Reitkunst vs. Handwerk

Rund um die klassische Reitkunst

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Cubano
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Beitrag von Cubano »

horsmän hat geschrieben:nochmal: Showreiten ist nicht Reitkunst.
Also findet Reitkunst immer jenseits der Öffentlichkeit statt? Dann frage ich mich allerdings, wie man diese überhaupt bewerten will – sieht ja keiner :wink:

@S&P: Ich fürchte, wir brauchen mehr rote Stifte. Sehe ich exakt so wie Du. Und das gilt für alle Lektionen. Mein 6jähriger ist aktuell ca. auf A-Niveau. Ausnahme: die Verstärkungen. Die will ich aber momentan gar nicht mit ins Programm aufnehmen, weil DIESES Pferd dafür mit Sicherheit noch eine Zeitlang braucht. Würde ich aber Turniere/Shows reiten wollen, müsste er diese gehen. Also lasse ich das doch :P
„Steinbrecht ist nur schwer für den leichten Geist." (Nuno Oliveira)
Nach der SdA unterwegs :-)
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ottilie
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Beitrag von ottilie »

Menno, nun seid doch nicht so kleinkariert :roll:

Showreiten ist nicht immer Reitkunst
Turnierreiten ist nicht immer Reitkunst
Reitkunst muß nicht nur im stillen Kämmerlein betrieben werden
Reitkunst liegt irgendwie doch immer im AUge des Betrachters

