Kind die Angst vorm Reiten nehmen

Rund um die klassische Reitkunst

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Fleury
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Kind die Angst vorm Reiten nehmen

Beitrag von Fleury »

Hallo ihr Lieben,
Vielleicht habt ihr ja den ein oder anderen Ratschlag für mich. Meine Tochter (8) hatte im letzten Jahr einen Reitunfall mit der Folge eines Armbruches. Tja, dumm gelaufen... Nichts desto Trotz wollte sie wieder aufs Pferd, aber die Angst ist ihr ständiger Begleiter.
Sie reitet ihren kleinen Mann (nicht das Unfallpony) selbstständig in Schritt und Trab, an Galopp denken wir noch lange nicht, erst muss mal das eigene Vertrauen wieder wachsen.
Immer nach dem Motto alles kann, nichts muss. Gefühlt schluckt sie die Angst runter und versucht sie nicht nach außen zu tragen. Am Mittwoch war sie aber emotional vorbelastet (Verlust eines unserer Pferde) und das ganze Drama nahm seinen Lauf. Sie weinte beim Traben und hat sich völlig verkrampft. Sie hat ihr Gereit in der Stunde zwar durchgezogen (15 Min) aber ich konnte es kaum mit ansehen, sie war völlig aufgelöst.
So, was tun? Sie muss wegen meiner nicht reiten, aber grundsätzlich hat sie glaube ich Spaß dabei. Abwarten? Den Unterricht einstellen und ich übernehme das wieder? Interpretiere ich zuviel hinein? Ich habe sie jetzt mal für ein Gelassenheitstrainingswochenende mit Pony und Mama angemeldet. Vom Boden hat sie keine Probleme und dem Pony wird es gut tun.

Vielleicht habt ihr Ähnliches erlebt, oder im Unterricht 'therapiert' oder oder oder.. Für Anregungen wäre ich dankbar
:)
Fleury
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Beitrag von Fleury »

Dieser Smiley war eine 8 in Klammern. Sie ist acht Jahre alt.
Julia
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Beitrag von Julia »

Hallo

wo kommt ihr denn her?

Magst Du noch mehr erzählen? Wie lange reitet sie schon, wie lange ist der Unfal her? Wie war sie vorher, auch eher vorsichtig oder ein Draufgängertyp? Wo ist das Pony mit dem sie gestürzt ist und was macht sie noch mit dem? Wie schnell saß sie nach dem Sturz wieder im Sattel, auf welchem Pony und wann war sie das erste Mal wieder im Stall?

Ich hatte lange Zeit eine kleine Kinderreitschule (sehr individuell) und frage von daher nach, ich würde Euch gerne helfen :-) Habe selber eine Tochter (10) und viele Kinder in dem Alter und jünger mit zum Teil ganz ähnlichen Problemen. Gerne auch via pn wenn die Antworten zu privat werden.

LG Julia
Liebe Grüße, Julia
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Cappuccino
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Beitrag von Cappuccino »

Wie wäre es denn, wenn sie erst mal voltigiert? Das hat schon vielen Kindern die Angst genommen.
grisu
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Beitrag von grisu »

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Ursache von Angst nicht unbedingt ein Sturz ist, sondern der Kontrollverlust, der dazu geführt hat. Kinder haben diese Ängste heute viel häufiger als früher. Vielleicht würde ihr zweierlei helfen:
1. Viel Umgang mit dem Pony abgesehen vom Reiten (so kann sie das Pony besser einschätzen)
2. Beschäftigung mit spielerischem Einbeziehen des "Draufsitzens". Beispiel: Geschicklichkeitsparcour zu Fuß (mit Pony mit oder ohne Sattel), zwischendurch Aufgaben auf dem Ponyrücken (draufklettern von Aufstieghilfe (jemand hält ggf. das Pony fest), durchreiten von Slalom, antraben, wieder absteigen, über Stangen, wieder drauf etc.).

2. Entweder eine Sportart mit Fallkomponente (Judo o.Ä.) oder hohen Ansprüchen an die Körperbeherrschung und Gleichgewicht oder Falltraining, um dem Kind das Gefühl zu geben, dass es die Situation beherrscht.
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Finchen
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Beitrag von Finchen »

Ganz wichtig ist aus meiner Sicht dass sie immer die Wahl hat, wirklich weiter zu reiten, oder zum Beispiel das Traben zu unterbrechen, Schritt zu gehen. Eben weil ich wie grisu denke, der Kontrollverlust ist das entscheidende, und für ein Kind reicht je nach Mentalität schon aus, dass ein RL sagt "Traben" und es nicht selber die Entscheidung treffen kann - bzw. die nicht treffen mag in der Situation, weil es ja "tapfer" sein möchte, oder dem RL gefallen, oder sich die Blöße nicht geben mag.

