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Verfasst: Di, 02. Okt 2007 11:31
von Jen
Ja, steffen, dein Rat ist ja schön und gut. Gutes, korrektes Reiten ist immer richtig. Aber das Problem ist ja, dass die meisten von uns ja genau das nicht können! Und deshalb muss man manchmal gewisse Zeiten überbrücken können und ich bin der Meinung, dass BA zwar auch von Grund auf gelernt werden muss, aber sich damit die meisten Pferd-Reiterpaare sehr viel leichter tun und davon profitieren als von jahrelangem Reitunterricht, wo es einfach nun mal nur langsam voran geht mit lernen und das Pferd bis dann wirklich gesundheitliche Probleme bekommen hat, die dann von einem "normalen" Reiter auch nicht einfach so behoben werden können. Deswegen kann ich Bodenarbeit und gutes Longieren nur unterstützen, ersetzt aber den Reitunterricht nicht. ganz klar.
Verfasst: Mi, 03. Okt 2007 10:45
von Steffen
Die Reiterei ist ja im Grunde eine lebenslange Aufgabe. Der Weg ist das Ziel und alles was man erreichen kann, ist etwas besser zu werden. Perfektes Reiten ist wohl eine Illusion. Wenn man aber die Reiterei nur als Hobby betreibt und lediglich 1-2 Pferde am Tag reitet oder sogar, wie in diesem Beispiel sich nur 3-4 mal wöchentlich mit der Reiterei beschäftigen kann, ist es äußerst schwierig, sich wirklich weiter zu entwickeln.
Wenn man nun die wenige Zeit auch noch auf viele verschiedene Arten der Beschäftigung mit dem Pferd aufteilt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass man in der Reiterei einigermaßen voran kommt, gering. Heutzutage werden so viele verschiedene Ausbildungsmethoden mit angeblich überragenden Resultaten angeboten, dass viele ständig nach einem neuen Weg suchen, statt sich einfach einmal auf die Reiterei zu konzentrieren und an sich selbst zu arbeiten. Es mag typisch für die Zeit sein, dass man Probleme dadurch zu lösen sucht, dass man auf "neue Techniken" vertraut, anstatt ganz einfach einmal konsequent und zielgerichtet daran zu arbeiten. Pferdeausbildung ist ein Prozess, der vor allem Geduld, Systematik und Kontinuität erfordert. Ein Pferd, das täglich viele Stunden mit seinen Kollegen auf der Weide verbringt, freut sich natürlich über eine vielseitige Beschäftigung mit dem Menschen, aber in der Ausbildung zum Dressurpferd ist das wenig hilfreich, zumindest wenn es auf Kosten einer konsequenten Ausbildung geht. Und aufgrund der begrenzten Zeit ist das nun einmal fast immer der Fall.
Schlechtes Reiten ist häufig das Ergebnis von schlechten Reitlehrern, mangelndem Wissen und wenig Erfahrung. Es wird mit Sicherheit nicht besser, wenn man dem schlechten Reiten nun auch noch schlechtes Longieren und schlechte Bodenarbeit hinzufügt und das Reiten dafür einschränkt.
Auf dem Niveau von uns Freizeitreitern eignet sich die "Bodenarbeit" (meist ist es ja eher ein "Spielen mit dem Pferd") vor allem für die Zeiten, in denen das Pferd nicht geritten werden kann (zu jung, krank etc).
Ist das Pferd reitbar, bin ich sicher, dass man vor allem in der Reiterei die Lösung der meisten Probleme findet, zumal diese Problem fast immer beim Reiter liegen und nur selten beim Pferd. Wenn der Reiter also die Reiterei nicht übt/verbessert, kann sich auch das Problem nicht lösen. Das einzige was man erreicht, sind häufig Scheinerfolge auf neuen Gebieten, die den Menschen eine kurze Zeit mächtig stolz machen. Try and Error führt zu kurzen Glücksgefühlen, zu einer Lösung von Ausbildungsproblemen bei der Reiterei dagegen nicht. Wir haben so ein Pferd übernommen. Weil die Reiterin nicht so recht weiter kam, hat sie mal hier und mal da geübt. Das Pferd konnte nachher jede Art von Zirkusübung nur reitbar war es leider überhaupt nicht. Nun reitet meine Frau dieses Pferd ganz easy aber konsequent seit einem Jahr und siehe da, nachdem es gelernt hatte, sich beim Aufsteigen nicht erst mal abzulegen und die reiterlichen Hilfen nicht als Aufforderung zum Steigen zu deuten, hat es sich zu einem ausgezeichneten Reitpferd entwickelt.
P.S. Nur um nicht falsch verstanden zu werden, bei Profis halte ich Bodenarbeit zu unverzichtbar.
