Unterschiede: klassisch - englisch?

Rund um die klassische Reitkunst

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greta j.
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Beitrag von greta j. »

*gretaindenRLnachguckengeht* auf die schnelle hab ich vom kappzaum nix gefunden, aber ich glaub's dir natürlich trotzdem. hab dann gleich noch zwei weitere bücher durchforstet, z.b. "doppellonge – eine klassische ausbildungsmethode" (FNbuch). in dem wird – soweit ich das jetzt überblickt hab – nix vom kappzaum erwähnt und auf allen bildern wird auf trense longiert. ABER bei "denksport reiten – die faszinierende logik der ausbildungsskala" (FNbuch) wird der kappzaum empfohlen (zumindest für eine bestimmte zeitlang) und es gibt auch kappzaum-longier-bilder zu sehen. nehm ich meine überlegung von weiter oben hiermit zurück.
muppet hat geschrieben:Man muß doch gleiches mit gleichem Vergleichen, also die Lehren, die Theorie, die Reiter, Show-/Turnierauswüchse, die Basis oder so. :oops:

Genau wie die hier vorgestellte (handvoll) Ausbilder der klassischen Reitkunst, gibt es auch sehr gute "FN"-Ausbilder. Der Sumpf ist aber größer, weil die Anzahl größer ist. Das Sümpfchen gibt es aber auch in der Klassik. Genau wie es den Turniersport gibt , gibt es merwürdige Show-Auswüchse in der Klassischen Reitkunst, die Kreise sind einfach nur noch kleiner.
ja, da hast du vollkommen recht!
"Reiten Sie Ihr Pferd glücklich." - Nuño Oliveira
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Steffen
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Beitrag von Steffen »

@ angenita: Deinem Beitrag kann ich mich voll anschließen. Wenn man die FN-Reiterei gegenüber den Prinzipien der klassischen Reitkunst abgrenzen will, dann ist es der sportliche Aspekt, der dazu führt, dass viele Reiter sich ausschließlich auf die Befriedigung ihres Egos durch das Sammeln von Punkten konzentrieren, es geht dann nur um den Reiter und nicht mehr um das Pferd. Das ist zwar nicht das Ziel der FN-Dressur, aber leider sehr häufig die Realität. Übrigens war das Reiten von Turnieren mit Punkten eines der ersten Bedürfnisse einiger "Neoklassiker" und es wurden schon eine Reihe solcher Turniere veranstaltet. Der Mensch sieht eben meist zunächst einmal das eigene Ego und dann erst das Pferd, auch wenn er das nicht gerne zugibt, weil es ja auch nicht so schön klingt. Mit der Reitweise hat das wenig zu tun.

Problematisch ist dabei insbesondere, dass die Reiter der "Neoklassiker" keine klare Orientierung haben und in der Ausbildung fast nur die spektakulären Lektionen üben. Weil sie häufig von einem Ausbilder zum anderen wechseln, und jeder etwas anderes erzählt, gibt es dort auch selten einen "roten Faden". Jeder sucht sich etwas heraus und hält sich nach drei Lehrgängen bei drei verschiedenen Meistern für kompetent genug, nicht nur ein eigenes Ausbildungssytem zu erarbeiten, sondern auch noch das etablierte Ausbildungssytem als Humbug zu bezeichnen. Ich glaube, man muss mindestens drei Pferde von Null bis S ausgebildet haben, bevor man überhaupt eine Idee davon bekommt, worauf es wirklich ankommt.

Natürlich muss man sich sein eigenes Bild machen und sollte stets aufmerksam und vor allem kritisch sein. Aber wenn man selbst nicht einmal über 1% der Erfahrung und des Wissens verfügt, sollte man Olympiasieger nicht als Trottel darstellen. Erst sollte man einmal überprüfen, ob man mit dem eigenen System ein Pferd auch nur annähernd so weit ausbilden kann. Obwohl ich persönlich auch überhaupt kein Fan der letzten Olympiasieger bin, aber im Sport wird das Ergebnis bewertet und nicht der Weg. Das ist nicht schön, geht aber wohl nicht anders.

