Wer bildet sein Pferd noch gebisslos aus?

Rund um die klassische Reitkunst

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Bluesky-Horsemanship
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Beitrag von Bluesky-Horsemanship »

Hi ihr, ich hab gestern, da Amarin sich gerade gern mal auf den Zügel legt (ihr wisst schon, Grasbauch und dann Stellung und Biegung - nööö :) ) die Abkau und Biegeübungen aus der Legerete/Phillipe Karl gemacht. (Ich schreibe vom Handy, daher lasse ich die Akzente weg...)

Die Besonderheit: am LG Zaum ohne Gebiss. Ich habe das vorher mehrfach am Gebiss gemacht und auch von Franzis Vehrenberg und Sabine Mosen kontrollieren lassen. Insgesamt war die Ausführung der Übung mit Gebiss in Ordnung. Besser geht natürlich immer.

Am Gebiss war Amarin bei der Übung immer relativ unruhig und unzufrieden. Er hat gern und deutlich aufs Gebiss gelegt und war trotz Kautätigkeit alles andere als konzentriert und entspannt.

Gestern am LG-Zaum war das anders, er hat sich zwar auch auf den Zaum gelehnt, nur lange nicht so häufig, hat in den Biegungen den Kopf getragen und war insgesamt ruhiger und entspannter bei der Übung.

Ich beobachte das mal weiter und berichte dann.

Übrigens habe auch ich etwas gegen einengen der Nase, auch wenn das nicht ganz korrekt ist verschnalle ich den LG Zaum mit ca. 2 Fingerbreit Platz und ermögliche so ein problemloses Kauen und Lecken. Er soll an der Nasel zwar spüren, dass da was ist. Das darf aber kein Druck sein. Erst wenn ich die Zügel aufnehme darf der erste leichte Druck entstehen.

Im übrigen ist Amarin am Knotenhalfter und am LG Zaum auch beim Reiten im Kontakt gelassener und hält einen leichten, konstanten Kontakt sehr gut. Am Gebiss wurde er ärgerlich hat unwillig gekaut und sich nicht entspannt. Resultat war dann auf geraden Linien eine für ihn untypische hohe Kopfhaltung.

Reiten ohne Dauerkontakt in Signalreitweise und das einfache tragen des Gebisses hatten ihm übrigens keine Schwierigkeiten bereitet. Wie gesagt hat er auch eine sehr kurze Maulspalte. Möglicherweise ist er daher etwas wählerischer und empfindlicher.

Kann auch sein, dass ein anderer Reiter Amarin mit Gebiss sauber reiten könnte, das will ich nicht bestreiten. Dennoch muss ich feststellen, dass für uns der gebisslose Zaum aktuell besser funktioniert als das Gebis.

Viele Grüße
Daniela
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-Tanja-
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Beitrag von -Tanja- »

Die Abkauübungen von PK basieren ja auf denen von Baucher. Hier wird doch allerdings gerade der Schluckreflex genutzt, indem man das Gebiß in Richtung Maulwinkel anhebt. Wie hast Du das mit dem LG-Zaum gemacht?

Noch eine Frage, paßt hier ja gerade gut rein zwecks "Freiheit um die Nase": es gibt was Neues, die "Mobility Bridle", s.: http://www.horse-bodyforming.com/de/mob ... ridle.html Auf dem Bild dort liegt dieser Knick recht frei; in der neuen Cavallo ist ein Bild, da liegt diese Ecke recht eng. Was meint Ihr dazu?
lg, Tanja

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Finchen
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Beitrag von Finchen »

OT:
dieses Bridle und auch den body-former fand ich im Einsatz auf der Messe nicht nur grenzwertig, sondern ein no-go! Das Unterteil ist hart und wird bei aufrichtender Einwirkung (zB beim Longieren gezeigt) fies mit der Wölbung zwischen die Kieferäste gedrückt... Käme mir beides nicht ans Pferd. :? OT fertig.
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gimlinchen
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Beitrag von gimlinchen »

finchen: weil es missbraucht wurde, oder weil das bridle an sich nichts taugt? du meinst letzteres oder? ganz interessant ausschauen tuts ja schon.
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Finchen
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Beitrag von Finchen »

