Man kann nie nur einen Körperteil isoliert sehen, denn jeder Körperteil ist ein "Zahnrädchen" in einer ganzen Maschinerie und jedes Zahnrad greift in ein anderes und wenn man an einem dreht, dann drehen die anderen immer mit. Ich finde das ein ganz wichtiger Aspekt, denn der Körper muss ganzheitlich betrachtet werden. Wir Menschen neigen sehr dazu, unsere Aufmerksamkeit sehr zu fokussieren und uns dadurch auch - im wahrsten Sinne des Wortes - auf etwas zu versteifen.
Die Handhaltung wird vom Ellenbogen und der Schulter und diese vom Oberkörper beeinflusst. Oberkörper heisst gesamte Wirbelsäule inkl. Hals und Becken. Oberkörper meint aber nicht nur hintere Rückenlinie, sondern auch vordere Bauchlinie. Um möglichst aufgerichtet zu sein, müssen BEIDE Linien möglichst LOSgelassen sein. Das heisst, die Muskeln müssen in einer Dehnungsbereitschaft sein. Spannt man die Muskeln an, dann verkürzen sie sich und die Länge (=Aufrichtung) geht verloren. Äusserst wichtig ist dabei die Kopfhaltung. Der Kopf muss auf der Wirbelsäule balanciert werden, weder nach hinten gezogen noch nach unten gekippt. Zieht man den Kopf zurück, staucht man die gesamte Wirbelsäule hinten nach unten, der Rücken wird verkürzt und steif. Kippt man den Kopf vorne runter, kippt das Brustbein und damit der gesamte Brustkorb vorne runter und man verkürzt die Bauchlinie.
Dies alles beeinflusst die Schulterhaltung. Die Schultern dürfen NICHT zurückgenommen werden. Denn dies versteift den Schultergürtel, die Nackenmuskulatur, zieht den Kopf nach hinten und macht den Rücken "zu". Das Hohlkreuz ist nicht weit weg, der untere Rücken wird steif und das Mitschwingen mit der Hüfte blockiert, das Becken oft "Entenpopo-artig" nach hinten raus und vorne runter gekippt.
Die Schultern sollten breit, voneinander weg gedacht werden. Man kann dies nicht aktiv "machen". Man kann sie nur gehen lassen. die Schulter und Nackenmuskulatur entspannen ohne im Brustkorb zusammensinken. Den oberarm sich "breit" denken, d.h. er darf nicht an den Oberkörper geklemmt werden, weil er sonst die Rippenbewegung verhindert und diese ist ja wiederum wichtig für das Atmen. Beim Einatmen weitet sich der Brustkorb, die Rippen gehen fächerartig auseinander, beim ausatmen gehen sie wieder zusammen. Die Rippen sind ja nicht starr! Sondern durch elastischen Knorpel am Brustbein festgemacht und durchaus in einem gewissen Mass beweglich. Das Brustbein muss offen und getragen sein, die Schlüsselbeine dürfen von den Schultern nicht verdeckt werden (dies lässt einen vorne zusammensinken), die Schulterblätter dürfen aber auch nicht zusammengezogen werden (dies macht den Rücken hinten zu)
Wenn nun der Oberarm locker runterhängt und die Schultern breit auseinander voneinander weg gelassen werden, kommt der Ellenbogen automatisch in die richtige Lage. Er muss nur noch etwas angewinkelt werden und die Hand wird getragen.
Das handgelenk sollte ganz locker sein. Die Faust weich geschlossen. Sehr oft will eine halboffene hand ein festes handgelenk kompensieren (meine "Spezialstelle" *nerv*

). Meist geht dies mit einer verdeckten Handhaltung einher.
Das Problem der verdeckten Handhaltung: sie dreht die ganzen Arme nach innen und die Schultern runden sich nach vorne! Folge: einsinken im Brustkorb, Kopf hängt runter, blick nicht frei, Atmung behindert. Deshalb ist es ja so wichtig, dass die der Daumen nach oben gedreht wird, so dass er oben aufliegt. Weil diese Drehung soll sich im lockeren Arm weiter bis zur Schulter "fortpflanzen" und die Schlüsselbeine öffnen und die Vorderlinie breit halten.
Der Zügel wird zwischen kleinem Finger und Ringfinger gehalten. Das macht absolut Sinn! Denn der kleine finger ist die Verbindung in den Rücken! Daumen-Zeigefingerlinie geht auf der Oberseite des unterarms in die Brustmuskulatur -> verdeckte Hand -> Zusammengezogene Brustmuskulatur! Die kleine Fingerlinie über die Unterseite des Unterarms geht in den Rücken und DA muss Anlehnung entstehen: im Sitz.
Deshalb muss der Rücken offen sein, die Brustlinie offen sein, die Schultern breit, die Hand weich geschlossen getragen, mit dem Daumen nach oben und das Handgelenk entspannt gerade. Die Verbindung vom Zügel, kleinen Finger, Handgelenk, Ellenbogen darf nicht durch einen "Knick" unterbrochen werden, weil dann wird der kreislauf der Anlehnung in den Rücken unterbrochen, es "fliesst" nicht mehr (was wiederum kompensiert wird, zb. durch ein öffnen der Hand). Die "ideale Handhaltung" macht biomechanisch perfekt Sinn! Nicht nur Biomechanik des Pferdes ist wichtig, auch des Reiters.
