Reiten nach klassischen Grundsätzen – Kurs bei Klaus Werzinger in Langerwisch 25.- 27. Juli 2008
Nach dem Kurs im Februar bei Klaus hatte ich mich sofort für den Juli-Kurs angemeldet. Ein halbes Jahr schien mir ein ausreichender Zeitraum, um zwischen den beiden Terminen die Hausaufgaben zu erledigen. Außerdem kam im Mai ja noch Babette, da waren für einen weiteren Kurs bei Monsieur Werzinger weder mental noch finanziell Kapazitäten frei. Nachdem Dynamit sich aber die Eisen abgetreten hatte, lief er doch recht lange fühlig und so hatte ich mich innerlich schon darauf eingestellt, den Kurs abzusagen. Mit einem Pferd, das nicht völlig klar läuft, wollte ich mir einen vergleichsweise teuren Kurs nicht antun. Da hatte ich aber die Rechnung ohne den Wirt gemacht! Klaus erklärte sich nämlich bereit, nötigenfalls mit uns Reha-Sport (=Handarbeit) zu machen und so fiel meine Ausrede zusammen wie nichts. Unserer geschätzten Friesenbesitzerin Mari (=DinA) ging es ähnlich – „kein Sattel“ war für Klaus kein Argument und so organisierten wir schnellstmöglich einen Hänger für Freitagmittag. An eben diesem Tag, gegen 14 Uhr, holte ich also das Schimmeltier, das weltbeste und ahnungslose, von seiner Weide, zog ihm sein Knotenhalfter an und ab ging´s Richtung Hänger. Der war heiß, mit Folienverdeck und kleiner als die bisherigen. Nach 10 Minuten ließ sich Dy überzeugen und stieg ein. Eine Stunde später war auch der Friese (Faun) drin und ab ging´s über die A 10 nach Langerwisch. Ankunft 17 Uhr; wir wurden bereits erwartet. Schnell das verschwitzte Tier übergeputzt und gesattelt und auf ging´s zur ersten Einheit.
Angefangen haben wir am
Freitag mit dem Übertreten auf der Volte an der Hand. Das hatte sich ja in letzter Zeit sehr verbessert (v.a. dank guter Hinweise von Babette; überhaupt empfinde ich Babettes Unterricht als äußerst passende Ergänzung zu dem von Klaus): Das Tempo ist ordentlich (nämlich langsam), dabei aber flüssig und Dy geht, ohne auf die rechte Schulter zu fallen. Auch ist die Abstellung links bei weitem nicht mehr so groß, sondern nähert sich dem Wunschmaß an. Klaus war zufrieden, hatte aber nochmals einen Vorschlag zur Handhaltung: Direkt am Gebissring greifen, mit dem Daumen von hinten. Damit kann ich direkt einwirken auf die Maulwinkel und viel feiner reagieren. Da hatte ich wohl beim letzten Mal nicht richtig hingehört, denn so hatte ich seine Erklärung im Februar nicht verstanden.
Nachdem das vom Boden aus gut klappte, wollte Klaus auch sehen, wie es von oben funzt. Also saß ich auf und sofort gab es von Klaus die Frage, ob ich denn keine Chaps o.ä. bei hätte. Nö, im Sommer nicht. Hm, meinte der gestrenge Herr Reitlehrer, eigentlich dürfe er mich so nicht reiten lassen – Verletzungsgefahr. Meine Schnürsenkel könnten sich im Steigbügel verfangen und wenn dann Herr Pferd unkontrolliert umher sprünge... Zumal mein Militärsattel kein Sicherheitsverschluss für die Steigbügel hat.
Nach dieser Belehrung ging´s weiter mit dem Übertreten auf der Volte vom Pferderücken aus. Auch das hat sich ja schon deutlich verbessert und Klaus war durchaus nicht unzufrieden, trotzdem gab´s auch dafür noch Verbesserungsvorschläge wie: Besser aus dem Halten beginnen als aus der Bewegung oder: Am inneren Ohr knapp vorbeischauen. Lobend erwähnte er, dass meine Einwirkungen nicht mehr sehr deutlich zu sehen seien. Zu der Übung insgesamt gab´s dann noch etwas mir bis dahin völlig Unbekanntes: „Die Übung besteht aus zwei Teilen, Teil A und Teil B sozusagen. Teil A ist das Übertreten. Das machst Du. Aber ohne Teil B ist die Übung nichts wert. Und Teil B besteht darin, das Pferd sich anschließend ausstrecken zu lassen im freien Schritt. Der muss ordentlich vorwärtstreten, der darf sich nicht verhalten. Die Übung soll lösen, nicht das Pferd verspannen!“
Und tatsächlich war der Schritt beim ersten Mal noch recht verhalten, Dy schlauchte sogar ein ganz klein wenig. Mit etwas Nachtreiben wurde die Bewegung flüssig und bei den weiteren Wiederholungen kam auch von Anfang an ein ordentliches Vorwärts.