Verfasst: Mi, 03. Okt 2007 11:14
von Jen
Steffen hat geschrieben:
Schlechtes Reiten ist häufig das Ergebnis von schlechten Reitlehrern, mangelndem Wissen und wenig Erfahrung. Es wird mit Sicherheit nicht besser, wenn man dem schlechten Reiten nun auch noch schlechtes Longieren und schlechte Bodenarbeit hinzufügt und das Reiten dafür einschränkt.
Das finde ich eben eine eingeschränkte Sichtweise. Denn meine Erfahrung ist, dass man beim Longieren und Bodenarbeit sich leichter tut, mit einigermassen anständigem Unterricht in einer rel. kurzen Zeit ein akzeptables Ergebnis zu erreichen, weil es von unten leichter ist: Man wird nicht von der Bewegung des Pferdes geworfen, man muss nicht nur spüren sondern kann auch sehen (wichtig beim Augentier Mensch) und Pferd kann sich ohne störenden Reiter besser ausbalancieren. Und das verhilft sowohl Pferd als auch Mensch zu besserem Reiten. Pferd: weil es einen besseren Bewegungsablauf mti besserem Gleichgewicht gefunden hat. Mensch: weil er dadurch einfacher zum sitzen kommt, seine Kommunikation auf das PFerd abgestimmt hat und einen Grundstein gelegt hat, auf dem er nun aufbauen kann. Und das funktioniert definitiv, das konnte ich nun schon mit einigen z.T. sehr schwachen Pferd-Reiterpaaren beobachten und auch begleiten.
Verfasst: Mi, 03. Okt 2007 11:46
von Steffen
Jen hat geschrieben: Denn meine Erfahrung ist, dass man beim Longieren und Bodenarbeit sich leichter tut,
...da habe ich große Zeifel. Beim Longieren hat man nur Longe und Peitsche und einen großen Abstand zum Pferd. Korrektes Einwirken ist m.E. viel schwieriger als beim Reiten.
Jen hat geschrieben:
Pferd: weil es einen besseren Bewegungsablauf mti besserem Gleichgewicht gefunden hat.
Ich glaube, dass Pferde ohne Reiter keine großen Probleme mit dem Bewegungsablauf/Gleichgewicht haben. Hier gibt es kaum Verbesserungspotential und schon gar nicht, wenn man die Arbeit nicht wirklich beherrscht. Man kann höchstens durch gezielte Übungen die Rückenmuskulatur vorbereiten und dabei vielleicht annähernd das von Dir beschriebene Ergebnis erreichen.
ABER die Frage ist doch "WO LIEGT DAS PROBLEM?" Ich glaube zu 95% beim Reiter. Also muss der Fokus der Arbeit darauf liegen, dass der Reiter an sich bzw. der richtigen Kommunikation mit dem Reitpferd arbeitet. Vielleicht schadet Longieren und Bodenarbeit dabei nicht - jedenfalls solange sie richtig ausgeführt wird, was nur selten zu beobachten ist - aber ob dies bei der Lösung der reiterlichen Probleme wirklich Nutzen bringt, wage ich zu bezweifeln, zumal die wenige zur Verfügung stehende Zeit verbraucht wird und der Reiter entsprechend weniger reitet.
Verfasst: Mi, 03. Okt 2007 12:02
von Jen
Steffen hat geschrieben:
Ich glaube, dass Pferde ohne Reiter keine großen Probleme mit dem Bewegungsablauf/Gleichgewicht haben. Hier gibt es kaum Verbesserungspotential
DAS ist definitiv falsch! Häng einem Pferd eine Longe ein, bring es auf einen Zirkel und du siehst ein Pferd das seiner Balance komplett nachrennt, völlig schief ist und total falsche Belastungen auf die Gelenke bringt, die in höchstem Masse gesundheitsschädlich sind, da brauchts nicht mal einen Reiter dazu. Ein Reitpferd braucht einen ganz anderen Bewegungsablauf als ein Weidepferd. Und diesen kann (und soll es meiner Meinung nach) auch ohne Reiter lernen. Dies IST auch von schwachen Longierern in einem akzeptablen (nicht perfektem) Ausmass zu erreichen mit entsprechendem Unterricht und zwar innerhalb weniger Wochen. Die Feinarbeit dauert Jahre. Die grobe Arbeit nicht und da sehe ich den entscheidenden Unterschied zum Reiten, weil da sowohl Mensch als auch Pferd einfach überfordert sind. Ich gehe da besonders von schwachen Paaren aus. Ich bestreite nicht, dass man Reiten lernen muss! Ganz klar! Aber man kann es sich und dem Pferd einiges leichter machen mit entsprechender Vorbereitung. Es geht dabei um eine Überbrückungszeit und nicht um einen dauerhaften Zustand.
