Biegen - wie lernt es das Pferd?

Rund um die klassische Reitkunst

Moderatoren: Julia, ninischi, Janina

Benutzeravatar
Rosana
User
Beiträge: 590
Registriert: So, 25. Apr 2010 18:09
Wohnort: Südbaden
Kontaktdaten:

Beitrag von Rosana »

AAlso, ich habe mal diesen alten Thread aus den Tiefen des Forums gepult, um eine Frage einzubringen, die in diesem Thread http://www.klassikreiten.de/viewtopic.php?t=6943 aufgekommen ist und anscheinend mehrere interessiert:

Dort hat saltandpepper folgendes geschrieben:
saltandpepper hat geschrieben: Das "Biegen" ( rsptve. Veränderung der Schulterbalance) über den Schenkel dagegen, Rosana, ist für das Pferd nach meiner heutigen Auffassung eine die ganze Ausbildung erschwerende Sache.
Was spricht gegen das Biegen mit dem Schenkel?
Inwiefern erschwert es die Ausbildung?
Welche Alternativen gibt es (klar - Gewicht, aber ganz ohne Schenkel?)

Un noch ergänzend: Ist Biegen grundsätzlich = Veränderung der Schulterbalance nach außen?
Bild
Pferdialog.de
Benutzeravatar
Rosana
User
Beiträge: 590
Registriert: So, 25. Apr 2010 18:09
Wohnort: Südbaden
Kontaktdaten:

Beitrag von Rosana »

Jetzt ist mir selber grad dazu noch was eingefallen:

Wenn ich einem jungen Pferd die Hilfen zum abwenden (also im Prinzip das "Lenken") erkläre oder auch einem Reitanfänger, tue ich das mit dem seitwärts weisenden inneren Zügel und dem ÄUßEREN leicht zurückgelegten Schenkel. Der innere Schenkel ist dabei passiv.

Erst wenn das Zusammenspiel der Hilfen komplexer werden kann, weil die einzelnen Hilfen verstanden sind, kann ich mit dem inneren Schenkel sagen: "Bitte nimm deine Mitte nach außen" und den Rest des Pferdes mit anderen Hilfen "draußen" halten bzw. um die Kurve manövrieren.

Ist das - zumindeste teilweise - evtl. was du meintest, saltandpepper?
Bild
Pferdialog.de
Phanja

Beitrag von Phanja »

Also für mich ist das Ziel ganz klar, dass das Pferd sich über den Sitzknochen des Reiters biegen lässt.
Aber auf dem Weg dahin, braucht man den Schenkel ja mehr oder weniger als Unterstützung. Im Grunde funktioniert Biegung ja auch nicht anders als Geraderichten.
Tritt auf einer Volte z.B. der innere Hinterfuß des Pferdes nicht genügend nach vorne, geht auch mehr oder weniger Biegung verloren, weil die innere Hüfte des Pferdes dann nicht weit genug nach vorne kommt. Für mich ist Biegung einer Frage der Hüft-, Schulter- und Genickposition. Kann ich diese Dinge mittels Hilfe (Gewicht, Schenkel, Zügel) kontrollieren, kann ich das Pferd auch korrekt biegen ...
Insofern hängt es für mich von der jeweiligen Situation ab, ob ich den Schenkel brauche, um die Biegung zu bekommen.
saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

Die Biegung gleichseitig, einseitig des Pferdes findet in der Bewegung ausschließlich im Hals statt. Die Restlich WS biegt sich- sofern sie dies partiell kann ( denn große Teile der WS sind z.B.knöchern verwachsen oder anders unbiegsam)- immer wechselseitig. Ein Schritt links, ein Schritt rechts.

Die Biegung ist desweiter völlig unabhängig von der Linie, auf der ein Pferd sich bewegt.

Ein Pferd kann geradeaus gehen und dabei gebogen sein. Oder aber es kann einen Bogen gehen und dabei gerade, nach innen oder aber auch nach außen gebogen sein.

Bestes Beispiel hierfür ist das Ausbrechen auf dem Zirkel über die äußere Schulter, welches dem unerfahrenen Reiter gerne mal passieren kann.
Das Pferd ist hierbei gebogen, sogar sehr stark und trotzdem geht es ganz woanders hin, wie sehr der Reiter auch den inneren Zügel nutzt :wink:

Der erfahrene Reiter weiß : hier fehlt der ÄUSSERE Zügel, welche die Schulter rahmt. In soweit hat "Überbiegen- oder eben nicht Überbiegen " etwas mit der Schulterbalance zu tun.

Das Gefühl, ein Pferd sei "in der Rippe gebogen" bzw. "passend zum Hals durch den ganzen Rumpf gebogen", resultiert aus dem Balanceakt des Pferdes, den in der Balancesituation zwischen Hals und Schultern absolviert. Die Nachhandbewegung resultiert ebenfalls daraus, wie die Balance "vorne" austariert wird.

