Seite 9 von 17

Verfasst: So, 02. Jan 2011 10:50
von saltandpepper
Max, das hast du sehr schön beschrieben !
Vielleicht darf ich noch ein paar Gedanken dazu ergänzen ?:
Je länger ich mich mit Reiten beschäftige, um so wichtiger erscheint mir, immer zu betonen, daß jegliche Hilfe NICHT DIREKT den gewünschten Effekte BEWIRKT, sondern lediglich eine Kommunikationsinstrument dem Pferd gegenüber darstellt.

In soweit wirkt eine Parade mitnichten AUF DIE HINTERBEINE, sondern die richtig, für das Pferd verständliche Parade, SETZT DAS PFERD UM, INDEM ES mit den Hinterbeinen entsprechend agiert:
Auch das mag man wieder als Korintenkackerei :wink: sehen, aber für mich zieht dieser Grundgedanke Vieles nach sich :

Gehe ich davon aus, daß ICH ein Pferde treibe- sprich es laufen mache, und es läuft nicht wie gewünscht, so verstärke ich automatisch die Intensität meines Treibens.
Gege ich hingegen davon aus, daß ich DAS PFERD mit einer treibenden Hilfe auffordere, SELBST ZU LAUFEN, versteht es sich von selbst, daß ich meine Anspräche ANDERS gestalte, um dem Pferd eine Variation und damit eine Möglichkeit zum Verständnis zu bieten.

Nicht ICH mache das Pferd laufen, sondern DAS PFerd läuft.
Ebenso :
Nicht ICH Mache das Pferd BIEGEN, sonder DAS PFERD biegt SICH.

Nicht ICH manche die Hinterbeine des Pferdes unter den Schwerpunkt, sondern DAS PFERD schwingt SEINE Beine SELBST dorthin.

Somit muß das Streben innerhalb des Reitens doch darin bestehen, die gewünschten Dinge dem Pferd möglichst verständlich zu vermitteln. Eben, damit es die Anfragen wie gewünscht beantworten KANN.

Ganz ganz viele Fehler in der Einwirkung des Reiters passieren aus dem Denkansatz heraus, daß der Reiter meint die Dinge DIREKT bewirken zu können. Genau aber das kann er nicht, er kann sie nur INDIREKT bewirken, denn Ausführender ist DAS Pferd.
Er kann, um es in Neindorffs Worten zu sagen :" die passende Ansprache finden", oder in den Worten von Herrn Karl : " es nutzt nichts, einem, der kein Englisch versteht etwas auf Englisch zu erklären, und wenn er es nicht versteht, dann auf Englisch zu brüllen..."

Man kann ein Pferd weder anschieben mit dem Sitz, noch schließen, man kann es weder bremsen mit dem Zügel, noch kann man iregndwie die Hintrbeine irgendwohin TUN. Man kann nur DEM PFERD vermitteln, WAS ES SELBST tun soll.

Wem das jetzt zu philosophisch war, der möge es einfach überlesen.... 8)
Grüße S&P

Verfasst: So, 02. Jan 2011 12:18
von horsman
sehr gutes Plädoyer

Verfasst: So, 02. Jan 2011 12:31
von Max1404
@s&p: zunächst mal danke für das Kompliment :oops: :D
Du hast Recht, die Hilfen (deswegen heißen sie ja so) sind nur ein Kommunikationsinstrument. Allerdings ein sehr klares, denn wenn man z. B. auf einem Pferd, das noch kein Travers beherrscht, die richtigen Hilfen gibt, wird das Pferd ins Travers gehen - zunächst nur für 1-2 Schritte, manchmal nimmt es auch nur die richtige Körperstellung ein, bleibt dann aber aus Unsicherheit stehen - aber immerhin, die Richtung ist die richtige, die Antwort war gut.
Das heißt, die Kommunikation ist im Idealfall so deutlich, dass man eigentlich nur eine einzige (richtige) Antwort bekommen kann.

Verfasst: So, 02. Jan 2011 12:43
von saltandpepper
Danke horsemän !
Ja Max, das ist das Prinzip des Führens eines Dialoges : wer fragt führt . Und wer klug fragt bekommt die richtigen Antworten. :wink:

Das ist auch der Unterschied zwischen Kompetenz und Dominanz.....

Verfasst: So, 02. Jan 2011 12:56
von Gawan
saltandpepper hat geschrieben:Das ist auch der Unterschied zwischen Kompetenz und Dominanz.....
Schön ausgedrückt, den Satz muss ich mir merken.

Verfasst: So, 02. Jan 2011 13:12
von Rosana
@saltandpepper: Dein Statement von oben finde ich so spannend, dass ich mir erlaube damit einen neuen Thread aufzumachen! Dazu möchte ich gerne auch was schreiben/fragen, aber das würde hier wohl zu weit vom Thema abführen...

Verfasst: So, 02. Jan 2011 13:14
von esge
Sehr schöne Gedankenanregung so im Bezug auf Neues Jahr usw...

In der Tat finde ich es eine gänzlich andere Stimulanz für mich selbst, wenn ich mir vorstelle, ich vermittele dem Pferd, dass es laufen soll, als wenn ich denke, dass ich das Pferd laufen "mache".

