Hallo,
ich habe die Veranstaltung in Verden nicht besucht und kann daher dazu nichts schreiben. Nach den letzten paar Äußerungen fühle ich mich aber doch einmal dazu hingerissen zu antworten.
Ich bin eine "ganz normale Freizeitreiterin" mit einem Pony. Ich kam nachdem ich vom üblichen Unterricht im FN- Reitverein total gefrustet war nach einigen Jahren zu einer RL, die zunächst nach Penquitt unterrichtete und dann bei P. Karl die Ausbildung mache. Meine RL unterrichtet vorwiegend "ganz normale Freizeitreiter", darunter auch Anfänger und Kinder.
Herrn Karl kenne ich nicht persönlich und live, nur vom seinem Buch und den Videos.
Den letzten Posts kann ich insofern überhaupt nicht zustimmen, da die Schule der Légèreté allein auf die sogenannte "Hohe Hand" reduziert wird. Das ist meiner Erfahrung nach nicht richtig.
Die Abkauübungen bzw. Handeinwirkungen haben zuersteinmal den Zweck, den Unterkiefer des Pferdes zu lösen (schlecken am Gebiss). Ein gelöster Unterkiefer ist Voraussetzung für ein überhaupt korrekt unter dem Reiter gehendes Pferd. Wenn der Unterkiefer verspannt ist, kann ein Pferd nicht reell im Genick nachgeben und wird auch insgesamt z.B. im Rücken fest bleiben. Zum zweiten wird dem Pferd (zunächst am Boden, im Stand oder im Schritt) beigebracht, auf bestimmte Signale der Zügel, sich zu biegen, in Dehnungshaltung zu gehen und im Genick nachgeben. Es wird also zunächst eine gemeinsame "Sprache" installiert.
Diese Sprache der Zügelhilfen kann später unter dem Reiter angewendet werden. Nach einer Lernphase ist es
nicht nötig die Hände deutlich anzuheben! Ein leichtes schließen der Hand ist dann z.B. völlig ausreichend um eine Reaktion vom Pferd zu erhalten. Generell muss und soll man nicht ständig am Pferd herumfummeln. Wer dauernd mit "hohen Händen" herumreitet, hat etwas ganz grundsätzlich missverstanden!
(Meine RL sagt übrigens recht häufg: Hände ruhig und tief

)
In der Lernphase muss man wie wohl bei jeder Technik, noch recht deutliche Hilfen anwenden. Das sieht für das "normale FN- Bild" (nicht abwertend gemeint) gewohnte Augen ungewoht und grob aus. Dabei muss man aber berücksichtigen, welcher Zweck mit dieser Einwirkung verfolgt wird. Nehmen wir als Beispiel z.B. ein Pferd, dass sich ein Stückchen hinter der Senkrechten ziemlich schwer auf den Zügel legt. Beim Zuschauen sieht das meist ja "ganz nett" aus. Es wird häufig gesagt, der Reiter müsse lediglich ein wenig mit der Hand vorgehen. Das zugehörige Bild ist man gewohnt, es sieht normal und üblich aus. Dass der Reiter häufig 20 kg in jeder Hand trägt, sieht man nicht sofort.
Nach der Philosophie der Légèreté ist die die Sprache der Zügelhilfen mit diesem Pferd
grundsätzlich nicht in Ordnung. Es wird also die Sprache der Zügelhilfen "neu installiert". Um ein Pferd wie oben in eine leichten Zügelkontakt zu führen, muss man es zunächst von der bisher bekannte Idee abbringen, dass der Reiter gerne 20 kg tragen möchte. Dazu muss man in der Regel in einer hohen Halsposition bei deutlich geöffnetem Genick den Unterkiefer öffnen. Sobald das Pferd eine richtige Reaktion gezeigt hat, wird
sofort und vollständig nachgegeben. Wird es richtig gemacht, hat man nach kurzer Zeit einen leichten und korrekten Zügelkontakt. Ich denke man muss sich weniger Sorgen machen, wenn ein Pferd ein paar Minuten im Stand oder Schritt nicht über den Rücken geht durch den zu hohen Hals, als wenn man jahrelang inkorrekt weiter reitet. Wie bereits gesagt handelt es sich hierbei um eine kurzfristige Korrekturmaßnahme, die erstmal für den Betrachter hässlicher aussieht als das Bild zuvor - weil der Fehler, der die ganze Zeit bestand, nun offensichtlich ist.
