saltandpepper hat geschrieben:
...
Herr Karl hat möglicherweise wirklich den Sinn und die Aufgabe der SdA nicht verstanden. Sie ist ja lediglich eine Auflistung von Eigenschaften einer erfolgreichen Ausbildung, weist aber keinen Weg auf. Sie ist ein Mittel der Überprüfung, keine Ausbildungsanleitung.
Andererseits haben auch unzählige Reiter und Ausbilder der FN genau diesen Zweck der SdA auch völlig falsch verstanden und nehmen sie leider genau so, wie auch Herr Karl sie versteht : als Leitfaden für die Ausbildung.
Insofern hat er dann ja doch ins Schwarze getroffen. Übrigens kann ich mir nicht recht vorstellen, dass für ihn das Verständnis für die deutsche Reittradition ein sprachliches Problem ist. Sollte sich in den xx Jahren in Saumur keiner gefunden haben, der die Ausbildungsskala adäquat übersetzt? So ein komplexes Gedankengebäude ist sie nicht. Steinbrecht gibt es in Übersetzung. Und er hat eine deutsche Frau.
saltandpepper hat geschrieben:
Dafür ist sie jedoch meiner Meinung nach völlig ungeeignet.
Das ist aus dem historischen Kontext ihrer Entstehung aus der Heeresdienstvorschrift 12 von 1912/1937 auch ganz logisch. Die preußisch-deutsche Armee war weltweit die einzige, in der die sogenannte Auftragstaktik allgemeine Führungsform war. Das bedeutet, eine militärische Einheit, eine Division, Kompanie o.a. erhält in Manöver oder Ernstfall den Befehl z.B. einen Angriff auf eine Stellung in einem bestimmten Zeitrahmen durchzuführen. Auf welche Weise sie dieses gesetzte Ziel erreicht, wie sie die zur Verfügung stehenden Mittel einsetzt, war Sache des kommandierenden Offiziers dieser Einheit. Die hieraus resultierenden Freiheiten der Entscheidung haben in der Kriegsgeschichte eine beachtliche Rolle gespielt. Da war es aber nur konsequent, auch in der Ausbildung von Pferd und Reiter auf ein umfangreiches Regelwerk zu verzichten und den verantwortlichen Offizieren nur eine Zielbeschreibung als Leitfaden an die Hand zu geben. Wer es genau wissen wollte las v.Krane, Spohr, Steinbrecht, Plinzner. In der H.Dv.12 von 1937 macht der Teil C „Ausbildung der Pferde“ gerade 40 kleine Seiten aus. Und wenn ich mir die FN-DVD „Gewöhnung und Anreiten“ ansehe, so scheint mir, das ist bis heute so geblieben: Zum Beispiel wird dort gesagt, es müsse immer wieder die Dehnungsbereitschaft des Pferdes überprüft werden; wie das zu machen ist und was zu tun ist, wenn das nicht einfach so von alleine klappt – davon kein Wort.
morimur hat geschrieben:Wenn man sich mal die Mühe machen würde und nachforschen, was hinter den einzelnen Elementen der SdA steht und älterer Literatur durchforstet, dann kommt man sehr schnell dahinter, daß vieles von dem dort Geschriebenen mit den Inhalten von PK in Einklang steht. Beispielweise ...
Interessant ist auch, was Paul Plinzner, der eigentliche Autor des „Gymnasium des Pferdes“, von seinem Lehrer Steinbrecht berichtet:
„So erinnere ich mich, ihn vielfach mit ziemlich hochgstelltem Halse arbeiten gesehen zu haben, wobei infolge der taktmäßigen Beweglichkeit seiner Arme und Hände das Pferd in jedem Tritt in eine gewisse Beizäumung herunterklappte, und wobei die Hankenschwingungen sichtlich immer schöner und geschmeidiger wurden...“
morimur hat geschrieben:
Nur weil ich zu dumm bin, um Quantenphysik zu verstehen, kann ich doch nicht behaupten, Quantenphysik sei doof. Was kann die Physik für meine Blödheit?
Sehr richtig. Das war ja der Ausgangspunkt für dieses Thema: Philippe Karl nicht lesen, nicht sehen, nicht verstehen, aber in der „Piaffe“ vom Leder ziehen.
morimur hat geschrieben:
Ist es nicht das Grundproblem, daß Reiten nicht mehr als Kulturgut begriffen wird, sondern als Sport? Gehörte nicht mal zum Reiten die reiterliche und persönliche Bildung dazu?
Früher ritten mit den Offizieren viele Vertreter einer gebildeten Oberschicht mit zum Teil überragendem Bildungshintergrund und Fremdsprachenkenntnissen. Oberst v.Heydebrek, der Mitverfasser der H.Dv.12. hatte kein Problem sich mit General Decarpentry, einem Baucheristen, auszutauschen und Felix Bürkner war von den Aufführungen des Cadre Noir tief beeindruckt. Vielleicht leidet die deutsche Reiterei auch unter den Spätfolgen des Abreißens der militärischen und damit kavalleristischen Tradition ab 1945: Die Kavallerieschule Hannover wurde aufgelöst, das Cadre Noir blieb. Da fehlt die Berufsreiterelite abseits des Sportes.
"Es ist ganz einerlei, ob man das Wahre oder das Falsche sagt: Beidem wird widersprochen."
(Goethe)