Augenschmaus-Ritte

Rund um die klassische Reitkunst

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horsman
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Beitrag von horsman »

€Rastl
Ja, in der Tat gibt es auch hier Momente, wo das Pferd die Nasenlinie hdS hat. Dennoch sieht man hier mE ganz gut den positiven Unterschied zur bewußt praktizierten Rollkur-Arbeit:

Erstens zieht JB bei der tieferen Halseinstellung nicht die Nase bewusst nach hinten, sondern lediglich durch das tiefere Einstellen des Hals kommt bei gleichem bis sogar leicht erweitertem Genickwinkel die Nasenline hdS. Zweitens variiert J.B. die Haltung häufig und spielt (sagt er ja auch wörtlich) mit den Haltungen (tun Rollkurler angeblich ja auch, dennoch sieht man sie oft Runde um Runde mit zu eng gezogenen Hälsen), drittens behält er die HH in den Momenten wo der das Pferd "etwas runder einstellt" (so sagt er) auch dran (Abgekipptes Becken 1), was ihm sehr wichtig ist, und wo er sagt, dass das 90% aller Reiter nicht so tun, und als viertes (und wichtiger U.schied) ist er stets bedacht und zeigt dies auch sehr deutlich, dass das Pferd immer wieder von der Hand los kommt und leicht in der Hand bleibt ohne deswegen hinter der Hand zu sein und in diesen Momenten beginnt das Pferd immer auch schon wieder eine leichte bis deutliche Dehnung (gut zu sehen, wo er das beim heraus reiten aus der Piaffe demonstriert) . Zusätzlich achtet er sehr darauf (und kriegt das auch sehr gut hin) das Pferd immer wieder gut vor dem Bein zu haben (dann ist es auch nicht h.d.Hand), und das ohne da groß rum zu prokeln (was ja immer ein Zeichen ist, dass das Pferd eben nicht vor dem Bein ist). Und er wendet niemals Kraft gg. das Pferd an. Alles zusammen genommen würde es mich, und ich denke auch das Pferd, nicht stören, dass es dabei Momente h.d.S. gibt - und so sieht man heir mE sehr gut: ein Pferd mit Momenten h.d.S. ist nicht schon ein gerollkurtes Pferd.

Was mir auch aufgefallen ist war, dass der Braune als er ihn völlig frei läßt, den Kopf gerade nach vorne streckt. Ich denke hier hätte ich als Reiter nochmal eingegriffen um ihn mit aufgewöbt gedehntem hals zum abstrecken zu bringen. An anderer Stelle, als er ihm die Zügel aus der Hand kauen ließ war dies allerdings deutlich besser.

Zum Pferd würde ich mal sagen, dass dies zwar ein durchaus tatentiertes und auch qualitativ recht hochwertiges Pferd ist, welches aber dennoch noch gewisse Steifheiten hatte, die es zu bearbeiten gilt.

Übrigens seh ich hier durchaus auch den Grundsatz "Hand ohne Bein, Beine ohne Hand" umgesetzt und man sieht auch an einer Stelle, dass er mit hoher Hand das Pferd in Dehnungshaltung bringen will, wo er allerdings für meinen Geschmack hätte in einem zweiten Schritt die Nase anschließend weiter vor bekommen hätte sollen.

Alles in allem aber eine Vorstellung bei der man deutlich sieht, dass vor allem Gefühl und niemals Kraft vor herrscht. Und interessant eben auch deshalb, weil das Pferd hier und da in Probleme läuft und J.B. erklärt (und meist auch schnell umsetzt), was er daran zu tun gedenkt.


zu1)
das Abkippen des Beckens ist übrigens auch das was JB versucht, als er im Galopp mit der einen Hand nach hinten auf die Kruppe/Schweifansatz greift, was ihm aber da nicht gelingt, wie er auch sagt.

