Wie lernt man "fühlen"?

Rund um die klassische Reitkunst

Moderatoren: Julia, ninischi, Janina

Antworten
Benutzeravatar
-Tanja-
User
Beiträge: 4129
Registriert: So, 21. Okt 2007 16:35
Wohnort: Pfinztal
Kontaktdaten:

Wie lernt man "fühlen"?

Beitrag von -Tanja- »

Ich reite seit ich Anfang 20 bin, zwischenzeitlich also gute 15 Jahre. Korrekterweise sollte ich nicht von "reiten" schreiben, sondern eher von "spazierentragen lassen", da es noch nicht so lange her ist, daß ich wirklich gelernt habe, zu fühlen, zu erkennen, wann welche Hilfe und warum in welchem Moment gegeben werden muß und dann auch tatsächlich hilft.

Früher habe ich mich oft gefragt, wie die tollen Reiter auf den Turnieren oder im TV ihre Pferde so reiten können, daß man nix sieht. Um dieses Gefühl dafür zu bekommen, was wann warum wie zu bewegen ist, wird von vielen RL ja nur sehr wenig oder gar nichts erklärt.

Vom letzten DOB-Kurs ist mir ein Satz von ihm in Erinnerung geblieben, den aber auch meine Reitlehrerin zu Hause schon oft von sich gegeben hat: "Ihr redet nicht viel miteinander." Ich solle mehr auf mein Pferd hören. So richtig verstanden habe ich das erst in letzter Zeit. Vor kurzem habe ich das erste Mal bemerkt, wie es sich anfühlt, wenn sich das Pferd um den Schenkel biegt und an den äußeren Zügel herandehnt. Das war ein kolossales und eingreifendes Erlebnis für mich. Irgendwie hat es seither "klick" gemacht und ich fühle z. Zt. auf dem Pferderücken irrsinnig viel.

Mich würden Eure Erfahrungen interessieren, wie Ihr "fühlen" gelernt habt, ob Euch irgendwelche Techniken weitergeholfen haben (bei mir z. B. Yoga) oder ob es bestimmte Erlebnisse waren. Was hat Euch weitergeholfen, was führte in eine Sackgasse?
lg, Tanja

Reiten ist nicht weiter schwierig, solange man nichts davon versteht.
Aus: "Vollendete Reitkunst", Dr. Udo Bürger, 1959
wotilas

Beitrag von wotilas »

Ein guter Reitlehrer, der sowohl fürs Pferd als auch für den Reiter pädagogisch was drauf und dazu noch ein gutes Konzept hat, bringt einen dazu, Dinge wahrzunehmen, von denen man vorher nicht wusste, das es sie gibt und ein Reitgefühl zu entwickeln, das neue Horizonte erschließt.

Darüberhinaus ist Feldenkrais sehr nützlich, sowohl von den Übungen her als auch von dem Konzept, was dahinter steht. Und das kann man auch alleine probieren.
horsman
User
Beiträge: 2879
Registriert: Mo, 25. Sep 2006 12:04
Wohnort: NRW

Beitrag von horsman »

sehr schwieriges Thema, weil sich Gefühle schlecht erklären und widergeben lassen, weswegen das jeder selbst erfühlen lernen muss.

Hilfreich auf jeden Fall:
Eine Umgebung in der man auch fühlen lernen kann, d.h. Abwesenheit Kraft, Angst, Druck, Grobheit - Anwesenheit von Konzentration, Ruhe, Spass.

Desweiteren sind gut+fein ausgebildete Lehrpferde (hin und wieder, weil alles andere leider unbezahlbar ;-) hierfür unerläßlich.
Benutzeravatar
Traumdauterin
User
Beiträge: 1626
Registriert: So, 25. Jan 2009 17:46
Wohnort: Leipzig

Beitrag von Traumdauterin »

hm, ich kann das gar nicht so richtig sagen...irgendwann war das gefühl einfach da. ich hatte das glück, durch meine reitlehrerin sehr viele verschiedene pferde reiten zu dürfen mit unterschiedlichem ausbildungsstand und bin auch im urlaub öfter mal hier und da woanders geritten, ich denke, das hat mir viel gebracht, da man sich ja immer auf die unterschiedlichen pferde einstellen muss.

sehr aufgefallen ist mir das "fühlen können" beim springen. ich war nie ein besonders aktiver springreiter, und habe meistens das pferd taxieren lassen. aber irgendwann, hab ich einfach gesehen, ob das pferd passend kommt oder nicht. einfach so, eines tages war es da und seitdem auch nie wieder weg ;) und seitdem kann ich das pferd auch selbst passend an den sprung bringen.

