hohe dressur - gesunderhaltung oder doch eher verschleiß

Rund um die klassische Reitkunst

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geolina
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Beitrag von geolina »

hallo,

hab mich damit mal beschäftigt und weder meine ich ein ritterross, das mitnichten dämlich einfach dahingewalzt ist, noch meine ich die leichte kavallerie der weltkriege.

das ritterross wird glaube ich maßlos unterschätzt, der ritter mit seinen knappen 14 jahren ausbildungszeit, davon alleine 3 jahre reiten in rüstung ;), hatte wahrscheinlich deutlich mehr ahnung vom reiten als die berittenen einheiten um 1600, die durchaus auch aus bürgerlichen städtern bestand, die wenig mehr vorbildung im reiten hatten, als mal ein ausrittchen im stadtwald auf einem gemieteten braven gaul. dann natürlich eine reiterliche ausbildung bekamen, aber je mehr krieg, desto weniger, weil der menschliche und pferdige nachschub nicht mehr so funktionierte (ganz platt und böse gesagt).

da dann die große reitkunst sehen zu wollen und perfekt gedrillte pferde, die in sekundenbruchteilen versammelt werden konnten und dann wieder im gestreckten davonschnellten, um dann wieder auf dem teller zu levadieren und dann zu kapriolieren ... nö, dat kommt mir komisch vor.

und schaut euch doch die shows der wiener an - bis da eine kapriole (ohne steigbügel geritten ;), schon da beißt sich das mit der pistolenreiterei oder der späteren kavallerie) astrein klappt, hat man oft 1-2 angesetzt, die eben nicht hinhauen. auch bei diesem video zu sehen. was anders ist das als zeit, die dich dein leben kostet?

zudem war wie gesagt, die reiterei vor pappenheim (im 30jährigen krieg - 1618-48 - änderte er die taktik) eher ein - rein - schuss - raus, als ein eleganter fechtkampf, also warum die reiter dafür trainieren? und zwar so perfekt, dass die dinge können, die heute höchsten unter 1% der reiter gelingen?

elegant zu pferde fechten, das tat der noble herr zum spass und zur freude mit kumpels (da hatte man dann auch zeit kunstsprüngchen einzuflechten) und zwar im karussel ;), aber im felde?

leider hab ich zwar einiges an orginaldokumenten zum 30jährigen gelesen (da pluvinel um 1600 arbeitete müsste das ganz gut passen, populärwissenschaftlich zu empfehlen: mit gottes segen in die hölle), aber da wurde die reiterei nicht so hervorgehoben. deswegen ist vieles was ich hier schreibe nicht 100%ig gesichert, zugegeben ;).

nur schaut euch das video an - für ein kampfgetümmel ist tummeln definitiv zu langsam! (und das zu 100%) als vorbereitung, um das ross so richtig aufzuheizen, ok, aber das ist ja dann weit von kunst entfernt ;). auch alle anderen schulsprünge sind - naja - langsam halt. viel zu langsam für eine schnelle flucht oder eine finte, die den gegner in die ecke treibt, oder einem ermöglicht aus einer zu entkommen. sie sind im ansatz schon zu sehen und damit eine einladung die reitkunst gegen dich zu benutzen.

und schaut euch mal die barockstiche von den schulsprüngen an - ich kenne keinen, der reiter im felde zeigt. wenn dann stiche von feldzügen mit reitern dargestellt werden, dann habe ich da bisher auch noch keine schulsprünge gesehen. wenn das aber die reitkunst im kriege wäre - warum nicht? war ja eh kein foto, sondern gefakt ;), da hätte man dann doch ein wenig auf die kacke gehauen und gezeigt, was die eigenen reiterei so drauf hatte.

zudem schon pluvinel lernte ja bei einem reitmeister in neapel (wenn ich das richtig in erinnerung habe), der v.a. den hohen adel unterrichtete, also keine frontkämpfer, sondern reitkunst - nicht gebrauchsreiterei.

ach sapiko - reiten können auf dem niveau - herrjeh, wenn ich niveau hätte, dann würde ich einsehen, dass ich das reiten aufgeben müsste, um meinem pferd wirklich nen gefallen zu tun. ;)

alex
irgendwann wird`s schon nach reiten aussehen - irgendwann ...
geolina
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Beitrag von geolina »

hallo,

noch eine kurze bemerkung zu den seitengängen - die sehe ich mit absoluter sicherheit nicht als hohe dressur und als etwas, was nur großen könnern vorbehalten ist ;).

alex
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Gawan
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Beitrag von Gawan »

