Anlehnung gebisslos ?

Rund um die klassische Reitkunst

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horsman
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Beitrag von horsman »

Max1404 hat geschrieben:Horsmän: bei einem Pferd, das komplett klemmt, muss man zur Korrektur Schwung nach vorne holen. Auf gar keinen Fall auch noch vorne aufrichten und zoppeln.

[:
bei einem Pferd was klemmt, ja, da stimme ich zu.
ich sprach aber oben von einem Pferd, welches stark vorderlastig auf VH und Hand liegt. Das "klemmt" nicht. Das "klemmende" Pferd bleibt hinter der Hand zurück.
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skywalker

Beitrag von skywalker »

Cubano hat geschrieben:
skywalker hat geschrieben: Meinst du man kann sich mit Anlehnung im 10-g-Bereich bewegen?
Zwar bin ich nicht Max, aber diese Grammzahl halte ich schlicht für illusorisch. Schon allein wegen des Gewichts der Zügel und deshalb, weil das Pferd – zumindest in meiner Reitweise :wink: – eben ans Gebiss "ziehen" soll. 10 Gramm klingt für mich ein wenig so, wie die Forderung "man darf nur das Zügelgewicht in der Hand spüren", die für ein weit ausgebildetes Pferd in definitiver Selbsthaltung gilt – für die meisten Pferde, die ich kenne, aber definitiv nicht…
Ja eben, für mich erscheint das auch illusorisch.

Es ist wohl wieder eine Definitionssache, und deshalb hab ich ja auch gefragt, was genau man unter "Gramm-Bereich" verstehen soll. In meiner Sprach-Vorstellung hört der Grammbereich bei ca. 100g auf. Bei 340g denke ich schon im "Halbkilo"-Bereich, nicht mehr Gramm. (damit will ich jetzt nicht sagen, dass 340 g schlecht oder zuviel sind, sondern einfach dass ich 340g nicht mehr als "Gramm-Bereich" definiere... ich für mich persönlich.

Ich tendiere auf jeden Fall dazu, zu wenig Anlehnung zu haben, d.h. also im Zweifelsfall lass ich lieber lockerer oder schmeiße sie ganz weg.

Jollys Beispiel mit der Frau und dem fast-amputierten Bein :shock: hat mich schon ganz schön schockiert muss ich sagen. Ich stelle dann schon wieder in Frage, ob ich gebisslos so viel Anlehnung haben möchte .

D.h. ich bin so schlau wie ganz zu Anfang :?

Noch eine Frage tut sich auf (sorry wenn ich so bohre, aber wenn ich erstmal anfange zu grübeln, dann komm ich von einem zum nächsten):
Wir haben vom Unterschied gesprochen, dass gebisslos auf knöcherne Strukturen wirkt und das Gebiss nicht, weil das Pferd die Zunge dazwischen schiebt.
1) Wenn ich aber jetzt meine Zunge irgendwohin schiebe, um Druck zu vermeiden, muss ich ja die Zunge (Muskel) anspannen (sonst wird sie den Druck nicht abfangen können) - dh. verspannt das nicht wieder erst recht den Unterkiefer? Wenn ich meine Zunge irgndwo dagegen drücke (in ERmangelung eines Gebisses z.B. gegen den Gaumen oder die Zähne), dann verspannt sich der ganze Kieferbereich, und zwar ganz schön ordentlich.

2) und soeben auch noch in meinem Hirn aufgetaucht: Gibt es vielleicht Pferde, die einfach nicht kapieren, dass sie die Zunge zwischen Gebiss und Laden schieben müssen (oder passiert das automatisch, weil die Zunge breit gequetscht wird und sich ohne Zutun des Pferdes auf die Laden "ausbreitet"? Vielleicht macht ja meiner irgendwas "falsch" und lehtn das Gebiss deshalb ab (obwohl... die Zunge schaut schon im Ruhezustand ohne Gebiss seitlich an den Laden ein bissl raus)...

Sorry wenn das blöde Fragen sind :?
skywalker

Beitrag von skywalker »

horsmän hat geschrieben:
Max1404 hat geschrieben:Horsmän: bei einem Pferd, das komplett klemmt, muss man zur Korrektur Schwung nach vorne holen. Auf gar keinen Fall auch noch vorne aufrichten und zoppeln.