auch heut habe ich beim dressurreiten immer wieder aha-erlebnisse, ich glaub, das hört eh nie auf, man lernt ja immer dazu ^_^
Frage mich nach der Poesie in der Bewegung, Schönheit, Intelligenz und Kraft und ich zeige Dir ein Pferd.
Fliehendes Pferd
User
Beiträge: 188
Registriert: Fr, 11. Apr 2008 16:43
Wohnort: Hünxe

Beitrag von Fliehendes Pferd »

Ein passendes Lehrpferd und vor allem ein guter RL erleichtert das ungemein. Ansonsten, viele Pferde reiten in vielen verschiedenen Anforderunge, also Dressur, Springen und ausreiten. Je vielseitiger umso besser.
Benutzeravatar
FoxOnTheRun
User
Beiträge: 1331
Registriert: Mo, 09. Okt 2006 11:31
Wohnort: Landkreis München
Kontaktdaten:

Beitrag von FoxOnTheRun »

Mir hat eine RL weitergeholfen, die immer im Richtigen Moment sagte "Merk Dir, wie sich das jetzt anfühlt, denn so ist es richtig"

Weiterhin ist guter Unterricht auf fein fusgebildeten Pferden Gold wert. Um zu verstehen, wie man es richtig macht, braucht man ein "Professor-Pferd", das fein reagiert und es nur richtig macht, wenn man selbst es richtig macht.

Weiterhin hat mir der Blick in viele, viele Bücher auch weiter geholfen, doch die beste Theorie kann die Praxis nicht ersetzen.

Yoga mache ich auch, das hilft fürs eigene Körpergefühl und die Beweglichkeit (und ich möchte es auf keinen Fall mehr missen!), aber für das "Fühlen, wie es richtig ist" bringt es mir nichts, da es nix mit Reiten zu tun hat.
LG Foxi
****************************************
Wer Frauen ohne Fehler sucht und Pferde ohne Mängel, der hat nie ein gutes Pferd im Stall und im Bett nie einen Engel.
Benutzeravatar
BiancaW
User
Beiträge: 1077
Registriert: Mo, 25. Sep 2006 07:26
Wohnort: Lebach

Beitrag von BiancaW »

FoxOnTheRun hat geschrieben:Mir hat eine RL weitergeholfen, die immer im Richtigen Moment sagte "Merk Dir, wie sich das jetzt anfühlt, denn so ist es richtig"

Das bekomm ich von meinem RL auch immer zu hören, das ist echt Gold wert.
Trotzdem fühle ich noch lange nicht alles und alles richtig, aber es wird immer mehr.
lieber Gruß, Bianca

Viele würden niemals mit vollem Mund sprechen, tun es aber mit leerem Kopf (Orson Welles).
kallisto
User
Beiträge: 2960
Registriert: So, 24. Sep 2006 19:46
Wohnort: Deutschland

Beitrag von kallisto »

FoxOnTheRun hat geschrieben:Mir hat eine RL weitergeholfen, die immer im Richtigen Moment sagte "Merk Dir, wie sich das jetzt anfühlt, denn so ist es richtig"
Geht mir auch so. Eben weil das Feedback von unten die beste Kontrolle ist, wirklich gute Momente rauszufiltern und abzuspeichern. Dazu gehören aber immer Wiederholungen.
Was mir weiterhin hilft, ist die Augen zu schließen um wirklich fühlen zu können (das hilft mir vor allem sitzmäßig).

LG Susi
Benutzeravatar
susiesonja
Moderator
Beiträge: 4889
Registriert: So, 24. Sep 2006 19:54
Wohnort: Schleswig-Holstein/Kreis Plön

Beitrag von susiesonja »

Meine RL ist unheimlich kreativ und findet jede Menge Bilder die mir helfen zum richtigen Fühlen zu kommen.
Dann ruft sie auch immer "Fühlst Du? So ist es richtig!" Das ist eine große Hilfe.
Außerdem durfte ich schon bestimmte "Probleme" auf ihren sehr gut geschulten Pferden lösen. Dort konnte ich mich in Bewegungsabläufe einfühlen und dann zu Hause besser umsetzen.
Und letztlich überprüfe ich durch Videoaufnahmen hin und wieder ob mein Gefühl mit dem Gezeigten auf dem Video übereinstimmt. Was nicht immer der Fall ist.... :wink:
Benutzeravatar
Merlin
User
Beiträge: 62
Registriert: Mi, 09. Jan 2008 13:55
Wohnort: Darmstadt

Beitrag von Merlin »

Richtig fühlen gelernt habe ich auf einem Centered Riding-Reitkurs bei Bibi Degn. Da haben wir 2 Tage intensiv am Reitgefühl gearbeitet und es gab das ein oder andere Aha-Erlebnis für mich. Das Einschneidende war eigentlich, dass Bibi die Dinge ausgesprochen hatte, die ich selbst schon immer irgendwie gespürt hatte, aber nicht in Worte fassen konnte. Das Bild vom Reiten hatte sich völlig neu zusammengesetzt.

