Dr. med. vet. G. Heuschmann: Finger in der Wunde

Hier werden von uns neue Fachbücher vorgestellt

Moderator: Josatianma

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Josatianma
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Dr. med. vet. G. Heuschmann: Finger in der Wunde

Beitrag von Josatianma »

Finger in der Wunde
Was Reiter wissen müssen, damit ihr Pferd gesund bleibt
von Dr. med. vet. Gerd Heuschmann
wuwei-verlag 2006
142 Seiten 24,80 €


Dr. med. vet. Gerhard Heuschmann, Jahrgang 1959, wuchs mit Pferden auf, absolvierte eine Ausbildung als Pferdewirt Schwerpunkt Reiten und studierte Veterinärmedizin in München. Er war Zucht-Referent der FN, Mannschaftstierarzt beim DOKR und führt eine Fachpraxis für Pferde in Warendorf, wo er auch für den Unterricht in Veterinärkunde an der Deutschen Reitschule in Warendorf zuständig ist.

Mit diesem Buch möchte er der „Zieh- und Quetschgesellschaft“ den Kampf ansagen!

Auf die Eingangsfrage „Wer ist für die Situation verantwortlich?“ versucht er die entscheidend mit dem Pferd befaßten Personengruppen zu analysieren. Seine Aufforderung an alle Beteiligten lautet: ihr Wissen über das Pferd, vor allem auch seine körperlichen Voraussetzungen, zu erweitern und „Pferdeverstand“ zu entwickeln.

Beim Versuch zu ergründen was Klassische Reitkunst ist, zitiert er etliche
Grundsätze der Heeresdienstvorschrift 1912 die sich mit der Ausbildung des jungen Pferdes befassen, die heute jedoch „allzu oft mißachtet“ werden.

In den folgenden Kapiteln befaßt er sich dann mit den anatomischen Grundlagen, dem funktionalen Zusammenspiel und den Konsequenzen für die Ausbildung des Pferdes, der physiologischen Ausbildung des Pferdes und dem tierärztlichen Aspekt der Ausbildungsmethodik.

Die Ausführungen sind reich bebildert und auch für den medizinischen Laien leicht verständlich. Er befaßt sich sowohl mit dem Skelett, vor allem der Wirbelsäule und wie diese durch korrektes aber auch falsches „handdominiertes Reiten“ beeinflußt wird, sowie ausführlich mit der Muskulatur und der Bedeutung der einzelnen Muskelgruppen für Trage- oder Bewegungsfunktionen.

Sehr interessant die Gegenüberstellung der Skelett- und Muskelskizzen eines relativ aufgerichteten Pferdes, das in der Lage ist die Kruppe zu senken und unter den Schwerpunkt zu treten und des absolut aufgerichteten Pferdes mit „falschem Knick“ engem Hals hohlem Rücken und herausgestelltem Hinterbein sowie dem extrem tief eingestellten Pferd mit falschem Knick, überspanntem Rücken überstrecktem Lumbosacralgelenk und herausgestelltem Hinterbein.

Aus tierärztlicher Sicht stellt Dr. Heuschmann fest: „Der größte Teil der schwerwiegenden Ausbildungsfehler wird am Beginn, also während der Grundausbildung gemacht. Die ersten beiden Ausbildungsjahre beinhalten die größten Entwicklungsschritte des mächtigen Pferdekörpers.“ Seine Forderung: „Wir brauchen für die klassische Ausbildung ZEIT.“

Er ruft auch seine Fachkollegen auf bei Lahmheitsdiagnosen nicht nur am Symptom zu kurieren sondern auch nach den Ursachen einer unter Umständen falschen Ausbildungs- oder Reitweise zu forschen.

