1. Themenrunde "Der Galopp"

Rund um die klassische Reitkunst

Moderatoren: Julia, ninischi, Janina

le_bai
User
Beiträge: 649
Registriert: Do, 16. Dez 2010 09:21
Wohnort: euregio

Beitrag von le_bai »

Innen außen - ich variiere da , wenn das Pferd zu stark travers artig anbietet oder nicht gut den Kontakt am Außenzügel annimmt (hohle Seite außen)

Ich finde das Bild der 4 Hinterbeine von BB diesbezüglich sehr hilfreich.

Links/rechts schiebend/tragend

Das äußere schbende kann man sicher gut mit der äußeren Hilfe anregen ... Das äußere tragende erreicht man da evtl. schlechter ... Hat man dann noch einen sensiblen Charakter - wird der evtl hektisch ;)
saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

Man muß m.E. unterscheiden, WELCHE FORM von Schenkelhilfe man nutzt.
"Schenkelhilfe" ist eine sehr -im Grunde arme- Bezeichnung für eine Vielzahl unterschiedlicher Einwirkungen.

Grob kann man in

-die konditionierten/ erlernten, welche eine Form der Kommunikation darstellen und welche das Pferd erlernt und selbsttätig umsetzt und

-die reflektorisch wirkenden Schenkelhilfen, welche direkt auf den Pferdekörper, auf Muskeln und Nerven- auf Reflexe wirken

unterteilen.

Ein sehr guter Reiter kann beide nutzen und sinnvoll kombinieren.

Die erlernten wirken auf/ in die Stütz-/Schubphase, die reflektorischen auf die Schwung-/Hangbeinphase.

Je nach Wirkungspunkt, kann man über reflektorische Schenkelhilfen die gesamten Teilabschnitte eines Bewegungsablaufes- also hier beim Thema "Galopp" , sowohl den Gangartenwechsel, als auch den Galopp selbst- ausformen.

DAS aber setzt die sehr gezielt, differenzierte Verwendung des Schenkels durch den Reiter voraus.
Einem Reiter, dessen Bein völlig unabhängig vom Sitz ist und der auch genau weiß , was er wann wie bewirken kann und will und ganz genaues Wissen , um die Phasen, die eingesetzen Muskeln und die Auswirkungen seiner Hilfen hat. Darüberhinaus muß er auch noch ein ausgezeichnetes Bewegungsgefühl haben um das, was unter seinem Hintern geschieht, richtig zu interprtieren.
Oder aber einen Reiter, der ein so feines Gespür für den Bewegungsablauf hat, daß er intuitiv weiß, wann er wie wirken kann.

DAS wiederum setzt enorm viel Erfahrung auf unterschiedlichen Pferden voraus und ernorm viel Talent.

Langer Rede, gar kein Sinn :
Um die reflektorischen Hilfen sinnvoll nutzen zu können, muß an schon deutlich mehr können und wissen, als schätzungsweise 90% aller Reiter.

Die konditionierten/ erlernten Hilfen hingegen, sind weitaus einfacher - sowohl in der Anwendung, als auch in den erforderlichen Voraussetzungen von Seiten des Reiters.

Sie bieten weniger differenzierte Einflußnahme, sind aber als Kommunikationsgrundlage deutlich unkomplizierter und bieten deutlich weniger Fehlerpotential. Was nützt die Möglichkeit differenzierter Einflußnahme, wenn sie nur Verwirrung stiftet und alle Beteiligten überfordert ?

Diese einfachen Hilfen können so dem Pferd geschult werden, daß es sie versteht und umsetzen kann. Dafür müssen sie aber einfach und klar sein. Für das "Basisgeschehen" reichen sie völlig aus.

Ich bin der Meinung, daß 90% der Reiter, damit, diese zu beherrschen absolut ausgelastet sind.

Von dieser Form der Hilfen sprach ich, im Zusammenhang mit dem inneren und dem äußeren Schenkel als Impulsgeber für den Einsprung.

Natürlich wirkt reflektorisch gesehen, der gleichseitige Schenkel auf den gleichseitigen Fuß, aber wie viele Reiter wissen, wann, welcher Fuß ihres Pferdes, genau wo ist ? Und darüber hinaus noch, welche Phase er genau wie beeinflussen muß, um einen bestimmten Effekt zu erzielen?