Zur Reiterei im Krieg: Für was die Pferde ausgebildet und wie gut sie geritten wurden, hing auch von der Kategorie der jeweiligen Reiter ab, ob leichte oder schwere Reiterei, wie bewaffnet und gerüstet, Adlige oder Söldner, in direktem Verbund mit Infanterie oder als selbständig funktionierende Waffengattung. Dragoner, als berittene Infanteristen, ritten z.B. auf den weniger wertvollen Pferden. Wie gut Reiter ausgebildet wurden, war natürlich immer auch eine Kostenfrage, so wurde unter Friedrich Wilhelm I. die Attacke im Galopp aus dem Reglement der Königlichen Preussischen Kavallerie gestrichen und der Galopp in der Folge auch allgemein, da unnötig, kaum geübt, denn Friedrich Wilhelm beabsichtigte "seine Pferde zu schonen und ihnen durch die anstrengende Gangart nicht die Kraft zu nehmen, die den Tieren nur mit kostspieliger Zusatzfütterung wiedergegeben werden konnte". (Quelle: Heinz Meyer, Geschichte der Reiterkrieger, Kohlhammer, 1982, S. 181 f). Ich kann mir aber durchaus vorstellen, dass ein adliger Offizier, der über die nötigen Finanzen verfügte und seine Zeit mit "Krieg spielen" verbrachte, sein Pferd bis zu einer kriegstauglichen Form der Hohen Schule ausbildete (und damit auch seine Kameraden oder die Hofdamen beeindruckte ...); ebenso klar ist, dass ein Bauernlümmel oder Schusterjunge, der in die Kavallerie (zwangs)rekrutiert wurde, das nicht konnte. Auch heutzutage wird ja nicht jeder Soldat ein Fallschirmaufklärer oder Navy Seal.

Bei der Schulreiterei wurden "Figuren und Lektionen weiterhin als militärische Übung legitimiert, obwohl sie sich praktisch von diesen Zwecken gelöst und verselbständigt hatten. (...) Die in der Renaissance florierenden italienischen Ritterakademien pflegten die Reiterei als eine besondere, die Wehrbereitschaft und den Krieg betreffende Fertigkeit der Edelleute, als Ausdruck höfischer Kultur, als Indiz einer neuen Wendung zu Welt und wohl auch als Symbol absolutistischer Herrschaft des Menschen". (a.a.O. S. 218). Pluvinel, in dessen Werk noch vom Krieg die Rede ist, steht sozusagen am Wechsel von der Kriegstechnik zur Repräsentation: Indem der König zeigt, dass er das Pferd wie für den Krieg reiten kann, erweist er sich als Herrscher.
Übergänge von realen Kampftechniken zu Kunstformen (oder Sport) finden sich auch in anderen Bereichen wie dem Schwertkampf, die jeweilige Kampftechniken wurden sozusagen kultiviert/zivilisiert. (Hab mal irgendwo gelesen, dass in der Zeit, als der Schwertkampf mit Regeln versehen und langsam zu einem Sport für Gentlemen wurde, immer wieder mal ein solcher Gentlemen bei einem Duell ums Leben kam, weil sein Gegner noch ein Krieger alter Schule war, der nicht kämpfte, um Punkte zu machen, sondern um zu töten.)

Hier eine rassige Tummelei in einer Kampfsituation (nicht so stilisiert, reiterlich nicht besonders fein und wohl kaum pferdeschonend, aber definitiv schnell; achte mal auf die Beinstellungen bei 0:58 und 1:04):
http://www.youtube.com/watch?v=fz8BiTtoLp8

Hier noch zwei Pferde, die sich ohne Reiter aber mit Stieren tummeln (auch hier sind zwischendurch Ansätze zum Terre à terre zu sehen, nicht schulgerecht, aber effizient):
http://www.youtube.com/watch?v=P_nD-ivJzVI
http://www.youtube.com/watch?v=bzfFyPNQL_U

Eben noch gefunden:
http://www.julia-thut.de/rekonstrukion-rossfechten/
http://www.julia-thut.de/rekonstrukion- ... ruktionen/
"Der Reitlehrer sei unser eigenes Pferd" SGS
(und der Schüler zeige Geduld, Demut und Hingabe)
Draussen bin ich 4:0 unterwegs, in der Halle 3:1, manchmal 1:3.
Shkan
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Beitrag von Shkan »

Was ist DAS denn für ein Pferd bitte!!!! Zahmer Stier und wildes Pferd, der "arme" Stier ist ja im wahrsten Sinne des Wortes vor'n Kopf gestossen!! Dass das Pferd noch nie von Hörnern aufgebockt wurde bei solchen Aktionen...??!!
Rapunzel
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Beitrag von Rapunzel »

Eine gewisse Fähigkeit zum Denken sollte man halt auch einem Pferd nicht per se absprechen ;-). Die beiden sind ja dem Text nach mehr oder weniger zusammen aufgewachsen, da wird der Herr Pferd schon mitbekommen haben, wie er da rangehen muss, ohne gepiekst zu werden.
Shkan
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Beitrag von Shkan »

Den Text konnte ich mangels Sprachkenntnis nicht lesen :)
Rapunzel
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Beitrag von Rapunzel »

