Science of motion - Jean Luc Cornille

Rund um die klassische Reitkunst

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amara
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Beitrag von amara »

Das ist auch schwer zu entscheiden. Schön findet das Gros es heutzutage ja unbestritten.

Auf der anderen Seite war es 1984 wohl nicht üblich, das Pferd von der Trittfrequenz her so runterzuschrauben.
http://www.youtube.com/watch?v=tKbqokuTzh8
Ahlerichs Passage würde heute aber vermutlich auch nicht mehr als Passage durchgehen. Man erkennt deutlich den "normalen" Trab in den Phasen (z.B. 2.15).

Aber man bewegt sich da langsam weg - defintiv. Mir ist das auch schon aufgefallen z.B. bei den Galopppirouetten. Früher (siehe z.b. Ahlerich Video) wollte man ein Pferd mit möglichst flinkem Hinterbein, das sich möglichst zackig vom Boden wegbewegt, heute hat man lieber so langsam wie nur irgendmöglich gesprungene Pirouetten.
Manchmal schwierig zu entscheiden, was Erhabenheit ist, was nur einfach runtergeschraubtes Tempo.
Eins ist jedenfalls klar, wenn ich für den normalen Trab das schon so runterschraube und die Vorhand so betone, dann bleibt mir ja gar nichts anderes übrig, als die Passage sehr hoch und sehr extrem kadenziert zu reiten (Ahlerich z.B. hat KEIN abgehaktes Haltemoment in der Passage), weil man sonst den Trab von der Passage nicht unterscheiden kann. Und irgendeinen Unterschied muss der Richter ja erkennen. :wink:
Zuletzt geändert von amara am Di, 01. Mär 2011 08:31, insgesamt 1-mal geändert.
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amara
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Beitrag von amara »

Ps. wenn man das übertreibt, kommt dann sowas raus: http://www.youtube.com/watch?v=zKQgTiqhPbw
Und das find ich _persönlich_ eben einfach nur nicht schön und abgehakt, affig. Ich finde das hässlich, ehrlich.
Aber ich kenne viele die das Pferd umwerfend fanden, von daher sag ich ja - auch viel Gusto!!
esge
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Beitrag von esge »

Hm.
Ich muss ein bisschen an meine Quarterstute dabei denken. Sie hat vom Körperbau fast vollblütige Züge, wenn auch mehr A...
Aber die lief total und vollständig auf der Vorhand, so hart, dass sie häufig vorn stolperte. Das war nicht drangeritten, sondern die lief vom Anreiten an so.
Nach einer Phase, wo sie das Herandehnen ans Gebiss lernte, reite ich sie nun z.T. (zu) hoch aufgerichtet und immer mal wieder (nicht ausschließlich) etwas überspannt und oben an. Ich lasse sie im SH Übergänge vom schritt zum Trab und zurück vollziehen, in denen sie hoch aufgerichtet bleiben muss und quasi ohne das Tempo zu verändern den Gangartenwechsel vollziehen muss. Dabei forciere ich zeitweilig die Bewegung der HH und lasse sie vorn nicht raus, sondern leite den Impuls nach oben um. Schwer zu beschreiben. Arrets fangen den Impuls von hinten auf, gekipptes Reiterbecken versucht Pferdebecken zu gleichem Tun zu animieren. Es sind im Grunde ein bisschen die Hilfen zu einer Piaffe, ohne schon an eine Piaffe zu denken.
Dies sehe ich als eine Hilfsmaßnahme, um dieses Pferd im Normaltrab zu verbessern. Was auch - in Addition zu der vorangegangenen Dehnungsarbeit funktioniert. Ich kann jetzt allmählich aus den beiden Elementen "Dehnung" und "Oben an" eine gute, halb aufgerichtete, gedehnte Arbeitshaltung entwickeln. Entlasse ich sie aus der oben beschriebenen Arbeit nach vorn, bekomme ich genau das, was ich haben möchte. Für 20 m... Danach bricht das Gebilde noch zusammen.

Den Schimmel auf dem Video würde ich ähnlich sehen. Das "nachher" auf dem Video wäre für mich noch nicht das "Angekommen", sondern nur ein Zwischenschritt auf dem Weg zu "wirklich gut".
Loslassen hilft
saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

Ich finde für die kurze Zeit ist das eine sehr deutliche Verbesserung. Das Pferd hat an Spannfähigkeit gewonnen, kommt recht frei aus der Schulter und ist sehr viel besser nach hinten ausbalanciert.

Man beachte auch den wunderbar pendelnden Schweif.- Nein, das sind definitiv keine Spanntritte, die Bewegung läuft durch, wenn auch noch nur bis zum Wiederrist und nicht bis zum Maul.