@gimlinchen:
es wurde ja dort von den "Erfindern" bzw Vertreibern - also in deren Sinne ordnungsgemäß - vorgestellt. Ich empfinde es als ein no-go aufgrund der fürs Pferd auch bei leichtem Druck unangenehmen Wirkung.
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Bluesky-Horsemanship
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Beitrag von Bluesky-Horsemanship »

-Tanja- hat geschrieben:Die Abkauübungen von PK basieren ja auf denen von Baucher. Hier wird doch allerdings gerade der Schluckreflex genutzt, indem man das Gebiß in Richtung Maulwinkel anhebt. Wie hast Du das mit dem LG-Zaum gemacht?
Hi Tanja,

bei den Abkau und Biegeübungen geht es vorrangig um die Gewöhnung an das Gebiss, darum dem Pferd klar zu machen, dass es sich nicht darauf legen darf aber, dass es auch keine Angst davor zu haben braucht.

Zudem ist es gymnastizierend, da eine deutliche (90 Grad) Stellung verlangt wird. Hier werden die Muskeln des Halses schön gedehnt und das Pferd wird dabei balancierter. Außerdem gewöhnt sich das Pferd an die Einwirkung des Gebisses und weiß dann später im Sattel genau was gefordert ist. Hier wird stark am Verständnis gearbeitet.

Das Abkauen und lösen des Unterkiefers indem man das Gebiss sanft aber bestimmt an die Maulwinkel bringt soll dabei Spannungen abbauen und das Pferd animieren sich mit dem Gebiss zu beschäftigen.

Außerdem wird das Pferd so auf Einwirkungen auf die Maulwinkel, die relativ unempfindlich sind, gewöhnt. (Im Gegensatz zu der Einwirkung auf den sehr empfindlichen Laden, wie bei herkömmlicher Reitweise) Die Einwirkung auf die Maulwinkel brauchen wir später um das Pferd zu korrigieren sollte es sich einmal aufs Gebiss legen. Diese Korrektur funktioniert mit dem LG Zaum übrigens ebenfalls wunderbar, da er recht fest am Kopf sitzt.

Das einzige was ich Gebisslos nicht aktiv auslösen kann ist das lösen des Unterkiefers und das dazu gehörende lecken und kauen. Wobei man sagen muss, dass das Pferd ohne Gebiss in einem normalen entspannten Status ist. Es muss sich ja nicht mit einem Fremdkörper im Maul auseinandersetzen.
Natürlich kann die Arbeit an sich das Pferd verspannen und dann wäre es hilfreich das Pferd aktiv auffordern zu können zu lecken und zu kauen um so die Entspannung "abzurufen". Jedoch sollte ein Pferd bei einem guten Trainingsaufbau ohnehin immer mehr entspannen und sich fallen lassen.
In dem Falle kommt das lecken und kauen ganz von selber ohne mechanische Einwirkung. So war es gestern auch bei Amarin, je mehr er sich auf die Abkau und Biegeübungen einließ desto öfter leckte und kaute er auch.

Ich kann da auch aus meiner Erfahrung mit dem Natural Horsemanship berichten. Bisher hatte ich noch kein Pferd, das während einer Bodenarbeitsstunde oder bei der Basis Reitarbeit nicht geleckt und gekaut hätte. Es ist ein Zeichen dafür, dass das Pferd sich entspannen konnte und sich aktiv mit dem Training auseinandersetzt.

Daher ist lecken und kauen für mich kein Grund ein Gebiss zu nutzen.

