Seminar mit Dr. Robert Stodulka, Martin Plewa und Marc de Broissia
Sonntag, 25.04.10, am Zehmerhof Aufkirchen
Untertitel - Wie erhalte ich mein Pferd gesund?
Neugierig und gespannt fahre ich nach Aufkirchen - wie so viele andere auch. Die Veranstaltung ist gut besucht (ich würde um die 150 bis 200 Zuschauer schätzen), aber dank der guten und erfahrenen Organisation klappt der Tag überwiegend reibungslos.
Eingangs werden die drei Referenten Dr. Robert Stodulka, Martin Plewa und Marc de Broissia kurz vorgestellt.
Dr. Robert Stodulka darf als erster ans Mikro und stellt die Aussage von Major Stecken in den Raum: "Richtig reiten genügt". Damit sei alles gesagt. Es gibt nur falsches oder richtiges Reiten.
RS holt etwas aus und erklärt, warum das Pferd aufgrund seiner Ausprägung als Fluchttier so gebaut ist, dass es grundsätzlich geradeaus läuft um vor Angreifern flüchten zu können und dass hier bereits die ersten Probleme der "Kreisreiterei" beginnen. Der Reiter muss das Pferd physiologisch auf einen neuen Bewegungsablauf umstellen, um es gesund zu erhalten. Er zeigt deutlich die Veränderungen der letzten Jahre zu Ungunsten der Pferde auf. Früher durften sich die Pferde sowohl körperlich als auch geistig in einem ausreichenden zeitlichen Rahmen entwickeln. Ein Tier galt mit ca. 7 Jahren als erwachsen, konnte zu diesem Zeitpunkt aber (nach heutigen Gesichtspunkten) nichts besonderes. Heute laufen 7jährige Grand Prix, häufig mit entsprechender Unterstützung von Tierärzten und Therapeuten.
Klassisch reiten bedeutet für RS pferdegerecht reiten. Ein Pferd muss durch das Reiten schöner und zufriedener werden. Wir sind heute in der Lage, das Pferd als Freizeitpartner einzusetzen, niemand braucht die Körperkraft des Pferdes zum Überleben. Wir sind an der Stelle der früheren Fürsten und haben die moralische und ethische Verpflichtung, alles zur Gesunderhaltung dieses "Luxus-Freizeitpartners" zu tun.
Anlehnungsschwierigkeiten, die durch den Zahnwechsel beim Pferd bis 4,5 Jahre entstehen können, bilden oft die nicht erkannte Grundlage für späteres unerwünschtes Verhalten. Auch das Wachstum, das bis 6jährig für steten Wechsel in der Balance des Pferdes sorgt, wird oft als wichtiger Faktor für eventuelle Rittigkeitsprobleme unterschätzt. Mitunter wachsen Knochen schneller als Sehnen und Bänder, was zu zusätzlichen Belastungen führt. Auch die Kastration wird unterschätzt - wegen des fehlenden Testosterons kann ein vermehrtes Wachstum in Gang gesetzt werden. In diesem Zusammenhang spricht RS auch die Frage "frühreife/spätreife Rassen" an und stellt eindeutig klar, dass es dies für ihn nicht gibt und diese Formulierungen nur als wirtschaftliche und vermarktungstechnische Ausreden gebraucht werden. Erwachsen bzw. einen mittleren Reifegrad erreichen die Pferde mit ca. 7 bis 8 Jahren.
