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Verfasst: Do, 06. Mai 2010 13:18
von Lulu
Tossi hat geschrieben: Der überlegte Einsatz von HZ bei der Longenarbeit hat m.E. nichts mit Selbstbetrug zu tun. Ein schlecht gearbeitetes Pferd erkennt man auch mit HZ und Maßstab/Prüfstein für jegliche Arbeit bleibt für mich immer noch das gerittene Pferd, d.h. ich longiere, um mein Pferd zielgerichtet für die Arbeit unterm Sattel zu gymnastizieren und zu trainieren. Jede Longeneinheit wird an den aktuellen Ausbildungszielen/ oder auch -problemen unter dem Sattel ausgerichtet.
Danke, Tossi! Genau darin sehe auch ich den Sinn vom Longieren ---> d.h. ich muss mir jederzeit darüber bewusst sein was ich generell für ein Ziel (beim Reiten) habe und wie ich die Ausbildung dahingehend auch durch sinnvolle Longenarbeit unterstützen kann.
Dabei hat aber die Longenarbeit (egal wie man sie ausführt) nur Sinn, wenn ich sie korrekt ausführe u.U. auch mit HZ.

Lulu

Verfasst: Do, 06. Mai 2010 15:01
von Phanja
Der überlegte Einsatz von HZ bei der Longenarbeit hat m.E. nichts mit Selbstbetrug zu tun.
Das hat ja auch niemand behauptet :roll:
Es ging mir lediglich darum, dass Selbstbetrug nichts mit pro oder contra HZ zu tun hat sondern mit der Person an sich ...
Ein schlecht gearbeitetes Pferd erkennt man auch mit HZ und Maßstab/Prüfstein für jegliche Arbeit bleibt für mich immer noch das gerittene Pferd, d.h. ich longiere, um mein Pferd zielgerichtet für die Arbeit unterm Sattel zu gymnastizieren und zu trainieren.
Ich longiere auch nur, wenn ich weiß, was ich damit erreichen will und nicht damit mein Pferd sich ein bisschen im Kreis bewegt hat
Jede Longeneinheit wird an den aktuellen Ausbildungszielen/ oder auch -problemen unter dem Sattel ausgerichtet.
So soll es ja auch sein ...
Da habe ich zugegebenermaßen eine vollkommen andere Ausrichtung wie einige hier im Forum - Zirkuslektionen und Freiheitsdressur sind nicht so mein Ding.
Ich hab mit meinem vorherigen Pferd kaum Freiheitsdressur oder Zirkuslektionen gemacht. Ich glaub auch nicht, dass das zwingend jedem Pferd Spaß macht. Meinem jetzigen Pferd macht es Spaß und war der Schlüssel zu vielen Problemlösungen - was uns wiederum sehr viel unterm Sattel und für die Arbeit an der Hand gebracht hat. Auch Freiheitsdressur ist etwas, was man an der übrigen Arbeit ausrichten kann ...

Aber ich denke, das weicht jetzt zu weit vom Thema ab.
Letztlich ist doch wichtig, was das Ergebnis ist und wenn der eine mit HZ zum Ziel kommt und der andere ohne, dann haben es beide richtig gemacht.

Verfasst: Fr, 07. Mai 2010 20:31
von Cubano
Catja&Olliver hat geschrieben:[ Wenn ich ihm den Kopf unten festbinde, sieht das hoechstens so aehnlich aus, aber das Pferd dehnt sich nicht.
Na ja, ich frage mich allerdings schon, wie man mit Dreieckern den Kopf unten festbinden möchte :D
Davon abgesehen, habe ich ganz bewusst geschrieben, dass ich dem Schimmel eine Idee von der Richtung vermitteln wollte, die weitere Longenarbeit habe ich dann nur am Kappzaum gemacht. Aber ich bleibe dabei: Ich werde ganz sicherlich nicht monatelang zusehen, wie sich schlechte Muskulatur noch verschlechtert, oder sogar entsteht, nur weil ich HZ ablehne.

