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Rund um die klassische Reitkunst

Moderatoren: Julia, ninischi, Janina

padruga
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Beitrag von padruga »

...dass er sagte sobald das Pferd eng wird, also hds ist, das Nackenband lose ist.

Genau das meinte ich, dass das nicht immer der Fall ist. Die Schlussfolgerung hdS=eng stimmt so nicht immer. Schau dir freilaufende ungerittene Hengste an. Die machen nicht nur einen Kragen, damit sie imposanter wirken, sondern die kippen oft ab dem 3. Halswirbel ab, hdS, stabilisieren so ihr Nackenband indem sie dann ihren Kopf nach unten und hinter die Senkrechte nehmen, damit ziehen sie passiv mit dem Nackenband die Dornfortsätze leicht nach oben/vorne. Das Nackenband ist dann nämlich nicht lose wie bei den "HinterdenZügelverkriechern", sondern zieht bis hinter die Sattellage. So versammeln sich wildlebende Pferde, schau sie dir an, wenn sie sich zusammenschieben, viele sind dabei hinter der Senkrechten. Aber sie sind nicht im Hals eng, weil sie so den Hals nach oben schieben. reiterlich ist das so natürlich auf Dauer nicht gewünscht, weil es rein mechanisch über Hebelwirkung funktioniert und primär erst mal weder einen schwingenden Rücken produziert noch eine reelle Anlehnung. Dazu ist der Muskelaufbau nötig, praktisch die aktive Dehnungshaltung, die gehört dann halt geduldig erritten.
Was ganz anderes ist es wenn sich das Pferd hinter den Zügel verkriecht und eng im Hals wird. Aber das ist etwas ganz anderes und als Reiter auch völlig anders zu behandeln.

@janina:
Hätte man bei so einem speziellen Pferd nicht die HH entsprechend vom Boden aufbauen können, bevor man sich da drauf setzt und eine "Kontrahaltung" akzeptiert? Wäre zumindest mein Ansatz gewesen. Das Pferd am Boden so weit vorbereiten, dass es in der Lage ist, die Haltung einzunehmen und zumindest kurzzeitig zu halten, die es mich entsprechend tragen lässt.
Entsprechende Bodenarbeit haben wir davor schon ausgiebig gemacht. Es handelte sich später auch immer nur um sehr kurze Phasen, immer wenn das Pferd etwas länger nicht geritten wurde, meist auch nur in der Aufwärmphase.
saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

Padruga, ein Hengst, der imponiert, spannt nicht das Nackenband, sondern, er fächert muklär den Wiederrist auf.
Er aktiviert Rumpfträger, und den Halsheber und hält dabei mit dem Halssenker gegen . Somit wird der Wiederrist nicht passiv über den Zug des Nackenbandes, sondern aktiv über den Zug des Halshebers aufgefächert.

Und genau das ist es, was ein ausgebildetes Pferd tut, wenn es trotz gehobenem Hals ( der automatisch bedingt, daß sich das Nackenband entspannt) den Wiederrist aufgefächert hält. Deswegen ist ja das Längen der Oberlinie so wichtig, bzw. eben diesen Vorgang stellt das "Längen der Oberlinie" dar.

Der kleine Umlenkhebel von 4.HW zum Hinterhauptbein ist nicht in der Lage, ausreichend Zug zum Auffächern/ Anheben/ Aufrichten des Wiederristes zu produzieren. Dafür benötigt ein Pferd den ganzen langen Hebel des Halses.

Je besser die Rumpfträgermuskeln in den passiven Aufrichtungsvorgang involviert werden, um so effektiver funktioniert sie bei abgesenktem Hals . Bei gehobenem Hals funktioniert die Aufrichtung nur, wenn alle Muskelgruppen aktiv interagieren. Das Nackenband vor dem Wiederrist spielt dabei nahezu keine Rolle mehr, bzw. bedingt und nur , wenn die Rumpfheber dabei aktiv arbeiten.
Gruß S&P
padruga
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Beitrag von padruga »

Ja, stimme dir in allem zu. Auch mit dem Anheben und Auffächern des Widerrists. Aber: Warum sind diese Pferde dann alle HINTER der Senkrechten?? Und das Genick eben NICHT der höchste Punkt. Da muss also schon ein Unterschied sein. Was macht es aus, dass die hinter die Senkrechte kommen?
saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

