Vom Zügel abstossen

Rund um die klassische Reitkunst

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padruga
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Beitrag von padruga »

hormän, ich finde das total interessant, dass du hier Parallelen siehst, ich dachte das wäre genau der Punkt, wo die französische Reitlehre sich unterscheiden würde, nämlich sie diese leichte Dehnung ins Gebiss gar nicht so will, sondern nur ein bewegliches Maul mit lockerem Unterkiefer. Dieses "Anstoßen" kann meiner Meinung nach nur erfolgen wenn sich das Pferd von sich aus leicht in die Zügel dehnt, weiche "Anlehnung" sucht. Manipulationen mit der Hand, wenn sich das Pferd im Maul festmacht, das ist klar, das schreibt auch Steinbrecht und co. Aber das ist die Grundvoraussetzung, die vor dem "Abstoßen" (bei dem sich die Oberlinie trotz scheinbarer Verkürzung des Pferdes verlängert!) passiert, da unterscheidet sich Steinbrecht nicht so von PK.
Ich denke dass ein Pferd dieses produktives "Abstoßen" nicht zeigen wird, wenn sein Kopf wie im obigen Beispiel mit Gewalt oder mit Hilfszügeln zurückgehalten wird, aber auch nicht wenn es zwar sehr leicht und aktiv im Maul ist, aber diese Tendenz Anlehnung aktiv zu suchen, nicht hat.
padruga
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Beitrag von padruga »

das wäre ja dann theoretisch das was wir meinen, aber der Reitlehrer lässt Filzi's Frendin ja die Zügel kurz und starr halten...da passiert doch dann mal garnichts
Doch, da passiert leider schon was. Nämlich das was du beschreibst: Pferdehals wird immer kürzer und steifer. Maximal kippt Pferd im Hals einfach ab, um dem Druck zu entgehen. Oder es schaltet im Hirn ab und wird bretthart im Maul... Armes Tierchen....
Bernie
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Beitrag von Bernie »

Das ist einfach ganz schlechter Unterricht ohne jeglichen theoretischen Hintergrund. Ich würde dieses Beispiel im Eingangspost gar nicht erwähnen, das "abstoßen am Genick" hat doch mit diesem sehr schlechten Beispiel nichts zu tun.

Zur eigentlichen Begriffsdefinition wurde ja schon geschrieben, schließe mich da mal an. ;)
esge
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Beitrag von esge »

Die Fehlinterpretation geht soweit, dass eine leider sehr schlechte RL in unserer Gegend sogar schon erzählte, das Pferd müsse erst nach "rückwärts-abwärts" nachgeben, damit es leicht wird und dann richtig ans Gebiss rantreten würde. Ergebnis ist, dass alle Pferde bei ihr aufgerollt bis zum gehtnichtmehr sind und die Reiter ordentlich Bizeps kriegen...

Man muss es mal gefühlt haben, dieses "Abstoßen am Gebiss".
Natürlich hat es auch was mit einer engagierten Hinterhand zu tun, aber, extra für Cubano noch einmal: in der frz. Reitweise werden die Bein und Handhilfen lediglich getrennt gelehrt und angewendet. das heißt jedoch nciht , dass die Pferde bei Handeinwirkung keinen Motor anhaben sollen. Den hat der Reiter bloß vorher aktiviert und sollte sich dann bei Handeinwirkung nicht mehr drum kümmern müssen. Geht der Motor bei Handeinwirkung aus, muss der Reiter die Hand aufgeben und sich zunächst wieder um den Impuls kümmern.

Abstoßen kann sich das Pferd erst von einem Gebiss, wenn es zuvor herangetreten ist. Das kann es aber nicht, wenn es kurzgekniepelt wurde, wie im Eingangsbeispiel beschrieben. Die Halsoberlinie muss aus dem Widerrist heraus gedehnt sein. Das Pferd sucht, genau wie es in den Richtlinien beschrieben ist, die Hand des Reiters - und stößt sich daran ab. Es fühlt sich an, als würden die Hinterbeine in die dargebotenen Hände des Reiters treten und dort gegenfedern.
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Stef
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Beitrag von Stef »

ja Padruga, aber ein positiver Effekt kommt damit nicht zustande :roll:
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Cubano
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Beitrag von Cubano »