Als nächstes kam das Übertreten von der Mittellinie hin zum Hufschlag. Auch hier gab´s ein Aha-Erlebnis, als Klaus mir empfahl, mir vorzustellen, dass mein Pferd mit der Hinterhand zuerst den Hufschlag erreichen soll. Komisch, Sophie (bei der ich diese Übung zuerst geritten bin) sagte immer, die Vorhand solle voraus gehen. Schon richtig, sagte Klaus, wenn das Pferd das in der Situation erfordere. Seinerzeit ritt ich auf einem Norwegerwallach. Da war es wohl so angemessen. Bei Dynamit, mit seinen Problemen, soll ich jedoch die Hinterhand leicht vorausschicken und ihn ansonsten möglichst gerade halten (Stichwort: Schenkelweichen).
Nachdem diese Übung auf beiden Händen geritten war und Dynamit durchlässig auf meinen seitwärts weisenden Schenkel reagierte, folgte der Übergang zum Trab. Zunächst eine Runde ganze Bahn auf jeder Hand, dazu je eine Volte – das Pferd lief flüssig und taktrein. Schön! Also konnten wir weitermachen. Klaus schaute sich vor allem an, wie sehr Dynamit vorwärts trat, wie willig er auf treibende Hilfen reagierte oder sich verhielt und inwieweit er im freien Vorwärtstrab schwankte. Meine Zügelhaltung fand er nicht mehr kritisierenswert, da hat die Lektion vom Februar wohl gefruchtet. Es zeigte sich, dass Dynamit schon um einiges besser als beim letzten Mal in der Lage ist, sich im Trab zu runden und diese Haltung beizubehalten. Auch meine entsprechenden Hilfen sind weitaus weniger deutlich (und stören damit weniger das Pferd in seiner Bewegung).
Als Abschluss der ersten Einheit gab´s noch etwas Galopp auf jeder Hand. Immerhin sprang Herr Schimmel sofort auf der jeweils richtigen Hand an und konnte den Galopp auch auf dem Zirkel mehrere Runden halten. Mein Sitz fand allerdings nicht des Meisters Gnade
Nun ja, Galopp in der Bahn steht ja auch erst seit vier Wochen wieder regelmäßig auf dem Plan, vorher fehlte Dy offensichtlich noch die Kraft dafür.
Am Abend gab es noch ein gemütliches Abendessen mit allen Kursteilnehmern sowie mit Klaus und seiner Frau Roscitta in deren Haus.
Am
Samstag kam Dy recht steif aus seiner Box. Ob es an der Box lag (er hatte nachts wohl nicht gelegen) oder an der Arbeit am Vortag oder an der Hängerfahrt oder gar allem zusammen – jedenfalls schlauchte er im Trab wieder, dass es eine helle Freude war. Begonnen haben wir mit dem Übertreten auf der Volte und das lief schon noch mal besser als am Vortag, vor allem der folgende freie Schritt. Es folgte eine lange Trabeinheit.
Als neues Element führte Klaus eine leichte Konterstellung ein, gefolgt von einem Nachgeben des inneren Zügels, damit sich das Pferd gerade zieht. Und tatsächlich war für ein paar Schritte ein freierer Trab zu spüren, zusammen mit einem vermehrten Schwingen des Pferderückens. Deutlich wurde aber auch, in welchem Maße die Feinheit der Zügel-Hilfengebung mit dem Vorwärtsimpuls des Pferdes zusammenhängt: Je freier das Pferd vorwärts tritt, desto weniger Einwirkung ist nötig. Kleine Impulse innen und außen reichen, Flexionen werden tatsächlich überflüssig. Wie sagte Klaus so schön: „Das Prinzip Heckmotor! Wenn der Motor nicht läuft, kurbelst Du Dich vorne tot.“ Ohne Anlehnung geht nichts! Gleichzeitig wurde die Anlehnung aber auch wieder sehr fein. Ein schöner Zustand!
Unsere Nachmittagseinheit fand (wie am Freitag übrigens auch) während des anscheinend obligatorischen Gewitters statt. Angesichts der Temperaturen hatte ich nichts dagegen
Das Schimmeltier hatte die Pause (nach Duschen und Wälzen in der Langerwischer Longierhalle) auf einem Graspaddock verbracht und war nun viel lockerer als am Vormittag. Inhaltlich stand die Wiederholung und Festigung des vorher Erarbeiteten im Mittelpunkt. In einer langen Schrittphase wurde das Geraderichten nochmals geübt. Klaus legte sehr viel Wert darauf, dass ich ein genaues Gefühl dafür kriege, wann mein Pferd gerader läuft als von Natur aus. Außerdem geht es immer um die Minimierung der dazu nötigen Hilfen.