Ich weiß nicht wie der RU gestaltet ist, ob sie alleine reitet, andere Kinder dabei sind, der RL da sehr fein drauf einzugehen vermag. Das würde ich ganz oben auf die Liste setzen, ihr verständlich zu machen, dass sie selber zu jeder Zeit nur tut, womit sie sich gut fühlt.

Nicht aus eigener Erfahrung, aber weil es mir grade dazu in den Sinn kommt: vielleicht ist ein Kurs hilfreich, wo Fallen geübt wird. Einer weitläufigen Bekannten hat es mit ihrer Angst nach einem Sturz geholfen. Sie hatte nie bewusst richtig Angst, aber sagte immer sie fühlt sich komisch, wenn es mal holperig wurde, eine Situation vielleicht kritisch werden konnte. Nach dem Kurs sei sie viel sicherer gewesen, weil sie wusste im Zweifel fällt sie, aber es ist nicht schlimm. Vielleicht ist das auch eine zusätzlich hilfreiche Sache!?

Die Idee Gelassenheitskurs mit Pony und Mama für das allgemeine Selbstbewusstsein finde ich super!
"Das Herz mit dem Verstand begreifen zu wollen, ist so ähnlich, wie mit den Ohren sehen zu wollen." Safi Nidiaye
Ulrike
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Beitrag von Ulrike »

Guten Morgen,

wie hier schon beschrieben, von grisu, es ist eher die Angst vor dem erneuten Kontrollverlust, der einen Großteil der Angst ausmacht. Wenn nun ein Pferd geht (gestorben, verkauft?), dann kommt dieses gefühl genau gleich wieder hoch, in aller Frische.

Lass sie weinen und sei bei ihr, denn Weinen löst und Beistand, der dabeisteht und nicht manipulierend ("ist doch nicht so schlimm" etc.) einwirkt, ist eine große Unterstützung.

Ebenso andere Dinge unternehmen, die nicht mit Reiten zu tun haben, sind ganz wunderbar.

Meine Tochter hatte auch in dem Alter Deiner Tochter eine ganz blöde Erfahrung mit Durchgehen eines ihr fremden Pferdes in fremder Umgebung gemacht, die sind zu Dritt durchgegangen. Es ist ihr physisch nichts passiert, psychisch waren wir lange damit beschäftigt.

Wir sind heute noch nicht Gelände im Galopp unterwegs, auf dem Platz kein Problem.

Meine Massnahme ist, sie NIE zu irgendetwas zu bewegen, wozu sie selber nicht die Entscheidung trifft.
Trifft sie die Entscheidung, sie will galoppieren aber traut sich nicht, dann unterstütze ich sie und ermuntere sie, aber wenn sie dann doch nicht will, dann ist auch gut!

Das eigene nagende Gefühl versagt zu haben in diesem Moment des Kontrollverlustes reicht schon, das muss ich nicht verstärken, indem ich sie zu etwas antreibe, das nicht in ihr will. Ups, verworrener Satz, ich hoffe, Du verstehst ihn.

Ihr RL ist ebenso sehr rücksichtsvoll, was nicht geht, geht heute nicht, aber vlt. morgen. Wir haben keinen Druck, irgendetwas zu erreichen, also, so what?
Mit dieser Geisteshaltung fahren wir gut. Sie reitet, wann immer sie will, was immer sie will. Ich achte nur darauf, das das Pony nicht über irgendwelche Uhren gedreht wird also bollere rum, wenn ich glaube, das es zu viel für ihn wird. So haben wir auch Diskussionen über den Galopp aber eben nicht über sie und den Galopp.


LG Ulrike
Fleury
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Beitrag von Fleury »

Vielen Dank, ja der Kontrollverlust, das Wissen darum, dass man die Situation nicht einfach durch Knopfdruck ausstellen kann. Sobald Ponymann nicht mehr wie ein Uhrwerk läuft oder guckt oder Anzeichen von Stress zeigt (selten aber kommt vor). Er ist erst sieben aber ein total ruhiger eher fauler Geselle, von jedem bedienbar.
Ponywechsel war auch nicht so ihres, nein dieser muss es schon sein :lol: .
Vielleicht möchte sie sich auch selbst was beweisen.

