr den Inhalt der Lektion erkennen und entsprechend auf das Pferd anwenden. Dabei können eben optisch sehr unterschiedliche Ergebnisse herauskommen.
esge
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Beitrag von esge »

Phanja, Du hattest geschrieben: Ich finds ja ein wenig schade, dass die Betrachtung im Allgemeinen eher dahin geht, dass das Pferd für - in diesem Fall - das Reiten von Traversalen eine gewisse Eignung benötigt.

WENN ich, um z.b. Turniere bestimmter Klassen mit ein bisschen Erfolg reiten zu können, eine bestimmte Form der Ausführung benötige, dann ja! Dann geht es nicht ohne eine gewisse Eignung des Pferdes.

Und es gibt extremere Fälle, da muss man selbst eine bescheidene Ausführung bestimmter Lektionen in Frage stellen, ob Aufwand und Nutzen (für das Pferd) im rechten Verhältnis stehen. Es gibt Pferde, für die ist schon eine flache Trabtraversale u.U. zuviel. Also bleibt es doch dabei: Das Pferd muss eine gewisse Eignung mitbringen.
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Phanja

Beitrag von Phanja »

Das sehe ich nicht so - aus meiner Sicht kann jedes gesunde Pferd von einer Traversale profitieren.
Sheitana
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Beitrag von Sheitana »

Phanja hat geschrieben:Das sehe ich nicht so - aus meiner Sicht kann jedes gesunde Pferd von einer Traversale profitieren.
Du sagst es - jedes gesunde Pferd.

Nun haben wir ja schon vorher festgestellt, dass u.U. deutliche Kräfte auf ein Gelenk ausgeübt werden, die nicht alltäglich sind und mit denen das Gelenk erstmal klar kommen muss....

Und dann sind wir wieder bei dem Thema: Ein verbautes Pferd oder eines, dass in der Jugend den Körper nicht genügend aufbauen konnte...... ist es noch so gesund, dass es eine Traversale gehen kann bzw. stehen Aufwand und Nutzen in einem Verhältnis?
LG
Sheitana
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saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

Na ja, Sheitana, ich halte es da eher so : wir begeben uns auf den Weg und alles kann, nichts muß. Ich gehe ja nicht her und sage : "so jetzt reite ich Traversalen!"
Sondern ich arbeite vor mich hin.. Erst mal an der Schulterkontrolle, dann an der HH-Kontrolle, dann an den kleinen Verschiebungen und irgendwann merke ich : " Aha, jetzt könnte man mal eine Traversalverschiebung anfragen" .
Und dann tue ich es und schaue,was passiert.

Je nach Antwort , muß ich eben an den einzelnen Elementen nochmal nacharbeiten und erst nach und nach formt man dann eine "richtige" Traversale aus und nach und nach schaut man, was dabei an Schwungentfaltung und / oder in Sachen Tragkraft drin ist und arbeitet eben daran weiter.
Das Pferd sagt doch, was geht...
Phanja

Beitrag von Phanja »

*unterschreibtbeis&p*
Was ich zur Traversale schrieb, gilt ja auch für alle anderen Lektionen. Das sind alles keine Show-Elemente sondern Werkzeuge, die dem Pferd helfen sollen. Jedes Werkzeug zu seiner Zeit.
Und ein verbautes oder körperlich vielleicht nicht so ideal gebautes Pferd ist immer noch ein gesundes Pferd, das sich positiv entwickeln kann und ich sehe einfach keinen Grund, warum man so einem Pferd nicht beibringen sollte, sich vom äußeren Hinterbein zu tragen.
esge
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Beitrag von esge »

Wir reden aneinander vorbei, Phanja. Ich halte es genauso wie S&P: ich bilde Pferde aus und sehe was geht.
Aber es geht einfach nicht immer alles.
Leider ist diese Ansicht gerade im Freizeitbereich inzwischen ziemlich stark verbreitet. Die Traversale ist hier nur ein Beispiel, stellvertretend für alle Lektionen.
Selbstverständlich sind Lektionen als Gymnastik fürs Pferd zu sehen, nicht als Selbstzweck. Und genau aus dieser Erkenntnis heraus ist nicht unbedingt jede Lektion immer unbedingt sinnvoll für bestimmte Pferde. Es gilt bei weniger geeigneten Pferden immer herauszufinden, welche Lektionen dem Pferd besonders dienlich sind, welche nur bedingt und welche vielleicht gar nicht.
Dies ist nie absolut zu sehen für das gesamte Leben dieses Pferdes. Ausbildung verändert (natürlich!!! hoffentlich!!!) die Gegebenheiten.
Wir haben dasselbe beim Galoppthema: Manchen Pferden ist es äußerst dienlich, von Anfang ihrer Ausbildung an viel galoppiert zu werden. Andere hingegen sollten erst im Schritt und Trab sorgfältig aufgebaut werden, im Extremfall evt bis zur Piaffe, ehe an geregelte Galopparbeit gedacht werden kann.
Mit allen anderen Dingen verhält es sich genauso. Die zitierte Quarterstute wird niemals besonders hohen Nutzen aus der Traversale ziehen, auch wenn das Erlernen derselben anderen Übungen den Weg geebnet hat. Traversieren an sich macht mit ihr aber nur wenig gymnastischen Sinn - außer, dass es gelegentlich eine Überprüfung ist, wie ihr Gesamtzustand gerade ist. Es gibt andere Abläufe und Lektionen, die diesen Pferd sehr viel dienlicher sind - z.B. langsames Übertreten auf dem Zirkel.
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Sheitana
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Beitrag von Sheitana »