[:
bei einem Pferd was klemmt, ja, da stimme ich zu.
ich sprach aber oben von einem Pferd, welches stark vorderlastig auf VH und Hand liegt. Das "klemmt" nicht. Das "klemmende" Pferd bleibt hinter der Hand zurück.
Max schrieb aber ja nur vom "klemmenden" Pferd:
max hat geschrieben:Zur Unterkieferlockerung: Bei einem Pferd, das im Unterkiefer verspannt ist, fließt diese Verspannung vom Zeitpunkt, in dem es sich im Unterkiefer verspannt, über das Genick, den Widerrist, den Rücken bis zu den Hinterbeinen durch ganze Pferd. Das Pferd hält sich komplett fest. Das geht innerhalb von wenigen Sekunden.

Es liegt am Reiter, dies so schnell wie möglich zu erkennen und die Verspannung bereits im frühen Stadium zu lösen, bevor sie durch den gesamten Körper geht. Idealerweise schon im ersten Stadium, wenn sich nur der Unterkiefer verspannt oder vielleicht das Genick noch mit. Ist man zu langsam gewesen, und das Pferd "klemmt", hilft nur, die Lektion abbrechen, Schwung nach vorne holen und neu ansetzen.
Ihr sprecht also von verschiedenen Dingen (max vom klemmen und horsmän vom vorhand-latschen) und müsst euch gar nicht streiten ;-) ;-) ;-)
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Beitrag von Motte »

Skywalker -

im normalen Fall "schiebt" das Pferd nicht die Zunge unter das Gebiss.
Die ist ganz einfach da, die Zunge, an der Stelle.
Also - das ist für's Pferd per se erstmal keine "aktive" Tätigkeit und Anspannung, die Zunge im Maul dort zu tragen, wo sie nunmal hingehört.
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Rosana
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Beitrag von Rosana »

skywalker hat geschrieben:Nur was sofort in meinem Kopf auftaucht ist: Warum um Himmels Willen hat man Angst vor Druckstellen durch einen Lederriemen, wenn man akzeptiert, dass Anlehnung durch ein Metallstück (Gebiss) auf knöcherne Strukturen (Laden) in Ordnung ist? Die Auflagefläche ist ja da nochmal um ein Vielfaches geringer (rundes Metall + runde Auflagefläche, nämlich die Laden = ein sehr sehr schmaler Punkt, wo der Kontakt tatsächlich besteht). Selbst wenn man sagt, das Gebiss soll nur auf die maulwinkel einwirken - die sind auch sehr empfindlich, und ganz ohne Kontakt zu den Laden geht es denke ich nicht.
Genau das habe ich mich auch immer gefragt: Zunge und Laden stelle ich mir viel empfindlicher vor als den Nasenrücken...
Die Argumente hier im Thread - Zunge ein beweglicher Muskel, empfindliche Knochenhaut auf der Nase - leuchten mir allerdings schon einigermaßen ein. Andererseits ist das natürlich auch wieder eine Frage der wirkenden Kräfte. Also ich hatte bisher noch keine Probleme mit Druckstellen...
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Beitrag von Rosana »

skywalker hat geschrieben:@ Rosana: Dein Beispiel macht mir Mut, es jetzt einmal eine Zeitlang mit dem Glücksrad zu versuchen, Anlehnung zu erarbeiten. Du reitest so bei Dr. Ritter? Respekt, was sagt er denn dazu?
Freut mich, dass ich ermutige! :D

Ich bin bisher nur einmal bei Herrn Ritter geritten, da hat er gesagt, dass er das Glücksrad nicht toll findet, aber es akzeptiert. Ende August kommt er wieder, da wollte ich eigentlich mit Gebiss antreten... Mal sehen, wie weit wir bis dahin kommen.
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Beitrag von Lilith79 »

Wenn Anlehnung mit Gebiss wegen des Dauerdrucks nicht akzeptabel ist dürfte man ja auch nicht mit Anlehnung am Kappzaum longieren?
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Beitrag von Rosana »

esge hat geschrieben:
Deine Beschreibung kommt mir so vor, wie meine Erfahrungen mit meinem Sensibelchen auf Kandare im Vergleich zur Trense: Man hat mir der gewohnten Zäumung einen so großen Ausbildungsvorsprung, dass die ungewohnte (bei dir die Trense, bei mir die Kandare) erstmal einen gewaltigen Rückschritt darstellt. Man kann nun entweder sehr viel Energie hineinlegen, diesen Vorsprung aufzuholen - oder man kann es sein lassen.