Anschließend erklärt RS das limbische System. Dies ist der Emotionsspeicher im Gehirn des Pferdes, aber auch Bewegungsmuster werden erinnert und bilden das Grundmuster für weitere Bewegungsabläufe. Nach dem Bewegungsmuster nach Dolto (einer französischen Wissenschaftlerin, die dies an Kleinkindern nachgewiesen hat) wird in jedem Alter eine andere Körperregion erkundet, weswegen man eben keine Phase überspringen kann, sondern jedes Pferd seine Zeit braucht. Ein Bewegungsmuskel ist für die Bewegung und Kraftentfaltung verantwortlich. Auf 1 Nervenzelle kommen ca. 1000 Muskelzellen. Wichtig und wenig beachtet sind jedoch vor allem auch die Kybernetischen Muskeln nahe der Wirbelsäule, hier sind ca. 20 bis 30 Muskelzellen pro Nervenzelle vorhanden (ich hoffe, ich habe die Zahlen richtig übernommen, teilweise gings doch sehr rasch

Schlussfolgerung ist hier, dass ein 4jähriger piaffieren kann, da dies vom Bewegungsablauf her vor allem die feinmotorischen Muskeln anspricht. Sicherlich wird er dies aber nicht über einen längeren Zeitraum aufrechterhalten können, weil die Muskelkraft noch nicht entsprechend ausgebildet ist. Außerdem muß ein Pferd losgelassen arbeiten, um diese Kybernetischen Muskeln zu trainieren. Entwickeln sich diese Muskeln nicht in gewünschtem Ausmaß, ist die Ursache in fehlerhaftem Training zu suchen. In erster Linie müssen Kopf und Geist bewegt werden, um diese Muskeln anzusprechen und zu entwickeln. Eine Arbeit mit falsch angespannten bzw. verspannten Muskeln ist kontraproduktiv, die Muskeln sind blockiet und können weniger Sauerstoff aufnehmen und weniger Schlacken abgeben.
Und hier liegt das Hauptproblem der Reiterei - die Nicht-Losgelassenheit der Pferde, aus der heraus u. a. Taktfehler und mangelnde Anlehnung resultieren. RS zitiert Waldemar Seunig, der bereits eine "innere Zwanglosigkeit" des Pferdes gefordert hat. Der Reiter soll immer bestrebt sein, eine Takt-Rhythmus-Harmonie im Gleichgewicht zu erreichen.
Ein weiteres großes Problem ist die Autoequilibration, die dem Pferd nicht mehr gestattet wird. Hinter diesem Begriff versteckt sich schlicht und einfach, dass dem Pferd gestattet wird, in der Arbeit auf der Kreisbahn sein eigenes Gleichgewicht wiederzufinden, und zwar OHNE Hilfszügel als Stütze. Nur so kann das Pferd lernen, den Hals richtig einzusetzen und sich zu balancieren. Ausbinder ändern hier nur optisch etwas am Erscheinungsbild des Pferdes, deswegen wird sein Gleichgewicht nicht besser, im Gegenteil - man erreicht nur Verspannungen im Genick, weil sich das Pferd nicht mehr im eigenen, freien Rahmen bewegen kann. Leider wird oft nicht die Zeit investiert, die das Pferd für diese Balancefindung benötigen würde. Zudem sehen die Leute lieber ein von einem geschickten Reiter in Szene gesetztes Pferd mit großem Tritt als die reellen, unspektakulären Bewegungen, die richtiges Reiten vor allem in jüngeren Jahren nun mal mit sich bringt.
Selbstverständlich sind auch Pausen und Zeiten der Entspannung während der Einheiten essentiell wichtig, um das Pferd nicht zu überfordern. Auf diesem Wege kann man die physische und psychische Losgelassenheit des Pferdes erreichen. Zeichen der Losgelassenheit sind u.a. Abschnauben, hörbares Atmen und leises Auftreten. Die guten Zuchtergebnisse der heutigen Zeit gaukeln vor, schneller Fortschritte in der Ausbildung erzielen zu können, dies ist jedoch ein Trugschluss, da die Entwicklungsphase nicht beschleunigt werden kann.
Die Haltungsform darf nicht erzwungen werden, sondern muss sich ergeben. Hier wird besonders auf die Bedeutung des Genicks hingewiesen. Dieses ist mit dem Kiefergelenk verbunden, daher ist auch das Kauen ein wichtiges Indiz für Losgelassenheit und quasi der Schlüssel dazu. Mit zusammengebissenen Zähnen oder zu fest verschnalltem Nasenriemen ist keine Entspannung möglich. Über das Zungenbein führt die Anbindung bis in den Unterhals. Eine Lockerung dieser Muskeln kann bspw. mit den Abkauübungen nach Baucher erreicht werden.
Es folgen Ausführungen zu den Begriffen Rückengänger (Bewegung erfolgt aus energischer Hinterhand über den Rücken zum Maul), Schenkelgänger (feste Schulterpartie, Spanntritte, kein schwingender Rücken) und Spannrückengänger (gewaltsam zusammengezogenes Pferd mit gestrecktem Becken). Es wird erklärt, daß die Bauchmuskulatur vor allem durch Seitwärtsgänge und richtiges Rückwärtsrichten trainiert werden kann. Eine gute Bauchmuskulatur hilft, eine Annäherung der Dornfortsätze zu verhindern.