In soweit muß man die ganze Sache deutlich vereinfachen : ich brauche einen Code, ein Signal, welches, egal in präzise welche Phase er gegeben wird, dem Pferd sagt : " ich möchte Rechtsgalopp!" oder "ich möchte Linksgalopp!" .

Das präzise Management sollte man "als Normalreiter", tatsächlich dem Pferd überlassen.

Wie sagte von Neindorff immer so passend " es braucht 10 Jahre bester Ausbildung um eine gutes Pferd nachreiten zu können- es braucht noch einmal mindestens genausolange, um eines ausbilden zu können..."

"Beste Ausbildung " meinte in diesem Fall, das tägliche Reiten mehrerer weit und gut ausgebildeter Lehrpferde, unter wachsamen Augen eines sehr guten Lehrers.

Diese Form der Ausbildung wird sich heute kaum mehr finden / finanzieren/ organisieren lassen. Bleiben wir alle daher also auf dem Teppich und beschäftigen uns erst einmal mit dem kleinen 1x1, anstatt sogleich über Quantenphysik diskutieren zu wollen ! :wink:


Die einfachste Möglichkeit einem Pferd den Galoppcode zu lehren ist :

-versetzt gelegtes Bein und einseitiger Impuls des Schenkels.
-Kombiniert mit einer einseitigen Gewichtshilfe, die möglichst klug in die erforderliche Gesamtbalance des Pferdes für den Einsprung eingepasst sein sollte
- Nebst je nach Ausbildungsstand des Reiters, möglichst wenig behindernde bis unterstützende Zügelführung.

Damit kann man schon mal eine Menge erreichen- und das will erst mal gekonnt werden !

Ob der Impuls nun innen oder außen gegeben wird, entscheidet zum einen das Pferd und je nach Ausbildungstand des Reiters, kann dieser einschätzen was sinnvoller ist / ihm mehr liegt.

Das dezidierte Auseinanderfieseln der reflektorischen Galopphilfen für Einsprung und innerhalb der Gangart die Möglichkeiten der Bewegungsmodifikation zu diskutieren, ist zwar hochgradig interessant, wird aber meines Erachtens die allermeisten mehr verwirren, als ihnen nützen.

Und wenn es denn hier gemacht werden soll, so sollte man zumindest erwähnen, welche Voraussetzungen sowohl der Reiter, als auch das Pferd habenmüssen, um solche Hilfengebung zu nutzen / umzusetzen.

Die ständige Vermischung beider Formen der Einwirkung , wenn man sich darüber austauscht, schafft m.E. diese ganze Verwirrung....
Gruß S&P
Benutzeravatar
Celine
User
Beiträge: 1212
Registriert: Di, 26. Sep 2006 11:27
Wohnort: Burgwedel

Beitrag von Celine »

Wow. Vielen Dank für diesen Beitrag, saltandpepper. Das klingt für mich logisch und nachvollziehbar und beruhigt mich auch ein bisschen.
:)
grisu
User
Beiträge: 747
Registriert: Di, 12. Jun 2007 12:02
Wohnort: S-H

Beitrag von grisu »