Verfasst: Sa, 08. Mai 2010 17:21
von Jen
Hallöchen zusammen

sorry, dass ich mich nicht regelmässig an den Diskussionen beteiligen kann, der liebe Tag hat einfach zu wenig Stunden. ;)

Für mich liegt dem Arbeiten mit Hilfszügeln ein fundamentaler Denkfehler vor. Ein Pferd das nicht in der gewünschten Haltung läuft, zb. mit zu engem Genick oder hirschhalsig hat das Problem, dass es entweder mit zu kurzer Unterlinie (im ersten Fall) oder zu kurzer Oberlinie (im zweiten Beispiel) geht. Dieser Überkürzung damit zu begegnen, dass man das Pferd begrenzt, d.h. eine weitere Verkürzung auslöst, ist für mich fundamental falsch, denn ich will das Pferd zuerst Mal in die Länge arbeiten. Ein Hilfszügel zieht das Pferd ja nicht in die Länge, sondern ein Hilfszügel begrenzt immer. Entweder nach vorne, zur Seite oder nach oben oder nach unten, je nach Art des Hilfszügels. Es ist immer eine Begrenzung. Und das will ich in dem Fall ja genau nicht. Ich möchte, dass das Pferd als erstes lernt, sich führen zu lassen. Und da darf ich noch nicht zuviel begrenzen, denn zuerst muss ich ja das Gewünschte erreichen und ein Zuviel an dem Gewünschten (zb. zuviel Biegung) kann ich begrenzen. Aber wenn noch gar keine Biegung da ist, was will ich da an Biegung begrenzen? Die Begrenzung ist erst der überüberübernächste Schritt, nämlich dann, wenn ich den Rahmen verändern möchte. Aber nicht mal für Rahmenveränderungen ist der Zügel das auslösende Moment, sondern dafür ist die HH und die entsprechende Energie zuständig. Ich kann auch am Kappzaum ohne HZ das Pferd in unterschiedlichen "Kopfhöhen" arbeiten, indem ich das Pferd tief v/a strecken lasse oder es über Aktivierung der HH (und keinesfalls durch zupfen am Kappzaum oder anheben des Kopfes mit der Longe!!!) in einer Arbeitshaltung gehen lasse.

Ein weiterer Grund ist der, dass die Kopf-Hals-Rückenverbindung elementar für das Gleichgewicht des Pferdes ist. Das Balanceorgan ist - wie beim Menschen - im Innenohr. Jegliches "Festbinden" des Kopfes beeinflusst die Gleichgewichtsfindung des Pferdes zentral. Ich will, dass das Pferd das Gleichgewicht so finden kann, dass es seinen Körper selber in der gewünschten Form organisiert, und der Kopf wird sich am gewünschten Ort einfinden, wenn der Rest des Körpers sich entsprechend organisiert hat. Nur weil ich den Kopf in seiner Bewegungsfreiheit begrenze, habe ich nicht automatisch ein besseres Gleichgewicht. Hier wird Ursache und Wirkung verwechselt! Ein Pferd mit einem guten Gleichgewicht hat einen ruhigen Kopf. Aber den Kopf ruhig(er)stellen hat keinen direkten automatisch positiven Einfluss auf das Gleichgewicht. Der Kopf ist immer nur das Symptom!


Aus diesem Grund arbeite ich ohne Hilfszügel. Das heisst nicht, dass ich in der Mitte stehe und darauf warte, bis das Pferd von alleine aus irgendeiner wundersamer Eingebung weiss, was ich von ihm möchte. ;) Ich helfe dem nach, indem ich dem Pferd eine systematische Hilfengebung beibringe, mit der ich dem Pferd die gewünschte Form näher bringe und mit der es lernt, sich anders zu bewegen. Das heisst, auch schon ganz zu anfang, wenn ich dem Pferd im Stand lerne, den Kopf führen zu lassen, nach oben, nach unten, zur seite etc. gebe ich nur ein Signal, aber ausführen muss es das Pferd selber. ich arbeite nicht mit dem Prinzip: ich übe Druck aus und wenn das Pferd nachgibt, gibt der Druck nach! Falsch! Ich lehre dem pferd ein Signal (zb. ein leichtes Zupfen am Kappzaum) und das Pferd lässt seinen Hals fallen. Das ist ein elementarer Unterschied. Denn damit verlange ich eine gewisse "Selbstverantwortung" und Mitarbeit des Pferdes. Pferde, die das so lernen fangen auch frei an, sich anders und besser ausbalanciert zu bewegen, als pferde, die von anfang an in ihrer Bewegungsfreiheit begrenzt werden und sobald man die Hilfszügel ausschnallt ist wieder alles beim alten. So ein Pferd hat nix dazugelernt! Das ist für mich nicht interessant.