V/A muß nach RS immer mit einem Öffnen des Ganaschenwinkels verbunden sein, außerdem soll die Dehnung maximal bis zur Buggelenkshöhe erfolgen. In dieser Höhe entsteht genug Zug auf das Nackenband, um den Rücken anzuheben. Tiefere Halshaltungen bringen die Pferde nur mehr auf die Vorhand, es ist kein positiver Effekt mehr vorhanden. Das Tieferstellen des Kopfes hat Auswirkungen bis zum 12. Rückenwirbel, für den hinteren Bereich ist eine aktive Hinterhand erforderlich. Eine Stellung wird immer weniger möglich sein, je mehr das Pferd aufgerichtet ist - zur Stellung wird ein langer Hals benötigt.
Der Genickwinkel beeinträchtigt auch den Bewegungsablauf und die Hankenbeugung. Kurzfristig kann der Winkel etwas zu eng werden, aber es ist auf unverzügliche Öffnung und Entlassen des Kopfes nach vorne zu achten. Bei Forschungen wurde bis zu 50 % Reduktion des Sauerstoffvolumens bei Reiten mit zu enger Kopfhaltung festgestellt.
Ebenso dient das Abschnauben der Entspannung der Zwerchfellmuskulatur, die sich direkt unter dem Reiter befindet. Rhythmisches Atmen sowie die Atemfrequenz können Hinweise auf den Zustand des Pferdes liefern bzw. deren Fehlen auf zu enge oder zu tiefe Reithalfter hinweisen. Auch die Bedeutung eines passenden Sattels wird angesprochen.
Durch das regelmässige Training soll die asymetrische Muskelbildung des Pferdes begradigt werden. Nur ein gerades Pferd kann Schub und Tragkraft entfalten. Schulter und Hüfte müssen vom Reiter positioniert werden können, das Pferd in Balance gebracht werden. Gute Dienste leisten hier Seitengänge, um die Vor- auf die Hinterhand einzustellen. RS vergleicht die unterschiedlichen Muskeln mit denen von Bodybuildern und Tänzer - die einen haben die Kraft, die anderen die Haltefähigkeit und Eleganz.
Ganz klar hat der Reiter wohl den grössten Einfluss auf das Gleichgewicht des Pferdes, und nicht selten stellt RS fest, dass die Pferde genau so schief sind wie die Reiter (oder umgekehrt

RS fasst zusammen, dass nur über das geöffnete Genick Hankenbeugung erreicht wird, diese beiden Bereiche greifen wie Zahnräder ineinander. Ein tätiges Maul mit leichter Speichelung entsteht bei Losgelassenheit im parasympathischen Nervensystem und weist auf eine positive Grundspannung hin. Hilfszügel sollten wenn überhaupt notwendig nur sehr überlegt eingesetzt werden. Und last not least - das Problem sitzt meist am und nicht im Rücken.
Der Vortrag wurde mit Bildern und Aufnahmen unterlegt, so dass viele Zusammenhänge besser erkannt werden konnten. Die Zuhörer waren auch nach 2 Stunden noch fit und verfolgten die Ausführungen sehr aufmerksam. Im Anschluss konnten Fragen gestellt werden:
Ohne Sattel reiten ist nach RS kein Thema, weil kein Dauerdruck stattfindet - reiten ist nichts statisches, sondern dynamisch.
Longiert wird bei ihm generell nur mit Kappzaum, gelegentlich setzt er einen inneren Ausbinder ein (hat er sich bei Eberhard Weiß abgeschaut), um eine kleine Stellungshilfe zu geben, jedoch vor allem im Reha-Bereich.
Reiter- und Pferdeausbildung sind zwei verschiedene Paar Schuhe, wobei es sich leider nicht vermeiden lässt, dass die Ausbildung des Zweibeiner mitunter zu Lasten des Vierbeiners geht. RS würde sich mehr Sitzlongen wünschen.
Bei der Beurteilung eines Pferdes ist immer das Gesamtbild zu sehen. Innere Spannung ist nie effizient. Leichtigkeit heisst nicht, dass Kontakt bzw. Einflussmöglichkeit aufgegeben werden. Auf dem Gebiss kauen, nervöses Schnauben, Schlauchgeräusche weisen auf Spannungen hin, die zwar kurzzeitig bspw. beim Erlernen neuer Lektionen auftreten können, jedoch ein Problem darstellen, wenn sie eher grundsätzlicher Art sind.