Da steht, dass der Besitzer von Pferd und Stier (Jesus Morales, bekannter Garrocha-Reiter) den Stier mit der Flasche großgezogen hat und die beiden zusammen spielen. Das Pferd ist ein Anglo-Araber namens Halcion.
Shkan
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Beitrag von Shkan »

Danke für die Übersetzung! Dann wird einiges klarer :)

Beeindruckendes Pferd!
geolina
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Beitrag von geolina »

@gawan,

beeindruckendes tier dieser merlin ;), den kannte ich schon, dachte bei dem aber nie an die gelehrte hohe dressur.

für mich was ganz anders als bückeburg. tatsächlich kampftauglich und nicht in erinnerung, an das was mal war erstarrt und in eine sinnlose form gepresst, die der realität nicht gerecht wird und die auch irgendwie pferde manchmal blöde aussehen lässt.

evtl. ist tummeln ja von den bewegungen, die merlin da macht abgeleitet (geschichtliche gesehen), aber bei mir bleibt der eindruck des erstarrten, langweiligen, sinnfreien beim tummeln (also, da wo es dann so genannt wird *g*).

merlin tummelt nicht, der reagiert, sofort , explodiert in alle richtungen und das sieht nach pferd aus. so stell ich mir ein genial gerittenes kriegspferd vor, dass dich mit sauviel glück auch wieder nach hause bringen kann ;).

und ja, ich sehe es auch so, dass mit sicherheit die wenigsten reiter über solche tiere verfügten - arme schweine.

und nochmal herrjeh, weil ich ach so erschüttert bin von mir *g*, ich seh da nur bewegungen, die extrem belastend sind und dennoch denk ich nie autsch (obwohl mir der stier leid tut), sondern nur: geil *g*, evtl. sehr inkonsequent von mir, aber so isses leider.

alex
irgendwann wird`s schon nach reiten aussehen - irgendwann ...
saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

geolina hat geschrieben:
und nochmal herrjeh, weil ich ach so erschüttert bin von mir *g*, ich seh da nur bewegungen, die extrem belastend sind und dennoch denk ich nie autsch (obwohl mir der stier leid tut), sondern nur: geil *g*, evtl. sehr inkonsequent von mir, aber so isses leider.

alex
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Gawan
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Beitrag von Gawan »

Reiten findet ja wie andere Tätigkeiten auch immer in einem bestimmten historischen, sozialen, ökonomischen etc. Kontext statt.
Die ursprünglichen Ritterturniere wurden mit der Zeit verboten, weil es dabei zu viele Verletzte und auch Tote gab, darunter auch gekrönte Häupter. An die Stelle des Turniers trat das Pferdeballett, z.B.: http://www.reitlehre.de/ballett%20Wien.htm Dazu kommt, dass gekünstelten Formen, die nur mit viel Aufwand zu erreichen sind, auch gegen andere Schichten abgrenzen können, was z.B. auch im Tanz oder den Gärten jener Zeit zu sehen ist. Die Bückeburger Pferde gehören sicher eher in die Sparte Pferdeballett und nicht ins Ritterturnier oder vor einen veritablen Kampfstier.
Diesen Übergang von einem alltags- oder kampftauglichen Reiten zu übertriebenen Formen sieht man aber auch in anderen Reitstilen, auch dort wird spezialisiert, bis die Pferde "verblödet" wirken. Heutige Spitzen-Dressurpferde, die nur für den Reitplatz trainiert werden, wären in einer Kavallerie fehl am Platz, schon weil auf einem Kriegszug der Boden nicht immer schön flachgewalzt ist. Auch im Westernreiten führte die Spezialisierung zu teilweise grotesken Ergebnissen, ein Cowboy wie dieser hier http://www.old-picture.com/old-west/Cowboy.htm
würde vermutlich ziemlich verwundert auf eine Pleasure-Vorführung in diesem Stil http://www.youtube.com/watch?v=stEgqgnbC4M blicken.
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(und der Schüler zeige Geduld, Demut und Hingabe)
Draussen bin ich 4:0 unterwegs, in der Halle 3:1, manchmal 1:3.
le_bai
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Beitrag von le_bai »

mittlerweile engagieren sich die bückeburger europaweit für eine Wiederbelebung der ritterlichen Turniere.
TJOSTER.
da geht mittlerweile richtig was voran. die so wie raisulih (rückwärts Galopp Berber schimmel) trainierten Pferde werden da dann praktisch auch "eingesetzt" :)
Shkan
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Beitrag von Shkan »

le_bai
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Beitrag von le_bai »

das ist eines in Deutschland.
mittlerweile gibt es eine europäische "Liga" ;)
bei den amis schon länger ... :lol:
Motte
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Beitrag von Motte »

Na, das ist natürlich ganz hohe Reitkunst....

Wir hatten bei uns im Ort jahrelang ein Ritterturnier. Auch mit irgendwelchen deutschen Meisterschaften. Und ganz ehrlich:
mit REITEN wie wir das verstehen, hat das aber sowas von NIX zu tun...
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