@ Melli: nein, das "Entspannung" und Halstätscheln war nicht auf deinen Beitrag bezogen, sondern nur generelle als eine der vielen "Methoden". Ich hab schon verstanden, wie du deinen Beitrag gemeint hast. Und auch den neuen unterschreibe ich zu 100 %.
Und ja, wie Ulrike schreibt, ist hier vermutlich der Reiter gefragt, dass er FÜR SICH SELBST eine LÖSUNGSTRATEGIE erarbeitet, herausfindet, was ihm als Reiter hilft, realtiv genau abzuschätzen in welchem "Modus" (wie in der Darstellung von Melli sehr auschaulich ersichtlich) sich sein Pferd gerade befindet und was er fordern kann, ohne das Pferd mental über die Klippe springt. Aber das ist halt auch eines der "höheren Ziele" und man kann es sich nicht vornehmen, das auf einmal zu erreichen, sondern dieses "Gefühl" entwickelt sich halt auch erst Schritt für Schritt.
Bei uns im Stall ist aktuell ein 3jähriges Jungpferd, welches relativ bald (ohne "wirklichen" Grund) in den Panik-Zustand springt und dann herrenlos auf dem Reitplatz herumdüst. Dabei will die PB eigentlich "nur" ganz entspannt ein paar Runden ganze Bahn gehen am Halfter mit Führstrick (also wirklich nur "Babyprogramm", welches das Pferd jetzt eigentlich "objektiv" auch ausführen können müsste). Ich hab mir das Baby letztens geschnappt und habe mit ihm gemeinsam meine Hütchen fürs Reiten aufgebaut und allein schon diese simple Maßnahme hat dazu geführt, dass wir gemütlich außen rum gekommen sind und dann auch ganz gemütlich und zivilisiert einige Quadrate und Zirkel gehen konnten, ohne dass er ausgezuckt ist. Es gab ein paar mal "Erstarrungszustände" und ich gestehe, dass ich da im ersten Moment dann auch immer ein kurzes flaues Gefühl im Magen hatte, aber dadurch, dass ich wusste welche "Linie" ich gehen will, war MEIN Fokus dann relativ schnell wieder bei meiner AUFGABE und auch das Pony, ist dann gar nicht in seinen Auszuck-Modus gekommen. Und ja, sogar bei diesem jungen Pferd habe ich bei dem simplen Herumführen gemerkt, wie sie da eine gewisse "Eigenmotivation" des Pferdes entwickelt hat und er ganz aufmerksam geschaut hat, wo wir jetzt langgehen, was als nächstes kommen könnte.
Das Hütchenaufstellen und konkrete Linine und diese genau gehen habe ich nicht als "Erziehungsmaßnahme für das Pferd" gemacht, sondern als "Hilfe für mich", damit ich konkret weiß, was ich zu TUN habe, damit ich beschäftigt bleibe, damit ich NICHT Zeit habe, darüber nachzudenken, was das Pony machen könnte, was es in der Vergangenheit gemacht hat usw. und wenn das Pony mal kurz kuckt, damit ich bei "meiner Aufgabe" bleibe und nicht gemeinsam mit dem Tierchen erstarre. Der gedanklich nächste Schritt ist dann, dass ich dabei das Pony beobachte was es auf den unterschiedlichen Linien macht (geht es lieber hinter mir, kann ich auf schulterhöhe bleiben, wann beginnt es "zu eilen", wann wirds langsamer und wie ist das ganze auf der anderen Hand) und dann kann ich meiner Meinung nach erst darüber nachdenken, am Pferd aktiv "einzugreifen" und es etappenweise zu irgendwas zu erziehen z.B. dass ich auf Schulterhöhe gehen auf beiden Händen. Das konkrete Pony ist rechts hohl und stützt sich auf die linke Schulter. Die PB in der Vergangenheit versucht, das Pferd wie üblich auf der linken Seite auf Schulterhöhe zu führen. Das mag das Pferd aber nicht sonderlich, weil es sich da offensichtlich "eingeeingt" fühlt (vielleicht weil seine natürliche Fluchtrichtung blockiert ist) und "verhält sich" eher, wenn man auf der linken Seite auf Schulterhöhe führt (rechts ist dies kein Problem...). Deshalb ist rechte Hand ganze Bahn, wo die Reitplatzumzeunung seine "Fluchtmöglichkeit" verhindert, insb. wenn da auch noch ein Mensch links neben ihm geht, auch eher schrecklich furchtbar für ihn, sodass er "sich verhält" und dann irgendwann wenns ihm zuviel wird explodiert. Sicher könnte ich jetzt darauf bestehen und ganze Bahn mit Führposition linke Schulter beibehalten - irgendwann wird er sich damit schon arrangieren (oder halt auch nicht), aber bis dahin hätte ich vermutlich massenweisen Frust und Pferdi auch. Ich finde es daher viel geschickter, das Pferd immer nur für ein paar Schritte mit seinem "Problem" zu konfrontieren, und dann z.B. auf eine freie Linie innerhalb der Bahn abzuwenden (z.B Schlangenlinien), sodass er dann nach und nach merkt, dass das ganze eigentlich nicht so furchtbar ist.