Und ja, es gibt harte Nüsse, die stark schief sind und die sehr Mühe haben, da muss man mit geeigneten Übungen an der Basis arbeiten. Und ja, es soll auch Pferde geben, die haben Mühe mit dem Kappzaum und der Einwirkung auf die Nase. Ich habe jedoch bisher noch keine erlebt, die mit einem breiten, weichen Kappzaum und der korrekten Hilfengebung nicht damit zurechtgekommen sind. auch solche, die stark hdS von alleine gelaufen sind. Will es aber nicht ausschliessen. Hier kann man es mit verschiedenen Modellen von Kappzäumen versuchen oder dann würde eben mit der Doppellonge arbeiten.

Mit der Doppellonge arbeite ich nach dem gleichen Prinzip in der V-Verschnallung. V-Verschnallung, weil die innere Longe damit nicht nach Hinten sondern zur Seite wirkt. Also, wie beim Reiten, wenn ich den Zügel zur seite hin öffne, um dem jungen Pferd zu helfen, dem inneren zügel zu folgen. So kann ich das Pferd immer wieder an der inneren Longe vorsichtig anfragen, ob es nicht den Kopf ganz leicht nach innen nehmen möge, gefolgt von sofortigem nachgeben. Die äussere Longe ist erstmal durchhängend und passiv. Man kann es durchaus auch mal nur an der einfachen Longe ausprobieren: ohne äussere Longe verschnallt man die einfache Longe nicht direkt an dem Trensenring, sondern fädelt es durch den Trensenring ein nach hinten an den Sattelgurt/Longiergurt führend. ich verschnalle dabei die Longe meistens eher tief, weil ich noch v/a arbeite und dabei den Ring auf der Höhe wähle, wo ich die Maulspalte gerne hätte. Ich habe bis jetzt nur 1 Pferd kennengelernt, das mit einer höheren Verschnallung besser gegangen ist, die anderen neigten bei höherer verschnallung dazu hdS zu kommen, das muss man aber ausprobieren. Die Longenhand zieht dabei keinesfalls den Kopf nach unten oder zur Seite, sondern man hält die Longe sehr passiv und gibt höchstens eine leicht angedeutete sanfte Einwirkung zur Seite an. Mit der Longierpeitsche wirkt man auf die Schenkellage, um dem Pferd beizubringen, im Bauch nachzugeben und den Bauch etwas nach aussen weichen zu lassen, so wird sich das Pferd sehr passiv an der Longe biegen, weil die Longe ja nicht länger wird. Wird das gefühlvoll und im richtigen Timing gemacht, weicht auch nicht die HH nach aussen, sondern das Pferd biegt sich und das v/a ist das Resultat.

v/a muss ich das Pferd immer bis zum Punkt Nase bis in den Sand schicken können. Will ich den Kopf höher, dann erreiche ich das über die aktivierung der HH und nicht über Manipulation an der Longe/am Kopf (auch wenn es verlockend ist). Gerade bei sehr vorlastigen Pferden, die gerne sehr tief kommen sehr wichtig!

langer Beitrag und trotzdem zu kurz und oberflächlich beschrieben... ;)

Fazit: Ich lehne HZ also nicht einfach ab, weil sie "böse" sind od so. Sondern weil sie schlicht und einfach dem Pferd nicht das beibringen können, was ich brauche! ;)

Verfasst: Sa, 08. Mai 2010 18:26
von Rosana
Hach, Jen, schon wieder so ein toller Beitrag von dir. Einfach super, wie du das erklärst!

Verfasst: Sa, 08. Mai 2010 20:39
von Tossi
@ Jen

Deine Erklärung ist ja sehr ausführlich, erklärt mir den Verzicht auf HZ aber nicht.