Janina hat geschrieben:Tja, da hätten wir sie wohl wieder: Die Ausnahme :D

Im Zusammenhang mit der Leichtigkeit ein Pferd anzugaloppieren stehen doch auch die Hilfen, die man gibt. (jaaa, Lieblingsthema, ich weiß :P )
Ich denke, wir müssen jetzt nicht wieder nach „richtig“ oder „falsch“ suchen, sondern uns eher fragen, welche „Version“ für wen wann und warum Sinn machen kann.
Vor allem der Punkt der Gewichtshilfe sowie innere oder äußere Schenkelhilfe als „Initiator“ scheinen auch unter den „Profis“ Uneinigkeit hervorzurufen.
Allgemein bekannt beschreiben die Richtlinien der FN (Band 1, Ausg. 1986, S. 90) das Angaloppieren (im Rechtsgalopp) wie folgt:
„Mit halben Paraden wird das Pferd „versammelt““. Der rechte Schenkel unmittelbar am Sattelgurt liegend, regt den rechten Hinterfuß des Pferdes zum vermehrten Vortreten an. Gleichzeitig gibt der rechte Zügel durch Annehmen dem Pferd die gewünschte Kopfstellung nach rechts. Der linke Zügel als äußerer Zügel begrenzt die Stellung und verhindert ein Ausfallen über die linke Schulter. Der linke äußere Schenkel des Reiters liegt verwahrend etwas eine Handbreit hinter dem Sattelgurt. Er verhindert ein Seitwärtstreten des linken Hinterfußes und fixiert diesen in Richtung zum Schwerpunkt des Pferdes.
Als Einbeinstütze im Ablauf der Galoppbewegungen fällt dem äußeren linken Hinterfuß eine besondere Aufgabe zu, die er nur erfüllen kann, wenn er unter dem Schwerpunkt fußt. Durch Heruntertreten des rechten Steigbügels belastet der Reiter den rechten Gesäßknochen vermehrt.“
Interessant ist noch ein Zusatz im folgenden Absatz:
„Treibende Schenkel- und Gewichtshilfen sorgen für flüssiges Weitergaloppieren.“
Also doch Dauertreiben oder wie ist dieser Satz zu interpretieren?
Einfach der Vollständigkeit halber: Die Richtlinien wurden grundlegend überarbeitet. In der neuen Ausgabe sind zum einen den Gewichtshilfen und ihrer Ausführung deutlich mehr Raum gegeben, die Beschreibungen sind deutlich detaillierter und Beziehen nun auch das "Wie" mit ein.

Hier also das Angaloppieren aus dem Trab nach der neuen Ausgabe der Richtlinien (29. Auflage 2012, Seite 132)

"Zum Angaloppieren z.B. in den Rechtsgalopp gibt der Reiter folgende Hilfen:
  • Das Pferd wird durch vorbereitendes Einschließen in die reiterlichen Hilfen aufmerksam gemacht und vermehrt "geschlossen", um ihm das "Anspringen" in den Galopp zu erleichtern. Dabei sollte die Trabbewegung gegebenenfalls geringfügig verkürzt, aber
    Schwung und Fleiß erhalten werden.

    Die innere/rechte Hüfte wird etwas nach vorne geschoben und dabei der innere (rechte) Gesäßknochen vermehrt belastet. Um dieses richtig zu erreichen, wird das Becken nach vorne-innen bewegt bzw. gerollt.

    Der rechte Schenkelliegt vorwärtstreibend unmittelbar am Sattelgurt.
    Der rechte Zügel sorgt bereits in der Vorbereitung des Angaloppierens bei dem Pferd für die gewünschte Stellung in Genick und Hals nach rechts.

    Der linke Zügel, als äußerer verwahrender Zügel, lässt die Stellung zu, begrenzt sie und verhindert ein Ausweichen über die linke Schulter.

    Der linke, äußere Schenkel des Reiters wird zur Vorbereitung des Angaloppierens aus der Hüfte heraus etwa eine Handbreit verwahrend hinter den Sattelgurt gelegt. Er begrenzt das linke (äußere) Hinterbein.

    Der Impuls zum Angaloppieren erfolgt durch den inneren Schenkel des Reiters in Verbindung mit einem Vorschieben der inneren Hüfte. (Mit etwas Erfahrung findet der Reiter heraus, dass das Pferd diese Hilfe, ohne zu zögern, umsetzen kann, wenn sie in dem Moment gegeben wird, in dem das innere Hinterbein vorschwingt.)

    Sobald das Pferd zum Angaloppieren ansetzt, lässt der Reiter durch leichtes Nachgeben mit der inneren Hand den Galoppsprung heraus.
Die Beibehaltung der Hilfen sorgt für flüssiges Weitergaloppieren. Jeder Galoppsprung sollte fast so geritten werden, als ob neu angaloppiert würde."
Zuletzt geändert von grisu am Di, 08. Okt 2013 14:42, insgesamt 1-mal geändert.
saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

Schwierig, die Hüfte aktiv vorzuschieben, ohne dabei die äußere zu belasten - rsptv. die innere zu entlasten :wink:

