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Verfasst: Fr, 03. Jun 2011 10:25
von Jen
Nein, ich glaube eben maximale Versammlung ist nicht mehr das Ziel heute! Heute ist - gerade im Sportbereich - die Ausgewogenheit von Versammlung und Schub/Vorwärts (ich weiss grad nicht, wie ich das jetzt benennen soll, ohne dass wir darüber diskutieren müssen, was vorwärts bedeutet) oder das Verhältnis ist gar eher zugunsten des Schubes/Schwunges, die maximal mögliche Versammlung gar nicht mehr gewünscht. Wird auch gar nicht "gebraucht". Ist das Pferd nämlich zuuuu stark gesetzt werden Übergänge schwieriger/holpriger/hüpfender. Und da muss man auch mal die Dressurprogramme von vor 60 Jahren und heute vergleichen. Auch da hat sich - was Lektionsreihen und Schwierigkeit betrifft - doch einiges geändert, meine ich. Da hat es sicher wissendere Schreiber als ich, die vielleicht was dazu sagen können?
Ich denke, auch ein Einfluss hat der Pferdetyp darauf was gewünscht wird. bzw. umgekehrt wird der Pferdetyp nach einem Wunschbild gezüchtet. Und seien wir ehrlich: da ist der raumgreifende, starke Trab das Ideal und nicht die starke Versammlung. Das sieht man ja in all den Hengstpräsentationen und Zuchtschauen, wo die Pferde Längen um Längen die Beine schmeissen sollen. Es wird kaum eine versammelte Gangart je gezeigt.
In der Gebrauchsreiterei, wo man auf kleinerem Raum stärkere, schnellere Wendungen machen muss, da ist das "Maximum" an Setzen ja noch eher gefragt, wie die Feder die sich maximal zusammenzieht, um dann loszuschiessen. was aber aufgrund der Schnelligkeit der Reaktionsfähigkeit ja auch wieder auf Kosten anderer Details geht (Regelmässigkeit, Losgelassenheit etc.), die in der Dressurreiterei wichtig sind, in der Gebrauchsreiterei aber nicht. In der Gebrauchsreiterei sieht man ja auch andere Lektionen, wie media vueltas (wie schreibt man das?argh), oder volltraversalen im Galopp (also seitwärts-galopp) oder Terre-à-Terre-artige Gänge. Das ist in der heutigen Dressurreiterei nicht gewünscht. Aber es ist alles möglich und für gewisse Zwecke auch nötig.
Ich schreibe das deshalb, weil ich meine, dass sich das Idealbild und das Wunschziel über die Zeit hin geändert hat. Da müssen wir ja nicht mal so weit zurückgehen. Vor 30 Jahren wurden die Pferde mit stärkerer Aufrichtung und freierer Kopfhaltung geritten. Heute herrscht eine viel stärkere Beizäumung vor, sonst wird gleich bemängelt, dass das Pferd "nicht geschlossen", "nicht über den Rücken" und "nicht am Zügel" ist. Das Bild hat sich geändert. Und damit auch die REiterei.
Verfasst: Fr, 03. Jun 2011 10:26
von esge
Lord Fado: Willst du damit sagen, dass alle modernen Ziele "gute" sind?
Ein Studium der Geschichte hat mich gelehrt, dass es mitnichten nur die besten Dinge sind, die die Jahrhunderte überdauert haben.
Verfasst: Fr, 03. Jun 2011 10:35
von Isomer
2 Takt 3 Takt 4 Takt 3/4 Takt.......ich werd noch ganz wirr!!
Jedenfalls ist der Trab eigentlich auch ein 4 Takt und das Pferd ist besonders gut wenn das Hinterbein zuerst auf fußt hat jedenfalls mal so ein Schwede behauptet (positiver DIP).
Und hier 4 Takt mit Schwebephase und Hinterbein zuerst bei nem Galopper
http://www.youtube.com/watch?v=OcD1_jvh ... re=related
Also das mit der Reinheit der Gänge ist glaub ich so ne Sache, bin eher für ein harmonischen Bewegungsablauf wenn das natürlich und schön aussieht ist man immer auf der richtigen Seite!
