Wer bildet sein Pferd noch gebisslos aus?

Rund um die klassische Reitkunst

Moderatoren: Julia, ninischi, Janina

Max1404
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Beitrag von Max1404 »

esge hat geschrieben:Mir scheint immer, dass hier alles, was nicht die Ochsentour A, L, M, S gegangen ist, als "dressiert" angesehen wird, egal wie fein vielleicht das Verständnis des Pferdes für die Lektion ist.
Nein, von meiner Seite definitiv nicht. Ich glaube auch nicht, dass andere hier so denken.

*OT-Jammermodus ein*: Warum nur werden einige von uns hier immer wieder in die böse Schublade der Turnierschrubber gesteckt, nur weil wir uns zur FN, zur deutschen Reitlehre oder zur Skala der Ausbildung bekennen? Die langjähringen User müssten uns doch mittlerweile wirklich besser kennen! Und hat Dami in Göteborg nicht gezeigt, wie korrekt und fein erfolgreiche Sportreiterei aussehen kann? *OT-Jammermodus aus*

Ich lege nur Wert auf gute und gründliche Grundlagenarbeit und kehre immer wieder zu den Basics zurück (Stichwort Skala), wenn es in einer Lektion nicht klappt. Zwar versuche ich schon, in der Lektion die Ausführungsqualität zu verbessern, gelingt mir das aber nicht zufriedenstellend, gehe ich einen Schritt zurück und arbeite an der Vorbereitung oder an verwandten Bewegungsabläufen. Denn wenn die Grundlagen stimmen, fällt einem die Lektion oft wie von selbst in den Schoß. Die Lektion besteht zum großen Teil aus guter Vorbereitung. Übergänge auch. Meistens entlarven Lektionen und Übergänge sehr deutlich, wo der Reiter in der Ausbildung nachlässig gewesen ist. :wink: In diesem Sinn angewendet, kann man Lektionen auch sehr gut zur Analyse nutzen.
Den Zusammenschluss beider Wege, Körper und Geist halte ich für den richtigen.
Sehe ich auch so.
:trink1:

Die Piaffe finde ich ein schlechtes Beispiel, denn sie kann man tatsächlich per Trick "installieren" (also dem Pferd eine Idee von der gewünschten Aktion vermitteln) und sie später reiterlich verfeinern.
Das geht anderen Lektionen nicht so einfach. Hier müssen die Voraussetzungen stimmen, und die müssen erritten werden. Und das wichtigste beim Reiten von Lektionen sind die Übergänge, und eine zusätzliche Schwierigkeit stellt es dar, eine schnelle Abfolge verschiedener Lektionen in verschiedenen Gangarten hintereinander flüssig und am Punkt auszuführen. Auf zufällige Ansage und nicht, indem ich eine Dressuraufgabe so oft wiederhole, bis das Pferd sie auswendig kann und auch ohne Reiter ausführen könnte. Dann wären wir wieder bei der Pudeldressur, auch im Turniersport. :wink:

Edit: die Diskussion ist zwar OT, dennoch denke ich, dass die Schilderung und Erklärung der Zielsetzungen der verschiedenen Diskussionsteilnehmer (und auch ihr Weg dorthin) sehr wichtig ist, damit man sich wirklich ehrlich und fruchtbar austauschen kann über die Vor- und Nachteile von gebisslosem oder Reiten mit Gebiss, und nicht verschiedene Seiten mit verschiedenen Zielsetzungen von verschiedenen Dingen ausgehen und dadurch aneinander vorbeireden. Verständnis für die Sichtweise der anderen Seite ist in meinen Augen ganz wichtig, damit man sich gut austauschen kann. Deshalb finde ich die Entwicklung der Diskussion trotz OT sehr positiv. :wink:
Viele Grüße
Sabine
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Julia
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Beitrag von Julia »

maulfrei :o) hat geschrieben:
OT: SORRY, so ein Mist, ich bin eben statt auf den button "Antworten" auf das Ausrufezeichen gegangen - sprich "Beitrag melden!" Frust, wer lesen kann ist klar im Vorteil - an wen muss ich mich jetzt wenden??
Alles klar, schon erledigt ;)
Liebe Grüße, Julia
maulfrei :o)

Beitrag von maulfrei :o) »