Esge, genau darauf wollte ich auch hinaus...
LG
Sheitana
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Motte
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Beitrag von Motte »

Hmm.

Was ich jetzt aber dann nicht verstehe:

Was macht die Traversale denn nun grundsätzlich besser für das Pferd als das SW?
Phanja

Beitrag von Phanja »

@esge
Ich finde nicht, dass wir aneinander vorbei reden. Wir haben nur unterschiedliche philosophische Ansätze dazu, wie man ein Pferd gymnastiziert. Ich verstehe schon, was du meinst und bin einfach trotzdem anderer Ansicht. Ich spreche auch nicht davon, dass man ständig in SH und KH reiten muss, um das Pferd zu gymnastizieren - ich bin nur der Meinung, dass diese Dinge jedem Pferd einen Nutzen bringen, wenn man sie zur richtigen Zeit und auf die richtige Art einsetzt.

@Motte
Die Traversale entsteht grundsätzlich aus der Kruppehereinbewegung. Das heißt, man bringt das äußere Hinterbein gezielt zum Tragen. Beim Schenkelweichen tritt keines der beiden Hinterbeine unter den Schwerpunkt - ergot bringt man dabei weder das innere noch das äußere zum Tragen. Mich wundert jetzt die Frage allerdings schon ein wenig, weil wir bereits seitenweise den Nutzen oder Nicht-Nutzen des SW durchgekaut haben.

Ich bin der Ansicht, dass es gerade für die Pferde, die körperliche Defizite haben, umso wichtiger ist, sich selbst und den Reiter von hinten zu tragen. Das ist nur möglich, wenn ich dies auch gezielt herbeiführen und die Hinterbeine gezielt unter den Schwerpunkt rufen kann. Es macht für mich keinen Sinn, dann dem Pferd erstmal beizubringen, am Schwerpunkt vorbeizutreten und damit Gewicht auf die Schultern zu legen.

Insgesamt würde ich sagen, man reitet eine Lektion nicht, wenn man sie in dem Moment nicht braucht. Sprich - ich reite die Traversale nicht zum Spaß, sondern dann, wenn sie dem Pferd einen Nutzen bringt.
Motte
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Beitrag von Motte »

Ich geh mit der Aussage, Travers/Traversalen bringen das äussere HB zum Tragen irgendwie nicht konform.

Und letztendlich ist die Bewegung/Belastung der Gelenke beim SW doch sehr ähnlich wie beim Travers/der Traversale.

Nur deswegen meine Frage.

Aber das hat wohl einfach mit dem unterschiedlichen Verständnis von Traversalen zu tun, aber nach der akademischen Definition, die hier ja irgendwo an andere Stelle schon beschrieben wurde, ist das halt so.
Phanja

Beitrag von Phanja »

Motte hat geschrieben:Ich geh mit der Aussage, Travers/Traversalen bringen das äussere HB zum Tragen irgendwie nicht konform.

Und letztendlich ist die Bewegung/Belastung der Gelenke beim SW doch sehr ähnlich wie beim Travers/der Traversale.

Nur deswegen meine Frage.

Aber das hat wohl einfach mit dem unterschiedlichen Verständnis von Traversalen zu tun, aber nach der akademischen Definition, die hier ja irgendwo an andere Stelle schon beschrieben wurde, ist das halt so.
Die meisten Traversalen, die man sieht, bringen ja auch das äußere HB nicht zum Tragen - sieht man ja in dem zuletzt geposteten Video dazu.