Hab ich was vergessen?
Es grüsst ottilie
~~~~~~~~~
Wo die Kraft anfängt, hört das Gefühl auf (Moshe Feldenkrais)
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Josatianma
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Beitrag von Josatianma »

horsmän hat geschrieben:nicht-wettbewerbsorientiertes Reiten mit dem Ziel die Harmonie zw. Reiter und Pferd auf dem Weg zur sog. hohen Schule zu perfektionieren
Nehmen wir "nicht-wettbewerbsorientiertes" weg, ist die Definition OK.
horsmän hat geschrieben:Aber ok, wenn man mal in den Dressurprüfungen die Wertnoten und die Placierung samt Sieger abschafft, und lediglich ein Protokoll als Rückmeldung für den Reiter ausgibt, dann wären wir schon ein gutes Stück weiter
Gerne! Solch ein Prinzip wurde in dem Fragebogen, der hier vor einiger Zeit mal verlinkt war durchaus angedacht.

Bei meinem ersten Turnierjahr vergangenes Jahr, habe ich durchaus gegen einige Lampenaustreter "gewonnen" (zumindest Notenmäßig). Die wurden nämlich alle runtergewertet. Und in den neuen Aufgaben sind Dinge versteckt, die brauchen ein gut gerittenes und kein zusammengequetschtes Pferd.
finchen hat geschrieben:... Wobei ich persönlich meine, dass es grade aus diesem Grund viiiiiel mehr Reiter aus dem "klassischen Lager" braucht, die auf Turnieren starten, und wieder und wieder zeigen, dass es anders geht, als so häufig dort zu finden momentan!
Und genau das ist meine Intension! Ich möchte zeigen, dass es anders geht. Und stoße damit auch bei den Richtern auf unglaublich viel Resonanz. Eine L-Dressur letztes Jahr war sicherlich von einer guten L-Dressur weit entfernt. Aber die Richterin, die mir beim Anstecken der Schleife sagte: Der ging die ganze Zeit toll in Anlehnung und so schön locker, zeigt, dass es Richter gibt, die anders denken. Und da waren richtig gute Pferde dabei.
Liebe Grüße, Sabine

Ideale sind wie Sterne, man kann sie nicht erreichen, aber man kann sich an ihnen orientieren

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Finchen
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Beitrag von Finchen »

@Saltandpepper:
Ehrgeiz ist es auch, wenn ich die völlige Harmonie mit meinem Pferd anstrebe - und wenn DIE mal (zusammen mit anderen wichtigen Aspekten der GUTEN Reiterei!) zur Platzierung herangezogen wird, dann ist Ehrgeiz auch in Bezug auf das Siegen doch zu vernachlässigen! :wink:

@Horseman:
wieso kann auf Turnieren keine gescheite Arbeit entstehen? Streite ich absolut ab - als totaler Prüfungspaniker habe ich dennoch mit meinem Pferd in einer Prüfung eine so stimmige Reiterei erlebt, dass ich hinterher Rotz und Wasser heulend vor Freude auf dem Abreiteplatz stand und gar nicht richtig wusste, wie die Prüfung gelaufen ist. Ich hatte nur im Sinn, dass mein Pferd so konzentriert, bereit und kooperativ war, wie in keinem anderen Moment vorher. So ein Moment muss es bei Josa gewesen sein!

Übrigen:
auch die alten Reitmeister flanierten regelmäßig mit ihren Pferdchen in den Alleen/Parks auf und ab, um zu zeigen, was sie konnten! Nur fürs eigene Kämmerlein? Ne, das halte ich für ein Märchen! :)

@Alimati:
Danke für die Zustimmung - und sorry, ich hatte gestern nicht wieder alles rückwärts durchgelesen, drum deine Aussage dazu nicht entdeckt. :oops:

@Josa:
die Richterin hat eben auch ein so gutes Auge für die Lockerheit, wie ich :wink: - oder ich hatte nur einen gute Riecher, "damals"... Aber eben, genau deshalb MUSS es mehr und mehr und noch viel mehr klassisch orientierte Reiter im Turnierzirkus geben!
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Ielke
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Beitrag von Ielke »

im internationalen Turnierzirkus mag einiges im Argen liegen. Im Basisbereich bis L wird von den Richtern sehr wohl der korrekte, harmonische Ritt vor dem Bewegungskracher gesehen... und auf den Abreiteplätzen auch durchgegriffen, wenn hier zu grob mit dem Pferd umgegangen wird.

Ich reite Turniere, ja. Warum? Weil es mir Spaß macht, mit meinem Pferd gemeinsam eine Herausforderung (die wäre "in fremder Umgebung unter Adrenalin eine harmonische Vorführung bieten und zeigen, dass Friesen mehr können als eine lange Mähne herumzutragen") anzugehen, ich es mag herauszuknobeln wie ich mich vor Ort optimal vorbereite. Und weil man auf Turnieren nicht nur ehrgeizige Kotzbrocken trifft, sondern ich inzwischen auch viele nette Pferdeleute kennengelenrt habe.
Mearas
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Beitrag von Mearas »

Josatianma hat geschrieben: Mmmmmh, lese ich das jetzt negativ wird im Prinzip dem Turnierreiter generell unterstellt, dass er sich nicht um gesundes Reiten bemüht und sich entsprechende Trainer sucht.
Nein, das habe ich damit nicht sagen wollen. Pauschalisieren ist da immer falsch. Es gibt genügend Reiter, die auch in meinem Umfeld sich um gesundes Reiten bemüht. Allerdings stelle ich fest, daß diejenigen, die sich Saison für Saison auf die Turniere bemühen, weit weniger Gedanken an eben dieses feine Reiten verschwenden. Da geht es im Großen und Ganzen wirklich nur um Punkte und wer vorn lag und die Konkurrenz ausgestochen hat. Und das schreckt zumindest mich ab.

Und was mich noch irritiert: Eine Unterhaltung mit jenen über das Reiten ist so gut wie nicht möglich, da ein Blick über den Tellerrand (häufig, sicher nicht immer) als unwichtig abgetan wird.
horsman
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Beitrag von horsman »

Warum um alles in der Welt kann man nicht einfach nur reiten, weil man Freude am Reiten und am Pferd selbst hat und dieses für sich kultivieren und perfektionieren mag. Fingen wir nicht alle mal deswegen an? Wozu muss man sich vorzeigen? Egotrip? Wozu dabei in einen Wettstreit treten? Einfach nur der Reiter und das Pferd - mehr nicht. Wenn jemand dabei zuschauen mag weil es denjenigen interessiert oder sogar fasziniert, ok, dann schafft man Öffentlichkeit dadurch, dass man ihn willkommen heißt. Und wenn nicht, dann eben nicht. So seh ich das.