Außer der sogenannten Rollkur prangert Dr. Heuschmann auch den Schau- oder Turniertrab an, bei dem die Vorderbeine extrem gehoben werden, die Hinterhand aber nicht den entsprechenden Schub entwickelt und der oft zu Beinschäden führt. Scharf wendet er sich gegen zu eng zugeschnürte Mäuler: „Auf keinen Fall dürfen Nasen-oder andere Sperriemen zu stark angezogen werden. Der Kiefer muß beweglich bleiben und die Atmung völlig frei sein, sonst bauen sich Spannungen auf, die sich auf den ganzen Körper übertragen.“

In seiner Schlußbemerkung ist ihm unverständlich „daß man als pferdebegeisterter Mensch ohne jegliche Qualifikation ein Pferd besteigen darf und sich von diesem Moment an „Reiter“ nennen kann.“ und fragt sich: “Wäre es nicht an der Zeit, den Einstieg in den Reitsport zwingend mit einer soliden theoretischen und praktischen Ausbildung zum Wohle unserer Pferde zu koppeln?“

In seinem Schlußwort nimmt er die Turnierrichter in die Verantwortung: “Geritten und trainiert wird, was auf dem Turnier belohnt und beklatscht wird!“

Es folgen die „Neun Ethischen Grundsätze des Pferdefreundes“, deren erster alle weiteren im Grunde einschließt: “Wer auch immer sich mit dem Pferd beschäftigt, übernimmt die Verantwortung für das ihm anvertraute Lebewesen.“

Ein Buch, das Mißstände aufzeigt und dem engagierten Reiter, der seinen Umgang mit dem Pferd kritisch hinterfragt fachliches Grundwissen an die Hand gibt. Leider verzichtet Dr. Heuschmann auf Anweisungen zur korrekten Ausbildung des Pferdes. Er zitiert die HDV 12 und die Skala der Ausbildung der FN an die sich ja in den vergangenen Jahrzehnten aus den unterschiedlichsten Gründen die wenigsten Reiter gehalten haben.

Neben Skizzen und Bildern vom Skelett und der Muskulatur des Pferdes wird der Text auch durch reichliches Bildmaterial von falschen und korrekten Beispielen vervollständigt. Bei den „korrekten“ Bildern zeigt sich allerdings die Schwierigkeit heute ein wirklich korrekt gerittenes Pferd zu finden und dem kritischen Betrachter fällt doch eine Nasenlinie hinter der Senkrechten oder eine Hinterhand die nicht genug gesenkt ist auf.

Autorin: Ravata
Liebe Grüße, Sabine

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WILANO

Beitrag von WILANO »

... ein sehr informatives und (mal wieder) aufklärendes buch... kann ich nur empfehlen. Vor allem werden die verschiedenen Muskelpartien etc. sehr gut beschrieben.
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Maja
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Beitrag von Maja »

Nachdem ich Herrn Dr. Heuschmann auf der Partner Pferd erlebt habe, werde ich mir sein Buch holen. Endlich mal einer, der kein Blatt vor den Mund nimmt.

LG
Maja
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Jen
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Beitrag von Jen »

Als das Buch rauskam, habe ich es mir sofort gekauft und in wenigen Std durchgelesen gehabt. Ich muss ehrlich sagen, dass ich etwas enttäuscht war vom Buch. Als interessierte (Klassik-)reiterin hatte es in diesem Buch für mich nichts Neues drin und fand es sehr oberflächlich abgehandelt, da fand ich den Udo Bürger/Otto Zietzschmann "der Reiter formt das Pferd" ausführlicher und informativer. Für jemanden, der sich aber noch nie/nicht gross mit der Materie befasst hat, ist der Heuschmann sicher gut verständlich und ich finde es auch gut, dass er Missstände anprangert.
Liebe Grüesslis, Jen
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ottilie
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Beitrag von ottilie »

Hallo,
also ich muß sagen, mir gings da ähnlich wie Jen.
Aber da es ja als überragende Leistung gilt, überhaupt mal seinen Mund aufzumachen und gegen die Mißstände vorzugehen (und leider nicht als Selbstverständlichkeit), muß man die Intention auf jeden Fall begrüssen.
Und erklärt und bebildert ist es schon ganz gut, so daß die Argumentationen auch entsprechend nachvollzogen werden können.
Viele Grüsse
ottilie
Es grüsst ottilie
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kiki
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Beitrag von kiki »

Danke Jen,

hatte mir schon überlegt mir auch den Heuschmann zu kaufen, da ich aber "der Reiter formt das Pferd" habe ( übrigens auf deine Empfehlung hin, ich finde es auch sehr gut ) kann ich mir dieses Buch wohl sparen und lieber ein anderes wichtiges kaufen ( es gibt ja noch so viele ). :wink:
minou
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Beitrag von minou »

Ich finde, Heuschmanns Buch ist einfacher zu lesen, als Udo Bürger.
Müßte daher auch einem "Nicht-Klassiker" verständlich machen, was richtig ist (mein Gott, bin ich wieder böse).

