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Verfasst: So, 21. Okt 2007 21:00
von Medora
Vielleicht tut sich ja insgesamt ein bisschen was - immerhin wird jetzt doch schon deutlich kritischer über die verschiedensten Auswüchse der Reiterei diskutiert und es werden auch Fehlentwicklungen mutiger angepackt. Auch solche DVDs, in denen sich Ausbilder der Diskussion stellen, sind erste Schritte, die vielleicht eine Entwicklung ermöglichen, in der Reitlehrer/innen mutiger werden und Reitschüler/innen selbstkritischer bzw. lernwilliger.... Vielleicht mal wieder ein naiver Gedanke, aber wer weiß...
Medora,
die ihre Reitlehrerin auch nicht mehr hergeben will
Verfasst: So, 21. Okt 2007 21:04
von Medora
Ergänzung: Ich denke, man würde schon mal deutlich weiterkommen, wenn man in der Diskussion der verschiedenen Reitweisen nicht immer nur die Gegensätze herausarbeiten würde, sondern vor allem die Punkte, auf die man sich einigen kann. Von einer solchen, gemeinsamen Basis ließen sich dann unterschiedliche Ansätze zur Umsetzung erarbeiten.
Medora,
Möchte-gern-Weltverbesserin

Verfasst: Mo, 22. Okt 2007 08:52
von Catja&Olliver
Medora hat geschrieben:Tja, Jen, eine Ausbildungsskala für den Reiter wäre sicher ein guter Ansatz. Du hast Recht - ist schon seltsam, dass sich alles aufs Pferd bezieht...
Das liegt vielleicht daran, dass immer davon ausgegangen wird, dass man mit dem Reiten in Kindesalter anfaengt. Kinder sitzen jahrelang auf dem Pferd bevor sie ueberhaupt ein Verstaendnis haben koennen fuer das was sie da oben machen. Wenn sie soweit sind, duerfte der Sitz sich durch Gewoehnung einfach von selbst entwickelt haben.
In fast allen Buechern steht dann am Anfang irgendwo ein Satz so ungefaehr wie "...Voraussetzung zu allem ist natuerlich, dass der Reiter einen guten Sitz hat...".
Verfasst: Mo, 22. Okt 2007 09:17
von Medora
Catja&Olliver hat geschrieben:Wenn sie soweit sind, duerfte der Sitz sich durch Gewoehnung einfach von selbst entwickelt haben.
Die Realität zeigt ja aber leider was komplett anderes. Oft wird ja sogar der bei Kindern oft tatsächlich ganz natürliche, schöne Sitz regelrecht verhunzt.
Medora
Verfasst: Mo, 22. Okt 2007 09:33
von smilla
Medora hat geschrieben:Finde ich schon interessant, dass hier offenbar englisches Reiten und Klassiker auf einen Nenner kommen: der Sitz als das Wichtigste (und das würde ich jetzt mal ganz frech auch beim Karl'schen Ansatz so sehen).
Ich gebe ja Kindern auf eher schlecht gerittenen (englisch-freizeit-freestyle) Schulpferden Unterricht. Seit ich das, was ich in meinem eigenen Unterricht lerne den Kindern vermittle, tut sich einiges.
Sie bekommen eine Grundidee davon, was es heißt mit dem Sitz zu reiten. Und weil es für die Pferde einleuchtend ist, klappt es auch (klar, die können trotzdem keine tollen Lektionen etc.).
Die Kinder WOLLEN jetzt an ihrem Sitz arbeiten und sind auch einverstanden mal an die Longe zu kommen, obwohl sie schon eine Weile reiten.
Ganz interesannt finde ich auch, dass ein Mädchen richtige Angst vor dem Reiten hatte und die verloren hat, seit ich ihr mehr über innere Bilder beibringe. Auf einmal hat sie einen wunderschönen Sitz und traut sich sogar zu galoppieren.
Also, würde man bei Kindern schon ansetzen, gäbe es keine Grundsatzdiskussionen, denn die (wenn sie noch unverdorben sind) schauen darauf wie das Pferd reagiert und WOLLEN fein reiten.
Re: Gewichtung Sitz, Schenkel und Hand
Verfasst: Mo, 22. Okt 2007 11:31
von horsman
Medora hat geschrieben:Ich hoffe, wir hatten das Thema noch nicht, ich bin jedenfalls nicht fündig geworden.
Angeregt durch die DVD "Klassisch contra classique" denke ich gerade über die Gewichtung von Sitz, Schenkel und Hand nach. Herr Hess sprach ja davon, dass der größte Teil Sitz und Schenkel sind und die Zügel "nicht wichtig" sind, während Herr Karl dagegenhielt, dass der intelligenteste Teil des Reiters die Hand ist, nicht die Schenkel und nicht das Gesäß.
