Ich versuche mich mal an einer Erklärung...
Vorausschicken möchte ich aber, daß wir überhaupt keine Chance haben, zu beurteilen, inwieweit - sei es nun zum Guten oder zum Schlechten - sich das Pferd verändert, weil wir nicht wissen, wie es sich vorher gezeigt hat. Insoweit sind alle Diskussionen, daß es mit ihm ja nur schlechter geworden sein kann (so empfinde ich den Tenor hier) völlig irrelevant.
Wie bereits gesagt wurde, ist R. an die 80 und hat bereits schwerwiegende gesundheitliche Probleme. Ob man damit noch aufs Pferd steigen muß, ist eine andere Geschichte, er macht es eben. Und ich gehe mal definitiv davon aus, daß die Leute, die seine Kurse besuchen, sich mit ihm und seiner Reitweise zumindest einigermaßen versucht haben, vertraut zu machen.
Da sein Grundsatz "Balance vor Bewegung" heisst, ist es halt absolut was anderes, als was alle anderen RL unterrichten - egal ob sie nun PK, BB oder RH oder wer auch immer sind. Daher sitzt er halt seber immer noch auf dem Pferd - erklären ist schwierig, und wenn er dem Pferd gezeigt hat, was es soll, wird es anschließend für den Reiter leichter - er hat es hoffentlich gesehen, was gemacht werden soll, und das Pferd hat es nun auch schon einmal getan. Daher wird insofern jedes Pferd unter "Streß" ob der neuen Situation stehen.
Es wurde auf einen nicht anliegenden Schenkel verwiesen - ein weiterer Grundsatz lautet "Hand ohne Bein, Bein ohne Hand". Das Pferd bekommt einen Impuls und geht dann vorwärts, bis ein neuer Impuls folgt (Idealfall). Treiben ist nur dann vonnöten, wenn das Pferd quasi schon "abstirbt".
Klar - Ihr müsst das nicht für gut befinden. Aber es ist seine Methode.
So, das waren nochmal ein paar allgemeine Gedanken. Nun zum Video.
Ich sehe ein trippelndes, eingerolltes Pferd. Ich gehe mal davon aus, daß da nicht R. dran "schuld" ist, sondern daß das Pferd sich gerne hinter der Senkrechten versteckt. Die erste Minute ist meiner Meinung nach ein Versuch, das Pferd an die geteilten Hilfen Bein-Hand heranzuführen und es außerdem immer wieder vor die Senkrechte zu holen - mittels diverser Arrets, die mal mehr, mal weniger deutlich zu sehen sind. Auch das Seitwärts dient meiner Meinung nach dazu, das Pferd etwas zu lösen und geschmeidiger zu machen.
Ab ca. Zeitpunkt 0:55 versucht R. meiner Meinung nach, den "gezählten Schritt" zu reiten. Er holt das Pferd deutlich vor die Senkrechte und besteht drauf, daß sich das Pferd selber balanciert und dabei geradeaus geht. Am Anfang schwankt das Pferd und weiß nicht, was es soll. Ca. bei den Zeiten 1:08 bis 1:12 sind jedoch zwei, drei, vier Schritte dabei, wo sich das Pferd selber trägt, die Nase kommt deutlich vor, die Schulter hebt sich an und es wird fast eine Art "erhabenes Schreiten" ersichtlich. Und darum hört R. auf - er hat sein Ziel erreicht, das Pferd hat gemacht, was er wollte. Pause, Nachdenken.
Also bitte - das ist meine persönliche Einschätzung des Gesehenen, ich habe keine Ahnung, ob ich damit richtig liege. Für ein Pferd ist es sehr schwer, diese Haltung einzunehmen und so zu gehen, weil die speziellen Muskelgruppen nicht trainiert sind. Daher wird auch sofort nach dem kleinen Anzeichen, daß es in die richtige Richtung geht, eine Pause eingelegt.
Ich kann auch nicht feststellen, daß hier sehr grob geritten wird. Wer bitte sitzt den selber so geschmeidig im Sattel? Klar arbeitet R. viel mit der Hand, aber nachdem das Pferd sich ständig hinter der Senkrechten verhält, bleibt ihm ja wohl nicht viel anderes übrig. Leider ist der Moment, wo das Pferd mit der Nase vorkommt und er dann auch eine Belohnung durch leichtes Vorwärts und leichttraben gibt, von den Leuten in der Reitbahn versteckt. Den einzig wirklich nicht so schönen Punkt sehe ich in der anschliessenden Parade zum Schritt, aber gut. Soll derjenige vortreten, der sofort auf einem fremden Pferd nur mit unsichtbarsten Hilfen reiten kann.
Wäre es besser, wenn das Pferd durch Technik und Kraft einfach an die Hand gestellt wird und der Reiter droben sitzt wie eine Statue? Für mich jedenfalls: Nein danke. Ich möchte auch, daß mein Pferd sich selber trägt und bewegt, und das Pferd hier soll eben das lernen.
Und ja: wenn mein Pferd gegen die Hand geht (egal ob beim Reiten oder am Boden) dann halte ich auch gegen, bis eine Kaubewegung kommt. Dann wird allerdings SOFORT losgelassen. Übrigens ist die Kaubewegung (eigentlich muß es eher ein Lecken sein) sehr wichtig, weil das Zungenband weit in den Rachen hineinreicht und so schon durch Festigkeit im Maul eine nicht gewollte Spannung im Pferd ist (anatomisch vielleicht nicht hyperkorrekt, aber so sinngemäß stimmts). Daher wird Wert auf ein "leckendes" Pferd gelegt, am besten mit leichter Schaumbildung (wie eine Art Lippenstift). Sicherlich ist hier das Kauen eher nervöser Art, aber zumindest wird das Maul geöffnet und benutzt.
R. ist kein Zauberer und kann nicht nur, weil er oben sitzt, das Pferd sofort völlig anders und dazu noch ohne "daß was zu sehen ist" reiten. Vielleicht unterscheidet ihn auch das von anderen RL - er geht eben seinen Weg, weil er fest überzeugt ist, daß er richtig ist. Auch wenn es mal nicht so schöne Szenen gibt. Stellt sich die Frage, ob das nicht mehr wert ist als bei jemand, der sich draufsetzt und irgendwie was durchmogelt, was zwar vordergründig schön aussieht, aber im Detail betrachtet auch nicht ganz sauber ist - keine Anspielung auf wen auch immer, nur mal ein Gedankenanstoss.
Ich bin selber schon gespannt, ob ich mit meiner Vermutung richtig liege, aber nach allem, was ich über R. weiß und auch schon selber gesehen habe, will ich es mal schwer hoffen. Sonst hab ich wohl auch nicht viel kapiert von dem was er will
Feuer frei...
Grüsse von
ottilie