Verfasst: Fr, 03. Jun 2011 10:35
von Cubano
esge hat geschrieben:
Ein Studium der Geschichte hat mich gelehrt, dass es mitnichten nur die besten Dinge sind, die die Jahrhunderte überdauert haben.
Eben
Natürlich sind nicht alle modernen Ziele gut. Ebenso wenig, wie alles, was früher geritten wurde, automatisch gut ist. Aber ein paar Dinge, die sich zwischen dem 18. Jahrhundert und heute abgespielt haben, finde ich durchaus beachtenswert, dazu gehören für mich die aktive Dehnungshaltung und eben besagter Erhalt der reinen Gänge.
Was den Schulgalopp angeht: Weil es Spaß macht oder weil man mal schauen will, was geht, sind doch Begründungen, mit denen ich durchaus was anfangen kann. Nur glaube ich eben nicht daran, dass der Schulgalopp zwingend zu den höchsten Weihen der klassischen Reitkunst gehört. Dafür spricht m.E. auch die simple Tatsache, dass er heute auch in der Klassik-Ecke so gut wie nie mehr gezeigt wird.
Verfasst: Fr, 03. Jun 2011 10:39
von esge
Isomer hat geschrieben:2 Also das mit der Reinheit der Gänge ist glaub ich so ne Sache, bin eher für ein harmonischen Bewegungsablauf wenn das natürlich und schön aussieht ist man immer auf der richtigen Seite!
Unterschreib
Verfasst: Fr, 03. Jun 2011 10:40
von Max1404
Ich finde, Jen hat gerade etwas ganz wichtiges gesagt: maximale Versammlung hängt auch von der Versammlungsfähigkeit des Pferdetyps ab. Die Zucht spielt bei der Reiterei und deren Ziele eine nicht zu unterschätzende Rolle. Das ideale Dressurpferd waren einst die typischen Barockpferde, später galten Vollblüter als ideal, und heute ist es im Sport das moderne Warmblut. Jeder Typ hat seine Vor- und Nachteile, und entsprechend muss die Reiterei darauf abgestimmt werden. Und jeder Klassiker muss auch vor dem Hintergrund des zu seiner Zeit idealen Zuchtziels betrachtet werden. Und vor diesem Hintergrund halte ich einen 4-Schlag-Galopp mit einem Vollblüter oder Warmblüter nicht für erstrebenswert. Ich bin aber gerne bereit, meine Meinung zu ändern, wenn mir jemand ein Video mit einem in gutem 4-Schlag-Galopp gerittenen Warmblüter oder Vollblüter präsentiert.
Verfasst: Fr, 03. Jun 2011 10:52
von Fliehendes Pferd
Und um noch einmal das Zitat von Gawan zu bemühen: der 4-taktige Galopp war den Lektion Galopp rückwärts, Galopp auf der Stelle und der Pirouette zugewiesen, ist also auch nur als bestimmtes Mittel zum Zweck und nicht als Selbstzweck angesehen worden.
Verfasst: Fr, 03. Jun 2011 10:56
von LordFado
esge hat geschrieben:Lord Fado: Willst du damit sagen, dass alle modernen Ziele "gute" sind?
Ein Studium der Geschichte hat mich gelehrt, dass es mitnichten nur die besten Dinge sind, die die Jahrhunderte überdauert haben.
Hab ich doch nirgends so gesagt! Nur dass sich dann die Ziele offenbar geändert haben und man drum nicht mehr jedes hunderte Jahre alte Wort auf die Goldwaage legen muss/darf/sollte.
Verfasst: Fr, 03. Jun 2011 10:57
von LordFado
Fliehendes Pferd hat geschrieben:Und um noch einmal das Zitat von Gawan zu bemühen: der 4-taktige Galopp war den Lektion Galopp rückwärts, Galopp auf der Stelle und der Pirouette zugewiesen, ist also auch nur als bestimmtes Mittel zum Zweck und nicht als Selbstzweck angesehen worden.