Mit der Reitlehrerin werde ich noch einmal sprechen. Sie hat selbst keine Kinder, vielleicht fehlt es da ein wenig an Feingefühl. Normalerweise reitet sie zwischen 15 Min und einer halben Stunde und ja, die Gangart wird vorgegeben und es wird viel getrabt. Am Anfang nach dem Sturz ging es an die Longe inkl Sitzübungen das haben wir auch zwischendurch noch so gehandhabt, wenn sie einen sehr unsicheren Tag hatte ist aber eingeschlafen in letzter Zeit, da es frei gut klappte.

Unsere Pferde stehen bei uns am Hof, also ist der Kontakt täglich da. Sie war auch auf das Fallshetty nicht böse und hat sich einarmig um sie bemüht und zumindest viel davon gesprochen, dass sie sich wieder auf's Reiten freut. Auch auf ihr hat sie wieder gesessen, war aber so verkrampft, dass sie sich gleich wieder hat fallen lassen...
Volti gibt es hier für sie leider nicht. Ihre Gruppe wurde aufgelöst, eine weitere in der Umgebung auch, von daher sind die Plätze ziemlich überlaufen und da sie etwas gewichtiger ist, war das schwierig.
Nach Falltraining halte ich die Augen schon lange offen, leider scheint es das hier nicht zu geben, steht aber auf der Liste ganz oben, vielleicht muss ich mal bei Sportlern anderer Art schauen, das ist eine sehr gute Idee.

Ok, ich nehme mal mit: Falltraining, viel Umgang (stelle ich ihr eigentlich frei nur der Unterricht einmal die Woche ist gesetzt), kein Leistungsdruck (selbst entscheiden), das Reiten mit mehr Motorikschulung verbinden, Spaß erhalten.

Jetzt kommt hoffentlich konstant besseres Wetter, dann wollen wir zusammen das Shetty fahren und vielleicht mag sie dann wieder kleine Runden ins Gelände mitgehen auf meiner Hafioma.
Ich danke Euch auf jeden Fall schon mal für die Gedankenschübe, Julia, Du bekommst eine PN.
LG und ganz viel Sonne
Fleury
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Beitrag von Fleury »

Danke :lol: Ulrike, ich verstehe, was Du meinst. Das ist eigentlich auch unsere Art des Umgangs, alles geht, nichts muss und da sie erst acht ist, wird da auch nichts übertrieben.
Ulrike
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Beitrag von Ulrike »

Sehr schön, Fleury,


dann wird sie das Szepter irgendwann auch wieder in die Hand nehmen.

Den Focus auf die Erfolge legen und Zeit, dann wird das auch.


LG Ulrike
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Finchen
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Beitrag von Finchen »

Super, wenn die RL individuell auf deine Tochter eingehen kann. Vielleicht hilft es wirklich ihr zu vermitteln, dass sie das Selbst-Bewusstsein deiner Tochter gut stärken kann, in dem sie sie selber frei entscheiden lässt, was sie reiten möchte, was sie sich grade zutraut. Das kann individuell je nach Tagesverfassung so unterschiedlich sein, dass man als Erwachsener da vielleicht kaum das richtige Feeling für bekommen kann. Wenn deine Tochter erfährt, dass sie ernst genommen wird, ihr Gefühl, ihre Einschätzung der Situation, dann stärkt das ungemein. Und sie wird sich selber ausprobieren, wann sie sich gut fühlt, dann auch gerne mal wieder traben, und wissen, sobald eine wie auch immer geartete Unsicherheit aufkommt, kann ich durchparieren.

Da ist auch das Ernstnehmen ihrer Gefühle entscheidend, wie Ulrike schrieb. Sonst entsteht leicht ein Kreislauf aus den Gedanken "wenn ich gleich traben soll, dann wird es vielleicht wieder schlimm" und dem schon vorher verkrampfen.
"Das Herz mit dem Verstand begreifen zu wollen, ist so ähnlich, wie mit den Ohren sehen zu wollen." Safi Nidiaye
kallisto
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Beitrag von kallisto »