Sobald ich mich auf ein Pferd setze und auf irgendeine Weise dressurmäßig arbeiten möchte, greife ich elementar in die Balance des Pferdes ein. Zumindest ich versuche schon vor dem ersten Tritt eine "ordentliche" Haltung zu erreichen. Mit Gewicht, Schenkel und Zügel versuche ich dem Pferd eine Form zu geben, die zwar dem jeweiligen Ausbildungsstand angemessen ist, aber doch vom Pferd nicht unbedingt von selbst angeboten wird. Versucht das Pferd aus welchem Grund auch immer, sich dieser Form zu entziehen, mache ich ihm diesen Versuch "unbequem" und möchte die gewünschte Haltung wieder erzielen, die wir alle so als Idealbild in unseren Köpfen haben - das ist für mich dressurmäßiges Reiten.

Nichts anderes will ich mit HZ (bei mir eben die überaus variabel einsetzbaren Dreiecker) beim Longieren erreichen. Wieso sollte ausgerechnet hier auf die Einrahmung verzichtet werden. Tatsächlich können sich die meisten Pferde mehr als 22 Stunden am Tag vollkommen unbeeinflusst bewegen, da möchte ich die 60 Min. unterm Sattel oder gut 30 Min. an der Longe zur zielführenden Gymnastizierung nutzen.

Außerdem liegen die Fehlhaltungen ("hirschhalsig oder mit zu engem Genick") vielfach nicht in Gebäudefehlern begründet, sondern sind schlicht Folge falscher Ausbildung, falschem Reiten oder im Interieur des Pferdes begründet. Auch mit HZ kann da natürlich nicht von jetzt auf gleich alles verändert werden, aber der Weg wird meiner Ansicht nach für das Pferd im jeweiligen Gesamtpaket aus Reiten und/oder Longieren schlüssiger und leichter umzusetzen.

Verfasst: Sa, 08. Mai 2010 20:46
von ottilie
Tossi hat geschrieben:Wieso sollte ausgerechnet hier auf die Einrahmung verzichtet werden.
Ich sehe das Problem darin, daß die Einrahmung per Hilfszügel zeitlich gesehen viel zu lange dauert. Sicher hast Du Recht, daß ich das Pferd auch beim Reiten einrahme und versuche, eine gewünschte Stellung zu erhalten. Ich habe aber jederzeit die Möglichkeit, das Pferd strecken zu lassen, den Muskeln Entspannung zu gewähren und in vielen kurzen Reprisen zu arbeiten. Das geht mit Hilfszügeln zwar theoretisch auch, praktisch bezweifle ich aber sehr, daß sich jemand die Mühe macht, hier ständig zum Pferd zu laufen und die HZ für kurze Zeit auszuschnallen. Insofern ist sehr viel mehr die Möglichkeit einer Übersäuerung und Überbeanspruchung von Muskeln gegeben.
Und wenn die HZ so verschnallt sind, daß die Muskeln nicht entsprechend beansprucht werden, kann man auch drauf verzichten, weil sie dann nutzlos sind.

Verfasst: Sa, 08. Mai 2010 21:03
von Tossi
@ ottilie

Ich weiß jetzt nicht, was Du für eine Vorstellung vom Einsatz von Dreieckern hast. Bei mir hält das ein Pferd locker 30 Min. durch (länger sollte die Arbeitsphase an der Longe m. A. eh' nicht dauern - ich weiß, ich wiederhole mich).

Das Pferd wird natürlich begrenzt, kann aber jederzeit deutlich tiefer mit der Nase kommen, wie für eine übliche Dehnungshaltung erforderlich. Übergänge zum Schritt sind problemlos möglich, ohne die Nickbewegung zu stören und auch eine v/a - Rahmenerweiterung im Schritt wird nicht behindert (ich arbeite keinen verkürzten Schritt an der einfachen Longe) - das Pferd kann also durchaus auch in der Arbeitsphase entspannen. Was ich verlange, wird individuell auf den "Lehrplan" des Pferdes abgestimmt.

Verfasst: Sa, 08. Mai 2010 21:17
von Jen
Tossi
Sorry, ich verstehe nicht, was du an meiner Erklärung nicht verstehst ;)

zu eng oder hirschalsig habe ich nicht mit Gebäudefehlern gleichgesetzt. :?: Im Gegenteil, sondern mit der dazugehörigen muskulären Aktivität, welche eine Verkürzung der entsprechenden Linie beinhaltet. Verkürzt sich die untere Linie (Unterhals-Bauchlinie) zu stark, dann geht das Pferd zu eng. Verkürzt sich die obere Linie (Oberhals, Rücken), dann geht das Pferd zu hoch und drückt den Rücken weg. Die Lösung liegt in der entspannung dieser zu stark verkürzten Linie. Dann bin ich quasi am "Nullpunkt" und von da aus kann ich gehen.