Das Problem, einen guten Ausbilder zu finden ist schon richtig beschrieben. Allerdings gibt es bei den FN Ausbildern doch eine Reihe davon. Häufig sind das aber Leute, die ohne viel Aufsehen insbesondere an den Lektionen arbeiten, wo es bei 99,9% aller Reiter erheblich mangelt, an den Grundlagen. Das ist natürlich unglaublich langweilig, wenn man statt dessen auch ohne großes reiterliches Können spanischen Schritt, Steigen lassen und Piaffe "reiten" kann.

Was Herrn Hinrichs angeht, verstehe ich die Aufregung überhaupt nicht. Ich halte ihn für einen ausgezeichneten Ausbilder (und habe nie etwas anderes geschrieben), der sich gerade dadurch auszeichnet, dass er offen ist und keine Ideologie sondern gute Reiterei vermittelt. Ich habe ihn auch noch nie in irgend einer Weise gegen die FN-Dressur wettern hören wie einige seiner "Praktikanten" das gerne tun. Herrn Hinrichs hatte ich ja gerade als positve Abgrenzung gegenüber einigen anderen Vertretern benannt. (Vielleicht hat man mich da missverstanden)
Die Zusammenarbeit mit Frau Kemmer hat mich dann allerdings doch etwas überascht, da scheint er in der Tat noch wesentlich toleranter zu sein, als ich mir das hätte vorstellen können :roll: . Aber auch das finde ich sehr positiv, denn es zeigt, dass er den Dingen auf den Grund geht und dabei offensichtlich auch das Interesse von Leuten wecken kann, die sicher auch andere Trainingspartner finden. Umgekehrt gibt es das übrigens genau so. So weiß ich, dass z.B. der Top Trainer Johann Hinnemann regelmäßig auch mit Reitern anderer Reitstile (insbesondere Spaniern) zusammenarbeit.

Man muss wohl feststellen, dass die zum überwiegenden Teil von wenig Sachkenntnis gekennzeichnete Hetzerei fast ausschließlich von den sogenannten Schülern einiger Ausbilder kommt, die dann wohl die Lehre Ihres Meisters besser verstanden haben, als dieser selbst und die Öffentlichkeit dadurch erfreuen, dass sie feststellen, wie außerordentlich überlegen der eigene Reitstil ist, ohne das jedoch jemals unter Beweis stellen zu müssen. Allerdings erwecken solche Beiträge der Schüler, die sich oft schon nach kurzer Zeit selbst zum "Ausbilder" ernennen natürlich den Eindruck, sie hätten ihren Ursprung bei den jeweiligen Vorbildern.

Was die Geschichten von der Militärreiterei und den HDV von 1912 angeht, muss man wohl feststellen, dass es zwar sicherlich hier und dort noch Relikte aus dieser Zeit gibt, aber die moderne Dresur hat damit nun wirklich nichts mehr zu tun. Genau wie auch die höfische Kunst-Reiterei ihren Ursprung in der Kriegsreiterei hatte, sich dann aber anderen Zielen zuwandte, hat sich auch die Dressur lange schon von ihren martialischen Ursprüngen verabschiedet. Die Montonie die man in den Pflichtübungen hat resultiert wohl eher in der für die Bewertung erforderlichen Einheitlichkeit.

Was mir bei der FN allerdings ausgesprochen gut gefällt ist die Tatsache, dass man zunächst einmal sehr viel Wert auf die Basisausbildung legt. Die Neoklasisker verführen dagegen gerne mit dem Versprechen, man werde schon bald "mit Pferden tanzen" können. Das will natürlich jeder gerne.

Übrigens stehe ich der FN äußerst kritisch gegenüber, auch wenn das manchmal nicht so scheint. Das hat aber eher seinen Grund darin, dass der Sport aus meiner Sicht die Klassische Reiterei gefährdet, wie Angenita es schon so treffend beschrieben hat. Die Prinzipien der Skals der Ausblidung halte ich dagegen aus meiner bisherigen Erfahrung - insbesondere der Fehler und Rückschläge, wenn ich davon abgewichen bin - für sehr zutreffend.
Viele Grüße
Steffen, Gavilan & Duende
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Anchy
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Beitrag von Anchy »

Steffen schrieb:Ich glaube, man muss mindestens drei Pferde von Null bis S ausgebildet haben, bevor man überhaupt eine Idee davon bekommt, worauf es wirklich ankommt.

