Ulrike hat vor wenigen Seiten geschrieben, dass die Vielfalt der Reitübungen völlig abhanden kommen ist und dem ist eindeutig zuzustimmen.
Als ich das gelesen habe, ist mir eine Erinnerung gekommen, die ich völlig verdrängt hatte.
Vor ca. 2 Jahren, als ich regelmäßig RU bei einer an sich sehr fähigen RL hatte die sehr auf den korrekten Sitz achtete, mich allerdings nur die ganz rudimentären Hufschlagfiguren reiten ließ (Zirkel, ganze Bahn, Wechselübungen, mal ne Volte) musste ich mangels Halle und bereitbarem Reitplatz im Winter mal eine Zwangspause beim Reiten einlegen. Nachdem mir schon nach einer Woche das Reiten angegangen ist, habe ich mich für eine 0815 Reitstunde in einem Reitstall angemeldet für eine Stunde Abteilungsreiten auf klassisch abgestumpften Schulpferden. Die ersten 20 Minuten, in der nur Zirkel und ganze Bahn gefordert wurde, habe ich mich gefühlt wie ein Reitgott und hab fast mitleidig auf den Hintern meiner Vorreiterin gestarrt, während ihr Gesäß bei jedem Trabtritt im Aussitzen aus dem Sattel gehoben wurde und in gleich Eleganz wieder auf den Sattel krachte. Als es jedoch danach ans Eingemachte ging, mit schnell aufeinander wechselnden Hufschlagfiguren und Gangartenwechseln bin ich in ganz arge Seenot geraten – ich konnte zwar einigermaßen ordentlich am Pferd oben sitzen, aber das mit dem Lenken und den schnellen Übergängen zwischen den einzelnen Figuren und Gangarten brachte mir meine Defizite deutlicher vor Augen als mir lieb war und ich konnte damals absolut nicht verstehen, wie diese reitende Person vor mir, deren Gesäß sich wie ein Presslufthammer im Trab und Galopp bewegte, es dennoch schaffte, das alles besser als ich zu koordinieren, obwohl ich doch so schön auf dem Pferd oben sitzen konnte. Es war mir ein Gräul, ich verachtete diese Reiterei aus dem tiefsten meiner Seele, dieses mit schiefem unausbalanciertem Pferd verschiedene Aufgaben reiten, so das Ergebnis einfach nur besch**** sein konnte, kein harmonischer Ritt, kein Gefühl von Einheit und kein Gefühl von dem höchsten Glück auf Erden, wie ich es zum Teil in meinem Reitunterricht bei meiner RL erleben durfte. Und trotzdem hat es mich in unregelmäßigen Abständen immer wieder in diese Reitschule mit dem absolut besch**** Reitunterricht gezogen. Ich habe mich so oft gefragt warum, konnte aber keine Antwort darauf finden bzw. ich wollte sie mir nicht eingestehen. Ich war bei meinem eigenen Pferd um Harmonie bemüht, wollte nichts falsch machen und war bei den Hilfen usw sehr zögerlich und vorsichtig. In dieser Reitschule mit den abgestumpften Schulpferden mit unpassenden Sätteln usw war es mir einfach egal (so verwerflich das jetzt auch klingen mag) und ich habe nach und nach angefangen in diesen „Reitstunden“ einfach auch „vollen Körpereinsatz“ zu zeigen und auf den „schönen“ Sitz zu verzichten um die geforderten Linien und Gangarten überhaupt reiten zu können. Und seltsamerweise hatte ich dann auch in diesen absolut untergründigen Reiteinheiten zumindest am Ende zeitweise Verschmelzungszustände mit den Schulpferden, in denen alles zumindest teilweise mühelos zu funktionieren schien und das konnte ich mir noch viel weniger erklären, weil die Hufschlagfiguren, Lektionen und Gangartenwechsel ja jetzt auch nicht (wie bei Dr. Rittter) mit Verstand angeordnet waren, sondern einfach dem sehr freien und spontanem Geist der RL-Praktikantin entsprungen sind (je nachdem auf was sie gerade Lust hatte, zwischen quatschen, rauchen und Reithalle abmisten). Und wahrscheinlich liegt genau darin das Geheimnis: nachdem diese RL-Praktikantin absolut unberechenbar in ihren Anweisungen war und wenn dann in einer 20x40er Halle eine Abteilung mit 8 Leuten reitet, teilweise unterschiedliche Hufschlagfiguren und dann noch Privatreiter drinnen sind und möglicherweise noch Kinder-Longieren am Plan steht, dann bekommt man sehr schnell aus Eigeninteresse das Bedürfnis nach Kontrolle und vor allem Konzentration und genau diese beiden Sachen kommen häufig zu kurz, wenn man viel alleine reitet ohne wirklichen konkreten „Plan“, man reitet dann halt so in den Tag hinein, ohne Sinn und Aufgabe und auch ohne Konzentration. Und auch wenn die RL primär darum bemüht ist, dass es für das Auge schön anzusehen ist, das das Harmoniebedürfnis des Reiters befriedigt ist, und man deshalb eben auch nur die ganz einfachen Sachen reitet um ja keine „Konfrontation“ heraufzubeschwören oder den Reiter auch mal „zwingt“ gegenüber dem Pferd seinen Standpunkt durchzusetzen.