Ich bin mittlerweile deshalb so ein Fan vom Einhalten korrekter Linien (und ja, das ist im Grunde genommen ein sichtbare Grad von Gehorsam des Pferdes) geworden, weil man selbst als Reiter einfach viel früher und bewusster merkt, wenn die Dinge anfangen aus dem Ruder laufen und ich dann als Reiter ENTSCHEIDEN kann, ob dieses Maß an "Abweichung vom Gehorsam" für mich noch im Rahmen liegt (z.B. junges Pferd, Lösungsphase, neue schwierige Sachen usw) oder ob ich hier Handlungsbedarf sehe. Auch wenns anfangs schon sehr am Ego kratzt, wenn man sieht, dass man eigentlich nicht einmal einen Zirkel wirklich rund bekommt, so hat man eine Möglichkeit mögliche Ursachen und Lösungen für die Probleme zu finden und man hat als Reiter eine Aufgabe, etwas zu TUN (auch wenns anfangs halt eher grobmotorische Lösungsansätze mit viel Zügel und Schenkel sind, bis man sich andere, vielleicht feinere und subtilere Sachen überlegt hat - das ist halt eine Phase durch die man durch muss und in die man - auch wenn das eigentlich nicht will - oftmals wieder zurückfällt).
Und zum Gehorsam: Ich habe dieses Wort in Verbindung mit dem Pferd ewig lang aus meinem Gedächtnis gestrichen gehabt - eben weil es für mich Zwang bedeutet hat und ich diesen mit "schlecht" bewertet habe und ich wollte dass mein Pferd etwas "freiwillig" macht. Aber ich denke jetzt, dass Gehorsam eine Grundvoraussetzung für sämtliche weitere Entwicklung ist. Der Gehorsam ist eim Endeffekt, das Anerkenntnis des Pferdes, dass der Reiter der Chef ist - egal ob am Boden oder im Sattel. Und dieser Gehorsam, so wie ich in verstehe, ist nicht einmal und für alle Zeiten da, ist also nichts, das ich "einmal" klären könnte, und dann hat das Pferd auf ewig verstanden, dass ich der "Chef" bin, sondern diesen Gehorsam muss man sich als Reiter ständig erarbeiten und verdienen (u.a. durch in den Augen des Pferdes sinnvolle Entscheidungen).