Julia hat geschrieben:
maulfrei :o) hat geschrieben:
OT: SORRY, so ein Mist, ich bin eben statt auf den button "Antworten" auf das Ausrufezeichen gegangen - sprich "Beitrag melden!" Frust, wer lesen kann ist klar im Vorteil - an wen muss ich mich jetzt wenden??
Alles klar, schon erledigt ;)
DANKE!!
:D
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Finchen
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Beitrag von Finchen »

maulfrei :o) hat geschrieben:Stimmt, esge, die Grenzen sind fließend!
Ich finde aber, dass wir hier genau beim Thema gebisslose Ausbildung sind.
Ganz am Anfang der Diskussion auf Seite 1 schrieb sapere aude:
"Pferdeausbildung mit der Hackamore ist ein gentlemen's agreement zwischen Reiter und Pferd, es basiert auf gegenseitigem Vertrauen, Zwang ist nicht möglich."
Im Vergleich Trensengebiß - Bosal sehe ich da keinen sehr großen Unterschied, was die Zwangmöglichkeiten angeht. :?


@Max:
stimme zu, der Austausch ist interessant, lehrreich, förderlich - trotz OT oder sogar wegen OT.
"Das Herz mit dem Verstand begreifen zu wollen, ist so ähnlich, wie mit den Ohren sehen zu wollen." Safi Nidiaye
Kiruna Karmina
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Beitrag von Kiruna Karmina »

Den Thread finde ich ausgesprochen konstruktiv, offen, respektvoll, informativ und unglaublich anregend. Es besteht offensichtlich eine große Bereitschaft, sich in das Denken und die Sichtweisen der verschiedenen Beteiligten hineinzuversetzen. Und jeder gibt sich offenbar viel Mühe, ganz präzise zu erklären, was er meint.

Es geht doch! :)
esge
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Beitrag von esge »

Max, sorry für den Seitenhieb auf Turnieris. Ich hatte dabei mehr eine Reiterin aus meiner Umgebung vor Augen, die 20 Mal auf die Mittellinie schrubbt und das Pferd durch endlose Nachkorrekturen wirklich hindressiert, gefälligst in X geschlossen zu stehen, anstatt den Weg bis ins Halt entsprechend vorzubereiten, bzw. überhaupt erstmal die Vorausssetzungen zu schaffen. Auch bei anderen Lektionen habe ich ihr schon oft Hinweise gegeben, wie sie sie für das Pferd logisch aufbauen und erarbeiten kann, anstatt am Endergebnis zu dressieren. Sie ist dann jedes Mal total erstaunt, dass es funktioniert - generell ändert sie aber leider nichts. Seufz.
Die hatte ich jedenfalls vor Augen, als ich das schrieb und es war nciht auf jemanden hier im Forum gemünzt.
Loslassen hilft
Rapunzel
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Beitrag von Rapunzel »

Irgendwer (maulfrei?) schrieb vorhin, dass ein Pferd quasi "einen ganzen Satz auf einmal aufsagen kann", das erinnert mich an ein Erlebnis neulich: Bekannte bringt ihr kleines Kind ins Bett, dieses sagt: "Gute Nacht, Mami, ich liebe dich über alles!" Mir schmilzt das Herz, da sagt das Kind zu mir (die es kaum kennt) exakt denselben Satz: "Gute Nacht, X, ich liebe dich über alles!"

ÖÖöhm - mal abgesehen davon, dass ich das ziemlich gruselig fand, brauch ich so einen "aufgesagten Satz" nicht. Ich will einen Dialog, keinen auswendig gelernten und nicht empfundenen Inhalt. Ich werde auch im Leben nicht verstehen, was daran toll sein soll, dass in Castingshows irgendwelche Kids die Lieder anderer Leute nachsingen. Wenn ich so etwas will, kauf ich mir einen Papagei.

Ich finde, bei der "Andressier"-Methode fehlt die Grammatik, oder zumindest große Teile davon. Ein bisschen wie bei Kisuaheli - das sind im Grund auch nur aneinandergereihte Wörter, sehr leicht missverständlich und nur von sehr wenigen Leuten so nutzbar, dass dabei Nuancen differenziert ausgedrückt werden können. Vermutlich gibt es deshalb auch keinen Literaturnobelpreisträger, der Suaheli schreibt. 8)

Ich kenne auch kein solches Pferd, das strahlt.
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Finchen
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Beitrag von Finchen »

Ganz OT:

@esge:
lieben Dank dass es dir auch "passiert" - ich habe blöderweise auch oft ein bestimmtes Bild der Turnierambitionierten im Sinn und mir passiert es auch, dass ich dann Turniergereit gleichsetze - wider besseren Wissens. :oops:

OT fertig! :wink:
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sab
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Beitrag von sab »

Hallo,


bei der Andressiermethode, wie Rapunzel sie so schön beschreibt (grosses Lob !) gibt es natürlich auch keinen Dialog. Da hat das Pferd einfach zu funktionieren. Deshalb wird in dem Zusammenhang ja auch abfällig von "Zirkusreiterei" gesprochen (grosse Zirkustrainer wie den wunderbaren Freddy Knie meint das natürlich nicht !).

