Für und Wider des Ausbindens

Rund um die klassische Reitkunst

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grisu
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Beitrag von grisu »

Ulrike hat geschrieben: ...

Was mir gestern bei dem Gespräch so einleuchtete, war das Argument des Drucks auf die Laden, die das Pferd dann zum Kauen animieren soll.
....
LG Ulrike
Was sich mir nicht ganz erschließt: Warum möchtest du mechanisch einen Druck auf die Laden erzeugen (bei dem Gummiding übrigens ein Dauerdruck)? Und bei der Kopflonge: Warum möchtest du bei einem Pferd in diesem Ausbildungstadium Paraden geben, die auf Maul und Genick wirken (wie das beim Reiten auf diese Weise nie der Fall sein wird)? Ich habe schon weit ausgebildete Pferde mit Kopflonge gearbeitet und selbst da muss man höllisch aufpassen, denn das Ding hat eine große Gewalt. Wenn das Pferd erstmal anfängt, die Einwirkung als unangenehm zu empfinden, hat man den Salat. Dann ist das gesamte muskuläre Gleichgewicht gestört.

Lass das Kerlchen doch erstmal ein bisschen sein Gleichgewicht finden. Wenn du ihn zu sehr im Maul manipulierst und ihm keine Ruhe lässt, hat er da keine Chance und du bekommst von vornherein einen leider gestörten Dialog mit deinem Pferd. Das Chambon erreicht, dass er sich fallen lässt und sich in einer nicht gezwungenen Haltung ausbalancieren kann, ohne gestört zu werden. Wenn er das nicht mag (gibts auch), longier ihn am Kappzaum. Ganz ehrlich, nach dem was dein Pferd bis jetzt brav mitgemacht hat, ist der Kappzaum sicherlich kein Schock für ihn. :wink:

Grundsätzlich ist es vielleicht nicht ganz der richtige Zeitpunkt als nicht ganz so erfahrener Longenführer bei einem jungen Pferd in die eigene Lern- und Experimentierphase zu gehen. Überleg dir doch einfach mal deine Prioritäten (sinnvoll bspw. im Takt Schritt, Trab und Galopp auf einer einigermaßen sauberen Kreislinie, an der Hand ein bisschen seitwärts) und reit das Kerlchen erstmal an.
charona
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Beitrag von charona »

Hihi, Ulrike, der traumhafte hintergrund zu Mottes Video war mir auch schon aufgefallen. Wenn ich mal gross bin, würde ich echt gerne in so einer Umgebung leben. :lol:

Das Video von Motte gefällt mir ebenfalls gut. Ich habe Hilfszügel beim Longieren eingentlich immer abgelehnt, aber das Chambon scheint ja wirklich genau das zu bezwecken, was ich brauchen könnte. Danke für eure Beiträge!
Ulrike
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Beitrag von Ulrike »

Guten Morgen,

Nein, ich möchte keinen Druck "erzeugen", aber, Druck entsteht ja, und dann ist die Frage, wie er wirkt, um eben keine gestörte Kommunikation entstehen zu lassen.


Experimente mache ich nicht, ausser gestern, weil ich da nicht alleine rumdaddeln brauchte sondern mich mit dem Thema (mal wieder) auseinandersetzen will.


Persönlich ist das Zusammenspiel zwischen der Peitsche und den halben Paraden wichtig.

Treiben und abfangen.
Aktivieren der HH und das vorne einfangen.

Ich will mich jetzt hier nicht um Kopf und Kragen schreiben, das kann leicht zu Missverständnissen führen, denn er wird weder überbelastet noch sonstwie gequält, so eine ganz unerfahrene Longenführerin bin ich auch nicht aber überdenke gerne meine Positionen.


LG Ulrike
grisu
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Beitrag von grisu »

So habe ich es gar nicht gemeint. Mit Kopflonge und Gummi-"Halsverlängerer" hast du nur zwei empfindliche Themen getroffen.

Bei dem Gummiding, weil es viele Leute eigentlich einsetzen, weil sie das Richtige wollen ( keinen starren Druck, nachgiebiges Material etc.) und genau das Gegenteil erreichen.
Bei der Kopflonge, weil sie jahrzehntelang von jedermann genutzt wurde, ohne über die gefährliche Wirkung nachzudenken.

