Stephanie hat geschrieben:... wird eben oft nicht mehr aktiviert, dafür aber auch vorne wunderbar ohne Zügelhilfe angehalten.
... und genau diese Bemühen, also quasi "Ausbildung ohne Einwirkung" haben sich sehr viele Reiter zum Ideal gemacht.
Ich persönlich halte das für einen Irrweg, bzw. ein völlig falsches Verständnis von Ausbildung, auch wenn es sich so schön anhört und alle mit großer Bewunderung an den Lippen der Verkünder solch neuer "Reitlehren" hängen. Das läßt sich ja auch prima teuer verkaufen und damit man nicht so ganz genau hinschaut wird jeder Zweifler sofort exkommuniziert und als Verräter gelyncht. Aber zurück zum Thema...
Wenn man von Anfang an auf Einwirkung verzichtet,
läßt man das Pferd mit der Situation "da sitzt ein Reiter auf meinem Rücken"
alleine. Im besten Fall (starkes Gebäude beim Pferd, leichter mitfühlender Reiter) führt das dazu, dass der Reiter als Gast mitgenommen wird. Im Regelfall führt es aber dazu, dass sich das Pferd Wege sucht, um sich der Belastung zu entziehen, was völlig natürlich ist.
Gerade die Ausbilder, die sich später durch eine besondere Leichtigkeit auszeichnen, weisen darauf hin, dass am Anfang der Ausbildung vor allem eins wichtig ist: "vorwärts, vorwärts, vorwärts" (z.B. der Oliveira Schüler Barbier in seinem Buch "Perfekt Dressurreiten").
Es kommt allerdings darauf an, was man aus diesem Vorwärts dann macht (sicher nicht "vorne ziehen"). Was viele dabei allerdings gerne übersehen,
je langsamer ein Pferd sich unter dem Reiter mit Schwung bewegen soll,
desto mehr "Vorwärts" ist nötig. "Vorwärts" hat also nichts mit Geschwindigkeit zu tun.
Ausbildung eines Reitpferdes bedeutet zunächst einmal gezielte systematische Gymnastizierung mit dem Ziel, dass unser Reitpferd den Reiter nicht nur ohne Probleme in allen Lektionen tragen kann, sondern dass es dabei möglichst in der Weise Muskeln aufbaut, dass es in der Bewegung unter dem Reiter besonders ausdrucksstark wird ("Reiten Sie Ihr Pferd schön").
Ohne Einwirkung des Reiters wird dies nicht gelingen. Wer etwas anderes behauptet, will den Leuten nur mit schönen Versprechungen vom einfachen Weg das Geld aus der Tasche ziehen. Seriöse Ausbilder, wie z.B. Herr Hinrichs werden darüber nur lächeln.
Nun ist man sich bei in der klassischen Reitlehre einig, dass es dabei insbesondere auf die Aktivierung der Hinterhand ankommt.
Gleichzeitig muss man aber darauf achten, dass diese Aktivität nicht dazu führt, dass das Pferd "flieht" also der Hilfe nach vorne ausweicht. Es kommt darauf an, die Aktivität der Hinterhand in Schwungkraft umzuwandeln. Das ist dann zwar in der Theorie ganz leicht (Übergänge, Seitengänge), aber in der Praxis eben leider eher schwierig.
Völlig falsch wäre es nun, entweder entsprechend scharfe Gebisse zu benutzen, um reiterliche Defizite auszugleichen oder gleich ganz auf Einwirkung zu verzichten. Es bringt auch nichts, sich alle zwei Jahre einer neuen Reitlehre zuzuwenden. Der einzige Weg ist leider Geduld sowie ständiges Hinterfragen und Lernen. Ziemlich langweilig, depremierend und nicht geeignet, den Leuten mit Lehrgängen das Geld aus der Tasche zu ziehen, aber dafür bewährt.
