Trageerschoepfung- was soll das sein?

Rund um die klassische Reitkunst

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esge
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Beitrag von esge »

Ich empfehle das Buch "Illusion Pferdeosteopathie" von Tanja Richter. Kapitel 6.1, Die Trageerschöpfung (S. 92 ff)

Aber auch ansonsten ein Buch, das einen keineswegs dümmer macht...
Loslassen hilft
saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

So ist es, esge !
Und Cubi : für den unbedarften Reiter kann man aber sagen : " du hast Rückenschmerzen, vermeide lange gebückte Haltungen bei der Arbeit !"

oder aber " dein Pferd hat Trageerschöpfung, bleib unten !"

:wink:

Dass es damit nicht allein getan ist, ist selbstredend.
Kiruna Karmina
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Beitrag von Kiruna Karmina »

Oder "Kolik". Das ist ein recht klar umschriebenes, spezifisches Krankheitsbild, was aber ebenfalls alle möglichen Ursachen haben kann. Vom Wetterumschwung, über Stress, Futterumstellung, schlechtes Futter bis hin zur Vergiftung und sonstwas. Trotzdem ist das (verlaufsorientierte) Behandlungsschema recht ähnlich.
Ulrike
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Beitrag von Ulrike »

Guten Morgen,


Nun habe ich mich durch die interessanten Links gelesen, der Schweizer Link, den werde ich noch mal ausführlicher besuchen.

Dennoch, der Begriff Trageerschöpfung ist chic, für mich aber nicht sicher zu definieren.


Ein falsches Bewegungsmuster, falsch trainierte Fascien ( hm) schlechter Sattel, etc. führen zu so unterschiedlichen Ausprägungen beim Pferd, das mir Trageerschöpfung als zu kurz gesprungen erscheint.

Es ist ein interessanter Begriff, allerdings ist Senkrücken, Entwicklung von Schubkraft oder Tragekraft, etc. umfassender und besser diskutier- und bearbeitbar.


Ein Syndrom ist eine Krankheit, deren Ursache noch nicht definiert ist, sonst wäre es ein "morbus...".
Trageerschöpfung ist somit kein Syndrom sondern wirklich ein sehr griffiges Wort für viele Erscheinungsformen, die doch schon Namen haben.


Heute morgen habe ich beim Spazierengehen darüber noch mal nachgedacht, vor allem für meine Schimmelin.

In den letzten Jahren konnte ich wirklich von einer Erschöpfung sprechen, die mir lange keiner erklären konnte.
Ich habe es mal nicht auf mein Gereit geschoben, zum ersten Mal nicht.

Dennoch bin ich Weihnachten heulend abgestiegen und war drauf und dran, alles aufzuhören.


Diese Erschöpfung war so deutlich spürbar, es war ein Elend.
Mit dem TA habe ich da gestanden, das Pferd sozusagen noch mal neu erfunden... Er kam dann auch endlich auf die Lösung, dieses Pferd war trotz regelmäßiger Entwurmung völlig verwurmt mit Pfriemenschwänzen.

Entsprechend sah der Rücken aus, aufgrund von lauter Schmerz im Darm.
Ich hätte im Boden versinken mögen, gleichzeitig hatte ich aber doch auch immer wieder hingeschaut, bla, bla, bla!


Mit der Entwurmung wird aus dem Entlein nun wieder der Schwan, der sie ist, zeitgleich noch ein neuer Sattel und das alte Temperament kehrt zurück.


Also, auf Trageerschöpfung hätten sich viele berufen können, die war spürbar als echte Erschöpfung. Daran war sie aber nicht erkrankt sondern sie hatte Schmerzen aufgrund einer starken Verwurmung.

Das ist mir peinlich, zu schreiben, denn irgendwie habe ich ja geschludert.
Was ich nur sagen will, ist, das Trageerschöpfung zu kurz gesprungen erscheint, oder, den Blick dennoch auf alle Formen der Gesundheitsbelastung gerichtet eventuell verhindert.


LG
Ulrike
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Jen
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Beitrag von Jen »

Das Wort Trageerschöpfung ist KEINE Diagnose! Es ist ein rein deskriptiver Begriff.
Liebe Grüesslis, Jen
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Fiorella
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Beitrag von Fiorella »

Hmmh, dann finde ich das Wort aber schwierig gewählt, denn es benennt ja irgendwie schon eine Ursache. Jedenfalls interpetiere ich es so, als beschriebe es eine Erschöpfung, die auf das Tragen zurückzuführen ist.

