Hallo!
Wenn ich die Beiträge so lese, muss ich feststellen, dass ich absolut andere Erfahrungen gemacht habe. Und sehr froh bin, dass ich diese Beiträge, die fast alle gegen das Selber-Anreiten sprechen, nicht vor ein paar Jahren gelesen habe....
Ich habe meinen Kleinen mit 2,5 Jahren gekauft. Vorher habe ich mich schon 6 Monate Vollzeit um ihne gekümmert, da seine Besitzerin schwanger war und viel zu früh Wehen hatte. Eltern und Geschwister kannte ich, der Vater geht mit 12 jährigen Kindern neben seine Stuten auf Wanderritte!
Ich selbst war gerade 18 geworden, hatte in einem klassischen fn Stall gelernt und immer die rennenden, unausgebilteten, aber äußerst sensiblen Pferde (tja, Liebe auf den ersten Blick...). Und so habe ich immer MIT den Pferden gelernt und wurde schnell zu einem sicheren Sitz und seeeehr ruhiger Hand erzogen. Und ich war auch immer die Reiterin, die besser als die S-Dressurreiterin mit jungen Pferden klar kam: Ich hatte keine Angst vor ihnen!
Habe mich trotz Zweifeln, ob ich das Anreiten alleine hinbekomme, für dieses Pony entschieden. In unserem neuen Freizeitreiterstall war allerdings eine Springreiterin, die vom Züchter Pferde bekommen hat und dann immer bis L/M gebracht hat. Ihre Art war aber unheimlich ruhig und geduldig, das ganze war auch kein Schnellverfahren, sondern die Pferde waren meist 2 Jahre bei ihr, bis sie verkauft wurden.
Shabou hat schon immer viel Beschäftigung gehabt. Als Fohlen durch die Reitkinder und Ausritt mit seiner Mutter, nach dem Absetzen ist er dann fast täglich spazieren gegangen. Er war daher im Gelände mit 2,5 schon absolut zuverlässig und hatte gelernt, dass er dem Menschlein, das vor geht, immer trauen kann. Wir haben natürlich auch absichtlich alles Gefährliche angeguckt!
Das Anreiten verlief genauso unproblematisch! Und meiner Meinung nach, weil Shabou immer mehr als genug Zeit hatte um über alles nachzudenken. Das erste mal Obensitzen war auf dem Paddock vor dem Reinholen: mal kurz draufgehoben wurden, ein Leckerlie gegeben, wieder runtergerutscht.
Gesattelt habe ich zum 1. Mal in der Annahme, dass er Sättel schon kennt. Und gleich ganz normal (und wie immer vorsichtig) gegurtet. Sattel draufliegen kannte er schon, gurten nicht...War aber an seiner Reaktion nicht zu erkennen!
Trensen lief ähnlich. Aber Gebisse sind ja eh toll für ein Pony, das auf allem rumkauen muss
Und so sind wir dann viele weitere Monate mit Sattel und Trense überm Halfter spazieren gegangen. Ohne das er einmal wegen dem Sattel gebockt hätte! Longieren hat er genauso schnell und unproblematisch gelernt.
Das richtige "Anreiten" war dann mit 3 Jahren. An der Longe mit Hilfe der Springreiterin und ohne Sattel, da ich keinen passenden hatte und mit dem Kauf noch bis nach der Sommerpause warten wollte. Im Prinzip ab der ersten Sekunde hat Shabou Gewichtshilfen verstanden, Anreiten, einfache Hufschlagfiguren im Schritt und Durchparieren konnten wir nur übers Gewicht nach 5 Minuten, noch eine Runde an der Longe getrabt, dann war Schluss. Diese "Longenlektionen" haben wir drei Tage hintereinander wiederholt, dann hat mir die Springreiterin mitgeteilt, das würde jetzt reichen, wir könnten das
Dann hat das Pony 3 Monate frei bekommen und im Herbst ging es weiter. Nach 5 Einheiten auf dem kleinem umzäunten Platz bin ich das erste Mal alleine zum Stall zurückgeritten, ab nur auf dem großen, nicht eingezäunten Platz, den das Prinzip vom Geritten werden hatte Shabou verstanden. Noch eine Woche später der erste "Ausritt" mit meiner Mutter als spazierengehende Begleitung (die zu der Zeit aber noch panische Angst vor Pferden hatte).