Wenn ein Pferd nun zb. zu hoch geht und den Rücken durchdrückt und ich verhindere, dass es den Kopf hochnehmen kann, dann verhindere ich nicht den Impuls die Muskulatur in der oberlinie zu verkürzen. Ich verhindere nur, dass es weiter verkürzt, wie der Rahmen es zulässt. Aber wenn es könnte, würde es mehr verkürzen. Das ist so, wie wenn ich den Deckel auf die Pfanne mit überkochendem Wasser drücke und damit das Wasser hindere rauszukommen. Sobald ich nun den Deckel wegnehme, wird das Wasser wieder überkochen. Genauso das Pferd, wenn ich diesen Impuls, die Oberlinie zu verkürzen nicht ändere, dann wird das Pferd - sobald der HZ weg ist - sofort wieder den Kopf hochnehmen. Lerneffekt gleich null. Das ist das Problem an der ganzen Sache: Das Hilfsmittel ändert nur das sichtbare Symptom, nicht aber die Ursache.

Genau dieses "unbequem" machen ist ein ganz grundlegend anderer Ansatz, als ich es haben möchte. Wenn ich dem Pferd beibringen möchte, auf Kommando den Kopf runterzunehmen, dann lerne ich es ihm eben nicht so, dass ich ihm die unerwünschte Haltung unbequem mache, sondern ich lerne ihm das Signal für das runternehmen. Das ist ein um 180Grad umgekehrter Ansatz! So habe ich jederzeit ein Signal, mit welchem ich dem Pferd mitteile, was ich von ihm möchte, anstatt dass ich ihm ständig (indirekt) mitteile, was es alles falsch macht.

Verfasst: Sa, 08. Mai 2010 21:24
von ottilie
Tossi hat geschrieben:das Pferd kann also durchaus auch in der Arbeitsphase entspannen
Nun ja, genau das ist doch der Punkt. Bei mir gibts die Entspannung am komplett hingegebenen Zügel, und dazu noch im Stehen. Wie soll das Pferd sonst die Muskeln entspannen, die es zur Fortbewegung braucht? Und vielleicht möchte das Pferd den Kopf auch mal hochheben und gucken? Das geht bei einer Begrenzung durch Hilfszügel (ausdrücklich nicht nur oder speziell Dreiecker, sondern alle Art von Hilfszügeln) eben nicht.
Da das eher wieder zu einer Grundsatzdiskussion führt, wie ein Pferd entspannt, möchte ich das hier nicht weiter ausbreiten. Du wirst mich nicht überzeugen, Dreiecker oder was auch immer zu benutzen, und ich umgekehrt Dich nicht, ohne die Dinger zu arbeiten. Meiner Meinung nach sind Hilfszügel fast immer ein Ausdruck von Hilflosigkeit, mangelnder Zeit, mangelnder Lust oder mangelndem Wissen.
Nehmen wir doch mal einen Hirschhals an - vielleicht kann ich ein Pferd schneller in die gewünschten Form bringen, wenn ich es mit Dreieckern arbeite, also das Pferd zeigt bspw. bereits nach zwei, drei Wochen eine bessere Oberlinie. Aber ist dies auch reell? Wäre es nicht effektiver, diese zwei, drei Wochen für gute Bodenarbeit zu verwenden, um das Pferd umzuformen und zu einem neuen Gebrauch seines Körpers anzuregen? Das wäre sicher auch ein sehr interessanter Aspekt, der sich leider nicht wiederholen lässt, da man ein Pferd nicht klonen und auf zwei verschiedene Weisen ausbilden kann, um zu sehen, was "besser" funktioniert.
Ansonsten verweise ich auch nochmals auf den Beitrag von Medora - Balance wird man durch Longieren mit Hilfszügeln niemals herstellen können. Geh übers Seil und lerne das nur mit einer Stange. Glaubst Du, Du kannst es dann auch wenn Du die Stange weglassen mußt? Niemals.

