Jetzt ich nochmal.
Was Konditonierung ist wissen wir denk ich jetzt und das es beim Pferd sehr gut funktioniert auch. Darauf basieren ja, wie schon erwähnt, die ganzen "Tipps", dass man gleich nach einer positiven/negativen Handlung des Pferdes belohnen/strafen soll. Auch das Clicker-Training funktioniert über die Konditionierung Click=Belohnung.
Was Pferde ebenfalls können, ist Lernen durch Beobachtung. So schauen sich Fohlen gerne Unarten von ihren Müttern ab. Oder beim ersten Springtraining geht ein erfahrenes Pferd voraus und das Jungtier hinterher und wird dadurch sicherer (sicherlich spielt der Herdentrieb hier auch noch eine Rolle).
Dann gibt es noch das kognitive Lernen. Auch als Lernen durch Einsicht oder Lernen durch Denken bezeichnet. Dazu braucht man kognitive Vorraussetzung, wie Vorstellungsvermögen, Erfassen von Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen, das Erfassen von Sinn und der Bedeutung einer Situation und je nach Situation noch abstrakte Systeme, wie Zeitvorstellung.
Meiner Meinung nach sind die meisten dieser kognitiven Leistungen für Pferde nicht zu schaffen. Gerade abstrakte Zeitvorstellung (Gestern, Heute, Morgen) erscheinen mir zu kompliziert, was eine Verbindung von "Gestern reiten -> Heute Aua" für mich unmöglich macht. Wir haben auch überlegt, ob sich die Situation anders darstellt, wenn das Pferd nie geritten wird, außer Sonntags und dann gleich fünf Stunden, mit Muskelkater am darauf folgenden Tag. Das man sagen könnte, dass das Pferd immer Schmerzen hat nach dem Reiten. Aber auch da erschien uns die Zeit dazwischen zu lang.
(Für andere Tierarten sind auch solche Denkvorgänge nachgewiesen, zum Beispiel Menschenaffen.)
Für mich lassen sich bis jetzt alle Sachen, die ich bei Pferden gehört und erlebt habe, auf einfache Lernvorgänge zurückführen. Wobei, wenn man ein Pferd nicht von Fohlen an kennt, kann man sich oft nicht alles erklären. Aber solche Erfahrungen klammere ich jetzt mal aus, denn auch die entstammen meist negativen Assoziationen.
Und was ich nochmal betonen möchte ist, dass dies nicht abwertend gegenüber dem Pferd gemeint ist. Denn auch diese Prozesse erfordern schon viel Leistung und sollen das Pferd keinesfalls als "dumm" darstellen. Denn egal wie man lernt, jedes Lebewesen hat neben diesen Lernfähigkeiten auch noch einen bestimmten Charakter, Gefühle, Schmerzempfinden und eine festgelegte Genetik. Somit ist auch für mich jedes Tier ein Individuum und wird als solches behandelt.
Doch ebenso wie ich bei Kindern darauf achte, dass ich ihnen keine Aufgaben stelle, die sie aufgrund ihrer Entwicklung noch nicht lösen können, so handhabe ich das auch beim Pferd. Und da klammere ich kognitives Lernen (neben anderem, typisch menschlichem Verhalten wie Wut) aus.
Gawan hat Folgendes geschrieben:
Im Frühling, wenn die Pferde bei uns im Stall "angegrast" werden, fressen sich die meisten Warmblüter systematisch durch das frische Gras, während Gawan sich auf die Suche nach Spitzwegerich und Löwenzahn macht. Da er weder Pharmakologie studiert noch Bücher über Heilkräuter gelesen hat, kann er nicht wissen, dass es sich dabei um "Medizin" handelt. Warum sucht er dann danach und lässt das saftige Gras stehen?
Über dieses Phänomen habe ich etwas in einem Buch zum Thema Sommerekzem gelesen. Dort wurde beschrieben, dass Pferde intuitiv das fressen, was der Körper gerade benötigt.
Die Autorin schrieb als Beispiel, dass die Pferde auf der Wiese wochenlang um die Brennnesseln (ich glaube es waren Brennnesseln, bin nicht mehr ganz sicher) herumgefressen haben, und als scheinbar ein Mangel bestand, machte sich ein Pferd plötzlich ganz gierig über die Brennnesseln her. Ich würde das auch in die Kategorie Intuition einstufen, so wie viele Tiere wissen, welches Futter giftig und somit zu meiden ist, un welches nicht.
Dem stimme ich zu, das erklärt sich für mich auch über instinktives Verhalten. Wobei ich auch der Meinung bin, das viele Pferde das schon verlernt haben. Solche Prozesse sind leider bei der Domestizierung häufig zu sehen.
Im Sommer gehe ich, bevor ich mich auf den Heimweg mache, meist nochmals auf die Weide und bringe Gawan ein paar Leckerli. Die Weide ist in verschiedene Abschnitte unterteilt, die im Laufe der Wochen einer nach dem andern geöffnet werden. Einmal ergab es sich, dass Gawan in einem Teil stand und ich in einem anderen. Ich gab ihm ein Leckerli durch den Zaun und trat dann einen Schritt zurück. Etwa zwanzig Meter entfernt von uns war eine Wasserstelle und daneben ein offener Durchgang. Da Gawan zuerst nur etwas verwirrt stehenblieb (er weiss aus Erfahrung, dass er in der Regel mehrere Leckerlis bekommt), machte ich einen Schritt auf die Wasserstelle zu. Da lief Gawan los, umrundete die Wasserstelle und kam zu mir, um sich sein Leckerli zu holen. Daraufhin kletterte ich durch den Zaun auf die andere Seite, Gawan lief gleich wieder um die Wasserstelle, um sich noch ein Leckerli zu holen. Er hatte also verstanden, dass er von mir bzw. dem Leckerli weggehen musste, um zu mir und dem Leckerli hinzukommen ("Umweg führt zum Ziel").
Wie gesagt, Pferde haben einen guten Orientierungssinn. Er wird die Tore der Weide sicher gut kennen. Wenn nicht, hätte er vielleicht gesucht und dann durch "Versuch und Irrtum" rausgefunden wo ein Tor zu dir ist. Aber ich weiß auch, das nicht alle Pferd so schlau sind und dann da stehen und hilflos wiehern. Da gibt es wie bei Menschen sicher auch Unterschiede in der Intelligenz. Jetzt könnte man überlegen, ob die Denkleistung "einen Umweg gehen" schon kognitives Lernen ist oder nicht, da es schon eine gweisse Übersicht über die Situation erfordert. Was meint ihr?
Was mir auch noch aufgefallen ist: Wenn ich Gawan auf der Weide zu mir rufe und das Halfter dabei habe (ihn also von der Weide holen will), strahlt er häufig, bevor er zu mir kommt.
Für mich ein ganz klassisches Beispiel für postive Assoziation (wieder gelernt durch Konditionierung). Er verbindet mit dir Positives. Und wer freut sich da nicht.

Jedes Lebewesen sucht Orte oder andere Individuen auf, mit denen es Positives verbindet.