Ja, es hat mit dem unterschiedlichen Verständnis zu tun.
Allerdings hat auch Steinbrecht dazu geschrieben: "....Dadurch wird nämlich nicht nur die Rippenbiegung und mit ihr die Inanspruchnahme des inneren Hinterbeines verstärkt, sondern auch das äußere Hinterbein mehr unter die Gewichtsmasse getrieben, sofern die Lektion richtig ist."
Man kann also schon sagen, dass auch Steinbrecht den Sinn des Travers in Richtung Lastaufnahme der Hinterhand beschreibt.

edit:
Um auch nochmal auf den Punkt SW zurückzukommen. Steinbrecht schreibt zu den Lektionen auf zwei Hufschlägen:
"Die Seitenstellung des Pferdes kann nur unter zwei Bedingungen eine richtige Schule auf zwei Hufschlägen werden: erstens müssen die Schultern durch richtige Biegung stets vorgereichtet bleiben, d.h. die Vorhand in der Richtung der Seitenbewegung der Hinterhand so viel vorschreiten, dass sie gleichzeitig durch deren Bewegung den nötigen Antrieb nach vorwärts erhält, zweitens müssen die Hinterbeine durch entsprechende Versammlung der Vorhand näher gebracht und daher auch beide parallele Linien einander genähert werden. Nur durch die stärkere Stütze, die die Hinterhand der Vorhand gewährt (Lastaufnahme), können die Nachteile einer schiefen Richtung beider zueinander aufgehoben werden, und daher muss sich der Grad der Seitenstellung stets danach richten, wie stark man sein Pferd zu sammeln, nämlich seine Hinterhand vorzuschieben und zu belasten vermag. Seitenbewegungen ohne Biegung und Versammmlung sind daher immer falsche Lektionen; sie sind mit dem Aus- und Hereinfallen der Kruppe, das im vorigen Kapitel erwähnt wurde, zu vergleichen und haben auch die gleichen Nachteile zur Folge."

Ich finde, das begündet gleichzeitig sehr gut, warum eine Traversale nicht gleichzeitig stark seitwärts und in einer Verstärkung geritten werden kann (so sieht man das aber leider häufig im Sport, was dann zu so unschönen Bildern führt) und warum das Schenkelweichen sich so sehr von SH und KH unterscheidet.
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Melli
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Beitrag von Melli »

Phanja, danke für den Beitrag!

Ich glaube letztlich, dass man unterscheiden muss zwischen der Ausbildung des Pferdes und der des Reiters.

Kein Pferd "braucht" SW. Ein versierter Reiter kann zweifellos ein Pferd ohne SW in den lateralen Bewegungen ausbilden.

Für den Reiter kann u.U. eine vereinfachte Form der lateralen Bewegung und Hilfengebung, bei der noch nicht auf Biegung, Abstellung, Versammlung und Lastaufnahme geachtet wird, anfangs hilfreich sein.
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Beitrag von esge »

Da widerspreche ich auch. Schenkelweichen ist auch für die meisten Pferde eine sehr gute Lektion.
Kreuzen beider Beinpaare plus Dehnung der Außenseite - ich setze es mannigfaltig mit guten Ergebnissen ein. übertreten auf dem Zirkel - von der Bewegung nichts weiter als Schenkelweichen - kann ich mir überhaupt nicht aus der Pferdeausbildung wegdenken. Vor allem für Senioren eine hervorragende Gymnastik, wenn langsam ausgeführt.
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saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

Wenn man so argumentieren wollte, Melli, braucht sogar kein Pferd auch nur einen Reiter auf seinem Rücken... :wink:

Es ist doch ganz simpel ( eigentlich :lol: ) :

Jede Übung hat bestímmte Erfordernisse, will sagen spricht bestimmte Muskeln an, bedingt einen bestimmten Einsatz der Knochen und Gelenke, erfordert bestimmte Koordination und Balancesituationen.

Folglich bewirkt jede Übung, daß eben diese Muskelgruppen, dieser Einsatz von Knochen und Gelenken, die Koordination und diese bestimmten Balancesituationen aufgerufen / gefordert werden und damit automatisch auch gefördert werden.

Um den Nutzen von SW für ein Pferd beurteilen zu können, muß man wissen, was bei SW passiert- wie die Abläufe sind- und gleichzeitig beim Pferd wissen / einschätzen können, ob diese Abläufe passend zu dessen Definziten fördern.

(Das gilt für alles, was man in der Ausbildung eines Pferdes tut. )

Allgemein einem Übungsablauf die Förderlichkeit abzusprechen, halte ich daher für unsinnig.
Es geht darum, ob er PASSEND ist für den Einzelfall.

Da SW diverse Erfordernisse aufweist, die bei sehr, sehr vielen Pferden verbesserungsfähig / - würdig sind,
-nämlich u.a. :
Beweglichkeit des Beckens, Rotationsfähigkeit der WS, Dehnfähigkeit und Kraft von Bauch- Kruppen-, innerer Becken-, Schulter -und Brustmuskulatur , darüberhinaus eine sehr gezielte Koordination und damit verbunden auch Balance ,
KANN SW nur sinnvoll/ nützlich sein !

Ob sich ein Ausbilder dessen bedient, muß er natürlich selbst entscheiden. Hier bestimmt ein Abwägen der Vor- und Nachteile und die Möglichkeit, auf alternative Übungen zurückgreifen zu können , die ihm effektiver erscheinen, eine Rolle.

Gleiches gilt auch für die Reiterausbildung.
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