Verfasst: Sa, 08. Mai 2010 21:58
von Tossi
@ Jen

Ich habe Deine Erklärung sehr wohl verstanden und verstehe auch Deinen Ansatz, aber wie immer, viele Wege führen nach Rom.

Natürlich lernt auch ein ausgebundenes Pferd zuerst, auf "Anforderung" den Kopf zu senken und Druck nachzugeben (ansonsten würde ich ja eine panische Reaktion provozieren). Aber genau, wenn das Pferd den vorgegebenen Rahmen verlassen will, setzt die Begrenzung des Dreieckers ein und fordert eben genau dieses erlernte Nachgeben ein und natürlich wird auch über Longe/Kappzaum von mir eine entsprechende Reaktion unterstützt. Ich kann aus meiner langjährigen Erfahrung wirklich mit aller Überzeugung behaupten, das hat sehr wohl den gewünschten Lerneffekt, Dein Beispiel mit dem überkochenden Wasser stimmt damit einfach nicht.

Bei Dir kommt in dem Moment doch sicher auch eine Hilfe über den Kappzaum und das Pferd soll entsprechend reagieren.

Die HZ sind für mich lediglich ein Mittel, um dem Pferd den Weg zur gewünschten Arbeitshaltung zu erleichtern, ohne verschleißende Umwege....

Außerdem sind (wie weiter oben schon in mehreren Posts erwähnt) für das Pferd anstrengendere Lektionen an der Longe ohne HZ nur eingeschränkt zu erreichen, zumindest gilt das für mich, die ich vielleicht ein "mitdenkender Handwerker", aber doch keinesfalls ein Künstler an der Longe bin.

Verfasst: Sa, 08. Mai 2010 22:12
von Tossi
ottilie hat geschrieben: Nun ja, genau das ist doch der Punkt. Bei mir gibts die Entspannung am komplett hingegebenen Zügel, und dazu noch im Stehen. Wie soll das Pferd sonst die Muskeln entspannen, die es zur Fortbewegung braucht? Und vielleicht möchte das Pferd den Kopf auch mal hochheben und gucken? Das geht bei einer Begrenzung durch Hilfszügel (ausdrücklich nicht nur oder speziell Dreiecker, sondern alle Art von Hilfszügeln) eben nicht.
Nee, da fahren wir beide wohl wirklich auf zwei vollkommen verschiedenen Dampfern, da wird es bei dem Thema wohl keinen Konsens geben. In der Arbeitsphase gibt es bei mir grundsätzlich auch unter dem Sattel keinen komplett hingegebenen Zügel und "den Kopf mal hochheben und gucken" schon gar nicht. Dazu gehen wir ins Gelände bummeln.

Verfasst: Sa, 08. Mai 2010 22:39
von Jen
@Tossi
Wenn mein Beispiel mit dem kochenden Wasser so daneben ist: dann frage ich dich: was passiert, wenn du die HZ bei deinem Pferd weglässt? Wenn dein pferd wirklich was lernt, müsstest du doch irgendwann auf die HZ verzichten können. kommst du an diesen punkt? Dies ist eine ehrliche Frage!

Aufgrund deiner Antwort glaube ich eben nicht, dass du den Unterschied zwischen den beiden Ansätzen wirklich begriffen, also gespürt hast, sonst würdest du sie nicht in den gleichen Topf werfen. Dies ist kein Angriff, nur eine Feststellung. Ich will eben genau nicht, dass mein pferd einfach "dem Druck nachgibt". Dieses Prinzip teilt dem Pferd ständig mit, was es alles zu unterlassen hat, es teilt ihm aber nicht mit WAS es denn TUN soll. ich bevorzuge da den direkteren Weg und teile meinem pferd gerne direkt mit, was es tun soll. Also anstatt dass ich ihm sage: "nimm nicht deinen Kopf hoch", sage ich ihm "nimm deinen Kopf (wieder) etwas tiefer". Dies mag für dich auf den ersten Blick keinen grossen Unterschied sein. Das Gehirn aber kann negative Befehle ganz schlecht verarbeiten. Es braucht einen langen Weg und ist sehr fehleranfällig. Das Wort "nicht" wird sehr oft "überhört". Viel einfacher und viel reaktionsschneller kann der direkte Befehl verarbeitet werden. Dazu gibt es x wissenschaftliche Studien, sowohl in der Tier- als auch in der menschlichen Forschung. Wenn ich das nun weiss, versuche ich mir und dem Pferd das Leben etwas leichter zu machen, es ist auch so schon schwer genug. ;)