So wie du dein Verhältnis zu deinem Pferd beschreibst, ist er ja eben so vertrauensvoll und solche Dinge wie " wir machen mal die DoLo drauf" funktionieren unfallfrei, weil ansonsten alles in eurer Beziehung stimmt!
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Cubano
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Beitrag von Cubano »

grisu hat geschrieben:Das hört sich nach einem sog. "Halsverlängerer". Das ist der schwachsinnigste Kontraproduktivste Hilfszügel seit Erfindung des Schlaufzügels! Und er hat mit einem Chambon nichts zu tun. Wer das Ding erfunden hat, gehört gesteinigt, und wer es benutzt, sollte mal ernsthaft über die Ziele seines Reitens nachdenken! :evil: (damit meine ich jetzt nicht dich, sondern deinen Helfer)

Das Teil macht, wie du richtig erkannt hast, immer Druck, und bringt dem armen Pferd schön bei, dem Gebiss und dem Druck aufs Genick auszuweichen und sich einzurollen.
Moins,
tja, deshalb heißt das Teil ja auch gern „Unterhalsverstärker“. Und es ist echt abartig, wie viel Unsinn Leute mit dem Teil treiben, weil sie glauben, es sei aufgrund des elastischen Materials so sanft zum Pferd. Ganz irre war der Typ, der meinte, seinen 4jährigen PRE damit reiten zu wollen und das Ding viel zu kurz einstellen zu müssen. Das Pferd war nur am Steigen, bis ich kommentarlos (weil ich keine Ahnung habe, wie Halsverlängerung auf Spanisch heisst :wink: ) hingegangen und das Teil deutlich länger verschnallt habe. Zum Abnehmen konnte ich den Reiter dann leider doch nicht überreden.
„Steinbrecht ist nur schwer für den leichten Geist." (Nuno Oliveira)
Nach der SdA unterwegs :-)
Julia
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Beitrag von Julia »

Ulrike, ich biete Dir nochmal an die Arbeit am Kappzaum anzuschauen und gerne gucken wir auch zusammen mit welchem ihr am besten zurecht kommt.

Ganz viel entscheiden die Pferde welchen sie mögen.
Liebe Grüße, Julia
horsman
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Beitrag von horsman »

das Chambon ist für Zwecke den Hals nach v/a zu bringen und den Genickwinkel zu öffen ein gut geeignete Mittel. Ich wende es auch dann und wann an.

Aber Achtung bei der Anwendung!! :

Schnallt man es kurz und das Pferd kennt den noch nicht, gibt es z.T sehr heftige Abwehrreaktionen, die dem PFerd sehr weh tun können!

Schnallt man es lang und das Pferd senkt den Hals tief, denn besteht die Gefahr, das es sich in die Strippen rein tritt, was dann auch in einer Katastrophe enden wird. Deshalb nutze ich in dem Fall noch einen einfachen Halsriemen, der die Strippen beim lang verschnallten Chambon etwas zusammen hält.
First a relaxed mind, then a relaxed horse.
Motte
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Beitrag von Motte »

Josatianma hat geschrieben:@Ulrike: Ich bin zwar nicht Motte, aber wenn das Pferd beim Chambon unten angekommen ist wirkt das Chambon gar nicht mehr ein.
Genau so isset.
Vor allem kommt die Nase vor.

Danke horsmän - genau so!
esge
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Beitrag von esge »

Womit wir wieder bei dem Thema sind, dass man so oder so lernen muss: Entweder, HZ sinnvoll und richtig zu verschnallen oder eben sinnvoll und richtig ohne HZ zu longieren.

Zum Chambon aus jüngerer Erfahrung mit einem Schülerpferd: Dieses Pferd, massiv negativ vorbelastet aus einer negativen Sportpferdekarriere in England, wurde hier jahrelang mit Chambon geritten. Das war anfangs gar nicht schlecht für dieses Pferd, denke ich, aber über die Jahre fiel er immer mehr auf die Schultern und da half auch alles Aktivieren von hinten nix. Wir haben ihn jetzt auf EdL umgestellt und das konnte er nach der Chambonerfahrung (Wirkung auf Maulwinkel, endet bei Nachgiebigkeit) sehr schnell umsetzen.