Der Reiter ist sehr bemüht ihn vorne zu halten, auch wenn man in der Anfangssequenz sieht, wie leicht das Pferd im Genick ist und wie leicht er zu eng kommt. Das bedeutet für mich, daß der Reiter sehr wohl um diese Fehler weiß.

Das ist diese elend schwierige Gradwanderung die man vollführen muß, wenn man so einen Schlacks unter sich hat : Wieviel rund, und wieviel vor?
Kein Pferd, das man 0 -8 -15 nach Lehrbuch fördern kann.
Ein instabiles, schlacksiches Pferd, mit der Bewegungen die slabberich in den Boden platschen. Vollständig im Rumpf unten hängend ohne jeglichen Spannungsbogen.
Später dagegen sieht man den Beginn von positiver Grundspannung. Es fehlt noch an Vorwärts, es fehlt noch an gehobenem Wiederrist, es fehlt noch die Länge im Pferd, aber die Balance ist schon sehr viel besser, das Pferd beginnt mit seinem Körper zu spielen, fühlt seine Kraft kommen.

Ich weiß nicht, welcher Weg da beschritten wurde, aber es ist für mich ein gangbarer, wenn die fehlenden Punkte noch weiter verfolgt werden.
Mich würde ein Video ein Jahr später sehr interessieren.
Ein sehr interessantes Filmchen- danke dafür marquisa.

Grüße S&P
gimlinchen
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Beitrag von gimlinchen »

@esge: ich würde sehr gerne mal ein bild sehen von kopf- halshaltung bei deinem quarter. gerne per pn (mir gehts rein um dieses Thema, dass desmond findet, ich muss meinen blü+ter mit recht hohem kopf reiten udn alle anderen sagen, der kopf muss runter. versuche zu kapieren, was er genau meint...)
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Beitrag von esge »

Gimlinchen, ich habe zur Zeit nichts aktuelles. Wenn ich wieder was habe, sage ich dir Bescheid.
Loslassen hilft
Max1404
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Beitrag von Max1404 »

Zum ersten Video:
Da sieht man, wie sehr man die Gänge durch Reiterei beeinflussen kann.
Allerdings hinkt der Vergleich zwischen den beiden Sequenzen ziemlich: am Anfang wird das Pferd mit tieferer Einstellung leichtgetrabt, später ausgesessen und in höherer Einstellung geritten. Das ist ein wenig Augenwischerei :wink:
Mir gefällt der weiterentwickelte Trab allerdings nicht besonders gut, das Pferd neigt zu Schwebetritten und verhält sich. Ich würde mir mehr Fluss wünschen und immer mal wieder einen Wechsel in ein deutlicheres Vorwärts für einige Tritte. Es ist aber möglich, dass er dann wieder auf die Vorhand gekippt wäre und dass der Reiter deshalb lieber versucht, die Hinterhand über den etwas verzögerten Trab aufzubauen. Solche Kompromisse sind manchmal einfach notwendig, sofern man sich daraus positiv weiterentwickelt.
Viele Grüße
Sabine
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Max1404
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Beitrag von Max1404 »

amara hat geschrieben:Ahlerichs Passage würde heute aber vermutlich auch nicht mehr als Passage durchgehen. Man erkennt deutlich den "normalen" Trab in den Phasen (z.B. 2.15).

Mir ist das auch schon aufgefallen z.B. bei den Galopppirouetten. Früher (siehe z.b. Ahlerich Video) wollte man ein Pferd mit möglichst flinkem Hinterbein, das sich möglichst zackig vom Boden wegbewegt, heute hat man lieber so langsam wie nur irgendmöglich gesprungene Pirouetten.
Manchmal schwierig zu entscheiden, was Erhabenheit ist, was nur einfach runtergeschraubtes Tempo.
Eins ist jedenfalls klar, wenn ich für den normalen Trab das schon so runterschraube und die Vorhand so betone, dann bleibt mir ja gar nichts anderes übrig, als die Passage sehr hoch und sehr extrem kadenziert zu reiten (Ahlerich z.B. hat KEIN abgehaktes Haltemoment in der Passage), weil man sonst den Trab von der Passage nicht unterscheiden kann. Und irgendeinen Unterschied muss der Richter ja erkennen. :wink:
Zur Passage: ich denke, dass Ahlerichs Passage heute zwar noch als solche durchgehen würde, allerdings als sehr ausdruckslos gelten würde. Wir haben uns leider schon zu sehr an Schwebetritte im Trab und hochgerissene Vorderbeine in der Passage gewöhnt. Für mich ist Ahlerichs Passage dennoch die bessere und richtigere.