Medora
Herr Hess spricht zwar von der "Unwichtigkeit" der Hand, zeigt aber doch auf der DVD kaum eine Sekunde, in der die Hand nicht bis zum Anschlag im Maul wirkt.
Herr Karl lenkt seinen Fokus vielleicht auf die Hand, reduziert aber m.E. die Handeinwirkung auf das notwendige, für dass sie da ist, nämlich
a) die Höhe des Kopfes zu regulieren
b) Nachgiebigkeit im U-Kiefer erzeugen
c) die Schultern zu führen
Jede der drei Einwirkstellen des Reiters hat seine Aufgabe und keine ist gänzlich auf Null zu reduzieren denke ich.
Andererseits liegt ein wichtiger Schlüssel darin, die Einwirkungen auf das nötige Minimum zu beschränken. Das gekonnte Reduzieren der Hilfen von Hand, Bein und Sitz ohne sie aber deswegen wenn nötig für ihre Aufgaben aufzugeben, dass ist für mich der wirkliche Schlüssel zur Erfolg.
Dazu ist es aber eben wichtig, die eigentliche Aufgaben von Hand, Sitz und Bein zu kennen um die wirkliche Aufgabe von der unnützen trennen zu können.
Da mit fortschreitender Ausbildung das Pferd sensibler ggü. den Hilfen wird, und auch leichter gleichzugewichten ist, wird die Aktivität von Hand und Bein ggü. den Sitzhilfen relativ gesehen abnehmen.
Der Sitz ist ja ohnehin eine eher passive Angelegenheit (die richtige Passivität ist aber unendlich schwer, finde ich!), während Hand- und Beineinwirkungen eine eher aktive Tätigkeit des Reiters sind.
Außerdem ist der Sitz die Grundlage für korrekte Hand- und Beineinwirkung. Nur aus einem losgelassenen Sitz der mit Gefühl das Gleichgewicht bestimmt, bzw. an dem das Pferd sein GW ausrichtet, können gute Hand und Beineinwirkungen entspringen.
Das WIE in der Bedienung von Hand, Bein und Sitz aber alles entscheidend.
Gruss
horsmän
Verfasst: Mo, 22. Okt 2007 12:06
von Mela
@Jen
Die haben einen superschönen Sitz in der Spanischen, aber leider reiten sie trotzdem sehr viel mit Hand und auch nicht immer auf die sanfteste Tour, davon hab ich mich leider kürzlich in der Morgenarbeit überzeugen können. Der schönste und stabilste Sitz nützt wenig, wenn man ihn nicht einzusetzte weiß.
Verfasst: Mo, 22. Okt 2007 12:07
von ottilie
Der Sitz ist ja ohnehin eine eher passive Angelegenheit
Also da muß ich doch mal sehr widersprechen.
Wenn der Sitz passiv ist, wie soll man denn dann das Pferd beeinflussen? Zumal wir uns ja einig waren, daß Reiten hauptsächlich über den Sitz funktionieren sollte? Da kann ja wohl von Passivität überhaupt nicht die Rede sein.
ottilie
Re: Gewichtung Sitz, Schenkel und Hand
Verfasst: Mo, 22. Okt 2007 12:07
von Jen
horsmän hat geschrieben: reduziert aber m.E. die Handeinwirkung auf das notwendige, für dass sie da ist, nämlich
a) die Höhe des Kopfes zu regulieren
b) Nachgiebigkeit im U-Kiefer erzeugen
c) die Schultern zu führen
DAs ist eine Sichtweise der Hand. Meine ist etwas anders:
a) den Rahmen vorzugeben, indem das Pferd geformt werden soll, weniger die "Höhe" des Kopfes. denn diese sollte für mich eher durch den Versammlungsgrad resultieren, also ein Resultat sein, sprich von hinten beeinflusst werden
b) Stellung erzeugen, Kauen passiert von alleine
c) Schultern führen
Der Sitz ist ja ohnehin eine eher passive Angelegenheit (die richtige Passivität ist aber unendlich schwer, finde ich!), während Hand- und Beineinwirkungen eine eher aktive Tätigkeit des Reiters sind.
jein. Ich sehe den Sitz eigentlich nicht als passiv. Er muss absolut losgelassen und entspannt sein, einverstanden. Aber das hat für mich nix passives, im Gegenteil, durch die Körperspannung, zb. durch das bewusste Ein- und Ausatmen, kann schon ein übergang geritten werden etc. das sehe ich nicht als passiv? Auch Körperdrehung = Wendung, Seitengänge ist aus dem Sitz heraus, Schenkel können dabei aufs minimum reduziert werden und nur als Korrekturhilfe benutzt werden, wenn Pferd zu wenig/zuviel macht u.s.w.
Das WIE in der Bedienung von Hand, Bein und Sitz aber alles entscheidend.
absolut einverstanden! Und es ist so unendlich schwierig!