Für mein Pferd habe ich beschlossen, dass die Kandare uns vor so große Schwierigkeiten stellt, dass es sich nicht lohnt. Pony läuft alle lektionen auf Trense, es gibt keine Beschränkungen damit. Also warum Kandare?
Ähnlich stelle ich es mir bei dir und deinem Pferd vor. Der Lehmkühler-Zaum funktioniert für euch wunderbar (Foto sieht wirklich gut aus!), warum also die größeren Schwierigkeiten durch die Trense konfrontieren? Dein Experiment wird darauf hinauslaufen herauszufinden, ob du irgendwo an eine Grenze stoßen wirst, die du mit LK-Zaum nicht, mit Trense aber sehr wohl überwinden könntest.
Das trifft es ziemlich genau! Ich würde nur noch mit LG-Zaum reiten, wenn ich nicht Angst hätte, irgendwann dann ohne Gebiss doch nicht weiter zu kommen und dann den Ausbildungs-Unterschied gar nicht mehr oder nur mit großen Mühen aufholen zu können...
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Beitrag von horsman »

@skywalker
naja, Max benutzt dies Wort "klemmt" aber in unmittelbarem Zusamenhang ihrer vorherigen Ausführungen, wo sie beschreibt, dass das Pferd sich in Maul und Genick beginnt fest zu machen, also gerade eher fest an der Hand wird.

Das "klemmende" Pferd (was man durchaus vorwärts schicken sollte), will nicht richtig vorwärts und bleibt hinter der Hand zurück (rollt sich ein). Dies ist aber nicht zu fest an der Hand, sondern eher zu lose.

@skywalker
zu deinem Punkt "Ich tendiere auf jeden Fall dazu, zu wenig Anlehnung zu haben, d.h. also im Zweifelsfall lass ich lieber lockerer oder schmeiße sie ganz weg."

Dies ist der Fall, den silence auch schon ansprach, wo nicht der Reiter Leichtheit vom Pferd bekommt, sondern das Pferd Leichtheit vom Reiter.

In der Theorie liegt die Sache doch klar:
Das Pferd soll dem Reiter ggü. nachgeben. Erst dann kann der Reiter ggü. dem Pferd nachgiebig werden. Dazu muss der Reiter auch mal Nachgiebigkeit einfordern. Dies in der richtigen Intensität zu tun und fair zu bleiben, und zwar auch unter Beachtung, dass ein Pferd um ein Vielfaches schneller reagieren kann als ein Mensch, das ist die Herausforderung der Praxis. Fair zu sein heißt dabei, die Nachgiebigkeit die das Pferd gibt, zu beloben und nicht zu missachten.
Zuletzt geändert von horsman am Fr, 12. Aug 2011 12:38, insgesamt 3-mal geändert.
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Rosana
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Beitrag von Rosana »

@max: Ich finde deine Erläuterungen zur Anlehnung bzw. "Nicht-Anlehnung" sehr gut!
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skywalker

Beitrag von skywalker »

Rosana hat geschrieben:
skywalker hat geschrieben:@ Rosana: Dein Beispiel macht mir Mut, es jetzt einmal eine Zeitlang mit dem Glücksrad zu versuchen, Anlehnung zu erarbeiten. Du reitest so bei Dr. Ritter? Respekt, was sagt er denn dazu?
Freut mich, dass ich ermutige! :D

Ich bin bisher nur einmal bei Herrn Ritter geritten, da hat er gesagt, dass er das Glücksrad nicht toll findet, ...
Hat er das irgendwie begründet?
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Beitrag von skywalker »

Lilith79 hat geschrieben:Wenn Anlehnung mit Gebiss wegen des Dauerdrucks nicht akzeptabel ist dürfte man ja auch nicht mit Anlehnung am Kappzaum longieren?
uuuuh, da tut sich gleich ein ganzer weiterer Fragenkatalog in mir auf, nämlich weniger wegen Kappzaum als vielmehr Anlehnung an der Longe :roll: :wink: :D
skywalker

Beitrag von skywalker »

horsmän hat geschrieben:@skywalker
naja, Max benutzt dies Wort "klemmt" aber in unmittelbarem Zusamenhang ihrer vorherigen Ausführungen, wo sie beschreibt, dass das Pferd sich in Maul und Genick beginnt fest zu machen, also gerade eher fest an der Hand wird.