Zu den Pirouetten: für mich ist es richtig, wenn der Takt des Galoppsprungs auch in der Pirouette erhalten bleibt. Das ist bei den "Zeitlupen-Pirouetten" nicht mehr der Fall.
Viele Grüße
Sabine
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amara
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Beitrag von amara »

Da schließ ich mich dir gleich an. :wink:
Stelle gerade fest, dass selbst bei Rembrandt die Passage noch eine recht durchgängige runde Bewegung war... soooo lang ist das ja auch nicht her. *oh Mann, bin doch alt*
Bei Neckermann sowieso...
Paula

Re: Entwicklung des Trabes-Video

Beitrag von Paula »

marquisa hat geschrieben:Bitte schaut euch mal das Video an .

Mich würden eure Meinungen dazu interessieren.

http://www.scienceofmotion.com/documents/ruler_tb.html
ich finde das Gereite einfachnur grausig, Pferd wird immer vorne festgehalten , Hinterhand dadurch blokiert,Schulter gebunden, später noch mehr als zu Beginn, Pferd geht zu keinem Zeitpunkt über den Rücken.
Annie
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Beitrag von Annie »

ich tendiere zu Paulas Meinung, mir fehlt hier total die Hinterhand erhabenes gestrample vorne kein Schub aus der Hinterhand.
Die ersten paar Sekunden des Videos im Entlastungssitz haben mir da noch am besten gefallen.
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chica
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Beitrag von chica »

*Annie rechtgeb* Mir fehlt ebenfalls Rücken und Hinterhand und bin umso erstaunter über das positive Feedback, das bereits gegeben wurde. Ich sehe da keine positive Entwicklung. Mag sein, dass mir da die Erfahrung dafür fehlt, wohin der Weg führen KANN, aber je öfter ich mir das Video ansehe, umso weniger kann ich damit anfangen :?
LG Ines
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"Die Kritik an anderen hat noch keinem die eigene Leistung erspart."
(Noël Pierce Coward)
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Phanja

Beitrag von Phanja »

Mir gehts auch eher so, dass ich weder dem Vorher noch dem Nachher viel Positives abgewinnen kann. Grade ganz am Ende wirkt das Pferd auf mich vorne extrem festgehalten. Das "Nachher" ist meiner Meinung nach zwar anders als das "Vorher", aber für mich wär es keine gewünschte Entwicklung
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Medusa888
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Beitrag von Medusa888 »

Was Eure Kritik betrifft, stimme ich Euch voll zu, sowohl was Anlehnung als auch die Rückentätigkeit betrifft. Dennoch finde ich, dass die gesamte Bewegungsqualität verbessert ist.

Insbesondere im Hinblick auf den Takt sehe ich Verbesserungen, als auch bei der Gangmechanik. Ich finde, das Pferd kommt "besser aus der Schulter" und tritt hinten gleichmäßiger und mehr unter den Schwerpunkt.
Talent bedeutet Energie und Ausdauer. Weiter nichts. (Heinrich Schliemann, Entdecker Trojas)
saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

chica hat geschrieben:...., aber je öfter ich mir das Video ansehe, umso weniger kann ich damit anfangen :?
Mir geht es grad anders rum, je öfter ich es mir anschaue, um so mehr positive Aspekte sehe ich. Mich hat der erste Eindruck auch erst verschreckt, aber nach einigem mal mal anschauen, kann ich da viel sehen, was in eine gute Richtung geht. Man bedenke, es sind gerade mal 4 Monate !
Wie bereits erwähnt, ich kenne den Weg der hier gegangen wird nicht, aber wenn die Punkte, die ich ebenfalls als noch fehlend sehe, noch erarbeitet werden, kann das durchaus sehr gut- in den Möglichkeiten des Pferdes gesehen- werden.
Es wäre sicher nicht MEIN Weg, aber eben EIN Weg.

Die blockierte HH kann ich übrigens nun gar nicht sehen. Ich finde, die Durchschwungphase des Hinterbeines ist viel besser ausgearbeitet im zweiten Teil und gerade in der leichten Traversalverschiebung sieht man wie gut die HH arbeitet, ein locker pendelndes,Becken, eine losgelassene Kruppe, ein frei pendelnder Schweif. Bei blockierter HH sähe das ganz anders aus. Auch der Rücken arbeitet frei, wenn er auch noch nicht wirklich trägt, er schwingt schon mal.- Das ist mehr, als manch ein hochdotiertes Pferd von sich sagen kann.
Nein, ich bleibe dabei, eine Momentaufnahme auf einem Weg, den wir hier so nicht kennen. Hochinteressant.
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