Verfasst: Mo, 22. Okt 2007 12:20
von horsman
Nochmal zur Passivität des Sitzes:
Entspannt und losgelassen unten herum, aber natürlich mit der notwendigen Spannung vom Bauchnabel aufwärts um Schultern und Oberarm zu "fixieren", ohne aber zu krampfen.
Dann gelegentliche minimale Gewichtsveränderungen durch Veränderung des Anstellwinkels des Beckens und natürlich angedeutete Körperdrehung um Pferd unter sich zu drehen.
Klaro.
Aber: für das treiben ist der Effekt m.E. am größten, wenn man nicht versucht mit dem Sitz zu treiben, sondern es schafft, sich so passiv wie nur eben möglich von Pferd tragen zu lassen. Das hat m.E. des größten Vorwärtseffekt, fast noch mehr als die treibende Wirkung der Beine.
Hab grad am WE da wieder ein Aha-Erlebnis gehabt.
Für mich ist das wirklich schwer, da wir früher immer gelernt haben "treiben mit Kreuz und Schenkel" und der Sitz damit viel zu aktiv wurde. Seit 5 Jahren gewöhne ich mir das nun ab und bin in dem Punkt leider noch immer nicht am Ziel meiner Träume.

Ich hab nun meine hintere innere Oberschenkelmuskulatur in Verdacht, das ich damit noch ungemerkt bremse...
Verfasst: Mo, 22. Okt 2007 13:12
von FoxOnTheRun
Da hab ich mal eine Frage: daß die Beine entspannt und losgelassen sein sollen ist auch meine Auffassung. Nun bemängelt meine RL (zurecht), daß meine Beine nicht im Schwerpunkt "baumeln, sondern zu weit vorne liegen.
Nehme ich nun meine Beine aus der Hüfte zurück, und sie liegen da, wo sie sollen, hat mein kompletter Sitz nichts mehr mit entspannt und losgelassen zu tun, sondern mein ganzer Oberkörper von der Gesäßmuskulatur aufwärts verkrampft sich. Ist das nun nur ein Lernprozess oder mache ich was falsch?
Nach meinem Verständnis sollten die Beine eigentlich, sofern der Sattel im Schwerpukt liegt, automatisch in der richtigen Position baumeln können. das ist aber scheinbar bei mir nicht der Fall.
Verfasst: Mo, 22. Okt 2007 13:21
von Jen
FoxOnTheRun hat geschrieben:
Nach meinem Verständnis sollten die Beine eigentlich, sofern der Sattel im Schwerpukt liegt, automatisch in der richtigen Position baumeln können. das ist aber scheinbar bei mir nicht der Fall.
dann könnte das aber schon auch mit dem Sattel zusammenhängen. Leider setzen viele Sättel die Reiter in einen Stuhlsitz, weil die Steigbügelaufhängung einfach nicht zum Schwerpunkt des Sattels passt.

