DAnke Belfigor! Interessant, das aus deiner Sicht mal erklärt zu bekommen. Ich versuche das jetzt mal aus der Alexander-TEchnik-Sicht zu erklären. Wie gesagt, ist es eine äusserst komplexe Angelegenheit und ich werde es nicht schaffen, dies umfassend abdecken zu können oder gar immer die richtigen Worte zu treffen. Ich mach jetzt einfach mal einen Versuch!
Wie an anderer Stelle schon beschrieben ist die AT eine psycho-physische Methode, bei der es um das Erlangen der bewussten Kontrolle des eigenen Denkens und Handelns geht. Man kann in seinem "Selbst" GEist und Körper nicht voneinander trennen, denn der Geist, jeder Gedanke (bewusst oder unbewusst) hat immer einen Einfluss auf der körperlichen Ebene. Das fängt nicht erst beim Nägelkauen (Reaktion auf Stress) oder bei psychosomatischen Beschwerden an, sondern das passiert immer. Mal mit mehr, mal mit weniger bemerkbaren Konsequenzen. Je "unbewusster" man sich selbst ist, desto weniger spürt man etwas. Die AT greift auf der absolut grundlegendsten, elementarsten Ebene ein: auf der neuronalen Verknüpfung. Es geht darum, zu erkennen, was man im ALLTAG, in der NORMALITÄT (und das ist m.E. das absolut einzigartige an dieser Methode), also in jedem wachen Moment ZUVIEL unnötiges macht. Dieses ZUVIEL muss man ja zuerst erkennen, um es dann weglassen zu können und um dann in nächster Konsequenz präventiv agieren zu können. Es nützt mir ja nichts, wenn ich immer erst im Nachhinein gemerkt habe (wenn überhaupt) dass ich zb. meine Schultern hochziehe, wenn ich den Arm hebe. Da kann ich 100x üben Arm zu heben, das Bewegungsmuster (welches vom Hirn aus gesteuert wird) wird dadurch nicht grundlegend geändert und die Körperwahrnehmung auch nicht. Ich kann die Schulter versuchen unten zu halten, aber verändere vielleicht dadurch die Belastung auf meinen Beinen und überlaste eine Hüfte, ein Knie etc. Ich kann also nicht ein "Problem" punktuell angehen, sondern muss immer den gesamten Organismus beachten. Der Mensch funktioniert als Ganzes, deshalb kann man fundamentale VEränderungen auch nur in der GEsamtheit durchbringen (Zitat Alexanders, siehe Beitrag weiter oben in Englisch).
Wie Belfigor richtig bemerkt hat, geht es einmal (aber keineswegs nur!) darum, die Bewegungen vorzubereiten. Dazu muss man erst einmal innehalten, da wir uns gewöhnt sind viel zu schnell auf Reize, die wir uns selber geben oder die aus der Umwelt kommen, zu reagieren. Je schneller wir reagieren, desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit auf die die "neuronale Autobahn" der Gewohnheit aufzufahren. Um diese GEwohnheiten, die oft sehr unbewusst sind, zu durchbrechen, wird grossen Wert auf die Vorbereitung gelegt. Man gibt sich in diesem Innehalten sogenannte "Direktiven". Das heisst Richtungen, in die man loslassen kann, so dass die Teile im Körper, die zuviel Spannung haben sich mehr entspannen, die Teile im Körper, die zuwenig Spannung haben, sich im Tonus aufbauen. Es wird zb. auch angestrebt, dass die grosse Bewegungsmuskulatur nicht die Funktion einer Haltemuskultur ausübt (etwas was wir als Reiter vom Pferd her wissen sollten

), so dass zb. die feinen Zwischenwirbelmuskeln in der Tiefenmuskulatur ihre Tätigkeit ungehindert ausüben können, ohne ständig dreingefunkt zu bekommen. Es wird gewährleistet, dass die Rahmenbedingungen für die Atmung so bereitgestellt wird, dass sich die Atmung frei und ungehindert entfalten kann, dass die Mechanismen ohne Störung ablaufen, ohne dass man selber "aktiv" atmet und dadurch seinen Körper mit mehr Sauerstoff versorgt.