Sowas wie dieses "Kochrezept" finde ich wenig hlfreich... :?
Man nehme, so man hat....- und wenn man nicht hat ?
Benutzeravatar
Finchen
User
Beiträge: 8526
Registriert: Di, 19. Apr 2011 22:30
Wohnort: im Norden zwischen HB und HH

Beitrag von Finchen »

saltandpepper hat geschrieben:Schwierig, die Hüfte aktiv vorzuschieben, ohne dabei die äußere zu belasten - rsptv. die innere zu entlasten :wink:

Sowas wie dieses "Kochrezept" finde ich wenig hlfreich... :?
Man nehme, so man hat....- und wenn man nicht hat ?
Ich kann die Kritik zwar absolut nachvollziehen, aber da wo geschrieben wird wie es sein soll, kann vielleicht schlecht jeder "Abzweig" auf dem Weg dahin für die Zeit des Erlernens erwähnt werden. :wink:
"Das Herz mit dem Verstand begreifen zu wollen, ist so ähnlich, wie mit den Ohren sehen zu wollen." Safi Nidiaye
saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

Finchen hat geschrieben:
saltandpepper hat geschrieben:Schwierig, die Hüfte aktiv vorzuschieben, ohne dabei die äußere zu belasten - rsptv. die innere zu entlasten :wink:

Sowas wie dieses "Kochrezept" finde ich wenig hlfreich... :?
Man nehme, so man hat....- und wenn man nicht hat ?
Ich kann die Kritik zwar absolut nachvollziehen, aber da wo geschrieben wird wie es sein soll, kann vielleicht schlecht jeder "Abzweig" auf dem Weg dahin für die Zeit des Erlernens erwähnt werden. :wink:
Ja, aber dann kann man es auch weniger genau schreiben...
Kiruna Karmina
User
Beiträge: 740
Registriert: Mi, 04. Apr 2012 13:50
Wohnort: Niedersachsen

Beitrag von Kiruna Karmina »

S&P, von der Unterscheidung zwischen reflektorischen und konditionierten Hilfen habeich noch nie etwas gehört, finde es aber sehr logisch.
Ist das irgendwo in der Literatur aufgedröselt? Oder ist das eine eigene Beobachtung von Dir?
Wie würdest Du die Gewichtshilfen einordnen (z.B. das rollende Becken)?
saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

Kiruna Karmina hat geschrieben:S&P, von der Unterscheidung zwischen reflektorischen und konditionierten Hilfen habeich noch nie etwas gehört, finde es aber sehr logisch.
Ist das irgendwo in der Literatur aufgedröselt? Oder ist das eine eigene Beobachtung von Dir?
Wie würdest Du die Gewichtshilfen einordnen (z.B. das rollende Becken)?
Das ist meine ganz persönliche Einteilung. Das Ergebnis daraus, daß ich darüber nachgedacht/ nachgelesen/ nachgeforscht habe, was die Unterschiede zwischen den ganzen Wirkungsweisen sind. Und warum dabei immer so trefflich aneinander vorbeigestritten wird.
Warum z.B. die deutsche RL den Impuls bei jedem Schritt/Tritt/Sprung lehrt, z.B. ein Herr Karl das aber ablehnt.
Warum z.B. bei Bürger beschrieben, zunächst, am Anfang der Ausbildung, die konditionierte angewendet wird, später aber die reflektorische Form der Hilfengebung hinzukommt.
warum die einen mal innen, die anderen hingegen mal außen drücken, Und warum alle es sinnvoll und nachvollziehbar erklären können ( wenn sie es können :wink: ), es nachweislich- richtig ausgeführt funktioniert, obwohl es doch widersprüchlich erscheint.
Die Analyse, warum welche Hilfe wie genau wirkt - was sie bewirkt und wann, hat zu diesem Schluß geführt.

Zu deiner Frage bzgl. der Gewichtshilfen:
Ich unterscheide hier gerne in Gewichts- und Sitzhilfen. Die Sitzhilfen sind differzierter und wirken reflektorisch oder konditioniert, die Gewichtshilfen wirken ganz simpel auf die reine Gleichgewichtssituation- simple Physik.
Ich kann diese - so ich sie mir bewußt mache- gezielt jeweils alleine ( also nur Gewichtshilfe oder nur Sitzhilfe) oder aber kombiniert geben.