Ich hoffe ich konnte damit deine Fragen beantworten :)

VLG
Daniela
Zuletzt geändert von Bluesky-Horsemanship am Do, 23. Mai 2013 11:26, insgesamt 1-mal geändert.
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-Tanja-
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Beitrag von -Tanja- »

Danke schön. :D
lg, Tanja

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Motte
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Beitrag von Motte »

Bluesky-Horsemanship hat geschrieben:
Außerdem wird das Pferd so auf Einwirkungen auf die Maulwinkel, die relativ unempfindlich sind, gewöhnt. (Im Gegensatz zu der Einwirkung auf den sehr empfindlichen Laden, wie bei herkömmlicher Reitweise)
Ich möchte grundsätzlich die Diskussion nicht stören, aber hier bitte der Hinweis, das dies so nicht korrekt ist.
PK selber betonte in 2 seiner Kurse in 2001, dass der Grund für die Einwirkung über die Maulwinkel schlicht darin läge, dass das Pferd dieser Einwirkung nichts entgegensetzen kann (Effektivität). Im Gegensatz zur Einwirkung über die Laden, der sich das Pferd durchaus entziehen kann.
Das hat also nix mit der angeblichen Unempfindlichkeit der Maulwinkel und der angeblichen Empfindlichkeit der Laden zu tun, sondern schlicht damit, dass die Einwirkung über die Maulwinkel nach oben effektiver ist und für den Reiter damit leichter.
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Beitrag von Bluesky-Horsemanship »

Motte kann man das irgendwo nachlesen? Ich habs anders erklärt bekommen und anders gelesen...
Motte
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Beitrag von Motte »

Nein, das kann man so nicht nachlesen :wink:

Von den Kursen gibt es - meines Wissens nach - keine Aufzeichnungen. Vor allem nicht vom theoretischen Teil (wo er dies sagte). Das ist aber auch aus einer Zeit, als er noch relativ "frisch" in D auf den Markt kam. In späteren Kursen hat er das wohl so nicht mehr "gelehrt", macht sich marketingtechnisch auch nicht so gut...
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Jen
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Beitrag von Jen »

Übrigens haben die Lippen äusserst viele Sensoren zum Tasten und fühlen, sie sind also hochsensibel!!! Das macht ja auch Sinn, weil das Pferd bei der Nahrungsaufnahme mit den Lippen geeignete von ungeeigneter Nahrung aussortiert. Ist übrigens auch beim Menschen so, dass der Mundbereich die höchste Dichte an Sensoren hat, die unterschiedliche Wahrnehmungssinne betreffen (Druck, Schmerz, Temperatur etc).

Und noch was anderes: das Pferd trägt das Gebiss auf der Zunge, nicht auf den Laden. Ausser es nimmt die Zunge über die Trense. Es gibt mittlerweile sogar Röntgenstudien dazu. Die Zunge federt den Druck auf die Laden ab. Ist der Druck zu gross weil die Hand zieht, zieht das Pferd die Zunge zurück! es exponiert also lieber die Laden dem Druck. Und überhaupt: wer weiss schon, was dem Pferd WIRKLICH angenehmer ist? Zunge oder Maulwinkel? Was Pferde empfinden können wir nur vermuten. Ich sehe diese Theorie, dass Maulwinkel-Einwirkungen "pferdefreundlicher" sind als sehr kritisch! Tatsache ist aber, dass das pferd da sich am wenigsten zur Gegenwehr setzen kann. Aber ob das ausnutzen dieser Schwäche, wirklich feiner ist, nur weil man mit relativ wenig Druck eine Reaktion erreicht sei dahingestellt! Das subjektive Empfinden ist immer relativ und kann nicht in absoluten Zahlen gemessen werden! Das ist auch bei uns Menschen so!
Liebe Grüesslis, Jen
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Beitrag von Bluesky-Horsemanship »

Hmm da kann ich nicht zustimmen. Nimm mal deine Hand und zieh dir die Mundwinkel bis zu den Ohren so weit du nur kannst.
Und dann über mal den gleichen Druck hinter dem letzten Backenzahn aus.

Ich persönlich empfinde den Druck am Mundwinkel als deutlich angenehmer. Außerdem gibt es ja Gebisse mit "Zungenfreiheit" Das sind aber mit nichten die sanfteren Gebisse!!!