Somit die Grenze des Chambons: Wenn das Pferd mal gelernt hat, den Hals fallen zu lassen, ist die Gefahr groß, als nächstes nur noch auf der Vorhand zu latschen. somit würde ich dann den Moment gekommen sehen, wo man entweder einen anderen HZ verwendet oder eben zu einer Methode ohne HZ übergeht.
Loslassen hilft
saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

Und genau dafür ist dann ein Gogue besser geeignet- auch dieses lässt das Öffnen des Genicks zu, aber eben PROPORTIONAL zum Senken des Halses. Das Pferd behält mehr Rahmen und die Gefahr, die beim Chambon darin besteht, das das Pferd einfach nur runterhängt ist nicht gegeben- wenn es richtig verpasst ist- selbstredent.
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Celine
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Beitrag von Celine »

Interessantes Video, Motte. Hach, das süße Waltherchen.

Kommt auch immer drauf an, was man erreichen will.

Bei uns ging und geht es z.B. u.a. darum, den Takt beizubehalten trotz einer Begrenzung des Rahmens, ich hab ja einen prima Taktfehler hineingeritten ins Pferd. Da sind die "starren" Ausbinder prima.

Ich finde, ungefähr so wie das Waltherchen auf dem Video läuft das Detlevtier am Kappzaum, ganz ohne Ausbinder. Also mit "Nase vor" hat er mal so gar keine Probleme 8)
Phanja

Beitrag von Phanja »

Bin ich die einzige, die das Longieren auf den Videos als stark verbesserungswürdig empfindet? Für mich fehlt die Grundvorraussetzung, um sich als Pferd anständig auf einem Kreis bewegen zu können. Stellung, Biegung, Balance. Da hilft es dann leider auch nichts, dass das Pferd versucht, den Hals fallen zu lassen.
Das ist für mich auch der Grund, warum ich zum Longieren gar keine Hilfszügel verwende. Nach meiner Auffassung gibt es halt kein mechanisches Hilfsmittel, mit dem Stellung und Biegung korrekt möglich ist. Und ohne dies macht die Bewegung auf einem Kreis einfach keinen Sinn *schulterzuck*.
Ich longiere mit Cavecon und erarbeite vom Boden eine ähnlich differenzierte Hilfengebung wie beim Reiten, um Hinterhand, Schultern, Genick da hin zu bekommen, wo ich sie haben möchte.
saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

Das hört sich gut an, Phanja, :) Stell doch auch mal einen Clip davon ein ! Würde ich gerne mal sehen.

Der Clip von Motte sollte lediglich ein Chambon im Einsatz und dessen Wirkungsweise zeigen und kein Besispiel für vorbildliches Longieren sein- hatte ich zumindest so nicht verstanden, oder Motte ?
Motte
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Beitrag von Motte »

Richtig, s&p
Dass das verbesserungswürdig ist, mag ja sein. Bei dem Pferd war die erste Priorität Lernen, den Hals fallen zu lassen. Das kannte der nämlich nicht und dafür ist ein Chambon nunmal klasse.
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Cubano
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Beitrag von Cubano »

Phanja hat geschrieben: Ich longiere mit Cavecon
Siehst Du, Phanja - und das ist zum Beispiel für mich ein absolutes No Go. Ein Cavecon ist durch die innenliegende Kette für mich zum Longieren absolut und total ungeeignet, weil es bei den meisten Pferden dazu führt, dass sie den Hals ab Widerrist einfach abknicken und so ständig überbogen sind. Das ist so ziemlich das genaue Gegenteil, was ich an der Longe erreichen möchte, nämlich ein Pferd was spurig auf dem Kreisbogen läuft.
Übrigens hat man mit einer Serreta (ohne Zacken) bei vielen Pferden exakt diesen Weg-Klapp-Effekt. So bei unserem Schimmel, der sich genau deshalb nur noch mit einem Kappzaum mit sehr breitem und weich gepolstertem Nasenriemen longieren lässt. Bei allem anderen klappt er ab, fällt massiv auf die innere Schulter – und das war es dann mit dem Effekt.
„Steinbrecht ist nur schwer für den leichten Geist." (Nuno Oliveira)
Nach der SdA unterwegs :-)
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