Das glaube ich nun viel eher - das ist eben eine "Nebenwirkung" aber kein erstrebenswertes Ziel ansich! Moreno und horsmän lese ich aber anders und würde sie gern verstehen...
Verfasst: Fr, 03. Jun 2011 11:15
von horsman
also Steinbrecht schreibt das etwas anders (schwärmt gerade zu von diesen Schulgängen), betont aber auch - und nix anderes hab ich jemals behauptet - dass es eher nur den besonders fähigen Pferden (und Reitern) zufällt, einen guten Schulgalopp zu zeigen und das es der höchste Grad der Vervollkommung des Ganges im Sinne der hohen Schule der klass. Reitkunst ist. (Vermutlich gabs zu Steinbrechts Zeiten nicht viele Iberer in der dt. Reiterei - vielleicht aber die Lippiz.(?) und auch Anglo-Araber denke ich, denn sie waren hip; Pferde mit besonderer Versamml.fähigkeit gibt es aber auch hier und da in anderen Rassen).
Als Faustregel kann man sicher auch sagen: wenns sch*** aus sieht oder sich schlecht anfühlt, ist es definitv kein Schulgang.
Dass die geregelte Sportdressur heute andere Ziele hat, ist ja bekannt. Sie macht auch mehr oder weniger bei den Gleichgewichtsgängen halt. Deswegen braucht man hier nicht nach Schulgalopp zu suchen, übrigens auch nicht nach Schulschritt. Ob das nun pos. oder neg. ist will ich gar nicht werten.
Dies Wissen könnte aber zB auch helfen zu verstehen, dass eine Pirouette im 4-takt-Galopp auf der HH keine schlechte, weil taktunreine Pir. ist. Es soll ja Leute geben, die das meinen.
Verfasst: Fr, 03. Jun 2011 12:50
von Gawan
Fliehendes Pferd hat geschrieben:Und um noch einmal das Zitat von Gawan zu bemühen: der 4-taktige Galopp war den Lektion Galopp rückwärts, Galopp auf der Stelle und der Pirouette zugewiesen, ist also auch nur als bestimmtes Mittel zum Zweck und nicht als Selbstzweck angesehen worden.
Ich habe Oliveira etwas anders verstanden: ein stark versammelter Galopp auf den Hanken wird ab einem gewissen Punkt zum Vierschlag-Galopp, beim Galopp rückwärts, auf der Stelle und in der Pirouette (!) ist er sozusagen Bedingung, d.h. aber nicht, dass man damit nicht auch vorwärts statt rückwärts reiten kann (wenn auch nicht sonderlich schnell: ich erinnere mich an Ausritte mit Solinski, bei denen ich Schritt ritt, und er daneben im selben Tempo galoppierte; ich weiss jetzt nicht mehr, ob das im Drei- oder Viertakt war, aber sein Pferd kam dabei vorne sehr hoch, daher war es wohl eher Viertakt).
Zu den verschiedenen Pferderassen und Reitweisen im Laufe der Zeit: Diese haben sich ja auch den militärischen Anforderungen entsprechend geändert. Wo Reiter sich noch zu Pferd im Schlachtgetümmel bewegen mussten, war ein wendiges Pferd wichtiger als ein linear schnelles. Dieser Reitstil verlangte aber intensive Schulung, war daher für eine grosse Kavallerie wohl kaum geeignet.
Mit der Entwicklung der Waffentechnik (Schusswaffen, Artillerie) entwickelte sich die Kavallerie immer mehr Richtung berittene Infanterie, d.h. ausser gerade gerittenen, ev. selbstmörderischen Attacken (z.B.
http://de.wikipedia.org/wiki/Attacke_de ... en_Brigade) wurde gar nicht mehr so häufig vom Pferd aus gekämpft, sondern es diente zunehmend nur noch als Transportmittel. Dafür war aber kein Pferd mehr nötig, das die Hohe Schule beherrschte, zudem hätte man in einem Massenheer wohl kaum genug Reiter gefunden, die auch so gut reiten konnten. Als Transportmittel musste es aber mit genug Tempo vorwärtskommen, also wurde auch ein anderer Pferdetyp nötig. Dabei war auch eine gewisse Normierung nötig, in Jonathan Bonifaces Buch “The Cavalry Horse and his Pack” lehnt der Autor z.B. Pferde mit Spezialgängen ab, da diese im Tempo nicht zu normalen Dreigängern passen.