Der erste Galopp war alleine im Gelände...Denn auf dem Platz konnte sich Shabou lange Zeit im Galopp noch nicht ausbalancieren, im Gelände hat er ihn einestages auf einer geraden Strecke von sich aus angeboten.
Und so bin ich im ersten gerittenen Winter ohne Sattel mit Halfter und Strick mit meinem Pony durch frischen Tiefschnee galoppiert. Wenige Monate nach dem Anreiten!
Klingt jetzt etwas nach: "Na, so ein Geländezausel". Nee, Dressurunterricht haben wir natürlich auch genommen und Shabou ganz langsam ausgebildet. Und schon schnell gelernt sich immer schön v/a zu strecken und über den Rücken zu laufen. An der Versammlung arbeiten wir jetzt erst, aber die Grundsteine wurden schon damals gelegt.
Denn ich habe ein Freizeitpferd, das ALLES können soll. Egal ob Dressur oder Gelände.
Jetzt, mit 9 Jahren, habe ich ein Pferdchen, dass von unserer klassischen Dressurreitlehrerin als ein besonders sensibles und schnell lernendes Pony gelobt wird, und das sich als Dressurpony langsam wirklich sehen lassen kann. Das mit meiner kleinen Cousine in wunderschöner Selbsthaltung im V/A am durchhängenden Sidepull-Zügel auf dem Platz läuft. Das man mal eben als Voltipferd umfunktionieren kann. Das Distanz- und Wanderritte läuft und jede Situation sehr ruhig meistert, im Zweifel muss ich halt führen und vorgehen. Das bei einer Fuchsjagd erst abschätzig betrachtet wurde, dann aber als Bremsklotz der Gruppe diente. Und als er durfte, alle Warmblüter abgehängt hat. Zu dem immer nur der Spruch kommt "Na mit dem kann man das ja auch machen, der ist ja lieb". Der bei Schmied und Tierarzt der Liebling ist, weil er immer brav steht und mitarbeitet. Und der trotz allem Liebsein ordenlich Temprament und Laufwillen hat! Manchmal sogar etwas zu viel
Und obwohl ich immer zweifelnd auf dem Pferd sitze, wenn wir im Unterricht neue Lektionen üben: Shabou kann das eh alles! Woher auch immer. Ich muss nur die richtigen Hilfen erst lernen!
Klar habe ich bei der Ausbildung Fehler gemacht! Und ich würde auch rückblickend einige Sachen anders machen (später anfangen, ganz auf Hilfszügel beim Longieren verzichten usw.) Aber insgesamt ist Shabou sicher durch unsere ganzes gemeinsame Gelerne und durch alle gemeinsamen Erfahrungen zu MEINEM Pferd geworden. Und das obwohl ich die meiste Ausbildung einfach intuitiv gemacht habe. Ohne schlaue Bücher oä (Die habe ich im Nachhinein mal gelesen und war schockiert! Ich bin da viel behutsamer, aber gleichzeitig viel unbefangener und ungestresster drangegangen...)
Selbst meine Reitlehrerin meint, dass sie sich nicht auf Shabou setzt um ihm irgendetwas Neues zu zeigen. Wir sind so ein eigeschworenes Team, dass wir das selber erarbeiten sollen! Haben wir bisher ja auch immer geschaft.
Und dabei habe ich kein Pferd, dass nur von mir zu reiten ist. Jeder Reiter bei uns im Stall, der ein Händchen für flotte Pferde und eine ruhige Hand hat, kommt mit Shabou ohne Probleme klar!
Ich würde mir immer wieder ein junges Pferd kaufen und in aller Ruhe selber ausbilden! Und auch ohne permanente Hilfe von Reitlehrer/Bereiter, nur mit normalem Reitunterricht!
So, das war jetzt mal unsere Geschichte. Etwas lang, aber ich hoffe sie bietet doch einmal eine andere Sichtweise!
Viele Grüße
Anne