Wunderbares Killerargument!!!
Danke, für Deine Belehrung , daß hier fast niemand eine Idee von irgendwas hat, außer Dir natürlich.

Liebe Grüße
Anchy
Wenn Du es festhalten mußt, hast Du es schon verloren
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Junito
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Beitrag von Junito »

Bezüglich dessen, dass man auf FN-Turnieren stets nur das Endergebnis bewertet wird, hätte ich vielleicht noch eine Idee, die allerdings wohl aufgrund der hohen Kosten nicht zu verwirklich ist:

Die Reiter und Sponsoren, die bereit sind, die hohe Summe zu bezahlen, könnten sich über einen bestimmten Zeitraum zu einer Art Dauerprüfung zusammenschließen und Richter ihrem täglichen Training beiwohnen lassen und dieses akribisch bewerten lassen. Es könnten dabei nicht nur die Trainingsmethoden, sondern auch der psychische und physische Zustand von Pferd und Reiter bewertet werden.

Wenn dazu die Teilnehmer des Wettbewerbs sich auf einer Anlage zusammenfinden würden, könnte man zwecks Fairneß die Richter in bestimmten Abständen austauschen, so dass sie auch mal Urlaub hätten.

Von Zeit zu Zeit könnte man ja die Öffentlichkeit dazuladen und den Zwischenstand zeigen - natürlich gegen gutes Geld.

Ganz am Ende würde dann das fertige Trainingsergebnis in einem großen Ereignis der Öffentlichkeit vorgestellt.

In der Zwischenzeit sollte man dann natürlich den Stand der Teilnehmer öffentlich bekanntgeben, um die Sache transparent zu halten.

Damit wäre es dann unmöglich, unreelle oder tierquälerische Methoden anzuwenden. Die Spreu würde ganz schnell vom Weizen getrennt.

Naja, ist nur so eine verrückte Idee von mir. Aber es würde zumindest schwieriger, eigenartige Methodiken anzuwenden.
Pferde sind wie guter Sekt - es braucht Zeit und Erfahrung, damit sie perlen können.
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Larry
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Beitrag von Larry »

Ich glaube, man muss mindestens drei Pferde von Null bis S ausgebildet haben, bevor man überhaupt eine Idee davon bekommt, worauf es wirklich ankommt.
Na ja, das hast Du sicher auch nicht Steffen. :wink:

Den wenigsten ist diese Möglichkeit doch wirklich finanz. und zeitl. gegönnt. Reicht es neben dem Job doch meist nur für ein Pferd von 0 bis ?(weiß gar nicht wo ich bin :roll: )
Aber um Anchy etwas zu beruhigen: :love: Es steckt aber schon eine gewisse Halbwahrheit in Steffens (etwas unglücklich formulierten ) Satz drin.

Ich persönlich meine, dass ein guter Trainer stets Jungpferde oder Pferde in Ausbildung haben sollte, um immer wieder entsprechend feinfühlig und mit offenen Augen seiner Berufung zu folgen. Nur so bleibt man auch für Schüler und die Kleinigkeiten offen.
Kennt nicht jeder den Satz von einigen Lehrern:weiß ich doch nicht wie ich das reite-ist doch voll automatisch. Das passiert dann vielleicht dem Lehrer,der gewisse Dinge nicht mehr "wichtig" findet....

Zudem ICH persönlich mir gern anschaue, wie das eigene Pferde von so manchem Trainer läuft. Daraus ziehe ich meine Rückschlüsse und überlege für mich, WER MIR was sagen kann und wer nicht. Also in der Funktion als Trainer :wink:
Dabei ist es mir meist egal aus welche Ecke der Reiterei jemand kommt.
Für mich ist eben das ausschlaggebende an der klassischen Reiterei, mehr "Möglichkeiten"zu haben, das Pferd von der Freude an der Arbeit zu überzeugen".
Wie schon mal gesagt: rede von den normal zugänglichen Trainern für Normalbürger.
Bin ja leider reiterlich keine Klimke :lol:
Arbeit ist die einzige Entschuldigung für den Erfolg
Helmar Nahr (*1931)
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Steffen
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Beitrag von Steffen »

@ anchy: vielleicht solltest Du einmal versuchen, meinen Beitrag im Zusammenhang zu verstehen, dann kommst Du auch nicht dazu, mir so etwas albernes zu unterstellen. :wink:

Es ging darum, dass sich viele Ausbilder aus dem Bereich der "Neoklassiker" sehr stark von der etablierten klassischen Reitlehre und auch untereinander abgrenzen. Die Anhänger dieser Propheten besuchen oft mal einen Lehrgang hier und einen Lehrgang da und versuchen dann, aus dem was sie zu verstanden haben glauben, ein eigenes Ausbildungssytem zu entwickeln. Oft haben sie aber keine wirkliche Orientierung, weil diese neuen Reitlehren oft nur einzelne Ausschnitte der Ausbildung beleuchten. Andere betrachten sich bereits nach dem Besuch von 2-3 Lehrgängen als "Schüler des Propheten" für geeignet diese Lehren wiederum weiter zu geben. Das Ergebnis ist eine Ausbildung ohne System nach dem Prinzip Try and Error. Das ist nicht grundsätzlich falsch, kann aber m.A.n. nur funktionieren, wenn der Ausbilder über die entsprechende Erfahrung verfügt. Ansonsten wird man viele Pferde verschleißen, bevor man das Ziel auch nur im Ansatz erreicht. DARUM ging es in meinem Beitrag.

Das Prinzip der klassischen Reitlehre gibt dem Reiter ein vollständiges und in sich schlüssiges System in die Hand, nach dem er sich richten kann. Dabei muss er selbstverständlich auf die Eigenarten seines Pferdes eingehen, aber er hat eine Orientierung über den Weg, den er einschlagen sollte. Ich halte es einfach für unklug, wenn man glaubt , trotz fehlender Erfahrung mit Hilfe von einigen Lehrgängen das klassische Ausbildungssytem zu verwerfen und zu glauben, man könne das alles viel besser. Um das beurteilen zu können, sollte man zumindest mal 3 Pferde von 0 bis S ausgebildet haben.

Das ist bei den Teilnehmern dieses Forums kaum der Fall, bei mir natürlich auch nicht. Darum empfehle ich lediglich, dass man sich in der Diskussion etwas offener - auch der etablierten Lehre gegenüber - verhält und nicht wegen einzelner Mißstände gleich die Reiterei über den Haufen schmeißt und das Rad neu erfindet.

Das ist keinesfalls ein Killerargument, ganz im Gegenteil, es ist der Aufruf zu etwas mehr Offenheit gegenüber den Institutionen, die seit sehr langer Zeit die klasische Reitkunst pflegen.
Viele Grüße
Steffen, Gavilan & Duende
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Steffen
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Beitrag von Steffen »

Junito hat geschrieben:Naja, ist nur so eine verrückte Idee von mir. Aber es würde zumindest schwieriger, eigenartige Methodiken anzuwenden.
stimmt, ... es gibt wohl keine Sportart, wo so etwas möglich ist. Die Grenze im Sport wird lediglich durch die Medizin (Doping, Gesundheitsüberprüfungen) gesetzt.

Aber (fast) genau das, was Du verlangst gibt es doch z.B. bei den Reitinstituten in Wien, Jerez etc. Dort kann man bei der Morgenarbeit das Training und in der Show das Ergebnis bewundern.
Wenn jemand die Gelegenheit hat, mit einem Bereiter oder Oberbereiter von der spanischen Reitschule in Wien zu sprechen, kann er ja mal ein paar der hier diskutierten Themen ansprechen, insbesondere hinsichtlich der Frage, was denn nun der klassischen Lehre entspricht und was nicht. Ich habe das einmal vor Jahren gemacht, ups, die Überraschng war groß...
Man würde sich vielleicht wundern, wie weit teilweise die Auffassungen in diesem Forum davon abweichen. :wink:
Viele Grüße
Steffen, Gavilan & Duende
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Jen
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Beitrag von Jen »

