Sitara hat geschrieben:
Naja, es ist aber auch echt ein Unterschied zwischen Theorie und Praxis, also die Sache mit der Senkrechten.
Nein, das sehe ich ganz und gar nicht so. Es ist gar kein Unterschied zwischen Theorie und Praxis, was Stirnlinie hdS in unterschiedlichen Halspositionen bewirkt ist klar und steht fest aber,

...
es gibt viele Eckpunkte, wie es IDEALERWEISE sein SOLL und da es beim Reiten genauso ist, wie bei allen anderen Dingen auch, ist Perfektion nicht existent, sondern man kann sich ihr nur annähern.
Daher muß eine Bewertung stattfinden, welcher der Punkte, wie etwas sein soll, wie gewichtet wird, denn man kann nicht immer alle Punkte perfekt erfüllen- bzw. das Pferd kann es auch nicht.
Und hier scheiden sich dann die Geister.
Für mich wird es immer dann unsinnig, wenn ich eine starre Regel über die Äußerungen und die individuellen Bedürfnisse des Pferdes stelle.
Ist mir der aufgefächerte Wiederrist bei einem langen, schlacksigen und spannunglosen Pferd mit enggestellten Dornfortsätzen das Wichtigeste, so kann es sein, daß ich diesen wichtigen Eckpunkt, an erste Stelle setze.
Hierfür
muß ich in der frühen Phase den passiven Hebel des Halses nutzen und kann nicht auf den aktiven, muskulären Trageapperat zurückgreifen. In so einem Fall muß ich also den Hals tiefer einstellen, als ich es
eigentlich für richtig halte, ggf. sogar das Genick enger.
Aus verschiedenen Gründen und weil ich weiß, wie ich dann in Folge über die Bearbeitung der HH-Mechanik dahin komme, daß das Genick der höchste Punkt des Halses werden kann.
Das bedeutet nicht, daß ich dieses Ziel Genick höchster Punkt und Stirnlinie v.d.S. aus den Augen verliere, aber ich stelle seine Bedeutung u.U. etwas zurück, weil mir ein anderer Punkt vorrangiger erscheint und ich eben nicht alle Eckpunkte zu 100% gleich bekommen kann.
Wie im einzelnen die Prioritäten gesetzt werden, darüber kann man streiten.
Mir persönlich ist z.B. die Stirnlinie vor der Senkrechten in ihrer Wirkung SO wichtig, daß ich nur in absoluten Ausnahmefällen in Kauf nehme, sie zu hinterschreiten. Dennoch habe auch ich vereinzelte Pferde, die ich kurzfristg so eingestellt habe, weil
mein Gefühl mir sagte, daß dieses Pferd das jetzt gerade mal so
braucht.
Das ist dann aber kein systematisches Ausbildungsmittel- wie z.B. das Reiten von Übergängen- sondern für mich ein Korrektiv und ein "Spezialvorgehen", das ich schnellstmöglich wieder hinter mir lasse.
Nicht anders verhält es sich mit dem aktiven Hochnehmen des Halses und Kopfes eines Pferdes. Auch das KANN eine sinnvolle- vorübergehende! Maßnahme sein- dann u.U. auf Kosten der Rückenfunktion und der HH- Mechanik. Alles hat seinen Preis

.
Andere Ausbilder ordnen das möglicherweise - in ihren Augen auch gut begründet- ganz anders ein.
Und hier ist der Streitpunkt :
Wie gewichte ich welchen Eckpunkt und warum !
Dies zu diskutieren ist interessant und lehrreich, denn man hat so die Möglichkeit, verschiedene Positionen zu beleuchten und die eigene zu überprüfen, zu ergänzen , auch zu festigen oder zu ändern.
Um so etwas einzuschätzen, beurteilen und entscheiden zu können, braucht es aber Erfahrung und Wissen- Wissen über die Zusammenhänge und Wissen um Wege, die zu gewünschten Zielen führen und
idealerweise auch Wissen um Alternativen.
Diese Diskussionen hier im Forum kranken für meinen Geschmack häufig daran, daß Teilaspekte von Zusammenhängen zwar erfasst ( gelesen oder gehört) , aber nicht reflektiert ( verstanden und eingeordnet) und nicht erfühlt/ belebt sind.
Und daß dann Teilaspekte aus dem Zusammenhang - der durchaus in sich stimmig sein kann- herausgerissen und vernichtend verurteilt werden- ohne daß man sich die Mühe macht ( oder die Fähigkeit hat), zu schauen, ob vielleicht eine gezieltes Vorgehen dahintersteckt- welches und warum dieses.
"Richtig" und "falsch" ist in der Praxis ein sehr relativer Begriff- auch wenn er im
Gesamtkontext durchaus bestimmten Regeln unterworfen ist.
Allerdings ist die Welt, wenn sie in "richtig " und "falsch" eingeteilt ist, sehr viel einfacher zu begreifen und es lebt sich simpler-im wahrsten Sinne- darin.
... und daher, Sitara, stimmt das :" Frau Pferd fiel es verdammt schwer, mit Nase vor zu laufen und mir fiel es mindestens ebenso schwer, ihr dies zu zeigen und zu vermitteln." nur in soweit, als daß es ihr unter bestimmten Gesichtspunkten- die
du als wichtig erachtet hast und daher darauf bestanden- schwer fiel, mit "Nase vor zu laufen".
In soweit wäre diese Aussage nun zu untersuchen
In welcher Haltung fiel ihr das schwer?- Wie waren die von dir angestrebten erstrangigen Eckpunkte? Was hat dich veranlasst, diesen Punkt hinter andere zurückzustellen?
Für mich z.B. ist "Nase vor" bei einem Jungpferd so wichtig, daß ich nicht willens bin andere Punkte höher zu bewerten und zugunsten dieser ,"Nase hinten " als Preis zu akzeptieren.
Eine Frage der Betrachtung und der Bewertung-
die man auf den ersten Blick gar nicht beurteilen kann....