Hallo,

unser sechsjähriger ist letztens auch von meinem Pferd gefallen. Mit Gehirnerschütterung, weil er unglücklich auf dem Kopf gelandet ist. Bei uns hat Reden und Erklären viel geholfen (dass das dazugehört, dass ich als Kind auch oft runtergefallen bin, dass je mehr man übt, sich besser halten kann... etc.) Ich habe ihn danach auch gleich nochmal draufgesetzt (gegen seinen Willen) nur kurz im Schritt, mehr wäre eh nicht gegangen. Er hatte wirklich Angst, beim nächsten mal ging es allerdings problemlos.
Allerdings habe ich auch versucht, Sicherheit zu vermitteln. Ist wenn man persönlich unterrichtet, sicherlich einfacher. Wir sind jetzt vom Sattel erstmal wieder auf Festhaltegurt umgestiegen. Da hält er sich problemlos, egal ob Pferd Frühlingsgefühle hat. Am Sattel gibt es einen Maria-Hilf-Riemen.
Gibt es einen kleineren Platz oder ein ruhigeres Pferd, was ihr erstmal wieder Sicherheit vermittelt? Ich würde die Angst ernst nehmen und je nach Alter fragen, was ihr helfen würde. Aber ich weiß, dass auch viele RL sagen, das Kind soll sich nicht so haben.

LG Susi
hilahola
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Beitrag von hilahola »

Ich weiß nicht, ob das Thema noch aktuell ist, aber hätte folgende Gedanken dazu:

Ich habe jetzt keine Erfahrung mit Kinderreitstunden, aber mit Kinder-Schiunterricht. Üblicherweise macht man beim Schifahrenlernen mit Kindern am Anfang Koordinationsübungen (wie beim Kinderreiten an der Longe), dann fängt man an mit Schneepflug und dann kommen Kurven dazu. Kinder lernen das normalerweise relativ schnell, weil sie noch ihre angeborene intuitive Lernmethode durch Versuch und Irrtum anwenden und selbstmotiviert herausfindne wollen, wie es funktioniert oder wie es besser funktioniert. Wenn sie hinfallen, gibts je nach Charakter ein paar Krokodilstränen, die man beschwichtigend einstellen kann, aber üblicherweise lernen die Kinder sehr schnell neue Bewegungsabläufe. Es ist aber häufig vorgekommen, dass die Kinder selbst in absolut flachem Gelände Angst hatten auf nur einem Schi zu stehen - und ich konnte das damals absolut nicht nachvollziehen, weil ja aus meiner Sicht absolut nichts passieren konnte. Auf die Frage warum sie weinen, kamen dann meistens irgendwelche Ausflüchte (Eltern nicht da, Schischuh drückt und zu schwer usw..). Als ich dann einmal von den plärrenden Kindern echt die Schnauze voll hatte, habe ich eine „Pause“ gemacht und mich auf meine Schistöcke gestützt und angefangen so hin und her zu schaukeln. Jedenfalls hat ein Schistock dann im tiefen Schnee unvermutet nach unten nachgegeben und ich bin aus dem Stand seitlich einfach umgefallen. Und das war Anlass für die weinenden Kinder mit dem Tränen vergießen aufzuhören, während die anderen Kinder mich natürlich lautstark ausgelacht haben. Ich glaube diese weinenden Kinder dann erstmals gesehen haben, dass es offensichtlich nicht schlimm oder blöd oder voll dramatisch ist, wenn sogar der Schilehrer umfällt und man dann einfach wieder aufsteht.

Ich habe dann mit diesen Kindern meist einen ganzen Vormittag geübt, mit einem Schi aufstehen und sich wieder hinfallen lassen, und wieder aufstehen und wieder hinfallen lassen, das ganze in verschiedenen Positionen und teils auch in etwas ganz leicht abschüssigerem Gelände. Dann das ganze mit zwei Schiern - auf und wieder nieder (und es war soooo langweilig dabei motiviert zu bleiben). Aber diese Kinder heulten nicht mehr herum (ganz wichtig für die Eltern, die zuschauen), hatten Spaß und sind nach und nach sicherer geworden, sodass sie dann auch relativ schnell die Phase der ersten Koordinationsübungen durchlaufen haben und auch das Schneepflug- und Kurvenfahren (fast schneller als die anderen) erlernt haben. Außerdem haben diese Kinder gelernt, dass sie auf dies Weise, nämlich durch das Niederfallen auch Bremsen können. Sie haben sich dann, wenn sie einen Kontrollverlust erlitten haben (es zu schnell ging), einfach fallen lassen um zu bremsen und dann aufgestanden und wieder weitergefahren. Der nächste Schritt wäre wohl gewesen, die Technik der Kinder zu verbessern, um das absichtliche Fallenlassen beheben zu können. Aber wenn ich die Wahl habe zwischen einem Kind, dass auf steifen Beinen auf seinen Schiern bergab völlig unkontrolliert fahrend wird und einem Kind, das sich - sobald es ihm zu schnell geht - kontrolliert fallen lässt, ist mir die zweite Variante wohl vorübergehend lieber, bis sie die Technik/Kraft haben, auch schnelleren Geschwindigkeiten/Steilheiten zu bewältigen.