OT
Lustig find ich sein Denglisch und die Aussprache des "th".
Zuletzt geändert von horsman am Do, 25. Aug 2011 16:42, insgesamt 8-mal geändert.
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Motte
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Beitrag von Motte »

horsmän hat geschrieben:
Was mir auch aufgefallen ist war, dass der Braune als er ihn völlig frei läßt, den Kopf gerade nach vorne streckt. Ich denke hier hätte ich als Reiter nochmal eingegriffen um ihn mit aufgewöbt gedehntem hals zum abstrecken zu bringen. An anderer Stelle, als er ihm die Zügel aus der Hand kauen ließ war dies allerdings deutlich besser.
Ich hatte mir vor einigen Tagen mal alle Videos aus dieser Sequenz angeschaut, und in einem Video kommentiert er auch den Schritt am hingegebenen Zügel - so wie ihn das Pferd von sich aus zeigt. Und das Pferd hat halt die Tendenz eben ganauso Schritt zu gehen, wie das hier zu sehen ist. Gebunden, eilig, Kopf in der Waagerechten.
Er demonstriert dann auch, dass der Schritt gleich um Klassen besser wird, wenn er ihn über den Zügel geführt nach unten entlässt.
Weiss nur leider nicht mehr, welche der Sessions/Videos das war.

Ansonsten finde ich das auch ne ganz hervorragende Arbeit - eben WEIL es nicht nur das tolle Endergebnis zeigt, sondern auch die Probleme, die unterwegs so immer wieder da sind. Auch bei einem Pferd, was schon so weit ausgebildet ist.
horsman
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Beitrag von horsman »

@Motte
ah super, dann scheint er da genau das zu demonstrieren, was ich auch versucht hätte. Dann hat er in dieser Sequenz es nur mal nicht gemacht, weil er grad am reden war.
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Motte
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Beitrag von Motte »

horsmän hat geschrieben:@Motte
ah super, dann scheint er da genau das zu demonstrieren, was ich auch versucht hätte. Dann hat er in dieser Sequenz es nur mal nicht gemacht, weil er grad am reden war.
Ja.
Muss mal schauen, ob ich die Sequenz noch finde....
Motte
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Beitrag von Motte »

http://www.youtube.com/watch?v=RKjh53a24uo&NR=1

Innerhalb der ersten 8 Minuten erklärt er Einiges zum Pferd (also Geschichte vom Pferd und die speziellen Probleme) und demonstriert den Schritt.
Speziell: 4.30, 5.39, 6.50
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Beitrag von horsman »

Jo genau so meinte ich das.
So wie er erzählt hatte man in der früheren Arbeit der rhein. Vorbesitzerin möglicherweise die Lektionenarbeit über die Vervollkommnung der klass. Ausbildungsziele gestellt die dann etwas zu kurz kamen ? Interessant. :wink:

Auch hier wieder das greifen auf den Schweifansatz um das Becken ab zu kippen. Baucher läßt übrigens grüßen.

Und da schau an: er läßt ihn zum äppeln durchparieren und entlastet den Rücken. :wink:

Auch interessant: er läßt ihn am leicht durchhängenden Zügel nach vorne/ abwärts abspannen und spricht dennoch (trotz des hängenden Zügels) davon, dass er einen guten Kontakt hat und das Pferd am Kontakt der Hand folgt. Es muss also nicht immer ein Zügel ohne Durchhang sein, der einen guten Kontakt zur hand anzeigt. :wink: !!
Zuletzt geändert von horsman am Fr, 26. Aug 2011 00:21, insgesamt 1-mal geändert.
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Meg
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Beitrag von Meg »

ui, da habe ich direkt noch was schönes gefunden, nein nicht perfekt, aber die Musik und der Gesamteindruck stimmen für mich!
http://www.youtube.com/watch?v=d1SMltjJ ... er&list=UL
Whenever I feel blue, I start breathing again :-)
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Ielke
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Beitrag von Ielke »

@Meg: Die beiden schaue ich auch wirklich gern an, diese Kür besonders (gefällt mir von der Choreo und der Musik her viel besser als die aktuelle *seufz*)
Julia
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Beitrag von Julia »

Also Musik und Choreo sind echt beeindruckend.

Negativ finde ich die dauerhackenden Sporen, den teilweise recht massiven Handeinsatz und das andauernde Schweifschlagen. :?

Und Piaffe und Passage sind wohl nicht gerade seine Paradelektionen.. :wink:
Liebe Grüße, Julia
Gast

Beitrag von Gast »

horsmän hat geschrieben:€Rastl

Alles in allem aber eine Vorstellung bei der man deutlich sieht ...