Man muss sich ja nur mal dir Konstruktion des Ladens ansehen, Knochen die mit Schleimhaut überzogen ist. Und denkt nur an den heftigen Schmerz, wenn euer Zahnarzt mit seinen Instrumenten das Zahnfleisch erwischt.

Und noch ein kleiner Selbstversuch: Nehmt euer Gebiss und legt es am Schienbein an und übt da Zug drauf aus....

Es kann ja jeder sagen was er will für mich ist es pure Logik, dass die nachgiebigen Maulwinkel wesentlich besser Druck aushalten können als der unnachgiebige, knochige Laden des Pferdes.

Schade, dass man die Pferde nicht fragen kann.

Daniela
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Beitrag von Bluesky-Horsemanship »

PS: Das Ziel guter Reiterei sollte die Feinheiten der Hilfen sein, wenige Gramm am Zügel, unmerkliche Hilfen und dazu faire Ausbildungsmethoden.
Dabei ist es egal ob mit oder ohne Gebiss, ob Dressur oder Western, ob baumlos oder Sattel mit Baum, ob Maulwinkel oder Laden. Gutes Reiten ist gutes Reiten!

Ich denke, dass jeder hier sein bestes tut seinem Pferd ein guter Partner zu sein, die Weiterbildungs- und Diskussionsbereitschaft zeigt das deutlich. Daher sind "wir" sowieso die Guten :)

Wir lernen, bilden uns weiter und sichen immer nach weiteren Verbesserungen. Demnach ist diese Diskussion hier sowieso eigentlich nur auf "feinheiten" ausgerichtet.

Gute Ausbildung geht mit Gebiss, wie auch ohne.
Zuletzt geändert von Bluesky-Horsemanship am Do, 23. Mai 2013 13:53, insgesamt 1-mal geändert.
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Cubano
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Beitrag von Cubano »

Jen hat geschrieben: Und noch was anderes: das Pferd trägt das Gebiss auf der Zunge, nicht auf den Laden. Ausser es nimmt die Zunge über die Trense. Es gibt mittlerweile sogar Röntgenstudien dazu. Die Zunge federt den Druck auf die Laden ab. Ist der Druck zu gross weil die Hand zieht, zieht das Pferd die Zunge zurück! es exponiert also lieber die Laden dem Druck. Und überhaupt: wer weiss schon, was dem Pferd WIRKLICH angenehmer ist? Zunge oder Maulwinkel? Was Pferde empfinden können wir nur vermuten. Ich sehe diese Theorie, dass Maulwinkel-Einwirkungen "pferdefreundlicher" sind als sehr kritisch! Tatsache ist aber, dass das pferd da sich am wenigsten zur Gegenwehr setzen kann. Aber ob das ausnutzen dieser Schwäche, wirklich feiner ist, nur weil man mit relativ wenig Druck eine Reaktion erreicht sei dahingestellt! Das subjektive Empfinden ist immer relativ und kann nicht in absoluten Zahlen gemessen werden! Das ist auch bei uns Menschen so!
Danke für diese Erklärung, die sich im Übrigen auch mit meinen persönlichen Erfahrungen (oder besser: denen meines Pferdes :wink: ) decken, der auf die „sanfte“ Einwirkung via Maulwinkel ausgesprochen heftig reagierte - trotz fundierter Anleitung.
„Steinbrecht ist nur schwer für den leichten Geist." (Nuno Oliveira)
Nach der SdA unterwegs :-)
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Jen
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Beitrag von Jen »

Bluesky, das was DU empfindest, ist eeine ganz persönliche Empfindung und nicht so einfach auf andere Menschen übertragbar. Geschweige denn auf andere Tiere. Mein Pferd zB hat nach professioneller Ausführung der Abkauübungen auch äusserst abwehrend darauf reagiert und ich hatte mehrere Wochen, bis sich diese wieder gelegt hatten. Man kann halt nicht einfach so pauschalisieren! Und wie gesagt, wissenschaftliche Befunde sagen halt was anderes (Trense wirkt in erster Linie auf Zunge und nicht auf die Laden!)
Liebe Grüesslis, Jen
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