Ich weiß nicht genau, was du mit dem "rollenden Becken" meinst. Kannst du genauer erläutern ?
Gruß S&P
Kiruna Karmina
User
Beiträge: 740
Registriert: Mi, 04. Apr 2012 13:50
Wohnort: Niedersachsen

Beitrag von Kiruna Karmina »

Ich meine die verschiedenen Beckenbewegungen des Reiters in den unterschiedlichen Gangarten, die ja mehr oder weniger bewusst zugelassen werden und im Grad ihrer Ausprägung zur Steuerung des Tempos und zur Vorgabe der Gangart mit eingesetzt werden können.

Ist das Zulassen dann mehr reflektorisch, das Vorgeben einer Rhythmusänderung mehr konditioniert?
(Ui, das wird jetzt aber schon eine Wissenschaft :wink: .)

Die Antworten auf die von Dir aufgeworfenen "Warums" würden mich auch interessieren. Aber das wäre wohl ein neuer Thread.

Hast Du mal überlegt, ein Buch zu schreiben?
saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

Ach so, das meintest du.
Also... :
die Beckenbewegungen sind ja erst einmal nichts, was auf die Bewegung des Pferdes Einfluss nimmt, sondern vielmehr Ausgleichsbewegungen des Reiters auf die Bewegungen hin, die über das Pferd auf seinen Körper wirken.
Im Grunde also eine reflektorische Einwirkung des Pferdes auf uns :wink: (um hier bei der gleichen Wortwahl zu bleiben).
Das Pferd bewegt sich, damit wird unser Körper bewegt und damit dieser ausbalanciert bleibt, bewegt sich das Becken ausgleichend wie ein "Stoßdämpfer".

Aktiv angewiesen, bzw. angezeigt werden muß diese -bei einem losgelassenen Reiter automatisch erfolgende- Beckenbewegung ja nur dann von einem Reitlehrer, wenn ein Reiter die Beckenbewegung nicht "findet".
Die Grundbewegung ist neutral, d.h. sie wirkt - wenn sie gut vorhanden ist, nicht. Sie schafft vielmehr ein Verschmelzen der Bewegungen von Pferd und Reiter. Sie bildet das ausgleichende Moment und das verbindende Element.
Eine Einwirkung erfolgt erst, wenn der Reiter diese natürlich verbundenen Bewegungen hemmt oder beschleunigend forciert.
Diese "disharmonische" Bewegungsmodifikation bewirkt beim Pferd eine Interaktion. Das Pferd versucht nun seinerseits, die Bewegung wieder in Einklang zu bringen. Dies erfolgt reflektorisch/ automatisch, ist daher nicht konditioniert.

Erfolgt eine Einwirkung hingegen nicht mehr auf die neutrale Grundbewegung abgestimmt, - z.B. die einseitige Belastung einer Gesäßhälfte über den Grundrhythmus"links-rechts" hinaus- z.B. 2-3 Tritte, so ist dies ein deutliches, massives Eingreifen und bewirkt beim Pferd eine Störung, die eine willentliche Reaktion des Pferdes nach sich ziehen kann. Diese Form der Einwirkung kann man konditionierend nutzen.
Z.B. eine gekoppelte Sitz und Gewichtshilfe außen vor dem Galoppeinsprung.

Die feinere, weil nahezu unsichbare reflektorische Einwirkung schafft gerade im Bereich der Sitzhilfen das harmonischere Gesamtbild.
Die beiden Körper scheinen zu verschmelzen.

Gewichtshilfen erfolgen dann, wenn der Reiterkörper, -auch, wenn dies im Bereich der Bindeglieder Reiter-Becken/Pferde-Rücken u.U. ganz und gar abgestimmt harmonisch interagieren,- wenn der Reiter seinen eigenen Körperschwerpunkt mit dem des Pferdes nicht mehr übereinbringt, sondern ihn verschiebt- und damit den Schwerpunkt der Gesamtkonstellation Pferd-Reiter.

Diese Störung bewirkt beim Pferd, daß es sich wieder ausbalancieren möchte und daher dem Schwerpunkt des Reiter folgt, sich unter diesen zurückbringt. Das ist simple Physik - ein bewegter Körper bewegt sich dahin, wohin sein Schwerpunkt verlagert wird. Eine rein reflektorische Hilfe.

