Aufrollen und "Hochpuhlen"

Rund um die klassische Reitkunst

Moderatoren: Julia, ninischi, Janina

Gast

Beitrag von Gast »

Um es vorweg zu sagen, aber ein solches Verhalten beruht nicht immer auf falschem Reiten.
Bei den sogenannten "Heißen Öfen" findet man diese Kombination häufiger.

Für solche Pferde braucht man Zeit.
Viel Zeit.

Bewährt hat sich aus meiner Erfahrung, erst einmal lange im Schritt zu lösen. Erst einmal gute 20 Minuten am hingegebenen Zügel. Danach werden die Zügel aufgenommen, aber weiterhin im Schritt geritten. Die gesamte lösende Arbeit erfolgt ausschließlich im Schritt. Wenn es der Ausbildungsstand zulässt, unter Einbeziehung der Seitengänge.

Danach erst wird angetrabt.
Versammeltes Tempo.
Und ausgesessen.
Es werden die gleichen Lektionen geritten, wie zuvor im Schritt. (Bis auf Schenkelweichen).
Aber nur relativ kurz, damit das Pferd nicht heiß wird.
Auch beschränkt sich diese Arbeit vorerst nur auf eine Hand.

Dann erfolgt eine Schritt- Pause. Ganz bewusst am langen Zügel. Erst da erfolgt der Handwechsel. Auch ganz bewusst, da ein Handwechsel im Trab bei solchen Pferden durchaus dazu geeignet ist, wieder Unruhe aufkommen zu lassen. Das jedoch muss unbedingt vermieden werden.

Nach dem Handwechsel wird auf der anderen Hand angetrabt. Gleiches Tempo und gleiches Programm wie zuvor auf der anderen Hand. Dann erfolgt eine erneute Schritt- Pause, auch wieder am langen Zügel. Und auch erst dann der nächste Handwechsel.

Diese Arbeit wird so lange durchgeführt, bis Du zum Treiben kommst. Erst danach wird Galoppiert.
In dem Fall durchaus nur auf langen Linien, also Ganze Bahn oder Zirkel. Vorerst nicht mehr. Auch nur relativ kurze Reprisen, also maximal eine Runde auf dem Zirkel oder eine ganze lange Seite. Ganz bewusst nicht mehr.
Damit nicht wieder Unruhe ins Pferd kommt.
Nach dem Galopp erfolgt erneut eine Schrittphase.
Erneut am langen Zügel.

Erst wenn das Pferd wirklich "bei Dir bleibt", kannst Du an wirkliches "Arbeiten" denken. Auch erst dann an die Übergänge. Vorher nicht. Sonst rollt sich das Pferd nur auf und brettert Dir unter dem Hintern weg.

Keine Angst, Dir wird dabei nicht langweilig werden, denn Du wirst Dich extrem auf das Pferd konzentrieren müssen. Sobald es Dir wegzulaufen droht, erfolgt eine Schrittpause. So lange, bis das Pferd wieder zur Ruhe gekommen ist. Das ist ganz wichtig.

Auch darfst Du Dich darauf einrichten, dass Du vermutlich für immer dazu gezwungen sein wirst, dieses Pferd so zu lösen, bevor Du mit ihr anfangen kannst, zu arbeiten.

Aus meiner Erfahrung heraus läuft bei solchen Pferden unter 1,5 bis 2 Stunden pro Tag gar nichts. Davon beträgt der Schritt- Anteil mindestens 50%, eher 70% und mehr.
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Sunknúni
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Beitrag von Sunknúni »

Ich habe ja auch so einen Kandiaten, der gerne rennt und sich hochputscht.
Vor allem hilft mir, wenn ich selber die Ruhe bewahre. Geht das an manchen Tagen nicht, weil ich selbst gestresst bin oder so, dann galoppiere ich auch nicht oder nur einmal, denn beim 1. Galopp läuft er noch recht ruhig. Ansonsten, immer wieder Ruhe reinbringen, durch Schrittphasen nach kurzen Galopppaden. Evtl. auch mal Durchparieren, Abkauen lassen, Strecken lassen und kurz Relaxen, bis wieder Ruhe im Pferd ist.
Zusätzlich arbeite ich inzwischen ganz viel mit Stimme, weil bei mir auch der Sitz das Manko ist (sprich ich habe in solchen "heißen" Situationen das Pferd nicht mehr wirklich am Sitz). Ich habe das Kopfsenken auf Kommando eingeführt (down), das ist nun so automatisiert, dass er auch in hektischeren Situationen den Kopf wieder fallen lässt und sich an den Zügel streckt. Außerdem Stimmkommando "laaaangsam" (gerade letztes Mal konnte ich so einige Galopp-Trab-Schritt-Übergänge reiten ohne dass er ins Rennen gekommen ist, sondern er ist immer wieder sofort auf Stimme runtergekommen).