"Aber ich fühl es doch" kommt hier gerne als Gegenargument . Ich fühle es auch, nichts desto trotz verhält es sich eben anders.

In soweit funktioniert auch der "biegende Schenkel", indem er das Pferd quasi im Schulterbereich "weichen"läßt und das Pferd somit einen ausgleichende Bewegung mit dem Hals in die Gegenrichtung ausführen läßt. Sprich der innen am Gurt liegende Schenkel wirkt auf die Schulterbalance.

Nun gibt es aber auch die Möglichkeit das Pferd mit dem Zügel zu Biegen, denn der Zügel umfasst mit seinem Einwirkunsspektrum- wie Jen ja bereits weiter vorne sehr treffend beschrieben hat- über die direkte Führung am Gebiß den Kopf und den Hals, und über seine indirekte Führung (mit dem Bereich, der an Hals und Schulter zu Liegen kommt) die Schultern.

Das hat zwei gravierende Nachteile :

-man braucht dafür immer beide Hände an den Zügeln und hat daher keine Hand frei um z.B. mit dem Degen einen etwaigen Feind zu bekämpfen ( kommt ja halt schon öfter vor - :lol: ).

-Man benutzt wissentlich und planvoll den ZÜGEL - ( Ironiemodus ein : Hiiilfäää das Dogma " wir reiten doch niiiie mit dem Zügel" wird angetastet" obwohl "MAN" das doch auf gar keinen Fall will.... warum eigentlich ??? - Ironiemodus aus)

Es hat aber auch einge Vorteile :

Man Kann Biegung genau da anfragen, wo sie stattfindet, nämlich vor dem Reiter. Für das Pferd sehr einfach zu begreifen, vor allem, wenn man - wie es in der Französischen Schule üblich war und ist, die Zügelhilfen zuvor vom Boden an der Hand erklärt. Ist in meinen Augen auch sinnvoller als z.B. bei einem Kind am großen Zeh zu ziehen, wenn es den Kopf heben soll......

Der Schenkel hat eine Aufgabe weniger ( er hat nämlich an und für sich mit der Bedienung der HH genug zu tun), und muß sich nicht noch zusätzlich mit der Schulterkontrolle und dem Biegen des Halses beschäftigen.

Das Pferd muß nicht den Schenkel als ein Mysterium unterschiedlichster Bedeutungen erleben, die - sollte Reiter in seiner Einwirkung noch nicht 100%ig präzise differenziert sein- zu totaler Verwirrung bis hin zur Frustration oder Verweigerung der Mitarbeit führen kann ( " überlege doch mal liebes Reiterlein, was du genau möchtest und dann komme wieder ! Bis dahin kannst du in DIESER Ecke hier warten!" :evil: )

Die Hand des Reiters ist deutlich feinfühliger und geschickter, als sein Schenkel. Das merken wir spätestens beim Binden eines Schnürsenkels. Warum sollte sie nicht auch wichtige Augaben übernehmen.

An diese Stelle folgt nun häufig das Argument, daß die wenigsten Reiter eine wirklich gute Hand haben... die bekommen sie aber auch nicht "schwupp" als göttlichen Atem nach 10 Jaren Hoffen und Warten zugeteilt, sondern die müssen sie sich erarbeiten und schulen.
Im Übrigen haben die meisten Reiter noch sehr viel besch... Schenkel, die sehr häufig völlig unkoordiniert am Pferd herumdrücken, quetschen- bumben u.V.m.
Und damit sollen sie dann : Biegen, Treiben, Brenmsen / Parieren/ Rückwärtsrichten, weichen lassen und verwahren ??? Und das noch "besser" als mit der Hand ?

Ja, als Reitpferd braucht es oft nahezu hellseherische Fähigkeiten.....

Wenn sich einer an etwaiger Polemik in meinem Beitrag stört, überlest diese einfach ( auch nur ein Mensch bin- mit viiiiiielen Fehlern) und versucht das fachliche dahinter zu sehen. :wink: !
S&P
saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

Ach, vergessen : Biegen mit dem Sitz : das geht auch, ABER, da der Sitz in seinem Kontakt zum Pferd eigendlich schmiegsam und anpassungsfähig sein sollte, besteht die große Gefahr beim Reiter, wenn er denn versucht etwas vermeintlich Statisches ( nämlich die gleichseitig einseitige Rippenbiegung) zu produzieren, er sich versteift und damit das Pferd mehr behindert, als ihm hilft.