Verfasst: Mi, 03. Okt 2007 12:16
von Steffen
Ich glaube dass häufiges Longieren die Gelenke und Sehnen des Pferdes viel zu stark belasten. Gerade zu Beginn der Ausbildung halte ich ein Bewegen auf geraden Linien für wesentlich zielführender und das ist nun einmal vom Boden aus schwierig.
Professionelle Bodenarbeit kann ein Pferd optimal auf den Reiter vorbereiten, falsche oder sagen wir laienhafte Bodenarbeit führt im Idealfall zu keinem Ergebnis, außer dass sich das Pferd im Kreis bewegt und sich dabei hoffentlich nicht zu sehr die Gelenke und Sehnen ruiniert.
Aber da hat vermutlich jeder so seine eigenen Erfahrungen...

Verfasst: Mi, 03. Okt 2007 12:23
von Jen
Steffen hat geschrieben:Ich glaube dass häufiges Longieren die Gelenke und Sehnen des Pferdes viel zu stark belasten. Gerade zu Beginn der Ausbildung halte ich ein Bewegen auf geraden Linien für wesentlich zielführender und das ist nun einmal vom Boden aus schwierig.
Professionelle Bodenarbeit kann ein Pferd optimal auf den Reiter vorbereiten, falsche oder sagen wir laienhafte Bodenarbeit führt im Idealfall zu keinem Ergebnis, außer dass sich das Pferd im Kreis bewegt und sich dabei hoffentlich nicht zu sehr die Gelenke und Sehnen ruiniert.
Aber da hat vermutlich jeder so seine eigenen Erfahrungen...

Das Problem ist, dass diese Sichtweise vergisst, dass ein schiefes Pferd auch geradeaus noch schief ist. Geradeausreiten hat noch lange nix mit geraderichten zu tun. Und genau deshalb sind Feld-Wald-wiesenreitpferde, die praktisch nur geradeaus geritten werden meist auch nicht gesünder als Pferde die zumindest versucht werden mit Berücksichtigung auf die anatomischen Gegebenheiten einigermassen anständig zu gymnastizieren. Dass hier aber auch viel Schund betrieben wird, ist klar. Leider.
Verfasst: Mi, 03. Okt 2007 22:19
von Wolke
Ich kann jetzt nur für uns sprechen, aber mir hat das Longieren sehr viel gebracht. Mein Pflegepferd hat innerhalb einiger Wochen gelernt, sich zu dehnen und zu biegen, und das hat sich auch aufs Reiten ausgewirkt. Wo sie vorher immer nur ein Sternguckerpferd war, dehnt sie sich nun immer häufiger und länger und ich bezweifle, dass ich das allein mit meinen Reitkünsten so hingebracht hätte. (Glücklich, wer guten Reitunterricht nehmen kann!)
Gerade zu den Zeiten, als es beim Reiten nicht so gut lief, habe ich daran festgehalten, 1x die Woche das Pferd zu longieren, damit seine Muskeln ungestört arbeiten können. Ich denke schon, dass das besser ist, als wenn das Pferd jedesmal wenn es gearbeitet wird, nur mit festgehaltenem Rücken läuft.
Was die Belastung der Sehnen und Gelenke angeht, muss man wohl unterscheiden, wie und wo longiert wird. Ich habe nur einen kleinen Reitplatz zur Verfügung. Gross geradeausgehen kann ich da gar nicht - ob ich nun longiere oder reite. Hat man hingegen einen grossen Reitplatz zur Verfügung kann man auch an der Longe darauf achten, nicht ständig auf demselben Kreis zu bleiben, sondern das Pferd auch immer wieder geradeaus ganze oder halbe Bahn gehen zu lassen.
Die Figuren, die ich das Pferd an der Longe gehen lasse, unterscheiden sich nicht von denen, die ich reite. Der Unterschied, der sich wennschon auf die Gelenke und Sehnen auswirkt, ist das Gewicht des Reiters - und zwar negativ.
Verfasst: Fr, 05. Okt 2007 12:30
von Motte
Hallo zusammen -
mein jetziges Pferd stand "umständehalber" mal 3 Jahre lang nur auf der Wiese (im Alter von 6-9 Jahren). Ich habe mich damals, als ich sie wieder anfing zu arbeiten, einfach draufgesetzt und habe sie leicht bewegt. Schritt, Leichttraben, Zirkel, ganze Bahn, nen kurzen Galopp und das Programm habe ich jeden Tag leicht ausgebaut.
War überhaupt kein Problem - und erstaunlicherweise war alles beim Pferd noch vorhanden!
Von daher dürften 5 Wochen kein erhebliches Problem sein!