Auch hier sehe ich ein Problem darin, daß die Sitz und die Gewichtshilfen in ihrer Wirkung im sprachlichen Ggebrauch nicht getrennt werden.

Siehe z.B. Schulterherein : In den Bewegungsablauf des Pferdes eingebunden, rotiert der Rumpf des Pferdes in diesem Seitengang wechselseitg, aber vermehrt nach innen herunter. Dadurch sitzt der Reiter, so er mit dem Pferd sitzt, vermehrt innen ( wenn man rein das Becken in seiner Absenkung betrachtet)

Also SITZHILFE : innen/ das Reiterbecken vermehrt innen-unten.

ABER , will der Reiter seine Pferd im SH auf der Geraden gegen die Biegung reiten/ es dorthin bewegen, so muß er die GEWICHTSHILFE/ seinen Schwerpunkt nach außen geben/verlagern - das Pferd kommt unter ihn/ folgt dem verschobenen Schwerpunkt.

Fehlerquellen :
1.) Sitzhilfe ebenfalls außen : das Pferd stellt sich im ungünstigsten Fall um und blockiert die LWS-Rotation- die Schulterbalance und damit die Biegung gehen verloren. .
2.) Gewichtshilfe ebenfalls innen : das Pferd kann nicht erkennen wohin der Reiter will / folgt dem Schwerpunkt nach innen und wendet z.B. auf eine Volte ab.
Würde man hier ganz klar erklären, warum welche Hilfe wie eingesetzt werden muß, hätten viele Pferde weit kleinere Probleme.

Und beide Aussagen stimmen :
a.) Der Reiter sitzt vermehrt innen herunter : ja, mit dem Becken! und
b.) Der Reiter sitzt nach außen : Ja, mit dem Schwerpunkt ! Mit der Gewichtshilfe.
Das erklärt auch die unterschiedlichen Gewichtshilfen beim SH auf der Gerade und der gebogenen Linie.

Genauso verhält es sich nach meiner festen Überzeugung mit der Galopphilfe :
a.) Im Moment des Einsprunges, bzw. direkt davor, ist das hintere äußere Bein unter dem Schwerpunkt. dadurch ist das Becken des Reiters- so es losgealssen in die Bewegung des Pferdes eingebunden ist, innen tiefer- die Sitzbegleitung / -hilfe ist "innen vermehrt nach vorne unten ...
ABER ....
b.) um das innere Beinpaar vermehrt nach vorne zu bringen, muß das Pferd sein Gewicht vermehrt auf die Außenseite verlagern. Daher muß die Gewichtshilfe außen erfolgen, will der Reiter mit dem Pferd sitzen.

In soweit stimmen wieder beide Aussagen : man sitzt vermehrt innen, belastet aber mehr außen...

alle Klarheiten beseitigt. :lol:

Keine Angst, wem das hier zu abgehoben oder verkopft ist, der liest einfach locker-flockig drüber weg... :wink:

Buch schreiben- ja vielleicht, wenn ich nicht mehr reiten kann.... :lol:
Zuletzt geändert von saltandpepper am Fr, 11. Okt 2013 09:36, insgesamt 2-mal geändert.
Kiruna Karmina
User
Beiträge: 740
Registriert: Mi, 04. Apr 2012 13:50
Wohnort: Niedersachsen

Beitrag von Kiruna Karmina »

Danke! Super erklärt!
Und ja, es wäre wirklich gut, zwischen Gewichts- und Sitzhilfe zu unterscheiden.
Also für mich wäre das nicht zu abgehoben. Mein Hirn verknotet sich eher, wenn es etwas unreflektiert übernehmen soll.

Und das mit dem Buch nimm wirklich mal auf die to-do-list :) .
louise
User
Beiträge: 159
Registriert: So, 14. Sep 2008 23:08
Wohnort: NRW

Beitrag von louise »

Hallo,

wirklich gut erklärt und dem ist eigentlich auch nichts mehr hinzuzufügen.

Nur eines fehlt mir:

Anfangs wurde von kurzem Angaloppieren und (im besten Falle) wieder durchparieren geschrieben, den meisten fallen die Pferde jedoch aus.