Tossi hat geschrieben:
Außerdem sind (wie weiter oben schon in mehreren Posts erwähnt) für das Pferd anstrengendere Lektionen an der Longe ohne HZ nur eingeschränkt zu erreichen, zumindest gilt das für mich, die ich vielleicht ein "mitdenkender Handwerker", aber doch keinesfalls ein Künstler an der Longe bin.
genau das zeigt doch, dass es ein grundlegendes Problem ist: Wenn man kein eindeutiges Signal, keine eindeutig zusammengehörende und systematische Hilfengebung hat, dann ist man abhängig vom Goodwill des Pferdes und kann vielleicht ein bisschen v/a longieren, aber man kann man keine anstrengendere Lektionen ohne HZ erreichen. Stimmt. Hat man die aber, dann kann man das sehr wohl! Man kann sich einfach sehr viel weniger was vormachen, wie es wirklich mit Balance und Durchlässigkeit des Pferdes steht, weil das Pferd jeden Verlust gnadenlos aufzeigt. Dieser Aufbau der systematischen Hilfengebung ist Ausbildung.


ich lasse mein Pferd nicht einfach im jog um mich rumgondeln. ich gymnastiziere mein Pferd durchaus in anstrengenden Lektionen, sowohl an der Longe als auch unter dem Sattel. natürlich weit ab von Perfektion (leider ;) ), aber ich behaupte, dass es eine reelle Basis hat. Gerade Übergänge zwischen den Gangarten und innerhalb der Gangarten, Rahmenveränderungen wie der Wechsel zwischen tiefem v/a und der Arbeitshaltung zeigen das m.E. deutlich. Ich verlange von meinem pferd eine aktive HH und einen schwingenden Rücken und eine gute Anlehnung. Er ist ein quadratisch-kompakter Wallach mit sehr steiler Fesselung. Und wenn er nicht ausgesprochen gut über den Rücken geht, dann kann man ihn kaum sitzen. Geht er aber richtig gut, dann kann ich ihn sogar in den Verstärkungen sitzen (wie ich zu meiner Überraschung letztes jahr erleben durfte ;) ). Und gerade dieses von hinten nach vorne durch den Rücken arbeiten, erreiche ich in diesem Mass nur mit Ausbildung und nicht mit Hilfsmitteln.

Verfasst: So, 09. Mai 2010 09:56
von Tossi
Hallo Jen

Du kannst versichert sein, dass ich Dich wirklich richtig verstanden habe - mein zweites großes Betätigungsfeld ist die Hundeerziehung (ich züchte eine erziehungsmäßig sehr anspruchsvolle Hunderasse und habe meist lebenslangen Kontakt zu den hin und wieder überforderten Welpenkäufern). Mir ist also der Unterschied zwischen positver und negativer Verstärkung und Konditionierung und einem tierischen Lernvorgang aus praktischer Erfahrung und unzähligen Fachbüchern durchaus bewusst - allerdings auch die Grenzen. Das ist jetzt aber ein ganz anderes Thema und würde hier zu weit führen.

Auf meine Tosca bezogen - sie ist nun seit vier Jahren unter dem Sattel (allerdings mit einigen längeren krankheitsbedingten Pausen). Sie kann ich problemlos auf dem weiten Feld nur am Kappzaum longieren. Sie ist soweit ausgebildet, dass sie dabei alle Übergänge in schöner Haltung geschlossen über den Rücken geht, einschließlich Schritt/Galopp/Schritt. Ihre Kopfhaltung kann ich (meistens) so einstellen, wie ich es möchte. Sie liebt halbe Tritte, die kann ich auch am Stallhalfter abrufen.