Neindorf sprach von "mechanisiertem Reiten" was eben genau das meint. Und ich erinnere mich auch an eine Stunde, bei der ich etwas falsch gemacht hatte und mein Pferd unwillig wurde, an seinen Spruch "das Pferd hat das Recht, auch nein zu sagen". Das ist eben Dialog ! 8)

LG

Sabine
Rapunzel
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Beitrag von Rapunzel »

Na ja, Sab, ich glaube aber nicht, dass hier jemand so arbeitet oder das Ziel hat, das Pferd zum reinen Funktionieren zu degradieren. Beim Andressieren von Einzelelementen, zumal an einzelnen Körperteilen, besteht halt nur immer die Gefahr, dass man keinen Zusammenhang hinkriegt - dazu braucht´s dann extrem viel Gefühl, Talent, Vermittlungsfähigkeit ... die "altmodische" Art scheint mir da einfach besser verständlich, auch wenn man dann vielleicht nicht so weit kommt lektionentechnisch.
maulfrei :o)

Beitrag von maulfrei :o) »

Mein Eindruck hier im Forum ist, dass ALLE darum bemüht sind, ihr Pferd so artgerecht und so gut wie möglich auszubilden und niemand hier nur stumpf etwas andressieren möchte - egal in welcher Reitstilrichtung und mit welcher Ausrüstung man unterwegs ist :) denn sonst wären wir ja nicht hier im Forum, um zu dikutieren :wink:

Aber bei der Begriffsdefinition bin ich ins Grübeln gekommen, denn es ist m.M. nach ganz schwer bis unmöglich, zwischen "andressieren" und "die (Reiter-)Hilfen lernen" zu unterscheiden (das hatte auch schon jemand hier im Thread geschrieben): Sämtliche Hilfen, die der Reiter gibt (Gewichts-, Zügel-, Schenkelhilfen), müssen vom Pferd zunächst als solche gelernt bzw. verstanden werden. Der Schenkeldruck z.B. muss vom Pferd als treibender Impuls erlernt werden, die erste Reaktion wäre naturgemäß nämlich keineswegs eine Beschleunigung, sondern eher eine Muskelkontraktion/ Abbremsen der Bewegung.

Vielleicht wäre es eine Möglichkeit, zu sagen, dass
- Lektionen, für die es nur einen "An- und Ausschalter" gibt, die das Pferd also nach Schema "F" herunterspult und in der der Reiter bzw. Ausbilder keine Möglichkeit hat, detailliert auf das Bewegungsmuster Einfluss zu nehmen, "andressiert" sind,
hingegen
- man bei Lektionen, auf die man während der Ausübung derselben noch Einfluss auf Details in der Ausführung nehmen kann, von einer Ausbildung des Pferdes sprechen kann.

Zu Max:
"Natürlich kann man einem Pferd durch Dinge wie Stöckchen wedeln, Zungenschnalzen, Kopfstand im Sattel oder ein lustiges Wortkommando die Piaffe oder ähnliche Lektionen beibringen."

Grins, NEIN, kann man natürlich NICHT! Man kann einem Pferd letztlich beibringen, auf ein bestimmtes Zeichen hin eine Lektion auszuführen, aber die Lektion an sich muss es vorher erst gelernt haben - und je schwieriger sie ist, desto umfangreicher muss die Ausbildung vorher erfolgt sein.

"Eine Levade, wie sie von den Wienern an der Hofreitschule gezeigt wird, hat eine andere Ausführungsqualität, als ein Steigen, das auf Handzeichen beigebracht wurde."

Auch hier haben du und ich einfach ein anderes Bild vor Augen:
Wenn ich von einer Levade spreche, dann meine ich auch eine solche - ein Steigen (Pesade) ist dann natürlich etwas anderes.
Aber eine korrekte Levade kann bestimmt auch auf Handzeichen oder ein anderes Signal ausgeführt werden, BEIGEBRACHT wird sie damit allerdings anders - sondern durch eine korrekte, umfangreiche Ausbildung im Vorfeld!

Denn eine korrekte Levade - sowie auch eine gute Piaffe - sind mit Sicherheit keine Lektionen, die ein Pferd zufällig korrekt ausführen kann, sondern es bedarf einer sehr guten, umfangreichen gymnastischen Vorbereitung/Ausbildung dazu...