Im zweiten Teil der Stunde war mal wieder flottes Traben angesagt – für Dynamit inzwischen kein Problem mehr! Er wirkte (gerade auch auf den Videoaufnahmen) viel leichtfüßiger als im Februar und unternahm auch keinen einzigen Versuch mehr, sich herauszuhebeln

Ganz nebenbei testeten wir noch, inwieweit sich der Schimmel mittlerweile „fallen“ lassen kann, also seine Bereitschaft, auch im Trab eine tiefe Dehnungshaltung einzunehmen. Da ist sicherlich noch Potenzial vorhanden, aber auf jeden Fall dehnt er schonmal durchgehend die Oberlinie. Außerdem fiel Klaus auf, dass er, anders als früher, beim Nachgeben im Genick letzteres jetzt nach vorne schiebt statt wie ehedem nach hinten (wodurch es eben jetzt zur einer reellen Dehnung der Oberlinie kommt). Ein weiterer für mich wichtiger Punkt: Klaus forderte mich rechterhand auf, Dynamit abkauen zu lassen. Dy gibt daraufhin zwar schön und deutlich im Genick nach, kaut aber nicht. Auf meine Frage, ob ich auf dem Kauen bestehen sollte, meinte Klaus, das wäre kontraproduktiv, ich würde damit eher das Pferd festmachen als es zu lockern. Das Nachgeben im Genick sei erstmal ausreichend und oftmals würden die Pferde dann anschließend auch ohne Handeinwirkung zum Kauen kommen.
Die abschließende Einheit am
Sonntag war wieder schweißtreibend, was auch, aber nicht nur, an den Temperaturen lag. Viel Trab stand auf dem Programm und außerdem durften wir die ersten Bahnfiguren unter Klaus´ Anleitung reiten: Linkerhand klappte die halbe Bahn schon ganz gut, rechterhand waren wir doch noch etwas überfordert mit der Koordination, dem Umstellen zwischen Biegung und Gerade, begleitet vom Runden, immer wieder auch Außen-Nachgeben, Innen-Nachgeben und Zügel-Wieder-Aufnehmen. Nichtsdestotrotz fühlte es sich gut an und Klaus wirkte recht zufrieden. Und ein weiterer wichtiger Gedanke kam bezüglich der unterschiedlichen Wirkungen von ansteigender Hand (Flexion) und dem einfachen Zügelannehmen: Während ersteres das Pferd biegt, ohne es zu „bremsen“, wirkt die annehmende Zügelhand verhaltend, beeinträchtigt also tendenziell zumindest das Vorwärts. Dafür läuft man beim Einsatz der Flexionierung Gefahr, das Pferd zu stark aus der Balance zu bringen, es auf die äußere Schulter fallen zu lassen – ein Risiko, das beim Annehmen des Zügels nicht besteht. Daher muss es das Bestreben sein, alle Einwirkungen zu minimieren und statt die Hand ganz zu heben (oder gar über längere Zeit oben zu lassen) die Einwirkung auf ein Eindrehen der Hand zu beschränken.
Irgendwann in dieser Einheit sagte mir Klaus dann noch, dass jetzt, wo Dynamit so schön von hinten käme, ich lernen müsse, von hinten "zu sehen". Sprich, die Konzentration liegt nicht bei der Hand, sondern ich fühle die Reaktion der Hinterhand auf das, was von mir als Hilfe kommt. "Da fängt Reiten an!"
Jeder Kurs hat ein Ende und nach reichlich einer Dreiviertelstunde ließ mich Klaus zum Schritt durchparieren, anhalten und meinte: "So, dabei belassen wir es jetzt. Den Galopp machen wir nächstes Mal. Der war jetzt so schön, das wär jetzt nicht gut." Ich erinnerte noch an das Rückwärtsrichten. Okay, kam es von unten, dann mach mal. Also gut, ich legte die Schenkel zurück und klingelte äußerst leise am Zügel und schon trat mein Pferd, mit wunderschön gesenktem Haupt, rückwärts, Schritt für Schritt, ganz leicht, ganz einfach. „So, wo ist nun das Problem?“, fragte Monsieur Werzinger. Tja, keine Ahnung, sonst neigt er ja dazu, den Kopf hochzureißen, aber heute? Klaus` Erklärung dazu: „Der ist heute schön über den Rücken gelaufen, der hat richtig gut geschwungen, da kann der auch so gut untertreten, dass er rückwärts gehen kann, ohne den Kopf anzuheben.“ Gut, danke, keine weiteren Fragen
Als ich die Halle verließ, meinte Roscitta dann noch zu mir:“André, Du hast ein schönes Pferd!“ Recht hat sie! Aber kann es ein besseres Ergebnis eines Kurses geben?
Abschließend noch vielen Dank an Mari fürs (erneute) Fahren sowie an die liebste Katja fürs Begleiten und Filmen sowie an Klaus und Roscitta. Schöne Grüße an alle, die da waren und hier mitlesen (nicht wahr, Sylvia, gell, Thomas
)
„Hast Du nie auf einem Schimmel gesessen, hast Du nie ein gutes Pferd geritten.“ - Altpolnisches Sprichwort