... wie die Arbeit nach der Skala zu verstehen ist.
Rastl

Beitrag von Rastl »

horsmän hat geschrieben:€Rastl
Ja, in der Tat gibt es auch hier Momente, wo das Pferd die Nasenlinie hdS hat. Dennoch sieht man hier mE ganz gut den positiven Unterschied zur bewußt praktizierten Rollkur-Arbeit:

Erstens zieht JB bei der tieferen Halseinstellung nicht die Nase bewusst nach hinten, sondern lediglich durch das tiefere Einstellen des Hals kommt bei gleichem bis sogar leicht erweitertem Genickwinkel die Nasenline hdS.

[...]
Danke für deine ausführlichen Erklärungen.
Habe alles verstanden bis auf:
Mir ist immer noch nicht klar WARUM er das Pferd tief einstellt (u. er somit hds kommt).
Wo liegt der Sinn darin? Warum reitet er das Pferd nicht die ganze Zeit über vds?

Liebe Grüße =)
Julia
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Beitrag von Julia »

Habe mir gerade mal die JB Videos angeschaut. Ganz grandiose, reele, bodenständige Arbeit. Gefällt mir unheimlich gut!
Liebe Grüße, Julia
Max1404
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Beitrag von Max1404 »

Rastl, ohne Horsmän vorgreifen zu wollen: man kann deutlich sehen, dass der Hengst recht selbstbewusst ist und immer mal wieder zu etwas überschießenden Reaktionen und zu kleinen Späßchen neigt. Dieses Pferd beherrscht zwar sämtliche Lektionen, schließlich ist er mehrfach GP-platziert, aber ihn "einzufangen" und dazu zu bewegen, dass er seine Energien für den Reiter nutzt und nicht zum Herumkaspern, ist offenbar nicht ganz einfach. Das kurz vorweg.

Das Spielen mit den verschiedenen Einstellungen ist eine Möglichkeit, das Pferd aufmerksam und locker im Genick zu behalten. Dieses Pferd folgt der Reiterhand immer weich und willig, egal, wie er eingestellt wird. Und ist stets bereit, die Nase nach vorne zu geben und das Genick zu öffen. Immer bei aktivem Hinterbein und über den Rücken. Was will man mehr?

Eine Einstellung, die stets gleich ist und die keine Überprüfung erfährt (folgt das Pferd wirklich der Reiterhand in jeder Situation?), wird schnell starr, und damit geht die Anlehnung verloren - auch wenn das Pferd den Kopf noch so hübsch und scheinbar lehrbuchmäßig hinstellt.

Dieses Video zeigt kein Schönreiten. Es zeigt, wie mit diesem Pferd gearbeitet wird und wie den Herausforderungen, vor die dieses Pferd seinen Reiter und Ausbilder stellt, begegnet wird. Das ist Ausbildung und Gymnastik am Pferd. Hast Du mal Pianisten oder Geiger beim Üben beobachtet? Wie viele Fingerübungen gemacht werden, um die Hände geschmeidig und die Finger schnell zu machen? Immer und immer wieder die selben Übungen. Bei Profis stundenlang. Das tatsächliche Spielen der Stücke nach Noten nimmt weit weit weniger als 50 % des täglichen Übens ein. Vorbereitung, geschmeidig machen ist die Hauptarbeit. Ich sehe das beim Reiten, und gerade in der Ausbildung ähnlich. In dem Video werden überschießende Reaktionen des Pferdes freundlich korrigiert, werden gymnastizierende Übungen gemacht, einige kurze Lektionen geritten, wiederholt, korrigiert, es findet ein Wechsel zwischen Arbeit und Entspannung statt, das Pferd muss ab und zu aufmerksam gemacht werden, etc. Alles, um das Pferd in die Lage zu versetzen, die Anforderungen einer Turnierprüfung gut und mit Leichtigkeit und in korrekter Formgebung zu meistern.

Du kannst an der Schrittarbeit sehr deutlich sehen, wie die tiefe Einstellung am längeren Zügel den Schritt positiv verändert. Das ist ein leicht korrigierendes Eingreifen in den Bewegungsablauf, was in diesem Fall zu einem sehr positiven Ergebnis führt.