Zum Thema "Dialog" mit dem Pferd:
Meiner Meinung nach hat das Pferd um so mehr Möglichkeiten, seine Meinung auszudrücken, je milder die "Ausrüstung" ist - denn je weniger Druckmittel der Reiter zur Verfügung hat, desto mehr Freiheiten hat das Pferd!

Hätte noch große Lust, weiterzuschreiben, habe aber leider keine Zeit mehr...
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Finchen
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Beitrag von Finchen »

@Maulfrei:
hinsichtlich andressierten Lektionen und geschulten bist du glaube ich gar nicht so fern von Max. Max?

Dann würde mich immer noch interessieren, ob du (und auch andere) glaubst, dass gebißlos automatisch weniger Druck bedeutet als mit Gebiß.
Und wenn ja: wieso ist eine DruckMÖGLICHKEIT automatisch negativ zu bewerten? Dann dürfte man auch nicht mit einer Gerte arbeiten, denn die KANN ja nun auch recht unsanft für ein Pferd eingesetzt werden.
"Das Herz mit dem Verstand begreifen zu wollen, ist so ähnlich, wie mit den Ohren sehen zu wollen." Safi Nidiaye
maulfrei :o)

Beitrag von maulfrei :o) »

Finchen hat geschrieben:@Maulfrei:

Dann würde mich immer noch interessieren, ob du (und auch andere) glaubst, dass gebißlos automatisch weniger Druck bedeutet als mit Gebiß.
Und wenn ja: wieso ist eine DruckMÖGLICHKEIT automatisch negativ zu bewerten? Dann dürfte man auch nicht mit einer Gerte arbeiten, denn die KANN ja nun auch recht unsanft für ein Pferd eingesetzt werden.
JA, denn es gibt einen großen Unterschied: Während eine gebisslose (nicht eng verschnallte) Zäumung wie meine bei losen Zügeln KEINEN Druck mehr ausübt und das Pferd sich daher quasi "wie frei" fühlt, muss das Pferd mit Gebiss seine natürliche Kieferposition zwangsweise verändern, denn das Gebiss liegt AUF JEDEN FALL auf der Zunge und drückt diese ein - denn die Zunge füllt im Normalzustand ohne Gebiss im Maul die Maulhöhle komplett aus!
Das habe ich nicht erfunden :wink: sondern in Studien nachgelesen, gut beschrieben und auch mit "echten" Bildern/Fotos/Röntgenaufnahmen belegt (und nicht nur gezeichnet) z.B. nachzulesen bei der Abschlussarbeit von Friederike Uhlig über die Trensenwirkung bei verschiedenen Zügelzugkräften und deren Auswirkung im Pferdemaul. (Auch auf der homepage von dressur-studien zu finden, einfach den Namen der Autorin als Suchbegriff eingeben.)
Ziel der Autorin ist es übrigens NICHT, das gebisslose Reiten zu propagieren, sondern die Reiter für einen möglichst feinen Umgang mit der Trense zu sensibilisieren.
Auf S. 56 steht: "Während sich die Zunge ohne Trense dem Gaumenverlauf anpasst und die gesamte Maulhöhle
ausfüllt, stellte sich schon mit Trense am hingegebenen Zügel eine sichtbare Veränderung ein." Das kann man auch sehen, sachliche und eindeutige Röntgenbilder dazu finden sich z.B. auf der Seite 30.

Wie stark es das Pferd beeinträchtigt, seine Zunge eingedrückt zu bekommen, hängt vom jeweiligen Pferd ab. Mein Pferd ist damit schlicht nicht reitbar - coverkes Pferd hier im Forum anscheinend auch nicht - andere Pferde scheint es nicht zu stören...

Aber zu denken, dass der hingegebene Zügel = druckfrei bedeutet, ist eben sachlich nicht korrekt.

Daher übt meine Zäumung tatsächlich weniger Druck aus - und auch die Druckintensität ist anders: Wenn ich an meinem Reithalfter die Zügel (zu) stark annehme, kann sich mein Pferd herausheben - dann wirkt der Zügelzug weder auf die Nase noch aufs Genick, sondern das Reithalfter verschiebt sich in Richtung Jochbein. Theoretisch könnte mein Pferd dann einfach Gas geben, denn dann ist der Druck fast weg - dasselbe geschieht, wenn sich mein Pferd mit der Nase Richtung Boden streckt - auch dann hilft ein vermehrter Zug an den Zügeln nicht, Druck aufzubauen... Daher bin ich, was ich auch schon geschrieben habe, auf die freiwillige Mitarbeit meines Pferdes angewiesen.