Weil...
... nicht genug getrieben wird, sprich die Pferde ihrer "faulheit" folgen und ausfallen
... die Pferde die treibenden Hilfen (sei es nun Bein oder Sitz, jedenfalls das, was den Gang erhält) nicht genügend annehmen (können)
... nicht genau überlegt wird, was kann DIESES Pferd an Galopp schaffen (unter dem Sattel) und nur diese oder eine etwas kürzere Strecke wird galoppiert, um das Pferd nicht immer ausfallen lassen zu müssen und sich darüber zu ärgern, dass es die treibenden Hilfen nicht mehr annimmt und auch um dem Pferd nicht beizubringen, dass es einfach ausfallen kann, sprich die Hilfen nicht annehmen muss.
... noch viele andere Gründe, warum das Pferd nicht galoppiert...
...irgendwelche Kopfkinos den Galopp blockieren...
... der Reiter/die Reiterin nicht genügend Erfahrung hat, wann und wie er/sie treiben muss und das Pferd dadurch mehr stört und das Pferd seine Balance besser über Trab halten kann und diese dann lieber sucht.

Ich nehme den Galopp gern so früh wie möglich dazu, lasse mich aber bei Galopp-schwierigen Pferden (egal warum) unterstützen von unten. Ich lasse mich entweder longieren (nein, auch als Ausbilderin bin ich mir dazu nicht zu schade. Meine Schüler schätzen das und kennen die jeweiligen Gründe) oder mit der Peitsche nachtreiben. DAS kennen die Pferde von der Longen-Vorarbeit und nehmen diese Unterstützung gerne an. Auch wenn der Galopp schon frei gut war und durch z.B. Wachstumsphasen, die ja eine neue Unbalance bringen können, wieder "schlechter" wird, gehe ich dahin wieder zurück.
SO mache ich mir eine Hilfengebung nicht kaputt, das Pferd lernt stressfrei den Galopp zu finden und zu halten und weiss auch schnell, dass es dann ein begehrtes Lob gibt.

Es ist doch so, wenn man das Angaloppieren geschafft hat (und auch hier der beste Fall: immer den richtigen Galopp findet) und nun ans Weitergaloppieren kommt, bedenken viele nicht, dass ein überstarkes Nachtreiben, auch ein Schwungholen mit dem Oberkörper und jegliche stärkere Aktivitäten auf dem Pferd dieses ERST RECHT aus der Balance bringen und ERST RECHT den Trab suchen lassen - wenn sie nicht durchgehen....
Um es noch anders zu sagen: wir sind in der Bewegung Trab und bewegen uns mit dem Pferd, im besten Falle sind wir so weit geschult, dass wir uns der Bewegung des Pferdes anpassen und gleichzeitig die Bewegung so beeinflussen, dass sie sich entweder nicht verändert (also gleichmäßiger Trab z.B.) oder so, dass wir den Gang ändern. Ich verändere meine Oberkörperbewegung also entweder für geringeres Tempo, Versammlungen, niedrigeren Gang oder für höheres Tempo, mehr Gang (z.B. Verstärkungen) oder höhere Gangart. Durch diese Veränderung ändere ich die Balance und das Pferd wird ihr folgen - wenn es denn weiss, was gemeint ist. Und zusätzlich noch Bein-, Gewichts- und Zügelhilfen...

Also ist die Hilfe und Unterstützung von unten durchaus für alle Beteiligten sinnvoll. Denn ein stärkeres Bewegung unterstützt das Pferd nicht, sondern behindert es. Habe ich aber keine andere Unterstützung als mich selber, nutzt mir ja ein gleichmäßiges Sitzen und Treiben nichts mehr, also neigt der gemeine Reiter zu verstärkten Massnahmen (absolut nachvollziehbar) und bewirkt das Gegenteil.
Oft muss man auch bedenken, dass man vielleicht doch am Zügel festhält und das Pferd nicht frei nach vorne raus galoppieren kann. Oder das ein zu loser Zügel nicht die entsprechende Unterstützung für das Pferd bietet...
Oder dass die Strecke falsch gewählt ist, also schon zu früh geradeaus oder zu enge Wendung oder oder oder...