Ein Pferd das wirklich an den Hilfen steht ist der höhste Ausdruck des so verstandenen Gehorsams - der Reiter kann mit einem solchen Pferd alles machen, was er will. Daber das ist das Ideal, das Endziel. Insofern sehe ich das wie Melli, ABER ich glaube auch, dass das Pferd, dadurch, dass der Reiter als Chef immer öfter "richtige" Entscheidungen triff und dem Pferd zu "Erfolgserlebnissen" verhilft, dadurch wächst dann mit der Zeit auch ein gewisses Eigeniteresse des Pferdes an der Sache. Und wenns auch nur eine private Einbildung von mir selber ist: Ich habe, wenn ich so ganz ins Reiten und mein Pferd versunken bin, oftmals das Gefühl, dass es bei meiner Stute gleich ist, dass sie auch so versunken ist, in das, was wir gerade machen, wie sich ihr eigener Körper anfühlt - wie wenn die Welt um ums herum untergehen könnte, und wir beide würden es nicht merken. Und bei meiner Stute entwickelt sich dieses "Gefühl" tatsächlich erstmal aus peniblem Gehorsam auf einelne Hilfen (z.B. linker Schenkel, rechter Schenkel, Sitz, linker Zügel, rechter Zügel usw.)
Ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass man nicht alles auf einmal "reparieren" kann, damit man sofort bei seinem Endziel ist (das habe ich lange Zeit vergeblich versucht). Man muss einfach mit irgendwas anfangen, auch wenn das bedeutet, dass man in anderen Bereichen zuerst mal Abstriche machen muss. Und die Einhaltung (zuerst einmal) einer konkreten Linie (mit der das Pferd zuersteinmal auch keine mentalen Probleme (z.B. nicht die Gruselecke) haben sollte. z.B. nicht mal Halbe Bahn, sondern das Rechteck, schon bei den Zirkelpunkten enden lassen) - die der Reiter haben will - eignet sich meiner Meinung nach dafür hervorragend. Völlig wurscht, wie die Optik aussieht, oder ob das ganze harmonisch ist/aussieht. Der Reiter erkennt dann im Regelfall, dass er ziemlich viel arbeiten muss, damit er das Pferd dazu bringt, auf der von ihm gewünschten Linie zu bleiben.
Der nächste reiterliche "Entwicklungsschritt" wäre dann sich einen konkrete Linie auszuchen und ganz locker lässig mit hängenden Beinen lockerer Hüfte, relativ "leichter" aber nicht durchhängender Zügelverbindung (sonstige Haltung egal) diese im Schritt anfangen zu reiten, ohne besondere Ansprüche und dabei darauf zu achten, WANN und WO genau ich als reiter dann das Gefühl hätte, dass ich z.B. mehr Bein, mehr Zügelkontakt brauche um das Pferd auf Kurs zu halten. Und dann kann ich probieren: das passiert, wenn ich einfach locker bleibe und meine Hilfen NICHT verstärke, obwohl ich das müsste um auf meiner Linie zu bleiben - wohin weicht das Pferd dann aus, wirds schneller, wirds langsamer usw. Wenn ich bei meiner Beobachtung merke, dass das Pony z.B. nach links von der Linie abweichen will, dann lass ich es das zuerst machen und kehre dann wieder auf einem ganz stressfreien Weg wieder auf meine ursprüngliche Linie zurück und nehme sie ein zweites Mal so ganz locker in Angriff und vermutlich wird das Pferd von der Linie wieder nach links abweichen, vermutlich sogar relativ an der gleichen Stelle. Da man aber dann weiß, dass das Pferd vermutlich nach links wegdriften will, kann man versuchen noch weit vor der eingentlichen "Ausweichstelle" einfach mal auf der Linie stehen zu bleiben und eine Vorhandwendung nach rechts zu machen, sodass das Pony dem linken Schenkel weichen muss (also sensibilisiert wird auf den linken Schenkel). Dann mache ich wieder Vorhandwendung nach rechts, sodass ich wieder auf der Linie bin und es geht geradeaus wieder ganz locker weiter. Nachdem ich ja vermute, dass mein Pferdi nach links ausweichen wird, lasse ich dann zeitig (z.B. zwei Meter vor der ursprünglichen Ausweichstelle) den