Noch einige Gedankensplitter zum Thema.
Im ursprünglichen Fred las ich die folgenden Aussagen:
lalala hat geschrieben:
"Mit jeder Art der Erziehung pressen wir dem Pferd unseren Willen auf. Beim reiten macht man auch keine Vorschläge sondern klare Ansagen (dürfte sonst im Gelände zu äusserst unangenehmen Situationen kommen)."
Dazu einige meiner eigenen Erfahrungen:
Ich ritt mehrere Jahre lang eine Freibergerstute vorwiegend im Gelände und von ihr lernte ich einiges in Sachen Zusammenarbeit. Sie war sehr "geländegängig", hatte z.B. kein Problem, sich nach dem Lotharsturm durch das Fallholz zu manövrieren, das auf manchen Wegen lag, sie kletterte auch "Prügeltreppen" hinunter (ich meine diese unregelmässigen Treppen, die in einen Hang gebaut werden, indem man für eine Stufe vorne ein dickes Stück Holz mit zwei Eisenstäben befestigt und den Rest der Stufe mit Erde auffüllt). Sie nahm mir manchmal auch eine Entscheidung ab, so gelangten wir einmal im Winter an eine vereiste Wegstelle, und ich überlegte mir noch, auf welche Seite ich ins Gebüsch ausweichen sollte, da ging sie schon schön vorsichtig los, so als wollte sie sagen "wir wollen doch da rüber, ich schaff' das schon". Wir kamen auch heil hinüber.
Eines Tages ritt ich mit ihr einen Pfad im Wald entlang. Der Lehmboden war teilweise etwas feucht und schlammig. An einer Stelle blieb die Stute stehen und weigerte sich, weiterzugehen. Der Boden sah hier vielleicht etwas feuchter aus, sonst bemerkte ich (im Gegensatz zu ihr) nichts auffälliges. Als sie nach mehrmaligem normalem Treiben nicht weiter ging, sogar etwas nervös wurde, 'presste ich ihr meinen Willen auf' indem ich ihr hinten eins mit der Gerte überzog

. Sie trat vorwärts und sank einen Moment später mindestens einen halben Meter mit ihren Vorderbeinen ein. Darauf drückte sie sich mit den Hinterbeinen ab und befreite sich mit einem gewaltigen Satz aus der misslichen Situation.
Wegen solcher Erfahrungen ist es mir wichtig, ein Pferd so auszubilden, dass es sich selbst in die gemeinsame Arbeit einbringen kann und nicht zum reinen Befehlsempfänger wird. Dafür muss ich allerdings auch bereit sein, dem Pferd einen Freiraum zuzugestehen.
dshengis hat geschrieben:
"Alle Verfeinerung beim Reiten ist nur die Folge der ursprünglichen Konditionierung des Pferdes, auf einen bestimmten Reiz hin ("Hilfe" genannt) das erwünschte Verhalten zu zeigen, z.B. Angaloppieren, weil ansonsten der Reiter mit der Gerte touchiert (oder mit dem Sporn einwirkt oder oder)."
Wenn es so einfach ist, warum sind dann die Hilfen für das Angaloppieren so kompliziert? Warum konditionieren wir unsere Pferde nicht einfach auf ein Zeichen wie "Kneifen in die linke Seite des Widerrists" = Linksgalopp? Damit könnten wir uns doch die ganze Mühe mit dem richtigen Sitz etc. sparen.
Für mich gleicht feines Reiten dem Tanzen, nicht dem Programmieren eines Computers. Dabei spielt die Körpersprache zwischen Reiter und Pferd eine wesentliche Rolle, denn sie legt dem Pferd durch verschiedene, u.U. quasi unsichtbare, Impulse jeweils nahe, wie es seinen Körper bewegen soll. Dass der innere Schenkel am Gurt, der äussere weiter zurück liegen soll, dass die Hüften und Schultern des Reiters den Hüften und Schultern des Pferdes entsprechen sollen, dass der Reiter im Gleichgewicht mit dem Pferd sein soll, hat eben damit zu tun, dass uns die Pferde dadurch leichter verstehen können, ja sogar direkt zu bestimmten Handlungen angeregt werden, und nicht damit, dass wir sie ausgerechnet auf diese Signale konditioniert haben.
Dazu ein Beispiel, bei dem ich selbst sozusagen das "Pferd" war und geführt wurde:
Mit etwa fünfzehn besuchte ich eine Tanzschule. Am Ende des Kurses gab es einen Schulball, zu dem auch unsere Eltern eingeladen waren. Am Ball tanzte ich einige Male mit meinem Vater, einem begeistertem und erfahrenen Tänzer. Im Saal herrschte ziemliches Gedränge, als wir einen Walzer tanzten. Ich hatte im Kurs nur gelernt mich in eine Richtung zu drehen, merkte aber plötzlich, dass wir uns flüssig durch die anderen Tänzer bewegten, indem wir uns in die andere Richtung drehten. Der nächste Tanz war für Fortgeschrittene und mir unbekannt, doch mein Vater sagte nur, ich solle mich führen lassen, und ich bewältigte den Tanz vielleicht nicht mit überragender Eleganz aber auch ohne Stolpern. Durch das richtige Geführt-Werden war ich also in der Lage, Tänze zu tanzen, die ich eigentlich gar nicht konnte.
Wenn Pferde nicht das tun, was wir von ihnen erwarten, liegt dies wahrscheinlich häufig daran, dass wir uns ihnen gegenüber nicht klar genug ausdrücken, sprich, unsere Hilfen unpräzis sind.
Tanja Xezal