Das passiert, wenn die obere und die untere Muskelkette nicht im optimalen Gleichgewicht arbeitet.
Bei Pferden, mit einem leichten Genick, also einem eher schwach ausgebildeten Genickmuskel ( der Verbindungsteil der Oberen Muskelkette zwischen 4.HW und Hinterhauptbein) , welcher den Kopf und das Genick oben hält. Seinen Gegenzug entwickeln die Kopfsenker - die da wären die Zungenbein-Brustbeinmuskulatur und die Kopf-Armmuskulatur. Ist die untere Muskelkette festgehalten oder sehr stark entwickelt und die obere im Bereich des Genickmuskels schwach, so kann er dem Zug der Kopfsenker nicht genügende Gegenzug entgegensetzen und das Pferd senkt das Genick ab.
Das kann diverse Ursachen haben. Z.B. Verspannungen in der unteren Muskelkette, eine besonders leicht konstruiertes Genick, eine schwache HH die im Zusammenspiel der unteren Muskelkette fehlt, eine schwache Rumpfträgermuskulatur, ein festgehaltener Rücken und und und....
Das muß man ganz individuell betrachten und einschätzen und die entsprechenden Gegenmaßnahmen einleiten, denn ein abgesenktes Genick lässt die Untere Muskelkette nicht ganz loslassen, beeinträchtigt die optimale Vorhandmechanik und behindert eine vollständiges Auffächern des Wiederristes mit all seinen negativen Folgen.
Gruß S&P
padruga
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Beitrag von padruga »

Was du beschreibst, ist eher das Abkippen z.B. bei Pferden, die "sichs leichter machen wollen" und dann hinter den Zügel verkriechen, oder? Ich meine aber ganz speziell dieses Rundmachen von freilauf,menden Pferden/Hengsten (auch mit starken Genickmuskeln), die sich, um sich auf die Hinterhand zu setzen, dazu den Kopf oft hinter die Senkrechte nehmen und mit ihrem Kopf abkippen. Sich so praktisch im Ganzen rückwärts schieben und dabei auch den Widerrist hochschieben.
saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

Ja, das sind aber verschiedene Stellen, wo etwas passiert :
Das Pferd senkt hinten ab. Dadurch wird die LWS aufgewölbt und beteiligt sich am Anheben des Rumpfes, was durch Rumpfheber unterstützt wird. Gleichzeitig wird der Hals angehoben ( Halsheber bis zum 4. HW) der Wiederrist wird aufgefächert. Dabei macht sich das Pferd aber auch groß und bewegt die Schulterund Oberarmpartie vermehrt nach oben vorne, weil es ja imposant sein will. Damit kommt immenser Zug auf die Kopfarm- und Rumpfhebermuskulatur. Und auch der Zungenbein-Brustbeinmukel hebt den Rumpf leicht mit an. Hier kann schon der Zug für einen oben gehaltenen Kopf sehr viel sein.
Gruß S&P
padruga
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Beitrag von padruga »

Und das Hinter-die-Senkrechte kommen könnte dann auch einfach nur als Folge gesehen werden, dass das Pferd ja irgendwie mit seinem vorderen Gewicht "nach hinten muss" und so ein paar Kilo nach hinten bringt?
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Finchen
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Beitrag von Finchen »

Ach herrjeh, ganz ohne das Friesenvideo gesehen zu haben war ja die - sonderbar anmutende - Absicht erkennbar, wenn man es aber anschaut kann man nur zu Ottilies Meinung gelangen! :roll:

@Claustim:
Ottilie merkte den Schweif an in Verbindung mit Losgelassenheit. Wenn ein Araber losgelassen geht, dann baumelt der Schweif völlig unangespannt - was rein muskulär ausschließt, dass er pillegrade in die Luft ragt. :lol:
"Das Herz mit dem Verstand begreifen zu wollen, ist so ähnlich, wie mit den Ohren sehen zu wollen." Safi Nidiaye
saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

padruga hat geschrieben:Und das Hinter-die-Senkrechte kommen könnte dann auch einfach nur als Folge gesehen werden, dass das Pferd ja irgendwie mit seinem vorderen Gewicht "nach hinten muss" und so ein paar Kilo nach hinten bringt?
Nein, dazu hebt ein Pferd den ganzen Hals an. Dieses Zurücknehmen des Kopfes, welches du beschreibst, resultiert immer aus dem übermäßigen Zug der unteren Muskelkette.
sab
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Beitrag von sab »

Saltundpepper, ich will Dir an dieser Stelle einfach mal danken für Deine guten Erklärungen!!!!!!