Meistens sieht unser Programm so aus:

- lange Schrittphase (Aufwärmen und Arbeit)
- ruhiger Trab im Leichttraben, VA (klappt inzwischen sehr gut durch das automatisierte Kopfrunternehmen)
- Trabarbeit (ausgesessen, viele Übergänge, z.T. Seitengänge)
- kürzere Galopparbeit mit kurzen Galoppstrecken und zwischendurch evtl. wieder Schrittarbeit
- ruhige Schrittarbeit zum Abschluss

So klappt es inzwischen meistens ohne Hochputschen und ich kann seine Energie in Arbeit umwandeln ;-)
lalala

Beitrag von lalala »

Kleenes hat geschrieben:Ich hole das Thema mal wieder hoch. Hintergrund ist das ich seit kurzem eine Stute zu reiten habe die sich sehr häufig aufrollt und recht heiß wird in der Halle. Woher das kommt ist zumindest zum Teil auch bekannt, sie wurde vor diesem Winter von einer Reiterin heiß geritten also Kopf auf die Brust und vollgaß :?
Im Moment achte ich ganz einfach darauf das sie sich nicht einrollt und sich nach vorne unten dehnt (schön weitertreiben eventuell mal die Hand anheben). Leider bekomme ich so gut wie kein Gewicht in die Hand. Beim ersten Galopp ist noch alles in Ordnung da geht sie am halblangen Zügel ohne zu rennen. Leider wird sie spätestens wenn es an die Trab-Galopp Übergänge geht recht heiß und versucht auch immer wieder selbst anzugaloppieren. Leider reagiert sie noch nicht so gut auf schwerer einsitzen zum zurückholen (saß auch erst 4mal drauf).
Habe im Moment die Hoffnung das es einfach durch noch mehr Übergänge möglichst ohne Hand Einwirkung besser wird, und wenn sie wieder mehr Muskulatur hat.

Wie reagiert ihr auf so ein Verhalten? Ich hatte bisher nie die Kombination einrollen und heiß werden.
Geduld, Geduld, Geduld....ich würde den Galopp z.B. nicht ganz weglassen. Ebenso wie es meine Stute z.B. nur noch mehr wuschig gemacht hat wenn man sie unter Tempo reiten wollte. Mit stundenlangem reiten trainierst du zwar Kondition, aber du willst ja Durchlässigkeit. Meine Dame wäre bis zum umfallen gelaufen (und als gut trainiertes Distanzpferd kannst du dir denken wer vorher entkräftet vom Rücken gefallen wäre *g*)

Die Hand einzusetzen ist übrigens nichts Schlimmes, die Dosis (und die richtige Kombination mit Schenkel und Gewicht) macht das Gift.

Klappen den Übergänge Trab-Schritt souverän ? Tritt das Pferd da an die Hand heran ? kannst du sie durch Routinen "einlullen" (manche Pferde brauchen die Sicherheit) ?

Hast du eine gute Reithalle bzw. einen eingezäunten Platz zur Verfügung ? Dann kannst du die Bande als "optische Bremse" benutzen, hat den Vorteil das du deine Hand nicht über Gebühr einsetzen musst weil die Pferde in der Regel von selber abbremsen und du zur Bande hin oft besser mit weniger Hilfen durchkommst.

Eine andere Variante ist es, das Pferd auf die gebogene Linie zu bringen und dort durchzuparieren z.B. im Zirkel verkleinern. Klappt das auf kleineren gebogenen Linien zuverlässig vergrößerst du diese nach und nach bis du wieder auf einem normalen Zirkel bist. Eventuell stellst du das Pferd dann auch etwas tiefer und etwas bewusster nach innen ein. Aber mit Vorsicht und immer mit dem Hintergedanken das das nur eine vorrübergehende Hilfe ist und man immer wieder zur äusseren Führung zurückkommen soll.

Und nicht zu vergessen darf man anfangs bei allem auch ruhig die Stimme zur Hilfe nehmen. Und bei allem Fokus auf einen ruhigen Galopp und kurzen Reprisen darf man nicht ins langsam reiten verfallen und nur auf der Bremse stehen. Immer fröhlich nach vorne, durch Paraden mehr schliessen und dann auch wieder nach vorne schicken. Auch nicht nur kleine Reprisen reiten. Immer schön variieren, am besten unterstützt durch einen RL vor Ort.
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