Das Pferd hat einen (wie ich finde) recht "modernen" Hals: lang, geschwungen und leicht im Genick. Hier muss völlig anders gearbeitet werden als bei einem Pferd mit einem kurzen kräftigen Hals. Auch das spielt eine Rolle.
Viele Grüße
Sabine
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horsman
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Beitrag von horsman »

@Rastl
Es gibt da eine Stelle im Video wo er ihn mehr aufgerichtet und damit auch gut vdS reitet und dann sagt er, wenn er immer nur so reiten würde, würde das irgendwann schlechter werden (ich vermute er meint damit, dass es dem Pferd zuviel Kraft abverlangt und es sich dann im Verlauf verspannt). Daraufhin stellt er den Hals wieder tiefer und runder ein, wobei er (im Unterschied zu den Rollkurlern) dann auch recht schnell wieder die Hand vor gibt (bis zum durchhängenden Zügel - den er ja übrigens nicht scheut wie der Teufel das Weihwasser) und den Genickwinkel sich öffnen läßt. Das ist zumindest seine Erklärung an dieser Stelle. Müste mal die Stelle suchen. Seiner Meinung nach (die ich teile) ist es wichtig, alle diese Haltung immer schnell herstellen zu können und damit zu spielen, um die Lockerheit des Pferdes zu fördern. Um das Pferd bei aufkommenden Widerständen zu lösen (ich seh das an dieser Stelle übrigens nicht so wie Max, dass das Pferd selbstbewusste "Mätzchen" macht, sondern dass er aus dem GW kommt, weil er kein sehr gutes nat. GW hat) muss er manchmal so an die Zügel gehen, dass bei tiefer Halseinstellung das Pferd auch mal hdS kommt. Er hält das aber für kein Problem, sofern damit der Widerstand gelöst und das Pferd anschließend wieder vorgelassen werden kann, ohne auseinander zu fallen.

Bei einen etwas tiefer eingestellt Hals die Stirnlinie niemals hdS zu haben ist übrigens kaum realisierbar. Denn je tiefer der Hals umso offener muss der Genickwinkel werden, damit die Stirnlinie nicht hdS ist, und umso schwieriger wird es mit zunehmend offenem Genickwinkel einen solchen Zügelkontakt zu haben, der das Pferd zusammenhält (BTW Oliveira war darin ein Meister). Das soll jetzt hier Plädoyer für Rollkur (auch nicht Rollkur light) sein - Gott bewahre - aber ich denke man muss da schon das ganze Pferd sehen und nicht allein das Lineal an der Stirnlinie anlegen. In dem Fall stimme ich ausnahmsweise mal mir Herrn Hess überein, wobei ich bei seinen Demonstrationen oft auch schlechtes Reiten mit Nase hdS sehe ohne dass er korrigiert.

Interessant übrigens, dass er auch sagt, wenn man den Schritt verbessern will, muss man auch im Schritt arbeiten. Besonders hervorzuheben auch, dass Reiten in erster Linie Spass machen soll. Und auch, dass er irgendwo anmerkt, dass der Widerrist hoch kommen soll und dass er auch das Hand ohe Bein, Beine ohne Hand Prinzip praktiziert.

@sabrell
ja, ja die Skala ... wie schon so oft gesagt, ich kenne keinen seriösen Reiter und keine Reitlehre, die nicht diese 6 Ziele und deren Zusammenhänge im Auge haben würde. Wenns dann gut wird, war es immer reel nach Skala.


Aber auch: ich sah JB mal mit iberischen Reitern arbeiten, da fand ichs nicht so dolle. Ev. (oder zumindest dort) kann er es besser selbst umsetzen, als es von anderen umsetzen zu lassen. Naja, man lernt eh nie aus. Seine eigenen früheren GP-Ritte die man so im www findet übrigens find ich jetzt auch nicht soo prickelnd.
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Max1404
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Beitrag von Max1404 »

horsmän hat geschrieben:(ich seh das an dieser Stelle übrigens nicht so wie Max, dass das Pferd selbstbewusste "Mätzchen" macht, sondern dass er aus dem GW kommt, weil er kein sehr gutes nat. GW hat) .
Horsmän, an nicht nur einer Stelle sagt JB, dass das Pferd ein kleiner "bugger" ist (freundlich gesagt: ein kleiner Frechdachs), den er immer mal wieder in seine Grenzen verweisen muss.
Ich sehe das Hochwerfen der Kruppe und die Kickerei in den Wechseln nicht als Gleichgewichtsproblem, sondern eher als kleine freche Späßchen an :wink:
Viele Grüße
Sabine
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