Nach kurzer Kaffeepause ist Marc de Broissia der nächste Referent. Eigentlich sei schon alles gesagt, meint er, und dass er nicht recht wisse, was er noch sagen solle. Er hat jedoch einige Notizzettel dabei, die ihm auch immer wieder durcheinander geraten, und so erhalten wir auch von ihm einen kurzen Abriss seiner Philosophie.
MdB's Vorbild ist Nuno Oliveira, der seiner Meinung nach die Lehren von Steinbrecht, de la Guérinière und Baucher gut vereinigt hat. MdB lässt sich nach eigener Aussage nicht in eine Schublade stecken, dies ist für ihn eine neumodische Erscheinung. Man muss sich immer nach dem Pferd richten. Feingefühl, Bauchgefühl und Instinkt verbunden mit Liebe und Verständnis für das Pferd sind wichtige Punkte in der Arbeit mit den Pferden. Es gibt mehrere Wege, die zum Ziel führen können. Das Pferd ist ein Lebewesen mit Gefühlen und eigener Sensibilität, dies wird in unserer technisierten Welt oft vergessen. Er nennt wichtige Voraussetzungen, die ein Reiter mitbringen muss:
Geduld - warten können, bis Körper und Geist des Pferdes soweit sind, man kann sich nicht nach Schema F oder einem vorgegebenen Zeitplan richten.
Strenge und Konsequenz - ein Pferd muss in bestimmten Bahnen geführt werden können, aber ohne Gewalt oder Brutalität. Heute gibt es oft nur zwei Extreme - zu hart oder zu weich.
Mut - man darf sich nicht darauf verlassen, dass das Pferd schon nichts machen wird, weil es einen ja liebt. Buckeln und Sprünge gehören zur Natürlichkeit des Pferdes.
Sanftheit - Vertrauen und Ruhe herstellen können.
MdB kommt zum Reitersitz, dieser ist außerordentlich wichtig: Eleganz hilft nicht, wenn es nicht wirkungsvoll ist. Geschmeidigkeit, in der Bewegung mitgehen, spüren, wie sich das Pferd anfühlt, NIE gegen den Rücken sitzen, denn dann kann ein Pferd seinen Rücken nicht wölben. Eine feine Hand ist selbstverständlich, ebenso wie ein feines, entspanntes Bein ohne Drücken oder Klemmen und ohne Verspannung. Ein verspanntes Bein führt zu einem verspannten Körper führt zu einem verspannten Pferd. Der Reiter muss auch mal loslassen, das Pferd bewegt sich alleine, die Sensibilität am Schenkel zu erhalten ist wichtig für feines Reiten.
Reiterei ist Körpersprache. Schulter vor oder zurück, Gewicht verlagern, Pobackenbelastung - durch das Zusammenspiel dieser Hilfen kann dem Pferd geholfen werden, sich gerade zu richten. Permantentes Arbeiten am Sitz ist elementar, ein gutes Fundament kann mittels Sitzlonge erreicht werden.
Die Ausbildung des Pferdes prägt die gesamte Arbeit des Pferdes unter dem Sattel für sein restliches Leben. Was hier falsch läuft, kann nur unter grössten Mühen wieder ausradiert werden.
MdB hat im Laufe seines Lebens alle Hilfszügel ausprobiert. Als junger Reiter hat er manches kritiklos übernommen, aber dann angefangen immer mehr selber zu testen. Nun kommen Hilfszügel wenn überhaupt nur noch bei extremen körperlichen Mängeln und auch dann immer nur sehr kurzzeitig als richtungsweisende Hilfe zum Einsatz. Über kurz oder lang missbrauchen Pferde die Hilfszügel immer als Stütze.
Gerade bei jungen Pferden ist es wichtig, diese nicht zu überfordern und bspw. maximal 20 Minuten zu longieren. Die Vorbereitungszeit bis zum Anreiten beträgt bei ihm ca. 3 Monate, unter dem Sattel wird dann viel mit einem erfahrenen Pferd ins Gelände gegangen - ohne Formgebung, das Pferd wird in Ruhe gelassen. Dem Pferd muss die Gelegenheit gegeben werden, sich mit dem Reitergewicht zurecht zu finden, deshalb muss ihm der Kopf freigegeben werden.
