Wieviel "Heititei" darf/muss sein?

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Meg
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Wieviel "Heititei" darf/muss sein?

Beitrag von Meg »

Hallo!

Durch so ein paar Erfahrungen in der letzten Zeit, möchte ich mal so ganz generell fragen, wieviel "Heititei"= Emotionalität braucht es für ein Pferd, oder braucht es das überhaupt, oder ist es u.U. sogar schädlich? Gibt es wirklich diese "spezielle Verbindung" zu einem Pferd oder ist es nur Fantasie?

Zum Beispiel. Meine Freundin hatte sich einen 4 jährigen, angerittenen 1,74m großen Mecklenburger gekauft, nachdem sie letztes Jahr ihr altes Pferd hat einschläfern lassen müssen. Mit diesem hat sie erst viel am Boden gemacht und ist dann geritten und nach kurzer Zeit das erste mal abgeworfen worden. Meine Freundin war zu der Zeit auch wegen des Todes des ersten Pferdes seeehr emotional drauf. Sie hat es noch ein paar mal versucht, wurde aber mehrmals abgeworfen und das war dann das aus. Das Pferd ging dann an eine andere Freundin von mir Springreiterin, die gerne junge Pferde einkauft, einreitet, etwas ausbildet und dann wieder verkauft. Das macht ihr Spass. Die ist nachdem das Pferd zwei Tage im neuen Stall war (wo ich auch stehe), direkt mal ausgeritten :shock:

Und den Tag danach, und danach und danach. Am dritten Tag schon eine Stunde. Der hatte kaum Muskeln und jeder von uns hätte den sicher erstmal longiert und irgendwie anders Muskeln aufgebaut. Einen Monat später sieht das Pferd zufrieden aus, wird täglich bewegt, hat Muskulatur aufgebaut. Sie ist technisch gesehen nicht unbedingt besser, hat aber weniger Angst. Sie tut außer Fressen nach der Arbeit und ein wenig putzen sonst nichts mit dem Pferd.

Also, wie sind da eure Erfahrungen?
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Anna
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Beitrag von Anna »

Hmmmmm.. Ich finde irgendwie man kann da so nicht vergleichen. Das klingt wie "Bodenarbeit bevor man reitet ist heititei und ohne nicht". Ich hab das Heititei eher auf den Umgang mit dem Pferd bezogen und da gibt es sicher einen großen Unterschied. Die eine Frau ist ängstlich/die andere nicht. Aber verwöhnt die eine das Pferd und verhätschelt es und hat sich sogar von dem Jungspund den Rang ablaufen lassen?? Ich finde was den Umgang mit dem Pferd angeht MUSS gerade bei Jungpferden eine konsequente, transparente Linie gefahren werden. Da darf man auch mal "Hätscheln"- emotional sein- wenn das Pferd seine klaren Grenzen kennt. Mein RL hat mal zu mir gesagt:" Wenn du deine Stute weiter wie eine Prinzessin behandelst, dann wird sie nie für dich arbeiten und dir immer auf der Nase rumtanzen." Das hat sich bei mir so eingefressen, so händel ich junge Pferde seitdem nur noch. Ehrlich, fair, konsequent und transparent. Da darf es auch mal scheppern, wenn eine Grenze überschritten wird-es muss aber sofort wieder Ruhe einkehren und vergessen sein. Emotionalität ist doch nicht schlecht, wenn es für das Pferd einschätzbar (mir fehlt das Wort) ist. Dein Beispiel beinaltet viele verschiedene Themen finde ich..oder hab ich das falsch verstanden?
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Meg
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Beitrag von Meg »

Nee, geht schon in die richtige Richtung, dachte auch ein wenig an dich, mit der Denkerei beim Reiten.

Snøggi fängt ja gerade an mal nen bisschen abzuspacken und schon geht die Denkerei los, verlange ich zu viel, was wenn ich unfair bestrafe, weil sie sich einfach nur überfordert fühlt oder einen Wachstumsschub hat uns Schmerzen, etc. pepe. Ich kenne halt auch ihre Mutter und weiss, wie wütend die werden kann, wenn ihr was nicht passt. Sowas habe ich bisher bei noch keinem Pferd gesehen. Gleichzeitig will man aber auch nicht zu sehr Weichei sein, eben wegen dem Grenzen setzen.

Und bei nem selbstgezüchteten ist das ja noch schwieriger. Nun ist sie ja auch erst 3 Jahre und 8 Monate und macht schon viel mit.

Ist eine Gratwanderung.