Wenn nun eine Bewegung anfängt (völlig egal was für eine Bewegung!), geht es darum ständig neu zu überprüfen, ob diese Direktiven WÄHREND der Bewegung immer noch aktiv sind. Denn es geht eben keineswegs NUR um die Vorbereitung, sondern es geht eben GERADE darum, IN der Bewegung die nötigen Anweisungen erhalten zu können. Man agiert also ständig, zu jedem Zeitpunkt in einer Bewegung. Man führt keine Bewegung "einfach so" aus und wiederholt sie dutzendfach. Das gibt keinen Zusatznutzen. Anfänglich kann man sich natürlich nur auf 1 vielleicht 2 Dinge innerhalb einer Bewegung achten, es fühlt sich vielleicht auch ganz fremd und neu, ev. sogar falsch an, mit der Zeit bekommt man immer ein vollständigeres Bild seines ganzen Selbst und kann sich beobachtenderweise bewegen. Sehr hilfreich zb. beim REiten, wo man ja auf das Pferd einwirkt und den Kontakt zu sich selber nicht verlieren darf und dann noch die Umwelt im Auge halten muss, damit man in der überfüllten Bahn nicht zusammenstösst oder im Gelände die Kreuzung nicht verpasst :p So lernt man zb. beim Reiten (oder was auch immer man tut), die Achtsamkeit nicht zu "konzentrieren" (im wahrsten Sinne des Wortes), sondern offen zu halten, so dass man ungewollte Veränderungen sofort, möglichst schon im Ansatz, erkennt und verhindern (=weglassen!) kann. Unnötiges soll weggelassen werden und nicht einfach eine neue Gewohnheit "drüber trainiert" werden, wo die alte Gewohnheit eigentlich immer noch vorhanden ist. Man sucht den natürlichen Zustand, damit wir schlussendlich so funktionieren können, wie die Natur uns gebaut hat.
Dies ist natürlich ein langwieriger Prozess, denn man muss langtrainierte GEwohnheiten von Grund auf ändern und was uns da leiderleider im Weg steht, ist unsere eigene falschtrainierte sensorische Wahrnehmung, die uns immer wieder Streiche spielt. Dadurch, dass wir uns völlig unphysiologisch verhalten und bewegen hat sich nicht nur unser Gleichgewichtsorgan (das von Belfigor erwähnte vestibuläre Organ), sondern auch unsere Muskeln, Sehnen und Gelenke etc. auf eine "falsche" Einstellung geeicht. Die haben ja alle so vereinfacht gesagt viele kleine Messorgane in sich drin, um dem Hirn immer wieder ein Feedback über den aktuellen Zustand oder eine Veränderung dieses Zustandes zu geben. Leider können Messinstrumente falsch eingestellt sein. Das ist der Grund, warum REiter z.B. eine Vorlage haben können, sich aber als aufrecht empfinden und wenn man sie aufrecht hinsetzt, empfinden sie dies als Rücklage. Diese "Einstellungen" müssen quasi "umprogrammiert" werden. Es nützt nichts mit einem falsch gestimmten Instrument Tonleitern spielen zu wollen. Man wird nie eine schöne Melodie rausbekommen, wenn man nicht zuerst das Instrument stimmt. Und dazu ist die AT da, um unser Instrument zu stimmen, egal welche Melodie wir dann spielen möchten. (FEldenkrais ist eher die Fingerübung, welche der Musiker dann auf seinem Instrument übt). Bei diesem Stimmen ist die Verbindung von Kopf-Wirbelsäule elementar, da ja die zwei Gleichgewichtsorgane eben bei den Ohren sitzen. Die Kontrolle dieser Verbindung ist absolut Primär. Primär weil wir Wirbeltiere sind und die Steuerung vom Hirn (und eben nicht vom Becken) aus geht. DAs Gleichgewichtsorgan sitzt auch im Kopf und nicht im Becken. Solange also diese Verbindung nicht gesteuert werden kann, solange kann sich unsere Balance nicht neu "eichen".