Kann das Pferd sich auf Anfrage hin biegen, kann man natürlich alles Mögliche daraufkonditionieren. Das ist kein Problem- ich kenne ein Pferd, da auf aAlegen der Handfläche auf die eine odere andere Schulter angaloppiert- passend zur Hand. Es steht also auch nichts im Wege, später die Biegung auf den Sitz zu konditionieren, aber für die Ausbildung halte ich persönlich das für nicht wirklich geschickt.....
Zuletzt geändert von saltandpepper am Mo, 03. Jan 2011 18:45, insgesamt 1-mal geändert.
Benutzeravatar
Rosana
User
Beiträge: 590
Registriert: So, 25. Apr 2010 18:09
Wohnort: Südbaden
Kontaktdaten:

Beitrag von Rosana »

Ah, das ist ja alles sehr interessant! (Die Polemik stört übrigens gar nicht, sie geht ja auf niemandes Kosten und macht das Ganze eher unterhaltsam zu lesen).

Dadurch verstehe ich jetzt was anderes besser :idea: : Ich arbeite ja nach dem Longenkurs von Babette Teschen. Und da wirkt man ja auch immer nur vorne am Kappzaum und an der Schulter ein, um das Pferd zu biegen. Und es funktioniert bestens.
Als neulich mal mein Gatte mir beim Longieren zuschaute und es dann auch selbst probierte, meinte er, warum wirkst du denn nicht mit der Peitsche weiter hinten ein wo auch der Schenkel liegt, wenn du das Pferd biegen willst.
Ich konnte ihm keine schlüssigen Argumente liefern, außer "aber Babette macht es halt so" und "so funktioniert es halt".

Jetzt hätte ich dann die passenden Argumente, danke!

S&P: Du kannst echt immer Sachen in Worte fassen und saugut erklären, die ich zwar oft intuitiv erahne oder gefühlsmäßig richtig mache, aber oft längst nicht so klar habe! :idea:
Bild
Pferdialog.de
saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

Danke Rosana, ich bemühe mich ....
Max1404
User
Beiträge: 2259
Registriert: So, 13. Jun 2010 13:54
Wohnort: Hessen

Beitrag von Max1404 »

saltandpepper hat geschrieben:Ach, vergessen : Biegen mit dem Sitz : das geht auch, ABER, da der Sitz in seinem Kontakt zum Pferd eigendlich schmiegsam und anpassungsfähig sein sollte, besteht die große Gefahr beim Reiter, wenn er denn versucht etwas vermeintlich Statisches ( nämlich die gleichseitig einseitige Rippenbiegung) zu produzieren, er sich versteift und damit das Pferd mehr behindert, als ihm hilft.
@s&p: das wäre aber ein falsches Verständnis vom Biegen über den Sitz. Eigentlich dreht sich das Reiterbecken, und zwar so, dass es parallel zum Pferdebecken steht. Die Richtung, in die das Pferd dann läuft, wird durch die Gewichtsverteilung der Gesäßknochen zusätzlich erreicht (besonders wichtig in kombinierten Seitengängen). Weiterhin ist es manchmal sinnvoll, zusätzlich die Schultern parallel zu den Pferdeschultern zu halten ("Drehsitz").

Zurück zum Biegen: Pferde sind unterschiedlich. Micardo biegt sich erst so richtig schön in Volten, wenn ich ihn in die Volte lenke und dann mit dem inneren Schenkel ein bis zwei "biegende" Impulse gebe (quasi mit dem Schenkel an den äußeren Zügel treibe) - und ihn dann bei der Ausführung der Volte mit allen anderen Hilfen völlig in Ruhe lasse. Seine Volten sind in 99 % aller Fälle wie auf dem Reißbrett gemalt. Bei ihm war diese Vorliebe in der biegenden Arbeit schon als sehr junges Pferd deutlich ausgeprägt - andere Pferde, die ich kenne, versuchen eher, auf einen solchen Impuls durch Seitwärtstreten auszuweichen.
Dateianhänge
Dieses Bild von Harry Boldt kennen die meisten bestimmt, ich stelle es trotzdem ein, weil es sehr deutlich zeigt, wie ein Pferd sich biegt.
Dieses Bild von Harry Boldt kennen die meisten bestimmt, ich stelle es trotzdem ein, weil es sehr deutlich zeigt, wie ein Pferd sich biegt.
Travers Boldt.jpg (51.5 KiB) 10121 mal betrachtet
Viele Grüße
Sabine
Bild
Benutzeravatar
Rosana
User
Beiträge: 590
Registriert: So, 25. Apr 2010 18:09
Wohnort: Südbaden
Kontaktdaten:

Beitrag von Rosana »

Superfoto - ich kannte das noch nicht! Gibt es davon noch mehr (andere Lektionen aus der Vogelperspektive)?
Bild
Pferdialog.de
saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