Edit: ganz ehrlich, hätte ich hier einen guten Bereiter an der Hand, hätte ich heutzutage nichts mehr dagegen, dass Pferd zum Einreiten wegzuschicken, irgendwie bin ich zu alt für den Scheiss 8)
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Phanja

Beitrag von Phanja »

Ich finde, es passt ganz gut zum Thema. Ich lese gerade "Die Intelligenz der Pferde" von Marlitt Wendt, dass sich relativ wissenschaftlich mit dem Thema Kognition der Pferde beschäftigt und denke, es ist ein wunderbares Buch, um zu verstehen, wie Pferde lernen. Mich hat das sowohl für den alltäglichen Umgang mit Pferden als auch für die Arbeit mit den Pferden sehr inspiriert.

Zum Thema Heitideiti direkt: Ich denke, es kommt schon darauf an, wie man als Mensch das gesamte Zusammensein mit dem Pferd beurteilt und welche Ziele man hat. Sprich: Hat jemand als persönliches Wunschbild eine innige Beziehung mit dem Pferd, die nicht nur beinhaltet, dass das Pferd beim reiten funktioniert und ansonsten brav ist, braucht dieser wohl auch ein gewisses Maß an Heitideiti, um dahin zu kommen. Für mich ist nicht die Frage, wieviel man generell davon braucht - das wird immer davon geprägt sein, wie der einzelne Mensch die Beziehung mit dem Pferd als für sich optimal sieht.

Umgekehrt muss das nichts damit zu tun haben, welche Art von Bezug zum Pferd funktioniert. Gehorsam, gut zu händeln, zu reiten oder was auch immer sind Pferde, die fair behandelt werden und die von Menschen gearbeitet werden, die zuverlässig konsequent sind. Will ich ein Verhalten des Pferdes fördern oder loswerden, muss ich das dem Pferd konsequent, geduldig und mit innerer Überzeugung mitteilen. Und daran scheitert dann doch oft der Mensch.
Und dazu kommt, dass die innere Einstellung des Menschen eine große Rolle spielt. Man kann dem Pferd nicht äußerlich Sicherheit geben wollen, aber selbst innerlich total verunsichert sein. Ich glaube, das so etwas für Pferde schon als nicht authentisch und damit als unzuverlässig oder nicht vertrauenswürdig angesehen wird. Auf den Punkt gebracht: Wenn ich das, was ich dem Pferd signalisiere innerlich nicht will oder mir nicht sicher bin, was dabei rauskommt, spüren die Pferde das.
Insofern könnte ich mir bei deinem Beispiel auch vorstellen, dass die erste Besitzerin vielleicht nicht sicher war, ob das Pferd sie abwirft. Die zweite hingegen konnte dem Pferd eventuell die Sicherheit vermitteln, dass alles Bestens ist.
Ich glaube, dass diese eher untechnischen und nicht messbaren Dinge gewaltig unterschätzt werden.

edit: Das gleiche gilt für das Setzen von Grenzen. Natürlich kann man Grenzen setzen - das funktioniert aber nur, wenn man auch fähig ist, diese Grenze dem Pferd konsequent und emotionslos zu vermitteln. Wenn ich nicht sicher bin, ob ich das umsetzen kann, muss ich mir überlegen, wie ich die Sache anders aufziehe und evtl. über einen Umweg an mein Ziel komme.
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Anna
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Beitrag von Anna »

Authentisch war das Wort das mir während meines Beitrags gefehlt hat. Ich denke auch, dass es nur so geht. Man muss das was man macht auch meinen und dahinterstehen. Wenn man z.B. einen Fehler macht, diesen auch wieder geradebiegen. Das ist natürlich schwer, weil da auch viel selbstreflexion und Kritikfähigkeit zu gehört. Das Thema Vertrauen finde ich dabei ganz wichtig. Wenn man Vertrauen in sein Pferd hat, kann man dieses auch vermitteln und ernten. Und was das Belasten etc betrifft, da würde ich deinem Gefühl vertrauen und sonst einen RL fragen- wenn einer da ist. Sie ist ja wirklich noch seeeehr jung- für mich aber nicht zu jung um Umgang etc zu lernen und verinnerlichen..
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Meg
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Beitrag von Meg »

Am Boden ist sie ein Traum, es geht momentan eher um die Reiterei.

Ich sehe das je eher pragmatisch. Geht es unterm Sattel nicht, mach ich erstmal mehr vom Boden. Dann taste ich mich wieder ran. Am Boden bin ich sehr sicher.

Und zur Not wird ne Pause gemacht, ist momentan eh nicht das ideelste Wetter.