hm, ich weiss nicht... ich für mich verurteile keine Reitlehre, sondern die moderne Interpretation und v.a. praktische Umsetzung davon, die mir einfach an den allermeisten(!) Orten nicht gefällt, weil sie nicht pferdegerecht umgesetzt wird. Meine Kritik gilt da eher den vielen Ausbildern, die sich in einem etablierten System bewegen und das Gefühl haben, dieser Fötzel gebe ihnen quasi den Freibrief für ihre eigene Interpretation, weil es ja die achso-klassische Reitlehre ist. Das finde ich noch viel schlimmer. Denn man möchte ihnen vertrauen, aber das Resultat ist leider häufig ein verrittenes, sauer gemachtes oder gar verdorbenes Pferd. Es gibt fast keinen offiziellen Bereiter zu dem ich ein rohes Pferd vertrauensvoll in die Ausbildung geben würde!!! Weil ich einfach zuviele fehlgeschlagene Ergebnisse gesehen habe. Das ist doch armselig! Und ehrlich gesagt ist es dann schlussendlich wurst, ob das Papier etwas anderes sagt, die praktische Umsetzung ist schlicht und einfach nicht gegeben. Ja, es berufen sich ja die meisten auf die mehr oder weniger gleichen alten Meister. Und trotzdem ist die Auslegung so unterschiedlich... wer will da schon tatsächlich beurteilen können wer "Recht" hat, wenn nicht das Pferd?
Liebe Grüesslis, Jen
***
Das Maul des Pferdes ist kein Bremspedal! Martin Plewa
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Steffen
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Beitrag von Steffen »

@ Jen: 100%ige Zustimmung

Nur, was folgt daraus???

Das Niveau der Dressur in der Breite ist nach meiner Einschätzung darum so niedrig, weil der Breitensport dazu geführt hat, dass ein jeder sein Pferd bzw. sich selbst möglichst aufs Treppchen bringen will.

Ich bin auch gar nicht so sicher, dass die Reiterei früher in der Masse so unglaublich viel besser war. Natürlich bleiben nur die Vorbilder in Erinnerung, die schlechten Reiter werden vergessen. Oliveira war in meinen Augen ein absolut begnadeter Reiter. Wer glaubt, dass Oliveira der Maßstab für das Niveau der Reiterei in Portugal ist, der gehe einmal zu einem der Dorffeste und schaue sich die Reiterei an, man würde sich wundern...

Also..., man kann doch nur versuchen, das Beste daraus zu machen. Eine neue Reitlehre zu erfinden, halte ich dagegen für eine Lösung die keinesfalls zwingend zum Ziel führen muss. Es liegt, wie Du es richtig sagst nicht an der Reitlehre, sondern an der Umsetzung.

Einen vorbildlichen Weg - jedenfalls soweit ich das bisher beurteilen kann - geht da Herr Hinrichs, der nach meinem Verständnis versucht, die etablierte klassische Reitlehre einfach auf ein höheres Niveau zu bringen, ohne deren Grundsätze über den Haufen zu schmeißen.
Viele Grüße
Steffen, Gavilan & Duende
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Celine
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Beitrag von Celine »

Steffen hat geschrieben: Einen vorbildlichen Weg - jedenfalls soweit ich das bisher beurteilen kann - geht da Herr Hinrichs, der nach meinem Verständnis versucht, die etablierte klassische Reitlehre einfach auf ein höheres Niveau zu bringen, ohne deren Grundsätze über den Haufen zu schmeißen.
Darauf eine gemeinsame "La Ola:"

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Janina
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Beitrag von Janina »