Da die Muskulatur stützt, schwingt und bewegt, ist eine gute Muskulatur wichtig. In Maßen übertreten gehört für MdB zur Basis und Grundausbildung und fördert die Beweglichkeit des Pferdes, außerdem den Gehorsam für den einseitigen Schenkelgebrauch. Eventuelle Ungeschicklichkeiten des Pferdes können durch Bandagieren bzw. Gamaschen abgefangen werden, um das Verletzungsrisiko zu minimieren. Hieraus wird dann die Vor- bzw. Hinterhandkontrolle entwickelt und damit die Geraderichtung sowie die Bekämpfung der natürlichen Schiefe erreicht. Dazu trägt auch die regelmäßige Gymnastizierung mittels Seitengängen bei. Der Reiter muss wissen, welche Seite seines Pferdes hohl ist (Pferd ist mehr biegsamer) und entsprechend durch Übertreten, Schenkelweichen, SH, Renvers und Travers korrigieren, auch durch ineinander Übergehen und Wechsel innerhalb der Seitengänge. Die Arbeit auf der Mittellinie in allen drei Gangarten, ohne große Zügelkorrektur, ist Übung und Prüfstein zugleich.
MdB arbeitet viel im Schritt, er studiert den Schritt. Das Pferd kann gut vorbereitet werden und ist ruhig im Kopf. Der Schritt soll so geritten sein, dass jederzeit ohne großen Aufwand in eine andere Lektion übergeleitet werden kann, bspw. angaloppieren oder piaffieren. Im Trab ist es wichtig, den Takt des Pferdes zu suchen, zu finden und dann zu erhalten. Dies wird immer individuell sein. Außerdem soll das Pferd immer dehnungsbereit sein. Selbstverständlich sind Pausen wichtig, diese erfolgen im Stand bei längstmöglichem Zügel. MdB ist kein Freund des Zügel-aus-der-Hand-kauen-lassens, nach guter Lektion lässt er sofort die Zügel fallen, die Pferde holen sich ihre Dehnung und Entspannung dann selber. Wenn nicht, läuft etwas falsch. Er hat beobachtet, dass ZadHk oft ein aufs-Gebiß-gehen des Pferdes hervorruft. Gut gerittenes Rückwärtsrichten, nicht zurückgezogen mit gegen den Zügel drücken, ohne tiefe Spuren im Sand, gibt Kraft, Bauch- und Rückenmuskulatur müssen arbeiten. Das RR erfolgt mittels Sitz und Schenkeln, die Kruppe soll sich senken, das Pferd grösser werden. Die diagonale Schrittfolge ist zu beachten. MdB richtet auch auf gebogenen Linien rückwärts, dies ist gut für die Flexibilität des Rückgrats.
Abschließend weist MdB darauf hin, wie wichtig die Selbstreflexion ist: mache ich alles richtig, wie geht es mir körperlich, wie steht es um die reiterlichen Fähigkeiten.
Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit werden die Zuschauer gebeten, eventuelle Fragen am Ende der Veranstaltung zu stellen, hierfür ist auch extra Zeit reserviert. Also geht es übergangslos weiter mit Martin Plewa. Auch er meint, dass es für ihn nun nicht einfacher geworden sei, weil bereits alles gesagt wurde

Die reiterliche Ausbildung muss für MP folgende Punkte beinhalten: vielfältige reiterliche Komponenten, entsprechendes Wissen um fachgerechten Umgang und artgerechtes Reiten zu ermöglichen, Köpfchen um erlerntes Wissen richtig anzuwenden, richtige Körpersprache bereits am Boden - wenn das nicht funktioniert, wird es auch vom Sattel aus nichts werden. Nicht das Pferd soll vermenschlicht werden, sondern der Mensch muss verpferdlichen. Viel Unrecht entsteht durch fehlendes Wissen. Neben der Motorik gehört zum Reiten auch Gefühl und Einfühlungsvermögen sowie Selbsteinschätzung und Selbstbeherrschung/Disziplin.