Das "klemmende" Pferd (was man durchaus vorwärts schicken sollte), will nicht richtig vorwärts und bleibt hinter der Hand zurück (rollt sich ein). Dies ist aber nicht zu fest an der Hand, sondern eher zu lose.
Ah ok, ich dachte da an mein Pferd, und der wird fest (in/an der Hand) und klemmt gleichzeitig. Da hört wirklich das vorwärts u.U. sogar ganz auf (was eine der angenehmen Eigenschaften diees Pferdes ist: Unverständnis, Unwille, genauso wie Balanceprobleme äußern sich in einer Lösungsstrategie: "Ich bleib mal stehen" - definitiv angenehmer für den Reiter als Flucht *g*), aber nicht hinter dem Zügel - und das ist gut zu lösen mit Max's "vorwärts" (wobei ich in meinem Fall in dieser Situation dann die Zügel mal wegschmeiße, um dann wieder ganz neu Anlehnung zu suchen).
Ich dachte dass alle Pferde so klemmen.
horsman
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Beitrag von horsman »

@skywalker
Punkt "Anlehnung an Longe"

Jo. In der Tat auch ein heikler Punkt. Auch hier: keine stramme Daueranlehnung. Und wer schon mal die vollen 8 meter einer Longenleine sich an den kleinen Finger gebunden hat, weiß, dass allein das Gewicht der Leine schon ein wenig zieht. Mehr muss es bestenfalls gar nicht werden. D.H. bestenfalls hängt die Longe leicht durch und steht nicht stramm an, wie man es so oft hört. Wenn die Longe diese leichte Verbindung hat, würd ich mir mit dem Kappzaum auf dem Nasenrücken keine Sorge machen. Da gibt es keine Druckstellen auch nicht bei einem lediglich durch Leder "gepolstertem" Kappzaum. Aber keine Angst: auch (und besser als am Gebiss) mit dem Kappzaum kann man mal für kurze Momente eine festere Verbindung an der Longe haben. Nur eben sollen diese Momente kein Dauerzustand werden. Deshalb ist auch ein Round-Pen bei jungen bzw. schlecht balancierten Pferd eine schöne Sache.


@skywalker
zum Punkt dein Pferd "klemmt" mit Zügelanspannung

Dies wird wahrscheinlich ein Fall sein, wo das Pferd durch Zügeldruck blockiert wird. Hier würde ich die Zügel nur so leicht aufnehmen wie Du fühlst dass es noch nicht anfängt zu "klemmen" und dann vorwärts reiten.
mE täte auch longieren mit klassischen Ausbindern (zunächst locker genug verschnallt) Sinn machen, zumindest, wenn Du das Reiten mit Gebiss weiter verfolgen willst. Ziel: vorwärts mit leichtem Kontakt. Aber immer: die Nase sollte nicht tiefer als Höhe des Buggelenks kommen. Weil dies durchaus erst noch anstregend fürs Pferd ist, nicht zu lange in dieser Haltung und wieder kurze Pause am hingeg. Zügel zum aus strecken.

Oder "klemmt" er schon beim blossen longieren am Kappzaum, will also nie so richtig vorwärts? Dann ist da entweder gesundheitlich was im Argen, oder es ist ne faule Socke.
Zuletzt geändert von horsman am Fr, 12. Aug 2011 13:00, insgesamt 1-mal geändert.
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Max1404
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Beitrag von Max1404 »

Horsmän: Ich habe geschrieben, was zu für mich zu schreiben gab. Wenn man meine Posts im Zusammenhang liest, wird man sie auch richtig verstehen. Meine Einstellung wird man darüber hinaus aus der Summe der Posts, die ich in diesem Forum geschrieben habe, gut erkennen können.

Einzelne Aussagen aus dem Zusammenhang ziehen und dann zu zerpflücken, ist nicht ganz der Stil, in dem ich eine Diskussion führen möchte, denn für mich persönlich führt das zu keinen neuen nachdenkenswerten Erkenntnissen über die Reiterei.

Weißt Du Horsmän, ich kann ja verstehen, dass Du gerne Deinen "französischen way of Reiterei" promoten möchtest, das sei Dir auch unbenommen. Nur erwarte bitte nicht von anderen ein erhebliches Mehr an Toleranz und Verstehen als Du selbst bereit bist zu geben.
Viele Grüße
Sabine
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