Ich rede hier nicht von das Pferd knebeln und es der unbeherrschten Willkür des Reiters ausliefern.
Ich habe mich in meinem RU oftmals überfordert gefühlt, wenn ich Anweisungen bekommen haben, insbesondere wenn ich alles gleichzeitig umsetzen sollte und das war mit ein Grund warum ich den RU eingestellt habe. Ich habe mir dann für mich sein System zurechtgelegt, dass ich mich immer nur auf eine Sache konzentriere. Das mach unter Umständen durchaus Sinn machen, wenn man z.B. etwas neu lernt. Dann sollte man aber relativ schnell wieder zum „Reiten mit vollem Körpereinsatz“ zurückkommen.
Zu den Pylonen: Unser Reitplatz hat die unglücklichen Dimensionen 27 x 64 ohne jegliche Reitplatzbeschriftung. Ich habe mir darauf ein Viereck im Verhältnis 1:2 ausgemessen (also 27x54) und an den Seiten Markierungssteine in gleichbleibenden Abstand aufgelegt, sodass sich an der langen Seite 8 gleichgroße Abstände ergeben und an der kurzen 4 gleichgroße Abstände ergeben. Außenrum stelle ich mir dann vor dem Reiten immer Pylonen auf und eben irgendeine Orientierung zu haben, ansonsten hat man bei diesen Dimensionen – zumindest als Anfänger – keine Chancen hier wirklich auch nur eine sinnvolle Linie zu reiten und gondelt dann halt meistens ganze Bahn, wechselt irgendwie und die Zirkel sind halt auch eher freestyle.
Pylonen im Reitplatz – das mache ich ein bisschen abhängig von eventuellen Mitreitern und vor allem meiner Zeit. Wenn ich nämlich etwas markiere mit Stangen oder Pylonen, dann möchte ich, dass das wirklich korrekt steht und nicht Daumen mal Pi und das dauert halt dann doch zuweil etwas, bis z.B. die Pylonen auf der Mittellinie dann auch wirklich in einer Line stehen, wenn man die Ausrichtung von beiden Seiten aus kontrolliert. Wenn ich Hindernisse aufbaue, dann orientiere ich mich immer an meinen Markierungen außen rum, weil man sich die Linien und Wege dann besser vorstellen und wirklich so legen kann, dass man zwischen den Sprüngen schöne gerade oder gebogene Linien reiten kann und auch durch die Linienführung mittig zum Sprung kommt und nicht einfach irgendwie von Hindernis zu Hindernis reitet.
Aber generell ist mir aufgefallen, dass mit System und genau aufgestellte Pylonen, Stangen, Hindernisse (kleine Kreuzerl) den Reiter und das Pferd schon sehr dazu animieren genauer zu reiten. Das ist meinen Mitreitern im Stall auch aufgefallen, dass sie sich dann besser konzentrieren und genauer Reitern und auch die Pferde aufmerksamer sind und es irgendwie besser funktioniert. Deshalb ist das eigentlich immer gern gesehen, wenn ich etwas aufstelle, weil mit etwas Hirnarbeit, kann man durchaus einige sinnvolle Sachen aufbauen, ohne aber die Hauptwege zu viel zu verstellen.
Aber ich bin ein Fan von Pylonen, Hindernissen, Stangen, wenn sinnvoll angeordnet, weil es mir einfach hilft in Bewegung zu bleiben, nicht zuviel zu denken und ich gerne zwischendurch etwas dynamische Action habe, wo wir beide etwas gemeinsam „schaffen“. Wenn man das Zeug allerdings irgendwie, planlos, Daumen mal Pi und schief aufstellt, machts mir keinen Spaß, weil es dann oftmals einfach im Weg steht, man sonst keine sinnvollen Linien darum Reiten kann und auch den Bewegungsfluss stört und man entwickelt auch kein Gefühl für die Linien und Dimensionen dabei.
Mir auch schon passiert: alles wunderschön aufgestellt mit großartigen Plänen und dann bin ich beim Schrittreiten in ganz was anderes versunken, das das Pony dann so toll gemacht hat, dass Reiten zu Ende war - ohne je eine Stange zu überqueren oder durch meinen Pylonen durchzureiten. Ich war dann paradoxerweise danach ganz stolz auf mich, dass ICH es geschafft habe aufzuhören, ohne noch meinen ursprünglichen Plan durchzuziehen für den ich 30 min herumgebastelt habe