Ich weiß, dass beim Reiten die Strategie mit dem Fallenlassen eher unpraktikabel und mitunter gefährlicher ist als beim Schifahren, aber vielleicht hilft es auch hier wirklich einen Schritt zurückzugehen.

Offensichtlich ist es die Angst vorm Fallen, die dem Kind Sorge bereitet. Man könnte doch, während jemand ein entsprechend braves Pferd im führt, das Kind immer wieder aufsteigen lassen und aus verschiedenen Positionen vom Pferd herabrutschen lassen, also einmal rechts, einmal links, einmal mehr Richtung Pferdehals, einmal mehr Richtung Kruppe. Mal so dass man beim Landen zur Kruppe schaut, mal so, dass man beim Landen zum Pferdekopf schaut. Mal mit Beinen über den Hals schwingen absteigen usw. Das ganze zuerst im Halten, dann im Schritt, eventuell bis zum ganz langsamen Schlurftrab steigern - das ist nämlich gar nicht so einfach während sich das Pferd bewegt, da halbwegs elegant abzusteigen und dann weiterzugehen. Wirklich cool wäre wohl vieleicht auf einer Wiese, das Kind vom Pferd heruntergleiten zu lassen und dann wenn es am Boden gelandet ist eine Rolle vorwärts zu machen. Das würde ich anstatt dem tatsächlich selbständigen Reiten mal eine Zeitlang (ein Monat?) mal machen.

Ein Kind das schon selbständig Schritt, Trab und Galopp reiten kann, wird vermutlich keinen Sinn hinter diesen Spielerein sehen, aber ich denke es ist die Aufgabe eines Lehrers/Eltern dem Kind hier die Entscheidung abzunehmen und ihm nur solche Aufgaben zu stellen und diese machen zu lassen, die es mit relativ großer Wahrscheinlichkeit ausführen kann, diese dann ein wenig komplizierter machen, sodass etwas zunächst nicht klappt, aber nach ein paar Wiederholungen schon (sodass das Kind motiviert wird etwas neues zu lernen und dann ein Erfolgserlebnis hat und sein Selbstvertrauen gestärkt wird). Ich glaube die Hauptaufgabe von Eltern/Lehrer liegt nicht so sehr darin, jemandem etwas zu LEHREN, weil meiner Ansicht nach das LERNEN an sich ein eigenmotivierter lebenslanger Prozess ist, sondern darin den Schüler/das Kind in seinem Selbstbewusstsein so zu stärken, dass es sich selbst vertraut und darauf, dass es für jedes Problem selbst eine Lösung finden wird. Wenn die gestellte Aufgabe zu groß ist, und das Kind sie mit seinen derzeitigen Erfahrungen noch nicht lösen kann, dann stärkt dies sein Selbstbewusstsein nicht, sondern überfordert es und es kommt sich unfähig vor. Wenn die Aufgabe zu klein ist, dann hat sie keinen Nutzen, weil sie die Fähigkeiten nicht erweitert. Wenn die Aufgabe allerdings klein anfängt, sodass das Kind "das ja eh" kann (sowas simples wie vom Pferd absteigen) und dann macht man diese eigentlich einfache Aufgabe ein wenig komplizierter (im Schritt, im Trab, auf unterschiedliche Arten vom Pferd runterkommen), dann sieht das Kind, zuerst einmal, das auch so etwas simples wie absteigen vom Pferd, das man eh schon kann, durchaus kompliziert werden kann und freut sich dann, wenn es dann die etwas kompliziertere Aufgabe trotzdem lösen kann und das stärkt das Selbstbewusstsein und zudem kann das Kind (zunächst unbewusst) Bewegungsmöglichkeiten erforschen, wie es bei einem allfälligen Sturz doch relativ glimpflich davon kommen könnte, ohne dass man das als Elternteil/Trainer natürlich bewusst so anspricht oder verkauft - sonst würde man das Kind in seiner Angst vor dem Herunterfallen ja bestätigen!