Ich habe Herrn Heuschmann auch schon in "echt" erlebt, und sein Engagement hat mich sehr berührt.

Ist bestimmt nicht verkehrt, dieses Buch zu kaufen.


Carola
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Beitrag von kallisto »

H. Heuschmann hat zu uns gesagt, dass bald eine zweite Auflage (noch dieses Jahr) heraus kommen wird, bei dem noch einiges intensiver beleuchtet wird.

LG Susi
heike61
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Beitrag von heike61 »

öhm,

einfacher zu lesen bedeutet doch nicht auch zwangsläufig einfacher zu verstehen...............
das hängt von anderen faktoren ab.
Wenn du weitergehst, ändert sich deine Perspektive!
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kiki
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Beitrag von kiki »

heike61 hat geschrieben:öhm,

einfacher zu lesen bedeutet doch nicht auch zwangsläufig einfacher zu verstehen...............
das hängt von anderen faktoren ab.
Genau.

Und mir geht es nicht darum wie was zu lesen ist, mir geht es darum als "Klassik"reiterin die schon viele Bücher aus diesem Fachbereich gelesen hat tiefgründigere und fachlich speziellere Informationen zu bekommen.
Oberflächlich abgehandelte Bücher habe ich aus meiner Anfangszeit genug, da hat man ja alles gekauft was nur mit Klassik zu tun hatte und dann stellt man nachher fest, daß das schon alter Kaffee ist und man das Geld für ein besseres Buch hätte ausgeben können.

Ich lese alle Bücher erstmal ausgeliehen aus der Bücherei, dann entscheide ich, ob mir das einmal lesen reicht oder ob ich es als Nachschlagewerk dauerhaft brauche.
Tess
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Beitrag von Tess »

Ich denke mal, das Buch hatte auch eine etwas andere Zielgruppe als den durchschnittlichen klassikreiten.de - Nutzer :wink:
minou
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Beitrag von minou »

Hallo,

der Titel "Finger in der Wunde" ist reisserisch und wird deshalb mehr Leute erreichen als ein braves "Der Reiter formt das Pferd".

Die Leute mögens gern "blutig", siehe einige Fernsehsender und Tageszeitungen.

Solche Bücher lesen eh nur solche Leute wir wir, die ihr Pferd sowieso so vernünftig wie möglich reiten. Der Rest macht lieber die Augen und Ohren zu (wie die drei berühmten Affen).

Genau wie Sendungen über Tierquälereien. Wir schauen uns sowas an und heulen uns nächtelang in den Schlaf.
Derjenige, der sein Fleisch im Discounter (aus der Massentierhaltung) kauft, schaltet lieber um, so nach dem Motto: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß!

War leider "off Topic", mußte aber mal gesagt werden!


Carola
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Jen
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Beitrag von Jen »

Tess hat geschrieben:Ich denke mal, das Buch hatte auch eine etwas andere Zielgruppe als den durchschnittlichen klassikreiten.de - Nutzer :wink:
Ja, da hast du sicher recht! Und ich denke, dafür ist ein Heuschmann auch die richtige Person dazu.
Liebe Grüesslis, Jen
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Rinchen
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Beitrag von Rinchen »

Hallo,

ich will mich auch mal ein bisschen mehr mit Anatomie beschäftigen, um wenigstens richtig fundierte Argumente geben zu können.
Wie ich das so raushöre, würden da doch mehr Reiter formt das Pferd empfehlen ? Ist ja schon recht alt vom Erscheinungsdatum, ist da alles noch aktuell auf dem neuesten Stand bzw. richtig ?
Ist halt auch eine Preisfrage, das Buch ist etwas billiger als der Heuschmann.
minou
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Beitrag von minou »

Im Udo Bürger Buch bekommst du halt viele Tipps für das richtige Reiten dazu.

Bei Heuschmann wird richtiges Reiten nur oberflächlich behandelt.
(meine Meinung).

Carola
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