Ja, das Buch ist sehr genial und sehr teuer :wink:
Natürlich Max, da hast du völlig recht, die Versteifung im Sitz ist falsch, aber wie gesagt, die Gefahr ist sehr groß, wenn man die Idee einer statischen Biegung im Kopf hat.....
Benutzeravatar
Rosana
User
Beiträge: 590
Registriert: So, 25. Apr 2010 18:09
Wohnort: Südbaden
Kontaktdaten:

Beitrag von Rosana »

UUffff, habe mich grad mal informiert, das Buch gibts billigstens für 197 Euro... Ich sollte meine Geschäftsidee, vergriffene Pferdesachbücher neu aufzulegen, noch mal überdenken....
Bild
Pferdialog.de
Max1404
User
Beiträge: 2259
Registriert: So, 13. Jun 2010 13:54
Wohnort: Hessen

Beitrag von Max1404 »

@s&p: Ja, ist richtig.
Aber das größte Problem beim Sitz der meisten Reiter ist, dass sie nicht einfach mal locker im Sattel auf ihrem Allerwertesten sitzen können. Irgendwas ist immer angespannt und blockiert - und das bringt andere Teile des Körpers in Schwingungen, die nicht sein sollten ... :roll:
Viele Grüße
Sabine
Bild
Max1404
User
Beiträge: 2259
Registriert: So, 13. Jun 2010 13:54
Wohnort: Hessen

Beitrag von Max1404 »

Rosana hat geschrieben:UUffff, habe mich grad mal informiert, das Buch gibts billigstens für 197 Euro... Ich sollte meine Geschäftsidee, vergriffene Pferdesachbücher neu aufzulegen, noch mal überdenken....
:shock: soooo teuer? :shock:
Es gibt definitiv noch andere dieser Bilder von oben, aber die habe ich so schnell nicht über google finden können...
Ich habe irgendwann in meinem Leben mal ein Bild vom "Drehsitz" von oben gesehen, da konnte man wirklich sehen, dass die Hüfte der Pferdehüfte und die Schultern den Pferdeschultern gefolgt sind. Ich weiß nur leider nicht mehr wo ...
Viele Grüße
Sabine
Bild
horsman
User
Beiträge: 2879
Registriert: Mo, 25. Sep 2006 12:04
Wohnort: NRW

Beitrag von horsman »

Jo, das Buch ist teuer. Leider hab ich mir seinerzeit (Ende der 70er) das Springpferd-Pendant von Fritz Thiedemann zu Weihnachten gewünscht - da hat mich die Dressur noch nicht so sehr interessiert ;-)

Das Bild ist gut, weil es gut den Drehsitz zeigt und verdeutlicht: Reiterhüfte parallel zur Pferdehüfte - Reiterschultern parallel zu den Pferdeschultern.

Aber sieht man da etwa eine gleichmäßige Biegung der Wirbelsäule? Nö. Nur der Hals an sich (hier auch nur sehr wenig), der Hals aus den Schultern/Halsbasis (deutlich) und vielleicht noch die Verschiebung der Schulterblätter. Das wars dann auch. Viel mehr ist auch anatomisch nicht möglich. Die "gleichmäßige Biegung" der Wirbelsäule ist ein FN-Reitermärchen.
First a relaxed mind, then a relaxed horse.
saltandpepper

Beitrag von saltandpepper »

Ja Rosana, in dem Buch sind ganze Reihen drin. Das Buch hat auch so viel gekostet, als es nicht vergriffen war.
Max, ich denke, es waren bestimmt Fotos aus diesem Buch, die du gesehen hast. Als es herauskam, war die Perspektive völlig revolutionär :lol:
Herr Karl ist immr sehr beglückt, daß es dieses Buch gibt, denn wie horsemän ganz richtig schreibt : man sieht auf jedem Bild, daß Rippenbiegung nicht existiert.
Ich denke auch nicht horsemän, daß es eine Mär ist, sondern daß "Rippenbiegung" einfach ein Wort für ein bestimmtes Gefühl ist, von jemandem, der nicht darüber nachgedach hat, was für Folgen die Vorstellung einer gebogenen Rippenpartie beim Pferd in der Reiterei haben könnte.....

So wie die Bilder von Sally Swift. Natürlich können die Arme eines Reiters nicht "schmelzen" :lol: , aber das Bild transportiert ein bestimmtes Gefühl.

Jetzt stelle sich einer vor, der Reitlehrer WILL ums Verr... beim Reiter die Optik des schmelzenden Armes erreichen ... Salzsäure ? Flammenwerfer ? Schwitzpackungen? Welche Mittel hätte er noch das Unerreichbare zu erhalten ? :lol: :lol: :lol:
Genauso kann es mit der "Rippenbiegung" passieren : "der Bock will sich nicht biegen ??? Dann hau die Sporen rein ! "
Antworten