Die Strategie mit "mach alles was du machen willst, du musst nichts..." ist meiner Meinung nach gerade bei "braven Töchtern" nicht die Beste, weil diese (unter)bewusst meinen, die müssen irgendwelche Erwartungen erfüllen (auch wenn die Eltern keine Erwartungen bewusst setzen, so ist es doch häufig, dass Kinder manchmal selbst hohe Erwartungen an sich selbst stellen - insbesondere, ehrgeizige, oder die braven). Das spricht auch dafür dass sie die Reitstunde beinhart durchgezogen hat und bei ihrem "Plan" geblieben ist (ohne Rücksicht auf Verluste).

Das Problem dabei ist, dass das Kind aus Unwissenheit seine Anforderungen selbst zu hoch ansetzen wird und sich daran ständig selbst misst und dann enttäuscht ist, wenn es seine eigenen Anforderungen nicht erreicht. Wenn die Kleine schon frei Schritt, Trab, Galopp geritten ist vor dem Unfall, dann setzt sie sich das natürlich auch als derzeit aktuelles Ziel, obwohl sie das in ihrem derzeitigen Zustand einfach nicht erreichen kann, weil ihr eben ihre eigene Angst im Weg steht. Du schreibst, dass die Angst erst einsetzt, wenn das Pony nicht 100% brav ist – ich glaube, dass die Angst aber schon sehr viel früher anfängt, nur dass man sie dann (wenn das Pony eben mal guckt) halt auch als Außenstehender wahrnimmt, weil das Kind seine Fassade nicht mehr aufrecht erhalten kann. Wenn du das Kind allerdings fragen wirst, wann es Angst bekommt, wird es sagen, wenn das Pony guckt. Entweder weil es selber nicht merkt, dass die Angst eigentlich schon beim Aufsteigen da ist, oder weil es „brav“ sein will und sich seine Angst nicht einmal vor sich selbst eingestehen will.

Ich könnte nun zu dem Kind sagen: Du hast ja eigentlich schon beim aufsteigen Angst, und das ist auch ok, und deshalb machen wir jetzt ganz langsam (oder nur Bodenarbeit usw) und machen nur das, solange bis du dich dabei gut fühlst. Dann wird sich das Kind blöd vorkommen, weil man praktisch seine Schwäche herausgefunden hat (und keiner hat das gerne), die es doch eigentlich so mühsam verstecken wollte (vor der Außenwelt und/oder sich selbst), und es wird die „Therapie“ auch nicht (wie vom Therapeuten erhofft) dankend annehmen, sondern sich innerlich (meist unbewusst) dagegen auflehnen und die beste Therapie zeigt offensichtlich keine Wirkung (oder zumindest keine nachhaltige). Die Kunst besteht dann darin einen Ansatz zu finden, der das Kind nicht bloßstellt – also offen seine Ängste thematisiert – sondern, auf Umwegen dem Kind mehr Selbstbewusstsein vermittelt (und das geschieht mit jedem Lern-Erfolgserlebnis, also in dem Punkt wo etwas zuerst nicht funktioniert, dann probiert das Kind ein bisschen spielerisch herum, und dann findet das Kind selbst heraus, was es machen muss, damit etwas funktioniert und diese Erkenntnis ist das Lern-Erfolgserlebnis, das dem Kind ein Erfolgsgefühl vermittelt und sein Selbstvertrauen stärkt).

In weiterer Folge müsste man dann herausfinden, was genau VOR dem tatsächlichen Unfall schief gelaufen ist, also ab wann der Kontrollverlust vor dem Herunterfallen eingetreten ist und WAS zu dem Kontrollverlust geführt hat (Unaufmerksamkeit, falsche Reiterhilfe, zu stressige Aufgabe/Umgebung usw..) und dem Kind entweder die mechanischen Reittechniken vermitteln, dass es weiß, welche Handlungen es zu setzen hat, damit es nicht mehr in so einer brenzligen Situation landet, dass es also lernt früh genug auf leichte „Warnzeichen“ zu reagieren oder aber schauen, dass die reiterliche Umgebung entsprechend gestaltet ist, wenn das Kind reitet (z.B zuviele Reiter auf dem Reitplatz und damit verbundene Hektik, zu hohe Anforderungen, zu wenig oder zu komplizierte Aufgabe und damit verbundene Überforderung oder Unterforderung und damit verbundene Unaufmerksamkeit).

Vielleicht helfen diese Gedanken zu dem Thema ja, sofern das Problem noch besteht oder neue Probleme auftauchen :D
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