Na und wenn man eine Bewertung seines Tun benötigt, dann hört man als erstes mal auf sein Pferd und seinen "Arsch" (ohne Selbstbetrug) und wenn man Tips fürs weitere Vorgehen braucht sucht man sich einen guten Lehrmeister.
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Ielke
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Beitrag von Ielke »

Warum nicht?

Ich war jahrelang Mitglied in einem Chor. Es war mir nicht genug, unter der Dusche zu singen... Auftritte hatten wir auch, die haben Spaß gemacht ohne dass jemals an einem Wettbewerb teilgenommen worden wäre. Warum sollte das beim Reiten nicht möglich sein?
horsman
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Beitrag von horsman »

naja, weil bei einem Chor auch Leute zu zuhören kommen :lol:
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Junito
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Beitrag von Junito »

Und bei einem Turnier wohl nicht? Dann könnte man sich ja auch einen Richter ins heimische Kämmerlein holen, der einen bewertet. Das wird dann aber teuer. Schließlich hat man dann ganz alleine die Kosten dafür zu tragen.

Das Ganze dann eben unter Ausschluß der Öffentlichkeit?
Pferde sind wie guter Sekt - es braucht Zeit und Erfahrung, damit sie perlen können.
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Josatianma
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Beitrag von Josatianma »

Warum um alles in der Welt kann man nicht einfach nur reiten, weil man Freude am Reiten und am Pferd selbst hat und dieses für sich kultivieren und perfektionieren mag.
Und genau diese Freude am Reiten und am Pferd möchte ich anderen zeigen. Nenne es Egotrip, nenne es Showgeil, ist mir egal. Ich möchte zeigen, dass gutes und feines Reiten möglich ist, dass man in einer Turnierprüfung breit grinsend auf seinem Pferd sitzen kann. Ich sehe das Turnier nicht als Wettstreit.

Ich glaube nicht, dass die alten Meister früher die Pferde fürs stille Kämmerlein ausgebildet haben.
Liebe Grüße, Sabine

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Ielke
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Beitrag von Ielke »

horsmän hat geschrieben:naja, weil bei einem Chor auch Leute zu zuhören kommen :lol:
...und beim Reiten gibt es durchaus Leute, die zum zuschauen kommen.
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emproada
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Beitrag von emproada »

@horsmän: na, dann darf man aber auch nicht auf Lehrgänge, zu Wanderritten, geschweige denn den Ehrgeiz haben besser zu werden, denn auch im Unterricht könnte ein Pferd eventuell unter Spannung kommen. Eigentlich sollte man dann überhaupt nicht reiten. :lol:
Viele Grüße Tina
Excalibur

Beitrag von Excalibur »

Ich finde ihr habt alle Recht, meint aber für meine Begriffe etwas Unterschiedliches :wink:

Natürlich ist gutes, schönes, klassisches Reiten auf Turnieren möglich, aber Reitkunst nicht.
Ich habe Josa schon Life gesehen und gebe ihr voll und ganz recht, es macht Spass euch beiden zu zusehen und man sieht, das zu Hause mit Sicherheit der Weg zur Reitkunst bestritten wird.
Kunst beinhaltet für mich immer das Bilden und Schaffen, in einem kreativen Prozess. Das ist in einer Prüfung nun einmal nicht erlaubt. Ich darf und kann mein Pferd nicht anders Vorbereiten und Verbessern als es die Aufgabe erlaubt, auch wenn ich merke, dass es in diesem Moment dem "Kunstwerk" zur Vollendung helfen würde, etwas anderes zu machen. Ich kann lediglich einen "Ist" Zustand in diesem Moment zeigen. Das ist ja auch Sinn der Bewertung.
Hier ist die Lektion aber dann eine reine Übung und eben nicht zur Verbesserung des Gesamtkunstwerks zu sehen.

In einer "Show" ist das etwas anders. Wenn ich ein wahrer Reitkünstler bin zeige ich eben keine vorgefertigte Aufführung, sondern den Prozess wie das Pferd geformt wird und innerhalb der Vorführung reift und schöner wird. Das ist jeden Tag ein wenig anders und die Lektionen werden genutzt, um das Pferd Reiterpaar zum Kunstwerk zu machen.

So in etwa, hoffe ihr werdet aus meinen Ausführungen schlau. :oops:
saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

Finchen hat geschrieben:@Saltandpepper:
Ehrgeiz ist es auch, wenn ich die völlige Harmonie mit meinem Pferd anstrebe - und wenn DIE mal (zusammen mit anderen wichtigen Aspekten der GUTEN Reiterei!) zur Platzierung herangezogen wird, dann ist Ehrgeiz auch in Bezug auf das Siegen doch zu vernachlässigen! :wink:


Finchen, wenn du meine Beiträge genau liest, wirst du feststellen, daß ich vermeide zu pauschalisieren. Ich schreibe, daß Ehrgeiz "ganz, ganz oft" fehlleitet, nicht "immer".

Ich differenziere auch, worauf sich der Ehrgeiz richtet. Der Ehrgeiz "immer besser zu werden" kann eine feine Sache sein- so er nicht zulasten des Pferdes ausgelebt wird.

In dem Moment, wo ich etwas ganz doll möchte ( =Ehrgeiz), muß ich sehr aufmerksam sein, wie ich das umsetze und welche Wege ich dazu zu beschreiten bereit bin. Und ich muß sehr häufig prüfen, ob diese Wege noch mit meinen ethischen Grundsätzen vereinbar sind.

Hier gibt es gewisse Grenzen, die zu überschreiten ich persönlich nicht bereit bin.
Und sich auf diese Grenzen regelmäßig zu besinnen, sie zu überprüfen, das ist m.E. die Aufgabe eines jeden Reiters.

Ein Beispiel ist der vielbeachtete Trainerwechsel von MAR. Für mich ist dies eine Grenze, die einfach nicht überschritten werden darf, egal für welchen Blumentopf, und wenn ich sie überschreiten müßte, um "erfolgreich zu sein" , so müßte ich hier erfolgLOS bleiben, denn eine LDR-Methode ist für mich persönlich absolut inakzeptabel. Und zwar unabhängig davon, wie viele positive Aspekte der Weg hat. Er hat einige Komponenten, die so negativ wiegen, daß kein Vorteil sie wettmachen kann. Eine persönliche Entscheidung ! Jeder muß sie für sich selbst treffen.

Ich finde es nicht verwerflich, wenn der Ehrgeiz z.B. auf bestimmte Lektionen oder eben auf ein Tunier gerichtet ist, wenn es nicht auf Kosten des Partner Pferdes geht und damit bestimmte ethische Grenzen überschritten werden.

@Cubano : einen Packen rote Stift rüberreicht....
Gruß S&P :wink:
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