Nehmen wir ein anderes Beispiel, z.B. ein Pferd das stumpf am Schenkel ist. In der Regel kann man ein etwas oberflächliches Publikum täuschen, wenn man 'unauffällig' ziemlich stark treibt. Setzt man sich nun auf das Pferd und möchte es zurück zu einer feinen Reaktion auf den Schenkel führen ("Neuinstallation der Schenkelhilfen"), kann das in der Reithalle schonmal zum Vorwurf führen, man würde sein Pferd schlagen. In diesem Fall würde man bei hingegebenem Zügel eine leichte Beinhilfe geben, bei nichtreaktion eine sich steigernde Gertenhilfe, die bei Reaktion ins Vorwärts sofort aufhört. Dabei kann das Pferd z.B. auch erstmal in völlig ungeordneter Haltung durch die Halle schiessen. Auch hier das selbe Phänomen - eine eigentlich effektive Maßnahme sieht für den Betrachter vielleicht erstmal hässlicher aus als der Zustand vorher.
Zurück zum Ausgangspunkt meiner Argumentation. Die Schule der Légèreté enthält ja beileibe nicht nur die Handeinwirkungen! Hier sei z.B. das Prinzip Hand ohne Schenkel- Schenkel ohne Hand, dass das Pferd sich nicht um den inneren Schenkel wie eine Banane biegen kann, oder das System der Gewichtshilfen genannt.
Ich ganz persönlich habe (als Jugendliche) beim FN- Unterricht an Dingen festgehangen, die mir absolut unlogisch vorkamen. Dazu zählte z.B. die Frage, wie sich mein Pferd "um meinen Schenkel" biegen soll und wie ich mein Pferd "an den Zügel reiten soll". Mein RL warf mir ob meiner kritischen Fragen vor, ich wolle die Reitlehre neu erfinden - wirkliche Argumente hatte er allerdings nicht. Ich ritt gefrustet nur noch ins Gelände.
PK hat mir persönlich hier sehr weitergeholfen. Mir sind reihenweise Lichter aufgegangen und Dinge bestätigt worden, die ich intuitiv als Jugendliche bereits angezweifelt hatte. Ich bin mit meinem Pony so weit gekommen, wie ich es mir niemals hätte träumen lassen. Ich hätte niemals gedacht, dass ich einmal an den Punkt kommen würde, mit meinem Pony fliegende Wechsel zu erarbeiten - (Dressur)reiten macht uns beiden (wieder) unheimlich Spaß und wir wollen noch weiter kommen.
PK geht bei seinen Ausführungen davon aus, dass ein gewisses reiterliches Grundniveau besteht. Er beschäftigt sich in einem Buch nicht mit allen Themen. Auch ich halte Sitzschulung für enorm wichtig, diese ist aber völlig unabhängig z.B. von der Reitweise und es gibt zahlreiche gute Bücher darüber, ein guter RL sollte daran arbeiten. Ich habe es schon von mehreren Kursen erlebt, dass auch namhafte Ausbilder (egal welcher Schule) anstatt am offensichtlichen Sitzfehlern des Reiters an irgendwelchen Lektionen arbeiten. Hier hat man wohl Angst vor Unzufriedenheit des Kurskunden. Ich habe auch schon das Gegenteil erlebt, nämlich eine Kursteilnehmerin, die nur Sitzschulung (und Gymnastik ohne Pferd) machen durfte, bevor die RL irgendetwas anderes für sinnvoll hielt. Das ist ehrlich, aber wirklich unbequem. Dazu gehört für einen RL Mut, den ich persönlich sehr schätze.
Zum Schluss beobachte ich seit Jahren auch die anderen Schüler meiner RL und deren Pferden (überwiegend "Freizeitzausels"). Ich sehe harmonisches Reiten vom Basisniveau bishin zu weit Fortgeschrittenen. Meiner Erfahrung nach kann das System auch und gerade von normalen Freizeitreitern erfolgreich angewendet werden. Anfänger unterrichtet meine RL übrigens erstmal an der Longe, später hängen die Zügel erstmal an einem weichen Kappzaum. Wenn man zuviel "fummelt" oder grobe Zügelhilfe gibt kann man ganz schnell die Trense seines Schulpferdes verlieren und einen Halsring in der Hand haben
Ein Mädchen (ca. 15) hat von Anfang an nach der Schule der Légèreté reiten gelernt und reitet jetzt extrem fein mit einem wunderbaren Sitz. Herrlich (ich wünschte, ich hätte auch von Anfang an richtig guten Unterricht gehabt).
Um Gottes willen, die Schule der Légèreté ist sicher nicht die einzige Wahrheit. Es wäre auch völlig vermessen, das zu behaupten.
Ich habe den Eindruck, dass PK ist seiner häufig sicher berechtigten Kritik am modernen Dressursport über das Ziel hinausschießt und den Punkt versäumt, Gemeinsamkeiten aufzuzeigen. Das schafft beim Gegenüber eine "Mauer". Das finde ich schade.
Gruß Tina