Eine Zustandsbeschreibung wäre für mich eher etwas, was rein auf die äusserliche Erscheinung abstellt.

Gruss, Fio
Juniperus
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Beitrag von Juniperus »

Interessant, für mich liest sich das Wort ganz anders... Das Pferd ist nicht erschöpft VOM / DURCH das Tragen, sondern nur, dass es jetzt nicht mehr in der Lage IST zu tragen... Also ein aktuell bestehender Zustand (eben die Trageerschöpfung), der jetzt besteht, dessen Ursachen aber abgeklärt werden müssen.

Das macht vielleicht den Verständnisunterschied aus?

Ulrike, gut, das ihr noch auf die Lösung gekommen seid. Manchmal ist es wirklich die Nadel im Heuhaufen und kann einem wirklich neben schlechtem Gewissen auch absolut graue Haare machen.
sinsa
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Beitrag von sinsa »

Ich finde Ulrikes Beschreibung ihrer Stute ein sehr gutes Beispiel dafür wo die Gefahren des neumodischen Begriffs "Trageerschöpfung" liegen.
Im übrigen ist das beinahe das gleiche Problem mit sämtlichen "Syndromen", die man so "erfunden" hat.
Ein HWS-Syndrom kann z.B. einfach alles sein. Vom mehr oder weniger verspannten Nacken eines Hypochonders bis zu
einer gesundheitlich relativ gefährlichen Veränderung an der HWS.
Sowas hilft keinem der ein echtes Problem hat, das man womöglich sogar recht einfach auch beheben könnte.
Zudem frage ich mich, warum man diesem Wischi-Waschi noch Vorschub leisten sollte. Ein klares: "Der Sattel ist sch***!" hilft einfach wesentlich mehr. Ist halt nur blöd, wenn man als Osteo/Physio/sonst. Behandler dann das Kind beim Namen nennen muß. Aber ganz ehrlich: wenn man sich die Hände nicht nass machen möchte, ist Frisör halt auch eine bescheuerte Berufswahl.
Rapunzel
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Beitrag von Rapunzel »

Der Begriff Trageerschöpfung bewirkt jedenfalls sofort ein megaschlechtes Gewissen beim Besitzer/Reiter ;-)

Bei dem ersten Link (Babette Teschen) finde ich die Beschreibung ganz gut, die Fotos dazu lassen mich aber dann wieder arg an der Kompetenz der Verfasser zweifeln, denn das abgebildete Pferd zeigt nicht die beschriebenen Symptome, sondern ist schlichtweg viel zu dünn und hat keinerlei Muskeln in der Oberlinie. Die angebilich "abgesunkenen"/"aufgewölbten" Bereiche sind weder das eine noch das andere, sondern zeigen lediglich den ganz normalen Verlauf der Wirbelsäule, wenn diese nicht von Muskeln "abgepolstert" ist.
Fiorella
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Beitrag von Fiorella »

Juniperus hat geschrieben:Interessant, für mich liest sich das Wort ganz anders... Das Pferd ist nicht erschöpft VOM / DURCH das Tragen, sondern nur, dass es jetzt nicht mehr in der Lage IST zu tragen... Also ein aktuell bestehender Zustand (eben die Trageerschöpfung), der jetzt besteht, dessen Ursachen aber abgeklärt werden müssen.

Das macht vielleicht den Verständnisunterschied aus?
Vielleicht. Aber ich habe mir das Thema nun daraufhin noch mal durchgelesen, und die meisten verstehen es anscheindend eher so wie ich. Wie es von denen, die den Begriff erfunden haben, gemeint war, weiss ich leider nicht.

Vielleicht kann ja jemand von denen, die sich mit der Sache schon mehr beschäftigt haben, mehr dazu sagen?

Gruss, Fio
Fiorella
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Beitrag von Fiorella »

Ich finde zum Beispiel das Pferd auf dem Foto, das Saltandpepper verlinkt hat, einfach zu dünn, und schlecht bemuskelt.
Das ist zunächst mal meine Zustandbeschreibung.

Daraus kann man natürlich mit hoher Wahrscheinlichkeit darauf schliessen, dass es schlecht trainiert wurde. Damit habe ich aber schon einen Schluss aus der Zustandserfassung gezogen. Dieser kann zutreffend sein, muss aber nicht.