esge hat geschrieben: Natürlich hat es auch was mit einer engagierten Hinterhand zu tun, aber, extra für Cubano noch einmal: in der frz. Reitweise werden die Bein und Handhilfen lediglich getrennt gelehrt und angewendet. das heißt jedoch nciht , dass die Pferde bei Handeinwirkung keinen Motor anhaben sollen. Den hat der Reiter bloß vorher aktiviert und sollte sich dann bei Handeinwirkung nicht mehr drum kümmern müssen. Geht der Motor bei Handeinwirkung aus, muss der Reiter die Hand aufgeben und sich zunächst wieder um den Impuls kümmern..
Freut mich, dass Du mir das noch mal erklärst :D
Übrigens werden in der deutschen Reitweise die Hilfen von Hand und Bein durchaus auch getrennt gegeben - immer vorausgesetzt natürlich, wir reden hier nicht von einem so grottigen Unterricht, wie im Eingangspost – oder gerade von Dir – beschrieben
sinsa
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Beitrag von sinsa »

@Horsmän Mit der Schielerei auf den Unterkiefer schaut man zu tief ;-(

Das Pferd wird nicht leicht in der Hand, wenn es den Unterkiefer öffnet. Es wird erst dann leicht in der Hand, wenn es im Genick nachgibt.
Das wäre ja auch noch schöner. Als nächstes fordert man dann wohl, dass das Pferd, die Nickbewegungen für den Reiter selber ausgleicht, in dem es das Maul öffnet. 8)
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marquisa
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Beitrag von marquisa »

Einer Rl,die ihre Schüler mit Halsverlängerer reiten lässt,gehört die Lizenz entzogen,sorry.

Ein Schüler,welcher dieses Hilfsmittel benötigt,um den Kopf des Pferdes unten zu behalten,wird nie lernen,dieses reell an den Sitz zu reiten.

Das Pferd wird nie lernen,sich in Balance zu tragen und sich willig an die Hand heranzudehnen,wo es sich dann am Gebiss abstösst ,um die Hilfe vom Maul übers Genick bis in den Hinterfuß durchzulassen und dabei ganz leicht in der Hand wird.

Dieses Pferd wird sich lediglich hinter dem Zügel verkriechen und sich nicht mehr trauen,an diesen heranzutreten.Das schlimme ist,dass der Reiter dann auch das Gefühl vermittelt bekommt:
Ja,das Pferd hat sich abgestossen,ich habe schließlich nichts mehr in der Hand.

In diesem Sinne finde ich den Begriff des Abstossens schon kontraproduktiv und würde eher von Durchlässigkeit sprechen.

Aber man muss es einmal gefühlt haben.
Gold wert ist in diesem Sinne ein gutes Lehrpferd.

Hier mal ein Foto von meinem Jungspund,der jetzt 4 Jahre alt ist und gerade lernt,sich etwas aufzunehmen und bei schwingendem Rücken und erhobenem Widerrist vertrauensvoll an die Hand heranzutreten,eben durchlässig zu werden.

Keine Sorge,er wird selbstverständlich nicht die gesamte Reiteinheit in dieser Haltung geritten,die meiste Zeit geht es remontemäßig v/a !
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Holdibert 13.05.2010 010.JPG
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Stef
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Beitrag von Stef »

und wie bringt man das jetzt einer Remonte bei?

nur so aus Neugier, weil ich in 2 Jahren auch dran bin...
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marquisa
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Beitrag von marquisa »

ach du grüne neune Stef,als wenn das mal so eben (und auch noch ohne Kaffee dabei :wink: ) zu erklären wäre :lol:

Also,niemalsnie mit der Hand oder Hilfszügeln eine Beizäumung erzwingen wollen.
Meine Pferde werden durch Bodenarbeit inkl. Doppellonge auf ihren Einsatz unter dem Sattel vorbereitet.
Balance erstellen und erhalten heisst das Zauberwort;die Durchlässigkeit durch viele Übergänge erarbeiten.
Dies erfordert eine vom Sitz unabhängige Hand und viel Geduld.