Bisher sind alle meine Pferde gut geworden, warum nicht auch dieses :wink:

Aber so ein wenig geht die Leichtigkeit des Seins mit den Jahren flöten...
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Anna
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Beitrag von Anna »

Auf jeden Fall! Ich steig auch nicht mehr einfach immer auf jedes Pferd😊 auch daaaaa ist der Kopf zu viel dabei😁😊 und was das mit dem Arbeiten am Boden angeht, so würde ich auch arbeiten. Was man am Boden festigen kann, kann auch in den Sattel übertragen werden.
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Beitrag von Meg »

Ich kenne übrigens noch ein Pferd, auch jung, dass durch regelmäsige Arbeit wesentlich zufriedener war, als durch Psychoanalyse...
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Phanja

Beitrag von Phanja »

Ich hab im März mein polnisches Warmblut übernommen und eigentlich war es auf den ersten Blick gar kein Pferd für mich. Er wird wahnsinnig schnell unsicher und reagiert dann sehr gestresst bis panisch. Von Explodieren bis Durchgehen war alles dabei.
Ich wollte aber von diesem Pferd lernen und außerdem fand ich, dass er in entspannten Phasen ein unglaublich sanftes, bemühtes Wesen ist und hab mich halt verliebt ;-)
Weil ich am Boden und in der Handarbeit sehr sicher bin, bin ich am Anfang gar nicht geritten. Und jetzt reite ich nur, solange ich ihm die nötige Sicherheit vermitteln kann. Wenn ich merke, dass ich unsicher werde, steige ich ab und mache vom Boden weiter. Es kann auch durchaus sein, dass ich beim Ausreiten von 5 km mal 3 km zu Fuß unterwegs bin. Trotzdem macht es unglaublich Spaß mit diesem Pferd zu arbeiten und zusammen zu sein und ich merke, dass er sehr dankbar für die Klarheit ist, die er vorher eben nicht hatte.
Ich finde, das hat nichts damit zu tun, dass er seinen Willen bekommt. Ich sehe es einfach so, dass ICH es eben nicht besser kann und deshalb mit den Grenzen arbeiten muss, die uns beiden gegeben sind. Trotzdem kommen wir (beide :-) ) gut voran und inzwischen sind Schritt und Trab unter dem Reiter fast schon normal. Insofern glaube ich, dass Geduld, Konsequenz und eine gesunde Selbstreflektion immer zum Ziel führen.
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Beitrag von Anna »

Wie meinst du das?😁
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Beitrag von Meg »

Anna hat geschrieben:Wie meinst du das?😁
Meinst du mich?

Na ja, unsereins denkt evt. bei Problemen direkt an unpassenden Sattel, Schmerzen, Überforderung, zu jung, Herdenkonstellation, Fütterung, Jahrezeit etc. und versucht eine Ursache zu suchen.


Andere haben einen Sattel der so lala geht, reiten auch eher so lala, aber reiten und reiten und reiten. Und die Pferde funktionieren :wink:

Bei älteren, auch traumatisierten Pferden bin ich eigentlich ziemlich sicher, habe schon so einige Traber wieder hinbekommen, technisch geht vieles.

Aber bei den eigenen kleinen steht die Emotionalität doch eher im Weg. Also kann man einfachhalber abwarten bis das Pferd gefühlt alt genug ist und kann dann das ganze mit viel mer Sicherheit angehen.

Ich mache das übrigens auch so wie du Phanja, lieber absteigen und von Boden aus Sicherheit vermitteln und sich auch mal durchsetzen, als von oben bibbern. Mit dem Alter hat man auch seine Knochen lieber 8)
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Beitrag von Anna »

Und jaaa Meg ich meinte dich😊 und stimme dir zu, du hast ja hautnah mitbekommen, was ich sofort gemacht habe als mir gesagt wurde "mein Sattel" passt nicht (nur um mir den gleichen wieder zu kaufen😂😂) ach jaaaa😊😁😂
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Beitrag von gimlinchen »

ich glaube, dass pferde immer einen grund haben. etwas zu tun. der kann höchst unterschiedlich sein. wie man damit umgeht, kann auch unterschiedlich sein. insofern finde ich das beispiel schwierig.
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Meg
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Beitrag von Meg »

Ja, aber dieser Grund kann auch einfach nur Langeweile oder nicht ausgelastet sein sein (doofer Satzbau).

Ich glaube nämlich mittlerweile daran, dass das einer der Hauptgründe ist. Ich spreche hier ja nicht von athrotischen oder sonst wie kränkelden Pferden sondern von frischen, fröhlichen jungen.

Ich denke niemand hier reitet mit katastrophaler Ausrüstung oder technisch diletantisch (behaupte ich jetzt einfach mal)
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Motte
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Beitrag von Motte »

Ich glaube, gerade für junge Pferde, ist die körperliche Auslastung auch wichtig, damit "der Kopf klar bleibt".
Das Handling vom Boden, das eine Vertrauensbasis schafft, ist da natürlich Grundvoraussetzung. Bearbeitet aber eher "den Kopf" (Gehorsam, Kooperation). Man muss halt aufpassen, das man da nicht hängenbleibt, Pferde können sich dann schnell langweilen. Und einYoungster der sich langweilt, kommt dann schon mal auf eigene Ideen.
Das ist halt eine Gratwanderung zwischen "Heititei" und auch mal klarem Fordern (auch körperlich - arbeiten), die immer auch abhängig vom jeweiligen Individuum ist.
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