Bei der Trense verhält es sich mit zunehmendem Zug an den Zügeln anders:
"Manche Pferde wollen sich der Wirkung entziehen und zeigen abwehrende Verhaltensweisen. Verletzungen an Zunge, Lippen und Unterkiefer resultieren häufig aus unsachgemäßer Anwendung der Zäumung und zu starkem Zügelzug (BENNETT, 2005; KAPITZKE, 2001)."
(S.1)
Und zu der Theorie, dass die Pferde ja die Möglichkeit haben, die Zunge anzuheben, um Druck auf den Laden zu vermeiden, lässt sich auf S. 17 nachlesen:
"Die Anatomie des Zungenkörpers ermöglicht es dem Pferd das Gebiss auch ausschließlich auf der Zunge aufliegen zu lassen. Das Pferd hält dabei die Zungenmuskulatur ständig in einem Kontraktionszustand, in dem sie hart genug ist um das Gebiss von den Laden abzuheben. Der Druck, den das Gebiss auf die Schleimhaut ausübt, bleibt somit wegen der größeren Auflagefläche geringer (PREUSCHOFT, 1999). In allen Fällen verursacht die Trense durch Druck eine Zungenimpression, was laut PREUSCHOFT (1990) zu Blutstauungen führen kann."

Bei meiner Zäumung, die ja quasi wie ein normales Stall-Halfter wirkt, weiß ich, dass ich mich kurzfristig mit meinem gesamten Gewicht in die Zügel reinhängen könnte - ohne dass dies zu Verletzungen führen würde.
Das finde ich sehr beruhigend :) auch wenn ich definitiv nicht vorhabe, mich vollständig in die Zügel zu hängen :wink:_

WICHTIG: Ich möchte und werde NIEMANDEN hier verurteilen, der mit Gebiss reitet. Ich habe mich lediglich deshalb intensiv mit dem Thema "Gebisse" beschäftigt, weil MEIN Pferd ein Problem damit hat - und ich versucht habe, zu verstehen, WARUM.
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Finchen
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Beitrag von Finchen »

Druck wie du ihn beschreibst hat man beim Reiten immer. Auch ein Sattel drückt, vom Reitergewicht mal ganz abgesehen, selbst wenn der Reiter passiv ist.
Würde man diesen "Druck" vermeiden wollen, dürfte man den Pferden nur auf der Weide zusehen. :wink:

Auf manchen Bildern hast du deine Zäumung aber doch mit Hebelwirkung eingestellt - diese wirkt dann bei Annehmen der Zügel auf weit mehr Punkte als ein Trensengebiß. Damit wären mir dann zB die feinen Nervenenden im Genick ungewollt angesprochen, das kommt ja bei der Ausbildung mit Gebiß nicht umsonst erst im fortgeschrittenen Stadium mit der Kandare zum Tragen.
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Beitrag von esge »

ich akzeptiere, dass die bloße Anwesenheit des Gebisses im Pferdemaul eine Veränderung bewirkt.

Das tut der Reiter auf dem Pferderücken allerdings auch und dies in erheblich größerem Maße.

Dennoch, es ist in jedem Fall gut und richtig, sich Gedanken um jedes Stück Ausrüstung zu machen und nicht einfach zu machen, was "man schon immer so macht."

Ganz besonders gilt das, wenn ein Pferd echtes Unwohlsein mit einem Ausrüstungsgegenstand zeigt, der sonst als "normal" angesehen wird.

Dennoch sollte sich der gebisslos-Reiter dann genauso intensiv mit den nervenpunkten beschäftigen, die eine gebisslose Zäumung tangiert. Das scheinbar harmlos hochrutschen des nasenbandes Richtung Jochbein sehe ich z.B. als ziemlich kritisch und mitnichten druckfrei an.

Wir sollten uns damit abfinden: ALLES was wir verwenden, um ein pferd zu reiten, übt Druck aus, bringt Unnatürliches ans pferd, zwingt das pferd, sich psychisch und physisch anders / unnatürlich zu organisieren und sich unserem Druck zu beugen. Wir können durch gutes Nachdenken, durch Einfühlungsvermögen und uns anzueignende anatomische Kenntnisse versuchen, diese Einwirkungen für unser Pferd so verständlich zu machen, dass es trotzdem gern mit uns zusammen arbeitet. Aber mehr auch nicht.
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