Daraus ergibt sich eine Fragestellung und ich hoffe, ich darf sie hier als weiterführende Frage loswerden:

In wieweit ist die Sache mit dem jahrelangen Kraftaufbau, Gymnastizierung usw. eigentlich relevant?
ich präzesiere:
Um einen Grand Prix durchstehen zu können - 8 min schwerste Lektionen zack, zack aufeinander - muss ein Pferd ohne diskussion eine sehr gute Kondition und eine Menge Kraft haben.
Für ein paar einzelne Piaffetritte aber nicht. Selbst eine, sagen wir Drittel Pirouette im Galopp schafft ein Pferd mit normaler Gesundheit und Kraft im Grunde "einfach so". Oder nicht?
Geht es nicht oft einfach darum, dem Pferd nur über große Umwege begreiflich machen zu können, was wir da gerade von ihm wollen? Dabei baut sich auch die Kraft auf, ja. Aber jene genialen Reiter, Oliveira allen voran, sagte man nach, dass sie fast unvorbereitete Pferde nach kurzer Zeit in schweren Lektionen führen konnten. Diese Pferde bauten sicher nicht schneller Kraft auf als unsere - jene Reiter waren wohl nur in der Lage, sich rascher verständlich zu machen. Um die Übungen auszuformen und zu vollenden braucht ein Pferd sehr sicher dann doch Kraft und somit einen Konditions- und Muskelaufbau. Aber die ersten Andeutungen der Übungen - letztlich tun doch vor allem wir uns schwer, es dem Pferd begreiflich zu machen, oder?

Wir müssen dafür gar nicht in die klassischen hohen Lektionen gehen. Widerrist anheben - ich bin sicher, würden unsere Pferde unsere Sprache verstehen - oder wir die ihre... - würden viele Pferde sagen "ok, ich mach das für dich, halt dich mal fest da oben." Vermutlich würden es viele nciht gleich rundenlang durchhalten, aber so mal ein paar Meter, ganz sicher.

Letztlich ist Reiten also zu einem erheblichen Teil in der Tat das, was s&p immer wieder zitiert: Die richtige Ansprache finden.

die Reitlehren sind aber voll von Anweisungen, die suggerieren, wir könnten das Pferd laufen machen. Wirklich eine echte Krux.

Nachdenkliche verspätete Neujahrsgrüße

Verfasst: So, 02. Jan 2011 13:18
von knowi
Toll S&P, Du bringst es wunderbar auf den Punkt! *bewunder* ;) :D

Verfasst: So, 02. Jan 2011 13:24
von Rosana
Ups, jetzt haben hier inzwischen sich noch einige zu dem Hilfen-Thema geäußert. Mögt ihr mal rübergucken in den neuen Thread udn evtl. eure Beiträge dahin kopieren?

Verfasst: Mo, 03. Jan 2011 13:54
von *Krisi*
Oh - danke schön Ihr Lieben.
Eure Diskussion hat wieder mal meinen Horizont erweitert und ich werde über einige Dinge aus einem "neuen Blickwinkel" nachdenken müssen.

Verfasst: Mo, 03. Jan 2011 15:32
von Meg
S&P, das war einer der schönsten Beiträge, die ich jemals in einem Forum gelesen habe, Respekt!

LG
Meg

Verfasst: Mo, 03. Jan 2011 15:34
von Catja&Olliver
Gestern hab ich so etwas wie einen billigen Trick gesehen um den Widerrist anzuheben. Was haltet ihr davon:

Das Pferd war ein sehr gangstarkes WB, der Reiter arbeitet bisher nur an der Dehnungshaltung. Dabei tritt das Pferd zwar sehr eifrig, sackt aber vorne total ab und kommt dadurch immer HdS, was bei dem Reiter bestimmt nicht gewollt ist. Da hilft kein Nachtreiben, mehr HH-Aktivitaet kann man sich kaum vorstellen, und auch kein Hochzuppeln.

Ein zweiter Reiter hat sich eingemischt und dem Pferd einen Halsring angelegt. Der Reiter sollte nun den Kontakt gleichzeitig mit Trensenzuegel und Halsring halten, Kandarenzuegel erst mal ganz locker lassen (den durfte er nach ein Paar Minuten auch wieder aufnehmen).

Mit dem Halsring trug nun das Pferd seinen Halsansatz sichtbar hoeher, die Nase blieb vorne, der Spannungsbogen war da. Aber nuetzt sowas?

Verfasst: Mo, 03. Jan 2011 15:49
von saltandpepper
Catja, das ist das selbe Prinzip, nach dem der sogenannte "Dipo-Trainer" - ein Hilfszügel, entwickelt vom Deutschen Institut für Pferdeosteopathie (DIPO)- funktioniert. Es gibt einen Reflexpunkt oberhalb des Bugs, der das Heben des Rumpfes provoziert. Der Halsring kann genauso wirken.

Verfasst: Mo, 03. Jan 2011 15:58
von Catja&Olliver
Ja, an den Dipo-Trainer hab ich auch gedacht. Und ich hatte die selbe Wirkung auch schon mal bei meinem eigenen Pferd beobachtet, als ich es mit einer Koerperbandage longiert habe. Allerdings hatte ich den Eindruck, dass das nur beim ersten Mal wirklich gut funktionierte, beim zweiten Mal reagierte das Pferd schon weniger auf das bischen Kitzeln unterm Hals, beim dritten Mal hat er sich nicht mehr die Muehe gemacht.

Ein fester Gurt, den der Reiter in der Hand haelt, duerfte wirksamer sein. Aber die Frage ist, nuetzt es was, ein Pferd eventuell eine Weile lang so zu reiten. Gewoehnt es sich dadurch die richtige Koerperhaltung an?

Verfasst: Mo, 03. Jan 2011 16:32
von Rioja
Eine Freundin von mir reitet ihren Connemara mit diesem Halsseil schon über längere Zeit. Nicht beständig und immer, aber sie setzt es häufig ein. Es ist auf jeden Fall eine Verbesserung zu sehen.