Und dieses "Stimmen" ist fast nicht alleine möglich, deshalb kann man AT nicht im "Fern-unterricht" oder aus Büchern lernen. dazu braucht man einen sehr erfahrenen Lehrer. Denn es reicht nicht nur jemandem verbales Feedback zu geben (was im AT-Unterricht selbstverständlich gemacht wird!), sondern es werden auch Feedbacks von Oberflächen (Wand, Stuhl, Boden, Tisch etc.) verwendet und - das non-plus-ultra - die geübten Hände eines AT-Lehrers. Durch die feinen Berührungen werden Informationen des Nervensystems vom Lehrer auf das Nervensystem vom Schüler übertragen. Denn eine Berührung ist nicht gleich eine Berührung! Bei einer Berührung muss sich der Lehrer jederzeit selber die richtigen Direktiven geben können und selber sich weiten, längen und aufrichten. Man kann jemanden mit einer falschen Berührung "runterziehen" und ihm die falsche Information übermitteln, oder man kann ihn in die Richtige Richtung weisen, so dass sich der Schüler weiten, längen und aufrichten kann. Der Lehrer "macht" das nicht, er manipuliert nichts an seinem Schüler, sondern der Schüler muss es selbst geschehen lassen. Es ist eine aktive Denk- und Mitarbeit gefordert, denn AT ist eigentlich HIlfe zur Selbst-Hilfe.

Und es ist keine Therapie, wo der Therapeut schnell ein paar Manipulationen macht und der Patient in den "SErvice" kann. So wie man in eine Massage oder so geht. Einen therapeutischen Effekt gibt es indirekt, dadurch dass man die Ursache der Störung möglichst beseitigt, ermöglicht man dem Körper ja erst eine Heilung. Deshalb dauert eine Alexander-TEchnik Ausbildung auch so lange (mindestens 3 Jahre und mindestens 1600 Unterrichtsstunden!). Kaum eine andere vergleichbare Methode hat eine solch fundierte Ausbildung. Aber natürlich steht und fällt jede Methode mit der Qualität des Lehrers. Klar. Und jeder Lehrer hat wieder ein bisschen seinen eigenen Stil und eigene Prioritäten.
Um selber zu erfahren, was für Gewohnheiten man hat, wo die individuellen körperlichen Probleme liegen und was für ein unbewusstes Körperbild man hat, gibt es bestimmte Positionen wo die Mechanik sich vorteilhaft entfalten kann, damit die Gelenke frei beweglich arbeiten können. Es gibt KEINE grundsätzlich RICHTIGE ODER FALSCHE Körperhaltung in der Alexander TEchnik. Es gibt keine "Übungen" die man durchführen muss. Es geht NIE um richtig oder falsch. Das ist ganz wichtig, denn auch dies würde wiederum die GEfahr einer Fixierung bedeuten. Das absolute GEgenteil von dem was die AT anstrebt. Der Mensch soll,
egal was er tut, sich so gebrauchen, dass er sich keinen Schaden zufügt, in dem er alles, was nicht nötig ist, weglassen kann. Egal ob er steht, geht, sitzt, reitet, staubsaugt, am Computer sitzt etc.
In der Alexander TEchnik geht es aber keineswegs nur um Körperhaltungen, sondern es geht auch um die dazu nötige geistige Haltung. Da die AT ja beim
Denken anfängt, beeinflusst sie ganz selbstverständlich auch die Verhaltensweisen eines Menschen. Also statt aufbrausend zu reagieren, sich besser beherrschen zu können, vernünftig zu bleiben. Ängste, Neurosen, Stotterprobleme, Stimmprobleme, Prüfungsangst etc. etc. etc. können durch die AT angegangen, verbessert oder gar ganz eliminiert werden. Es ist eine extrem vielseitige TEchnik, denn es geht nicht darum WAS man tut, sondern WIE man es tut.
Deshalb ist m.E. die AT viel vielseitiger als alles andere, und auch elementarer als alles andere. Nochmals das Stichwort: Instrument "stimmen". Die meisten anderen Methoden gehen erst in einem späteren Schritt auf die "Fingerübungen" und "Tonleitern" ein. Aber eben... solange das Instrument nicht gestimmt ist, wird weder aus BAch noch Beethofen noch punk-musik was... naja ok, bei gewissen Punkmusikern hört man es vielleicht weniger
Nichtsdestotrotz bin ich persönlich der Meinung, dass man immer vom anderen lernen kann und seinen Horizont erweitern sollte, Stichwort Multidisziplinarität.