Wenn man zum ersten mal ein Jungpferd ausbildet,sollte man sich erfahrene Hilfe suchen.Was man einmal versaut hat,muss man das gesamte Pferdeleben lang ausbaden.
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Stef
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Beitrag von Stef »

ich habe meinen "Alten" auch mehr oder weniger alleine ausgebildet, aber er war schon eingeritten, nur konnte er nix...

habe mir früher auch viel reinreden lassen :roll:

eine Bekannte von mir züchtet auch und reitet bis S...die meinte, sie holt die Jungtiere mit 3,5 Jahren von der Weide, longiert 6-8 Wochen und dann werden die eingeritten und langsam ausgebildet...

ich kann mir das bei meiner schwer vorstellen, wenn ich die jetzt noch 2 Jahre in Ruhe lassen würde, also komplett (ohne Putzen, Spazieren gehen etc.), daß die das einfach so mit sich machen lassen würde?!

sie ist schon sehr dominant, hinterfrägt alles und ist sehr skeptisch und manchmal auch sehr hektisch...
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marquisa
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Beitrag von marquisa »

@ Stef:

Das hat hat ja jetzt mit dem eigentlichen Thema nicht mehr viel zu tun,aber meine Jungpferde sind auf der Weide unter Kumpels,da wird nicht viel dran herumgetüddelt.
Unter Gleichaltrigen lernen sie vieles,was sie in dem Alter benötigen,inkl. Rangordnung erlernen und sich dort integrieren.

Die kennen das gesamte Fohlen-ABC,lassen sich aufhalftern,führen,Hufe geben,Schmied und ab und an mal ne Runde striegeln,aber es findet kein tägliches Programm statt.

Gerade dominante Exemplare brauchen eine liebevolle,aber konsequente Hand und nicht tägliche Endlosdebatten bzgl. erwünschten oder unerwünschten Verhaltens.

Das sind noch Kinder,die kein tägliches Bespaßungsprogramm benötigen.

Nutz die Zeit,um dir die Grundregeln für die Jungpferdeausbildung anzueignen,besuche Bodenarbeitskurse und schau bei erfahrenen Leuten zu.

Ein Jungspund ist nicht zu vergleichen mit einem älteren Pferd,wenn dieses auch noch so vermurkst und schwierig in der Handhabung und der (Korrektur-)Ausbildung ist!

Und wenn es bei deinem Kleinen losgeht,hol dir bitte jemanden zur Hand,der Erfahrung hat,du und dein Pferd haben es dann um so vieles einfacher!
:pferd2:
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Stef
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Beitrag von Stef »

ja, das werde ich auf jeden Fall tun!

ich bespaße sie ja nicht jeden Tag! ich fahre einmal die Woche rauß, sage Hallo und ab und an putze ich sie, Hufschmied etc....da wird nix betüdelt o.ä. !!

ich meinte ja auch, wenn man die ganz "wild" mit 3,5 Jahren reinholt, stelle ich mir das äußerst schwierig vor, wenn man vorher garnix mit denen gemacht hat!
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Beitrag von horsman »

@sinsa
ich halt mich da lieber an den Steinbrecht.
Das Pferd soll auf dem Gebiss kauen und das Maul soll lebendig und rege sein, sagt er. Aber er sagt auch, dass kauen allein noch keine gute Anlehnung ausmacht. Auch das ist mir wohl bewußt. Nur ohne ein lebendiges Maul gibt es auch keine gute Anlehnung.

Und klaro: zum Abstossen am Gebiss gehört zuvor (und immer wieder neu) das herandehnen an selbiges. Bevor es aber zu viel zieht an der Hand, soll es sich eben abstossen, also wieder leichter in der Hand werden.
First a relaxed mind, then a relaxed horse.
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Cubano
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Beitrag von Cubano »

Stef hat geschrieben:
ich meinte ja auch, wenn man die ganz "wild" mit 3,5 Jahren reinholt, stelle ich mir das äußerst schwierig vor, wenn man vorher garnix mit denen gemacht hat!
Auch OT – aber ist es nicht unbedingt. Meiner kam mit etwas über 3 vom spanischen Festland hier her und kannte gar nichts. Und der war in seiner Junghengst-Herde der Alpha-Hengst. Vorbereiten und anreiten lief dennoch unproblematisch. Die jungen Pferde sind in meinen Augen eigentlich immer grundkooperativ und neugierig. Wenn man sich da Zeit und Ruhe nimmt, sehe ich da nicht zwingend ein größeres Problem.
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