Steffen hat geschrieben:Das ist bei den Teilnehmern dieses Forums kaum der Fall, bei mir natürlich auch nicht. Darum empfehle ich lediglich, dass man sich in der Diskussion etwas offener - auch der etablierten Lehre gegenüber - verhält und nicht wegen einzelner Mißstände gleich die Reiterei über den Haufen schmeißt und das Rad neu erfindet.
Das Problem ist doch aber, dass es nun mal keine einzelnen Missstände sind.
Und auch wenn das Argument "die Theorie ist ja ganz gut, es liegt bloß daran, dass sie in der Praxis zu oft falsch umgesetzt wird" regelmäßig die "Harmonie" in solchen Diskussionen wieder herstellt, frage ich mich ernsthaft, wie gut eine Theorie sein kann, die eben nicht vereinzelt (was man mit dem besten theoretischen Ausbildungssystem nicht ausschließen könnte), sondern in der Mehrheit Missstände hervorruft und toleriert. Besonders letzteres ist für mich ein absolutes "no go".
Selbstverständlich steht auch einiges Vernünftiges in den RL, aber eben auch einiges, was das genaue Gegenteil ist. *meineMeinung*
Über´s WE ist hier wieder ein regional bedeutenderes Turnier, zu dem ich schon seit Jahren immer wieder zum Zuschauen fahre. Heute war ich dort und habe mich an den Abreiteplatz gesetzt, auf dem für eine Prüfung Klasse S (Prix St. George) abgeritten wurde.
Mir hat genau ein Reiter "ganz gut" gefallen. Komischerweise ritt der auf dem "schlechtesten" (vom Exterieur her nicht so ein "Kracher" wie die anderen Pferde, keine spektakulären Gänge, etwas ungünstiger Hals, etc.) Pferd.
Alle anderen (ich möchte jetzt nicht übertreiben, habe vllt. 10 bis 12 Reiter gesehen, also noch nicht sooo wahnsinnig repräsentativ) haben ihre Pferde permanent(!) hinter der Senkrechten gehabt und zwar vom Abreiten bis zur Arbeitsphase (von Gerte und Sporen wurde gleichzeitig ebenfalls ordentlich Gebrauch gemacht). Zwei haben in meinen Augen Rollkur, sorry Hyperflexion in Reinstform praktiziert (übrigens auch mit deutlich zurückziehenden Händen).
Ich habe an die 30 Fotos gemacht, genau auf einem ist ein Pferd an (nicht vor) der Senkrechten und ich habe nicht auf "ungünstige Momente" gewartet, geht mit meiner Kamera auch gar nicht, weil das einen simple Digi-Cam mit super langsamem Auslöser ist.
Was das jetzt bringt? Ähnliches wird man auch bei "Klassikreitern" oder Barockreitern oder wie auch immer finden? Klar, mit Sicherheit, aber die werden dann in den seltensten Fällen als "gute Reiter" präsentiert (und halten sich meistens nur selbst dafür). Die Turnierreiter aber werden für diese Art zu reiten auch noch mit Schleifchen behängt (übrigens eine derjenigen, die ihr Pferd sehr deutlich hinter der Senkrechten ritt, trug ein Kaderzeichen am Ärmel...).
Nebenbei zeigt das, dass die FN zwar den schönen Schein wahren möchte (von wegen Distanzierung von solchen Trainingsmethoden und "nette" Seminare à la "Besser reiten"), aber sich praktisch nichts verändert.
Und dafür soll ich offen sein?
Es tut mir leid, dass mir das schwer fällt :roll:
Trotzdem liebe Grüße,
Janina
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Anchy
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Beitrag von Anchy »

@ Steffen
Zu den Dorfturnieren in Portugal kann ich nichts sagen, da bin ich weniger, aber die dörflichen FN Turnier hier in Deutschland reichen mir da auch schon. So ganz im Sinne Guirienieres :shock: , auf den man sich über den Umweg Steinbrecht ja auch gern beruft.

Liebe Grüße
Anchy
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pepe
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Beitrag von pepe »