Zum Filmmaterial:
auf Youtube gibt es einige Filmchen zum Terra à terre. Bei diesem verschiebt sich zwar die Fussfolge Richtung HR/HL---VR/VL,
http://www.youtube.com/watch?v=T16OLo9P ... re=related
http://www.youtube.com/watch?v=EoGZa3-L ... re=related
doch in der Vorbereitung darauf kommt es gelegentlich auch zu HR-HL--VR-VL:
http://www.youtube.com/watch?v=mAWjTnFqVvA
http://www.youtube.com/watch?v=txMSx3nam6I
Das eine solche Bewegung so künstlich nicht ist, zeigt diese Aufnahme:
http://www.youtube.com/watch?v=d6afpPqy ... re=related
Da der Begriff Schulgalopp sehr selten verwendet wird, habe ich nach Terre à terre gesucht; falls ich mal zuviel Zeit habe, werde ich noch in Videos der akademischen Reitkunst nach Galoppaufnahmen suchen (ja ja, ich weiss, die reiten ohne Schwung etc., dafür beschäftigen sie sich mit so verstaubten Typen wie Pluvinel).
Tanja Xezal
Verfasst: Fr, 03. Jun 2011 13:22
von Max1404
Terre à Terre ist aber ein 2-Takt Galopp. (Ich weiß, ich bin ein Erbsenzähler

).
Scherzchen: Übrigens hat Totilas gestern in der Siegerehrung etwas gezeigt, das durchaus mit TaT zu vergleichen war ... Und meine können das auch, sie müssen nur genug genug geladen sein
Spaß beiseite: Das sind unerwünschte Effekte, die durch Aufregung entstehen. Wenn es jemand bewusst reitet und das noch dazu wirklich gut ausbilden kann, dann hat derjenige meinen größten Respekt.
Verfasst: Fr, 03. Jun 2011 13:48
von Gawan
Max1404 hat geschrieben:Terre à Terre ist aber ein 2-Takt Galopp. (Ich weiß, ich bin ein Erbsenzähler

)
Weiss ich, daher habe ich auch geschrieben "verschiebt sich nach HR/HL - VR/VL". Terre à terre ist auf Youtube einfach leichter zu finden, schon weil es den Begriff auch im Englischen gibt. In den Filmchen sieht man teilweise auch, dass die Pferde beim Setzen der Hufe verschiedene Varianten zeigen, also hinten exakt beide Hufe zusammen und vorne kurz nacheinander, oder umgekehrt. Meiner Ansicht nach können Pferde alle möglichen Varianten galoppartiger Bewegungen entwickeln, es ist der Mensch, der festlegt, dass er nur eine bestimmte Bewegung haben will.
Tanja Xezal
Verfasst: Fr, 03. Jun 2011 21:03
von esge
Ich begehe jetzt mal fröhlichen Selbstmord.
http://www.youtube.com/watch?v=tvaIZhtEJnU
Die Takte könnt ihr selbst zählen. Das ist jedenfalls das, was ICH meine, wenn ich behaupte, ich würde irgendwas in der Art reiten.
Übrigens habe ich das mit der heutigen Aufnahme auch zum ersten Mal selbst gesehen. Anfühlen tut es sich nach mehr "Sprung". Tja, Wahrnehmung und Wirklichkeit... zudem kams Pony mit vollgefressenem Wanst von der Weide- na ja, egal. fröhliches Zerpflücken allerseits.

Verfasst: Sa, 04. Jun 2011 07:40
von saltandpepper
Fein esge !

, wenn er noch weicher in der Hanke wird, wird das GROSS !