Ich galoppiere früh, weil der Galopp den Trab "verbessert", also zumindest in den ersten Tritten im Trab das innere Hinterbein stärker ausholt und nach vorne kommt. Weil die meisten Pferde gerne galoppieren, weil er das Vertrauen stärkt und wenn das Pferd unsicher ist, lernen kann, sich auch hierdrin wohl zu fühlen... Weil er allgemein die Balance verbessert.

Grundvoraussetzung ist für mich allerdings (allgemein vor dem Anreiten), dass die Pferde an der Longe alle Gangarten beherrschen, die Kommandos dazu, sich im Tempo variieren lassen, in Dehnungshaltung und in Arbeitshaltung (also in Anlehnung, mit Ausbindern) gehen können, die Zirkellinie und andere Linien halten können ohne das Tempo und den Takt zu verlieren, sich über die Peitsche in der Linienführung beeinflussen lassen (Zirkel verkleinern und vergrößern), sich gerade richten lassen (also die Schultern positionieren lassen) und auch die Touchierpunkte kennen, die die Muskeln positiv beeinflussen.
Also bereits dort vernünftiges Arbeiten kennen und nicht bloss ablaufen lassen und dabei Schritt, Trab und Galopp als Kommando kennen und dabei durch die Kurven schippern...
Handarbeit für die Zügelführung...
Und dann sehe ich ja bereits, wie "talentiert" ist das Pferd für den Galopp, was kann es schaffen, wie stellt es sich an... und stelle mich darauf ein!

Und dann schwingt sich der Reiter drauf - wie reagiert das gute Tier? Wie schnell findet es sich ein unter dem Reiterlein, läßt sich ein, findet es Vertrauen...
Bei einem guten, also ausbalancierten Reiter, sollte das Pferd nach ca. 2 Wochen täglichen Reitens an der Longe ruhig und entspannt sein und sich dem Longenführer weiterhin willig "unterordnen", also Signale für Schritt und Trab und Linie annehmen. Dann kommt der Galopp ruhig dazu und bei nötigem Vertrauen ist es in der Regel kein Problem. Auch wenn das Pferd dann stürmen sollte, sollte ein guter Reiter dies aussitzen und ein guter Longenführer das Pferd "abfangen" und über die Signale wieder einzufangen vermögen. Der Reiter gibt bei diesen ersten Versuchen keine Hilfe, er passt sich nur der jeweiligen Bewegung an, das Kommando kommt von unten, um eben die Balance bzw. Suche nach Balance des Pferdes nicht zu stören. Bei ausreichend gutem Sitz vermag der Reiter sogar ein Angaloppieren lobend (mit der Hand) zu unterstützen.

Leider sehe auch ich, dass dieses Optimum oft nicht zu erreichen ist.
Die Pferde sind nicht genügend vorbereitet, die Reiter nicht genügend ausgebildet, man macht Fehler, die einem auf einem anderen Pferd nicht passieren... alles allzu menschlich...

Aber das ist ja auch das Schöne: das man bei jedem Pferd neu lernt, und wenn man denkt, man kann schon was, dann kommt bestimmt so ein Zausel und belehrt einen eines Besseren... und man wird wieder demütig und überlegt neu...
Und dann muss man ja auch noch überlegen, wie man das mit dem Reiterlein so anstellt, dass er/sie versteht, warum das Pferd was macht. Wie er es besser machen kann, wie das Pferd unterstützen mit den eigenen Schwächen...

Ach ja... etwas abgeschweift... aber auch das suboptimale kann spannend sein!
Benutzeravatar
Rioja
User
Beiträge: 300
Registriert: Fr, 07. Mai 2010 17:57
Wohnort: NRW

Beitrag von Rioja »

Den Galopp reite ich in der Bahn nur, wenn das Pferd genügend im Gleichgewicht ist und auch in der Lage ist, sich zu (ver-)sammeln und das Gewicht auf die Hinterhand bringt. Auf gerrader Strecke mag das noch nicht wichtig sein, aber die nächste Ecke kommt bestimmt ... Selbst der Zirkel ist mir je nach Kanditat zu eng.
charona
User
Beiträge: 840
Registriert: Sa, 06. Jan 2007 13:05

Beitrag von charona »

Louise, danke für Deinen Beitrag!
Antworten