Das Dilemma ist doch gerade da wir es mit einem Lebewesen zu tun haben, können wir nicht sagen: so muss es sein. Wir haben nunmal keine Maschinen unterm Hintern. Und diese Lebewesen haben keine Reitlehre gelesen, die machen alles mit was wir ihnen im Sinne unserer "Ausbildung" antun. D.h. für mich als Ausbilder- und ich bezeichne mich als solchen, da ich damit meine Brötchen verdiene und mir Leute ihr sauer verdientes Geld für meine Dienstleistung geben- die Verantwortung, aus jedem Pferd das größtmögliche Potenzial auszuschöpfen um es gesund zu erhalten, physisch wie auch psychisch.
Für mich sind alle Reitlehren Schablonen, und ich muss erkennen inwieweit dieses einzelne Pferd mit der Schablone klar kommt und sich entfalten kann. Es gibt einzelne Dogmen die unumstösslich sind: das Vorwärts, die Biegung, das Streben nach Harmonie und Feinheit.
Die Richtlinien der FN sind hervorragend geeignet einem dabei zu helfen: nur sind sie auf das sportliche Warmblut ausgelegt. Hab ich kein solches muss ich anderes lesen, andere Ausbilder in Betracht ziehen, da die meisten FN- Ausbilder mit meinem Anders-Pferd nichts anzufangen wissen. So: und dann kommen die "Pferdetänzer", die "Versammlung-am-durchhängenden-Zügel-in-nur-fünf-einfachen-Schritten" ins Spiel. Die gaukeln den meisten auch eine systematische Ausbildung vor und dabei werden dann jungen Pferden die blanken Kandaren ins Maul geschnallt und es werden aufgerollt Tempiwechsel im Schritt geritten. Da rollts einem doch die Fußnägel auf!
Ich weiß wie sich mein Unterricht und meine Arbeit mit den Pferden und Reitern im Laufe der Zeit ändert: meistens fange ich bei der Dehnung an, beim v/a...dann kommen die Seitengänge, gemeinsam mit den Übergängen und den Tempiwechseln. So, und bei manchen kommts nach zwei, drei Jahren richtig Dicke: da verlange ich das Ganze "Genick höchster Punkt und Stirnlinie vor der Senkrechten" als ständige Forderung. Das Witzigste ist dann meist die Reaktion der Reiter und des Publikums: die sehen dann zum ersten mal ein Pferd welches sich vor der Senkrechten im Gehorsam bei aktiver, tragender Hinterhand befindet. Da sieht man förmlich die Glühbirnen angehen...Auffällig ist jedoch daß die meisten Reiter garnicht mehr wissen wie das aussieht- und das ist traurig. Und das ist für mich der größte Kritikpunkt an der deutschen Reitlehre und an ihren Ausbildern....Aber ob die anderen besser sind?
Ich gehe da mit Steffen konform: Oliveira hat es meisterlich verstanden die Schulen miteinander zu verbinden. Und genau das ist es doch: keine Scheuklappen haben, über den Tellerrand hinausschauen, kritikfähig bleiben und das Ziel im Auge behalten....
"Reiten Sie Ihr Pferd teuer!" -Richard Hinrichs
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Anchy
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Beitrag von Anchy »

Da stimme ich Dir zu Pepe.
Aber ich glaube , es kommte Bewegung in die Fn :D .
Gestern auf der Equitana live erlebt!!! Beim Barockpferdecup! Leute , ich konnte es nicht fassen und ich vergebe Bestnoten an die Richterin, deren werter Name mir entfallen ist. Eng und eingerollt ging gar nicht, da konnte der Friese Trabversträrkungen anbieten ,bis sich das Fesselgelenk zum Karpus neigte. Sie hatte den Mut, offen eine recht anerkannte "Barockausbilderin" für ihr viel zu eng eingestelltes und verspanntes Pferd zu kritisieren und dieses ungeachtet des Publikumbeifalls mit Punktabzug zu bestrafen. RESPEKT!!!
Außerdem habe ich sehr interessiert Herrn Putz zugesehen , der immer wieder Wert auf ein offenes Genick und eine feine Hilfengebung legte. Recht deutlich wurde Herr P. am Abend, als er ganz offen zu den überflexten Pferden in Halle 10 (glaube ich )Stellung bezog.
Ich habe ihm gerne und sehr interessiert zugesehen und auch wenn dies nicht mein System ist und wird, so hoffe ich, daß solche Ausbilder ein Umdenken bewirken.

Liebe Grüße
Anchy
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dshengis
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Beitrag von dshengis »

Anchy hat geschrieben:ich vergebe Bestnoten an die Richterin, deren werter Name mir entfallen ist.
Britta Schöffmann ist der Name der Richterin (die auch mir gut gefiel). Bekannt durch Bücher wie "Lektionen richtig reiten" oder "Die Skala der Ausbildung. FN-Richtlinien in der Praxis". Auf sehr angenehme Art hat sie mal wieder eines meiner Vorurteile widerlegt :)

Herr Putz gefiel mir (per live-stream) nicht: zugegebernmaßen waren seine Ausführungen aber auch schlecht zu verstehen, jedenfalls passierte aber bei den Reitern und Pferden recht wenig. (Selbige kamen wohl übrigens aus dem Stall jener bekannten Barockausbilderin, die Frau Schöffmann so kritisierte ;))
Zweimal ungefähr vernahm ich schon sowas wie "Mal länger lassen", nur geschah daraufhin einfach nichts :? , während die Pferde durchweg zu eng liefen, zumeist auch schön hdS :twisted: Fand ich wenig überzeugend, in keinster Weise.
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