LG

Sabine
sab
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Beitrag von sab »

Und ich will noch mal was aus der Praxis bringen; ich habe ein Pferd, dass sehr leicht - Gebäude bedingt - den Kopf runter nimmt. Das sieht dann von unten betrachtet alles ganz nett aus, Pferd läuft nett daher etc. Aber erst wenn man vermehrt die Hinterhand ranholt - was schweisstreibendes Reiten bedeutet ! - hebt sich der Widerrist und es kommt eine (positive) Spannung in das Pferd und der ganze Rücken fängt an zu schwingen. Das Reitgefühl ist völlig anders, man wird dann förmlich in den Sattel gesogen.


Ich beschreib da s, um noch mal deutlich zu machen, dass die Position des Kopfes mir eher nebensächlich erscheint.

LG

Sabine
saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

Sehr gerne sab ! :D
Die Hals-Kopfposition ist aber schon sehr wichtig, denn der Hals ist die Balancestange des Pferdes und der Kopf ist der Ansatzpunkt der Hauptbewegungsmuskeln der Vorhand. Gleichzeitig auch der Muskeln, welche die Gegenspieler großer Muskelgruppen der Rumpfmuskulatur darstellen. Je nachdem, wie der Hals und der Kopf positioniert sind, gestaltet sich ein Bewegungsablauf u.u.
padruga
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Beitrag von padruga »

S+P, ich gebe dir ja in allem Recht, aber wir meinen immer noch unterschiedliche Dinge. Wenn ich passende Fotos im Netz finde, schicke ich sie dir per PN, wenns o.k. ist (sprengt sonst hier das Thema)
saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

Ja, klar mach mal Padruga, aber wie gesagt, es ist nichts anderes... Die Bewegungen sind die gleichen, daher arbeiten die Muskeln auch gleich. Nur der Reiz, der zur Arbeit der Muskeln führt ist ein anderer...
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amara
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Beitrag von amara »

Ich stimme da s&p zu.

@padruga: das Überzäumen bei Hengsten kommt idR nur für wenige Sekunden in bestimmten Bewegungen vor, oft unter höchster Anspannung und Emotionalität, so meine Erfahrung. Sehr interessant wenn man mal über längere Zeit Hengstherden begleiten darf. Überzäumt wird oft über wenige Tritte wenn Stuten beeindruckt werden sollen, oder bei harten Manövern wie Sprints aus dem Stand, 180° Wendungen, Buckeln, usw.
Auch bei so Dingen wie Schlagen mit dem Vorderbein holt sich der Hengst Stabilität und Kraft aus den gegeneinanderarbeiteten Muskelgruppen obere und unter Partie. Bei sind dann bis zum Bersten gegeneinander angespannt. Braucht man nur mal den Hals eines solchen Tiers anfassen, so denn man rankommt (oder unglücklicherweise draufsitzt), das ist dann wirklich Marke "Hart wie Kruppstahl". SO will ich aber sicherlich nicht reiten.

In vielen anderen Imponierverhalten ist das umgekehrte der Fall: Die Hengste heben Hals und Kopf besonders weit hoch mit fast waagerechtem Kopf um besonders groß zu erscheinen und um möglichst gut sehen zu können.
v.a. in der Passage kann man das oft beobachten.
Oft auch beim Ausblasen von Drohschreien und Drohgrunzen.

Häufig sieht man ja auch den heftigen Wechsel von Überzäumen in fast waagerechte Kopfhaltung. Alles Ausdruck und Bewegungen von enormer Spannung - innerlich UND äußerlich.
Oder das vor-sich-her-treiben mit tiefer aber weit vorgestreckter Nase und gebleckten Zähnen.
Sicherlich Gänsehaut-Momente und faszinierend im Ausdruck, aber ganz ganz ganz sicherlich nichts, was man irgendwie aufs reiten übertragen kann oder sollte... Da möchte ich sicher kein Pferd, was die Muskelgruppen bis zur letzten Faser gegeneinander spannt um im entscheidenden Angriffsmoment alle Kräfte entfesseln zu können.
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