Wenn du dich also im Stand, ohne Bügel locker hinsetzt, müsstest du ganz automatisch gerade sitzen können, dann nur die Knie etwas anwinkeln und den Fuss etwas hochheben (nach oben und nicht nach vorne) und in den Steigbügel kommen. Geht das nicht, dann ist der Sattel problematisch. da nützt nix umpolstern, dann passt der Sattel einfach nicht zu deiner Anatomie.
Allerdings könnte es auch (ev. zusätzlich) sein, dass du dich generell "falsch" bewegst, also ungünstig und dich deshalb auch festmachst, obwohl es gar nicht nötig wäre. Leider machen wir alle das mehr od weniger und müssen auch selber erst lernen loszulassen und eine natürliche Aufrichtung zurückerlangen. Ist halt schon problematisch, wenn wir den ganzen Tag am Computer arbeiten, krumm und schief sitzen, beim stehen gerne an die Wand anlehnen etc. Unsere gesamte Muskulatur ist nicht für Aufrichtung trainiert.

das sollten wir uns immer wieder bewusst machen. Ich weiss, dass ich mich immer wiederhole, aber ich arbeite deswegen nun vorwiegend an mir selber, weniger am Pferd

Verfasst: Mo, 22. Okt 2007 14:36
von Gentle
dshengis hat geschrieben:
Nur mit dem Sitz reiten würde für mich tatsächlich dann jemand, wenn er sein Pferd ohne Zaumzeug, ohne Halsring, ohne Alles "vorne", mit wirklich passiven Schenkeln (wir wollen sie ihm mal nicht amputieren, das ginge zu weit), reiten könnte. Ganz ehrlich, wer kann das schon?
Och, die Leute, die ihre Pferde nicht nach der alten FN Reitweise, sondern nach dem Parelli Natural Horsemanship ausbilden. Die können das. Ich z. B. bin gerade dabei meinem Pferd das so beizubringen. Und Sando ist 4 Jahre alt. Überhaupt kein Problem. Und wer nach dem PNH-Prinzip arbeitet, wird sehr schnell feststellen, das das was da gelehrt wird, wirklich dazu führt, das du nur denkst und dein Pferd tut das. Und es ist für jedermann zu erreichen. Allerdings bedarf es doch einiges an Umdenken. Wie z. B. weg mit den Hilfszügeln, scharfen Gebissen. Reiten auf Knotenhalfter auch ins Gelände, Reiten ohne Sattel um einen besseres Gefühl für die Bewegung seines Pferdes zu bekomen usw. Und keine "ABERS" und "Warums". Altes erst einmal komplett in einen Schrank stellen und ganz neu von vorn anfangen. Ich habe das gemacht und mir geht es sehr gut dabei. Und ich habe zum ersten Mal das Gefühl, das wir sehr weit kommen werden!!!

Verfasst: Mo, 22. Okt 2007 14:42
von knowi
Gentle, mal eine ganz blöde Frage, aber geht bei Euch dann nicht auch viel über die Sticks? Oder tatsächlich nur über den Sitz?
Liebe Grüße!
Knowi
Verfasst: Mo, 22. Okt 2007 14:49
von Melli
Für mich ist die Frage nach der Gewichtung gar nicht so schwer.
Von allen Informationen im richtigen Zeitpunkt genau das, was dem Pferd in diesem Moment am besten vermittelt, was mein Ziel ist.
Was am "besten" ist, ist verschieden, je nach Pferd, Ausbildungsstand und Tagesform.
So viel Information wie nötig, so wenig wie möglich.
Insofern ist die Gewichtung bei einem Pferd, das sehr schulterlastig läuft, auch eine völlig andere als bei einem Pferd mit guter Selbsthaltung, aber vielleicht gewissen Impulsionsproblemen.
Bei einem weit ausgebildeten Pferd, das jahrelang "gute" Bewegungsmuster trainiert hat, anders, als bei einem Jungpferd.
Letztlich kann man zumindest die Bein- und Sitzhilfen oft auch gar nicht trennen. Zügelhilfen auch nicht unbedingt.
Gerade, wenn ich z.B. mit einem Jungpferd über Gewichtsverlagerung etc. arbeite, geraten meine Beine automatisch in eine andere Position oder auch nur eine veränderte Spannung.
Die für mich wichtigste Hilfe ist sowieso weder Bein, noch Sitz, noch Hand, sondern mein innerer Focus.
Ohne eine klare, feste Idee, ein inneres Bild, von dem, was ich will, sind alle anderen Hilfen nur technischer Murks.
Melli.
PS an knowi
die Sticks sind wie alles andere eine Hilfe, um verständlicher zu sein. Bei PNH werden sie viel verwendet, aber das Ziel ist es, ohne "Werkzeug" auszukommen.
Theoretisch kann man aber statt der Sticks auch alles mit Zügeln erarbeiten. Man kann fast immer fast alles auch nur mit einer bestimmten Hilfe erreichen, aber nicht immer ist diese eine Hilfe auch der beste (sanfteste/schnellste/...) Weg.