Man kann nicht gegen die Natur des Pferdes arbeiten, nicht nach Zeitplan oder sonstigem Schubladendenken. Die Ausbildung soll zur Gesunderhaltung und dem mentalen Wohlbefinden des Pferdes dienen. Außerdem müssen individuelle Anlagen berücksichtigt werden, immer feinere Hilfen zu immer mehr Harmonie führen. Mögliche Problemfelder ergeben sich beispielsweise aus
- mangelnder Balance und Losgelassenheit des Reiters
- Mängel in der Zügelführung und dem Gebrauch (Formdenken für Kopfhaltung)
- Begriffe werden nicht richtig verstanden bzw. umgesetzt (an die Hilfen stellen, von hinten nach vorne reiten)
- falsches Verständnis der Skala der Ausbildung
- falsches vorwärts-abwärts Reiten (LDR, Rollkur)
- einseitige, monotone Ausbildung, dadurch einseitige Belastung
- Überforderung vor allem bei gut veranlagten Pferden
- mangelnde Geduld und Vernachlässigung der Grundlagen
- falsche Vorbilder (im Sport fast nicht mehr vorhanden)
Bei einem Pferd, das nicht in Losgelassenheit arbeitet, atrophiert genau die Muskulatur, die es brauchen würde. Muskelaufbau kann nicht durch Zwangsmaßnahmen erreicht werden. Eine korrekte Anlehnung ist das Ergebnis, wenn das Pferd korrekt geht. Haltungsprobleme haben verschiedene Ursachen: hdS deutet auf wenig Schubkraft, auf dem Gebiss auf mangelnde Balance hin, beim Verwerfen ist das Pferd noch nicht gerade gerichtet, sondern schief. Zuviel Hand schädigt den Körper des Pferdes. Wenn man mit seinem Körper, Gewicht und Schenkeln, reitet, ergibt sich die Anlehung von alleine, Zügelhilfen sind untergeordnet.
Resümee: das Ziel jeder Ausbildung ist die Harmonie von Pferd und Reiter.
Untermalt wird der interessante Vortrag durch teils markige Sprüche und sehr gutes Bildmaterial - oft werden "Probleme" durch ausdrucksstarke Thellwell-Bilder verdeutlicht

Nach einer ausgiebigen Mittagspause gehts dann weiter mit dem praktischen Teil. Es wird ein Pferd an der Doppellonge vorgestellt, allerdings fragt man sich doch, was dieser Programmpunkt nun genau soll, denn zum einen kann man sicherlich nicht in 15 Minuten die Vorzüge der DL-Arbeit herausstellen, zum anderen äußern sich eigentlich alle Dozenten mehr oder weniger deutlich, dass sie nicht allzuviel vom Longieren halten

Dann kommen die ersten beiden Reiterinnen in die Bahn, Schülerinnen von MdB. Die Pferde sind sehr unterschiedlich im Alter wie im Ausbildungsstand - ein 4 1/2 jähriger Trakehner und ein 17jähriger Cruzado. Der Junge ist entsprechend guckig, MdB fordert ein langsames Annähern an die Zuschauer Runde um Runde. Kritisch prüft er den Sitz der beiden Reiterinnen und korrigiert bis ins Detail - leicht schiefe Schultern, feste Arme, zu lose Beine. Beide Pferde werden in Schritt, Trab und Galopp vorgestellt, MdB lässt immer wieder Kleinigkeiten verbessern und beharrt auf einer exakten Vorbereitung und Ausführung der Übergänge.
Danach kommt MP mit einer Schülerin in der Bahn. Er demonstriert, wie er Reitern die Anlehnung begreiflich macht, indem er selber mit an den Zügel fasst, und kommtentiert etwas allgemein zum Pferd und der Reiterin. Auch hier wird genau darauf geachtet, dass die Hilfen durchkommen und bspw. nicht angetrabt wird, bevor das Pferd nicht am Zügel ist. Da die Stute jedoch nicht ganz klar läuft, wird vorzeitig abgebrochen. Von der zweiten Reiterin sowie der Abschlussdiskussion bekomme ich leider nichts mehr mit, weil ich die Veranstaltung aus Termingründen verlassen muß.
Ich fand den Tag sehr bereichernd, habe jede Menge Ideen für meine eigene Reiterei mitgenommen und kann einfach nur DANKE sagen, daß solche Veranstaltungen angeboten werden. Alle 3 haben prinzipiell inhaltlich das gleiche gesagt, jeder mit anderem Schwerpunkt der Ausführung und Erklärung. Man würde sich wünschen, dass sich Pferdeleute auch an anderer Stelle so einig wären... RS stellte richtig fest, dass das Publikum sich immer schon mit der Materie befasst hat... sprich diejenigen, die es hören sollten, sind meist gar nicht vor Ort

Autorin: ottilie