Besonders krass ist es für mich, fremde Pferde zu reiten, die kein "gutes" Reitgefühl vermitteln, weil die Pferde selbst nicht ihres Körpers bewußt sind oder nicht auf feine Hilfen reagieren. Das tut manchmal fast körperlich weh. Allerdings lernen Pferde das Fühlen, bzw. das Interagieren glücklicherweise schneller als Menschen. Ich finde es deshalb auch wichtig, immer mal wieder andere Pferde zu reiten, um das eigene Gefühl zu überprüfen und zu schulen.
Benutzeravatar
FoxOnTheRun
User
Beiträge: 1331
Registriert: Mo, 09. Okt 2006 11:31
Wohnort: Landkreis München
Kontaktdaten:

Beitrag von FoxOnTheRun »

Ja, fremde Pferde reiten finde ich auch enorm wichtig. Gute und schlechte, von allen kann man was lernen.

Wichtig ist aber vor allem, daß man das "*FÜHLEN*" auf verschiedenen Pferden lernt. Denn nur wenn ich weiß, wie es sich auf meinem Pferd anfühlt, heißt nicht, daß ich auf einem anderen Pferd erkenne, wann es richtig ist oder falsch.
LG Foxi
****************************************
Wer Frauen ohne Fehler sucht und Pferde ohne Mängel, der hat nie ein gutes Pferd im Stall und im Bett nie einen Engel.
snjokorn
User
Beiträge: 33
Registriert: Mo, 03. Mär 2008 13:17
Wohnort: Albuquerque

Beitrag von snjokorn »

Ich muss auch sagen, dass ein guter Reitlehrer unersätzlich ist. Ich hatte auch jemanden, der mir sehr viel vermittelt hat. Immer im richtigen Moment auf Signal vom Reitlehrer das Gefühl abspeichern. Mir hilft es auch heute noch ungmein ab und an für kurze Zeit die Augen zu schließen- natürlich nur, wenn ich das Pferd gut kenne und alleine auf dem abgezäunten Reitplatz oder in der Halle bin. Außerdem hat es mir sehr viel geholfen gebisslos (hauptsächlich kolumbianisches Bosal),mit Halsriemen oder ohne Sattel zu reiten. Das brachte mir mein Körperbewusstsein näher und man muss einfach mehr mit dem Sitz reiten und einwirklen. Nach wie vor mache ich das immer wieder. Außerdem mache ich häufiger Videoaufnahmen, um meine Reiterei auch von außen zu sehen.
Grundsätzlich finde ich es auch hilfreich viele unterschiedliche Pferde zu reiten. Ganz wichtig finde ich es auch, ein ganz fein ausgebildetes und gerittenes Pferd zu reiten. Dabei sieht man dann nämlich, wie grob manchmal die Hilfengebung wirklich ist- ich fand/finde das sehr hilfreich.

Insgesamt aber ein schwieriges Thema, da es lange dauert, um das Gefühl fürs Pferd zu bekommen. Und man lernt immer was neues-ist schon spannend!!
Benutzeravatar
Medora
User
Beiträge: 3278
Registriert: So, 24. Sep 2006 16:44
Wohnort: Niedersachsen
Kontaktdaten:

Beitrag von Medora »

Ergänzend zu dem, was schon geschrieben wurde, kann ich nur empfehlen - natürlich nur wenn sicher und möglich - mal die Augen zuzumachen. Der Sehsinn ist für die meisten sehr stark und wenn man den mal ausschaltet, können die anderen Sinne präsenter werden. Gerade bei Sitzübungen an der Longe hat es mir immer sehr geholfen, die Augen zu schließen, um besser fühlen zu können.

Medora
sinsa
User
Beiträge: 882
Registriert: Di, 13. Nov 2007 19:32
Wohnort: berlin

Beitrag von sinsa »

Neben dem Augen zumachen hat es mir sehr viel gebracht, wenn ich im Unterricht einfach mal gefragt wurde, wie sich etwas gerade anfühlt/ angefühlt hat. Man muss dann selber fühlen und nachdenken, wie man das gefühlte formuliert. Dabei speichert man sehr gut ab, wie sich ein Bewegungsablauf anfühlen soll und wie auf gar keinen Fall.
Antworten