Zum Thema longieren -
ich tendiere da in Steffens Richtung. RICHTIGES longieren ist verdammt schwer - und vor allem: es bedarf eines verdammt guten Auges und sehr viel Erfahrung! Das Longieren selber mag zwar "technisch" gesehen leichter zu lernen sein als Reiten, aber wirklich zu SEHEN, was das Pferd da macht, ist ungleich schwerer. Und noch schwerer ist es, die "Fehler" des Pferdes zu korrigieren.
Gruß
Motte
Verfasst: Fr, 05. Okt 2007 13:01
von Jen
Motte hat geschrieben:Das Longieren selber mag zwar "technisch" gesehen leichter zu lernen sein als Reiten, aber wirklich zu SEHEN, was das Pferd da macht, ist ungleich schwerer.
Wer es nicht sieht, wird es auch nicht fühlen. Und der wird noch viel weniger das Pferd von oben korrigieren können. Da bin ich sehr stark davon überzeugt.
Verfasst: Fr, 05. Okt 2007 15:05
von Motte
Eben.
Und deswegen bedarf GUTES Longieren auch durchaus GUTE Reitkenntnisse.
Nur: das ist ja - wenn man mal so schaut - eher selten der Fall.
Gruß
Motte
Verfasst: Fr, 05. Okt 2007 15:18
von Jen
Motte hat geschrieben:Eben.
Und deswegen bedarf GUTES Longieren auch durchaus GUTE Reitkenntnisse.
ich sehe das genau umgekehrt. Das longieren kommt vor dem reiten. denn das sehen wird dem fühlen vorausgesetzt, nicht umgekehrt. ABer ja ein guter reiter sollte gut longieren können. ein reiter, der kein gefühl für die longe und die Bewegungen seines Pferdes hat, kann kein guter reiter sein. egal, welche lektionen er auf dem pferd reitet. denn die longe ist wie ein zügel und wenn man die nicht gefühlvoll halten kann, wenn man auf der erde steht, wie soll man es können, wenn man in Bewegung auf dem Pferd sitzt?

Deshalb: erst gefühlvoll mit longe umgehen, die am besten in einem kappzaum eingeschnallt ist, um Maul des Pferdes zu schonen. Wenn das händling und die koordination gegeben ist, dann erst kann ein reiter daran denken, auf dem Pferd ZUSÄTZLICH zum ausbalancieren auf dem Pferd noch eine gefühlvolle Einwirkung machen. Das ist ein weitaus höherer schwierigkeitsgrad! Deshalb sehe ich das sehr kritisch, wenn ein guter Reiter behauptet, er könne nix mit Longen- oder Bodenarbeit anfangen und das sei ja viel zu schwer. wie kann jemand der diese koordination schon nicht im griff hat, es auch auf dem Pferd tun...?
Verfasst: Fr, 05. Okt 2007 15:21
von kiki
Ich muß da Jen recht geben, ich habe erst durch die Longe gemerkt wie gefühlvoll ich mit den Zügel umgehen kann und sollte.
Dadurch, daß ich das longieren gelernt habe habe ich viel fürs reiten gerlernt, ich möchte das nicht missen.

Verfasst: Fr, 05. Okt 2007 22:27
von Wolke
Ich finde auch, dass sehen leichter ist als fühlen. Aber vielleicht geht das nicht allen gleich. Jedoch kann man Das-Richtige-Sehen viel leichter lernen und üben, z. B. anhand von Fotos, Videos oder Live-Beobachten. Gefühle sind hingegen viel schwerer zu beschreiben. Wenn ich auf dem Pferd sitze und keine Kontrollmöglichkeit wie RL oder Spiegel habe, bin ich viel weniger sicher, ob ich meine Sache richtig mache oder nicht, als wenn ich das Ergebnis meiner Arbeit vor den Augen habe. Gefühle können einen bekanntlich ja auch täuschen.
Verfasst: So, 07. Okt 2007 12:27
von Motte
Jen -
du hast mich falsch verstanden.
Lies dich mal quer durch verschiedene Reiterforen.
Da werden oft Probleme beschrieben, die auf grundlegenden Reiterfehlern basieren. Zu 99% der Fälle ist das wohl so. Die Reiter sind sich dessen aber meistens nicht bewusst oder wissen sich nicht zu helfen. In solchen Fällen dann "Longenarbeit" oder irgendwelche Varianten von "Bodenarbeit" als Hilfelösung anzubieten (was dann ja sehr oft in den Foren passiert) halte ich für falsch.
Damit löse ich in der Regel nicht das Problem (nämlich den Fehler des Reiters). Zum anderen wage ich zu bezweifeln, dass von solchen Menschen überhaupt genau gesehen wird, was sich im Einzelnen da an der Longe abspielt. Wie gesagt - richtiges Longieren ist schwer und bedarf sehr viel Erfahrung.
Gruß
Motte