linken Schenkel einfach nur ein bisschen gefühlt deutlicher am Pferd liegen, sodass es da eine kleine Barriere fühlt. Wenns dann stehenbleibt, oder trotzdem nach links weg will, weil es die zarte Barriere nicht wahrgenommen/ignoriert hat und es mit seinem Bauch/Schulter gegen den linken Schenkel geht, dann könnte man z.B. auf eine Vorhandwendung nach rechts bestehen, sodass es dem linken Schenkel weichen muss, dass es dieser "Hilfe" des Reiters nachgeben muss uns so lernt, dass es auch dem linken Bein des Reiters gehorchen soll. Auch bei der Vorhandwendung kann man dann zuerst versuchen, das Pferd sachte dazu zu überreden, indem man den Brustkorb des Pferdes mit seinen lockeren Schenkeln nach rechts "wiegt" (wie wenn man den Brustkorb mitsamt Sattel und Reiterbecken nach rechts wiegen will, so wie wenn man die Lage des Sattels korrigiert). Wenns Pferdi dieser "Hilfe" gegenüber nicht empfänglich ist, dann muss man halt als Reiter wieder grobmotorischer und muskelkraftvoller werden: Gerte in linke Hand, Druck mit linkem Schenkel und wenn das nicht funktioniert, mit der Gerte penetrant bleiben, bis man eine 90 Grad Wendung hat. Danach wieder VH in die andere Richtung zurück auf die Linie und weiter auf dieser, bis man eben wieder merkt, dass das Pferd in eine Richtung ausweichen will. Und dann kann man das eben gleich z.B. wie mit den VH-Wendungen korrigieren und bleibt auf seiner eigentlichen Linie oder man lässt das Pferd wieder lässig ausweichen, kommt wieder lässig zurück auf die Linie und versucht es neuerlich vor der Ausweichstelle mit linkem Schenkel nur etwas deutlicher anlegen. Wenns diesmal funktioniert und Pferdi an dieser Ausweichstelle auf der Linie bleibt ist gut, ansonsten macht man halt wieder von vorne mit VH-Wendungen.
Ist eine mühsame Sisyphus-Arbeit, weil man - wenn man die Kraft über Zügel und Schenkel zum Halten der Linie aufgibt - erst merkt, wieviele Baustellen so ein Pferd überhaupt haben kann und man neigt dann vielleicht auch etwas zum Frustrieren, weil man entgegen seiner Absicht wieder zu grob war, seine Beine nicht einfach nur hängen lassen kann, mit den Zügel wieder zuviel herumfuhrwerkt (obwohl man es doch leicht machen will), seine Gesäßknochen nicht richtig spürt, sein eigenes Gewicht nicht sinnvoll eingesetzt hat usw. Aber und das ist meiner Meindung nach der wesentliche Punkt: Man lernt fühlen. Man lernt das Pferd zu fühlen und seine Reaktionen auf die Hilfen. Und man lernt seine Hilfen dosierter zu geben - von Gedanken über etwas deutlichere Führung bis hin zu grobmotorischem Einsatz, der manchmal durchaus auch notwendig sein kann (man glaubt manchmal gar nicht, wieviel Wiederstand sogar ein ansich braves Pferd ohne dass besondere externe Faktoren vorhanden sind, bei einer "einfachen" Vorhandwendung (welche ja eigentlich eine simple Grundlektion für Jungpferde ist) aufwenden kann.
Und das wichtigste am Ganzen: Man muss es halt einfach lernen und üben. Ein Kind, das schreiben lernt, von dem erwartet auch niemand, dass es gleich in wunderschöner Schreibschrift poetische Gedichte verfasst. Das macht auch erstmal grobmotorische Strichübungen, dann irgenwelche Krakel-Buchstaben und je nach persönlicher Hingabe wirds irgenwann eine schöne künstlersiche Handschrift entwickeln und vielleicht auch Gedichte schreiben. Beim Kind werden am Anfang auch zuerst nur die Qualität der einzelnen Striche, dann der Buchstaben, dann der Rechtschreibung/Grammatik, dann der sachlichen Denklogik (sachliche Erörterungen) und erst irgenwann der poetisch künstlerische Aspekt bewertet und zu verbessern versucht.
@ Fortissimo: Drannbleiben, ausprobieren und nicht aufgeben - es lohnt sich ungemein
