OT:
@Honigkuchenpony: die Auswirkungen dieses Prinzips der SJ-Reitweise sieht man dann auch in der Längsbiegung des Pferdes - die ist nämlich bei Pferden, die so ausgebildet worden sind, erheblich weniger vorhanden als bei klassisch ausgebildeten Pferden.
Ich möchte aber bitte die vorgenannten klassisch orientierten Lehrer nicht mit SJ in einen Topf geworfen wissen.
OT Ende.
Back to Topic: das Zauberwort heißt "halbe Paraden".
Wer das Prinzip verstanden hat und sie anwenden kann, dem beantworten sich so einige Fragen, die hier gestellt worden sind.
Nevado: das hier ist unvollständig, bzw. so wie es dasteht nicht korrekt:
Man bekommt ja immer und überall gelernt dass der äußere Zügel relativ starr bleibt und der innere stellt, Paraden gibt, etc.
Das hier habe ich mal vor längerer Zeit im Widerrist-anheben-Fred geschrieben:
Halbe und ganze Paraden sind ein komplexes Zusammenspiel der Hilfen von Hand, Sitz und Beinen. Ich denke, wir sollten diesen Begriff, wie er in der deutschen Reiterei verwendet wird, einmal deutlicher klären, denn sonst reden wir ewig aneinander vorbei. Eine Parade ist nicht vollständig mit einem Arret gleichzusetzen.
Halbe Paraden dienen zur Vorbereitung/Ankündigung einer Lektion, zur Haltungsverbesserung, zur Aktivierung des Hinterbeins zum verstärkten Untertreten unter den Schwerpunkt, zum Wechsel in eine (niedrigere) Gangart, zum Versammeln, zum Zurückholen nach Verstärkungen und auch zum Beugen der Hanken, wobei man gezielt auf jeweils ein Hinterbein einwirkt.
Klassisch-deutsch treiben die Beine das Pferd in die festgestellte Hand, unterstützt vom Sitz (Kreuzhilfe). Das Pferd holt sich so die Parade quasi selbst ab. Danach wird sofort nachgegeben.
Ich reite halbe Paraden bei meinen eigenen Pferden immer über den Sitz (Kreuzhilfe), manchmal in Verbindung mit einem kleinen Impuls an einem Zügel (meistens dem äußeren). Nur ganz selten geben die Beine einen kleinen Impuls mit, dann, wenn der Sitz die Hinterbeine nicht ausreichend unter den Schwerpunkt bringen kann. Idealerweise trenne ich (hier bin ich sehr französisch!) dabei die Einwirkung von Händen und Beinen. Z. B. eine Rückführung aus der Trabverstärkung würde ich (sofern ich sie nicht ausschließlich über das Kreuz reiten kann) nacheinander wie folgt reiten:
1. Impuls mit der Hand und dem Sitz zum aufmerksam machen, ggf. erneut beim nächsten Tritt
2. Impuls mit dem Bein, danach sofort
3. Feststellen der äußeren Hand ("durchhaltende Zügelhilfe") oder Schließen der äußeren Faust bei gleichzeitiger Kreuzhilfe (größer machen, Anspannen von Rücken- und Bauchmuskulatur, ggf. Druck mit dem Oberschenkel/Knie an den Sattel).
4. Sobald die Reaktion des Pferdes erfolgt ist, nachgeben
5. falls notwendig, nochmals leichter Impuls mit dem Bein zum Nachtreiben und zur Haltungsverbesserung.
Normalerweise sollte die Rückführung in dieser Form geschmeidig und auf der HH erfolgen. Wichtig ist dabei das Timing, das richtige Gefühl für den Moment im Bewegungsablauf, in dem die Parade am meisten nützt. In der Schwebephase im Trab nützt sie nichts, dafür jedoch im Moment der Zweibeinstütze. Im Galopp nützt sie nichts, wenn sie in der Phase, wo sich nur ein Vorderbein auf dem Boden befindet, gegeben wird, usw.
Die Abstufungen der Hilfen sind dabei so fein zu variieren, dass man je nach Intensität der Hilfengebung sehr gut zwischen halben Paraden zur Vorbereitung auf eine Lektion, zur Haltungsverbesserung oder Erreichen von mehr Kadenz, zum Versammeln, zum Rückführen nach einer Verstärkung, zum Übergang in eine niedrigere Gangart, etc. unterscheiden kann.
Die ganze Parade (z. B. Trab-Halten) reite ich (meistens) wie folgt:
1. 1-2 Tritte vor der Parade vorbereiten durch halbe Paraden (im Rhythmus mit den Trabtritten geritten, also Impuls - nachgeben - Impuls - nachgeben),
2. danach Kreuzhilfe (größer machen, dabei tiefer einsitzen) und durchhaltende Hand an beiden Zügeln, ggf. Faust in der Parade fester schließen.
3. Sobald die Reaktion erfolgt ist, Ablassen von den Hilfen, ruhiger Sitz und Schenkel, weich nachgebende Hand, Pferd ruhig stehen lassen (aber trotzdem so "wach", dass es sofort wieder antreten könnte).
Normalerweise wird diese ganze Parade auf der HH erfolgen - wenn sie richtig ausgeführt wurde. Das Halten wird nur dann gerade erfolgen und das Pferd gleichmäßig auf allen 4 Beinen stehen, wenn das Gleichgewicht des Pferdes bereits in der Vorbereitung auf die ganze Parade richtig war.
Paraden sind ein sehr komplexes Thema, denn sie bilden das Herzstück der klassischen deutschen Reiterei. Sie sind keineswegs mit den "zackigen" Paraden zur Grußaufstellung auf der Mittellinie, die man im Sport so oft sieht, gleichzusetzen. Im Sport sieht man oft nur schlechte Karikaturen einer guten Parade. Für die schönen Paraden im Sport bitte Klimke und Ahlerich anschauen! Und sie erfolgen auch nicht ständig, sondern nur dann, wenn man etwas vorbereitet oder verändern will. Auch das wird leider heutzutage oft dadurch karikiert, dass ständig gezoppelt und geklopft und "sportlich geritten" wird.