Aber wenn Madame mal einen nervösen, extrem knackigen Tag hat (z.B. wegen stürmischem Wetter) müsste ich wahrscheinlich auch heute noch ohne HZ 1,5 Stunden bis zur Erschöpfung longieren, bis sie ihr arabisches Gehabe zugunsten einer Arbeitshaltung aufgibt - was hätten wir beide davon (zudem geht das wegen ihrem chronischen Husten auch nicht - ich muss eigentlich immer so belasten, dass sie nicht ins Schwitzen kommt).

Bei mir lernt ein Pferd sowohl unter dem Sattel als auch beim Longieren mal ganz banal gesagt "Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps", das heißt für das Pferd, jetzt wird gearbeitet und ich habe die Welt um mich herum ein gutes Stück auszublenden. Durch meine Hilfen und Führung gebe ich dem Pferd die Sicherheit, dass es sich trotz widriger Umstände oder Ablenkung entspannen kann. Ich weiß jetzt nicht, wie ich das in Worte fassen soll, das hat auch viel mit mentaler Kommunikation mit dem Pferd zu tun. Sicher kennen das viele hier, man muss praktisch nur noch denken und das Pferd läuft, lässt sich vollkommen und vertrauensvoll fallen, egal was rundherum passiert..... und das funktioniert beim Reiten wie beim Longieren.

Hier wird oft angeführt, das sei dann nicht "reell", weil durch HZ erreicht. Ich sehe das nicht so. In dem Moment, wo das Pferd die erwünschte Haltung einnimmt, sind Dreiecker praktisch außer Funktion und wenn ich diese Balance durch Longe/Kappzaum, Stimme und Peitsche erhalten/beeinflussen kann, dann ist das in meinem Augen reell. Sicher weiß das Pferd um den HZ, aber genau wie es beim Reiten um Sporen, Gerte und Zügel weiß.

Für mich ist Longieren nach wie vor ein sinnvolles "Mittel zum Zweck" aber kein Selbstzweck, bei dem ich mir was beweisen muss, da steht einfach das Lernziel beim Reiten absolut im Vordergrund.

Ich möchte hier keinsefalls missionieren oder einen Glaubenskrieg entfachen, sondern einfach nur meine Erfahrungen mitteilen. Und ja, ich haben in den vielen Jahren auch sehr viele Fehler gemacht, auch daraus musste ich lernen....

So, und jetzt fahre ich zum Stall. Wünsche allen Muttis einen schönen Muttertag!

LG Lisa

Verfasst: So, 09. Mai 2010 21:00
von Rosana
Jen hat geschrieben:Genau dieses "unbequem" machen ist ein ganz grundlegend anderer Ansatz, als ich es haben möchte. Wenn ich dem Pferd beibringen möchte, auf Kommando den Kopf runterzunehmen, dann lerne ich es ihm eben nicht so, dass ich ihm die unerwünschte Haltung unbequem mache, sondern ich lerne ihm das Signal für das runternehmen. Das ist ein um 180Grad umgekehrter Ansatz! So habe ich jederzeit ein Signal, mit welchem ich dem Pferd mitteile, was ich von ihm möchte, anstatt dass ich ihm ständig (indirekt) mitteile, was es alles falsch macht.
Jen: Dazu wollte ich kurz eine Frage stellen, ich hoffe die anderen Mitleser verzeihen das Offtopic.
Im Prinzip ist mir klar was du mit mit dem Zitat meinst (ich mache selbst Clicker-Training, habe mich also mit positiver Bestärkung und Lernverhalten beschäftigt). Ich wollte nur gerne wissen, wie du damit beginnst bei einer neue Bewegung, also wie bringst du das Pferd dazu, diese neue Bewegung zum ersten Mal auszuführen, um sie dann belohnen und mit einem Signal verknüpfen zu können? Wendest du dazu niemals Druck an? Also beispielsweise Druck mit der Hand im Genick, unbequem, Pferd senkt Kopf, Belohnung? Die einzige andere Möglichkeit, die ich kenne, ist das Vormachen, aber das eignet sich nicht für alles und ich selbst benutze deshalb auch immer wieder das "unbequem machen" bzw. Druck, (beispielsweise lästig werden mit der Gerte) um eine neue Bewegung zu "erklären" bzw. erstmals auszulösen. Da ich es meinem Pferd aber so wenig wie möglich unbequem machen möchte, würde ich sehr gerne wissen, ob du dazu noch andere Wege/Ideen hast.