Gruss, Fio
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Jen
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Beitrag von Jen »

Das Problem ist, dass viele Menschen nicht zwischen Symptom (Ist-Zustand) und Ursache (Grund für Zustand) und zwischen Korrelation und Kausalität unterscheiden kann. In der Wissenschaft ist das eindeutig definiert. Laien verwechseln gerne das eine mit dem anderen.

Manchmal lässt sich halt eben keine eindeutige Diagnose stellen! Wie eben gerade bei der verwurmten Stute. Hätte man da einfach darauf beharrt "der Sattel ist scheisse" hätte man die tatsächliche Ursache nicht gefunden! Und sehr oft sind es mehrere Faktoren, die zu so einem Resultat führen: schlechter Sattel, schlechtes Futter, schlechter Reiter, Parasiten, Zähne, Tumor... oder oder oder und und und...
Liebe Grüesslis, Jen
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Fiorella
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Beitrag von Fiorella »

Ich würde es einfacher ausdrücken: Das Problem ist vielfach, dass viele Leute nicht zwischen Wahrnehmung und Wertung unterscheiden können. ;-)
Lilith79
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Beitrag von Lilith79 »

Jen hat geschrieben:
Manchmal lässt sich halt eben keine eindeutige Diagnose stellen! Wie eben gerade bei der verwurmten Stute. Hätte man da einfach darauf beharrt "der Sattel ist scheisse" hätte man die tatsächliche Ursache nicht gefunden! Und sehr oft sind es mehrere Faktoren, die zu so einem Resultat führen: schlechter Sattel, schlechtes Futter, schlechter Reiter, Parasiten, Zähne, Tumor... oder oder oder und und und...
Naja, aber wenn Pferd so aussieht und die oder eine Hauptursache ist eine starke Verwurmung, dann ist "Trageerschöpfung" auch nicht grade ein Oberbegriff, der einen Laien gedanklich in die Richtung der richtigen Ursache bringt, oder?
sinsa
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Beitrag von sinsa »

Rapunzel hat geschrieben:Der Begriff Trageerschöpfung bewirkt jedenfalls sofort ein megaschlechtes Gewissen beim Besitzer/Reiter ;-)
Ja, genau so klingt das - und was genau soll daran jetzt eine Hilfe sein?
Wie man es dreht und wendet, der Begriff bringt nichts.
Aber gut, demnächst sieht vielleicht jemand das schlecht gefütterte Pferd einer guten Reiterin, die man nicht leiden kann. Dann mag es für einige ja ein innerer Reichsparteitag sein so jemandem ein Pferd mit Trageerschöpfung um die Ohren zu hauen. Das wird sicher helfen - vor allem dem Pferd, oder so ähnlich :roll:

Für den normal-bemühten Reiter ist so ein Begriff gleichbedeutend mit einer Stigmatisierung, was das Hilfe suchen nicht besser macht. Übrig bleibt dann das sich so jemand mit dem Problem alleine gelassen fühlt. Der Behandler hingegen muss sich nicht weiter die Mühe geben einen sinnvollen Beitrag zur Änderung herbeizuführen. Hey! Der hat doch gesagt, dass das Tier eine Trageerschöpfung hat. Damit hat er den schwarzen Peter schön ominös irgendjemandem zugeschoben und wer auch immer am Ende Schuld ist - er war es nicht.

Geil auch die möglichen Stalldiskussionen: Der SB füttert keinesfalls zu wenig, das ist eine Trageerschöpfung.
Ich freue mich auch schon auf die passenden Forendiskussionen zum Thema. Man kann jemanden eh nicht leiden. Super, dann ist das Pferd eben nicht zu dünn, sondern hat Trageerschöpfung. Blöde Reiterin aber auch!

Trageerschöpfung - entdecke die Möglichkeiten!

Ein Syndrom oder entsprechend eine Trageerschöpfung hat man immer dann, wenn der Fachmann keinen Plan hat, was er vor sich hat und was man dagegen tun sollte/könnte.
Je mehr man sich von solchen Schlagwörtern verarschen lässt, desto weniger kann man auf kompetente Hilfe hoffen. Mit der Trageerschöpfung ist das nicht einen Deut anders wie mit den Syndromen.

Am Ende aber ist es ja so: wenn nur genug Leute darauf abfahren für eine verzwickte Situation einen tollen Namen zu haben, desto eher wird das Wort irgendwann übernommen werden. Geholfen ist mit dem Wort allerdings genau gar keinem. Den Pferden hilft es nicht und auch für die Menschen ändert sich nichts. Der Zustand bleibt, bis jemand herausfindet, woran es in dem jeweiligen Fall gelegen hat.
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