Verfasst: Mo, 12. Mai 2014 00:03
Einige Gedanken die mir beim Lesen der Beiträge in den letzten Tagen durch den Kopf gingen (nicht zum aktuellen Hickhack, sondern zum Thema "Lernen")
Ganz allgemein erklären wissenschaftliche Modelle und Theorien immer nur einen Teil der "realen Welt" und betonen bestimmte Aspekte auf Kosten anderer. Von daher sollte man eine Theorie dort anwenden, wo sie hilfreich ist, aber sie auf alles und jedes anzuwenden, nur weil sie einem gefällt, ist nicht sehr produktiv. Ich brauche z.B. keine Atomphysik, um eine Hebelwirkung zu berechnen, und immer wieder erklärt zu bekommen, dass Materie aus Atomen besteht, wird irgendwann uninteressant.
Auch die "Ebene", für die eine Theorie entwickelt wurde, spielt eine Rolle. Wenn ich einen Computerfreak bitte, mir zu zeigen, wie ich Serienbriefe einrichten kann, und der mir dann erklärt, dass das Programm in C&&& geschrieben wurde und wie die diversen if-then-Schlaufen funktionieren, ist das zwar richtig, nützt mir aber nichts. Funktioniert dagegen etwas im Programm nicht richtig (ein Bug), muss der Programmierer den Code anschauen, da sich das Problem auf der Userebene nicht lösen lässt.
Nicht zu vergessen ist auch der Einfluss des Zeitgeistes auf eine Theorie, so fällt beispielsweise auf, das etwa zeitgleich mit den Genderstudies bei den Pferdeherden der Hengst als Chef der Herde von der Leitstute abgelöst wurde ...
Das Modell der Konditionierung erklärt zwar Einiges, lässt aber gewisse Bereiche ausser acht. So geht es nicht auf die innere Befindlichkeit des "Versuchsobjekts" ein, seine Motive, seine Emotionen, seine Triebe oder seine Erkenntnisfähigkeit (Modell der Black Box, was im Inneren abläuft, ist nicht messbar und daher für das Modell irrelevant). Es behandelt auch nicht die Vorgänge im Gehirn, die beim Lernen ablaufen, ebensowenig geht es auf die Frage ein, ob ein Verhalten eventuell genetisch verankert ist (wie z.B. die Gangarten bei den Pferden). Des Weiteren ist dieses Modell (typisch wissenschaftlich) "amoralisch", d.h. es kümmert sich nicht darum, mit welchen Mitteln ein bestimmtes Verhalten konditioniert wurde, es interessiert nur, dass das Verhalten konditioniert wurde.
Ich kann natürlich versuchen, alle möglichen Verhaltensweisen via Konditionierung zu erklären, fragt sich allerdings, wie sinnvoll das ist. Welche Konditionierung führt dazu, dass Katzen rollig werden? Während einiger Jahre im letzten Jahrhundert rissen viele Menschen bei allen möglichen Gelegenheiten den rechten Arm hoch; kann mir mal jemand dieses Phänomen nach dem Modell der Konditionierung erklären? Wenn alle Verhaltensweisen konditioniert wären, müsste es auch möglich sein, "unerwünschte" Verhaltensweisen wie Masturbation oder Homosexualität umzukonditionieren, dies funktioniert aber nicht, wie sich in diversen Gesellschaften gezeigt hat, woran liegt das?
Was ich auch vermisse, ist die Rolle der Einsicht oder des Verstehens. Ich kann einem Schüler mit positiver und/oder negativer Verstärkung beibringen, wie er den Satz des Pythagoras anwenden soll, d.h. dass er konkrete Zahlen brav in eine auswendig gelernte Formel einsetzt, aber das, was ich als Mathelehrer eigentlich will, ist, dass der Schüler den Satz des Pythagoras versteht. Natürlich ist nicht anzunehmen, dass Pferde über Mathematik nachdenken, aber es gibt auch beim Erlernen von Bewegungen eine Art von Verstehen oder "den Dreh raushaben", und wenn ich mit Pferden arbeite, ist das "auf mein Signal A folgt dein Verhalten B" nur eine Voraussetzung, damit ich dem Pferd gewisse Bewegungsabläufe nahelegen kann, aber "den Dreh rauskriegen" muss das Pferd dann selbst.
So interessant das Modell der Konditionierung und Lerntheorien sind, für mich sind sie nur ein kleiner Teil meiner theoretischen Beschäftigung mit dem Thema Pferd, da sie so viel nun auch wieder nicht hergeben, bzw. manchmal einfach banal sind. Ich finde komplexere Modelle, die auch die Vorgänge im Pferd miteinbeziehen, viel interessanter, und ich gehe davon aus, dass es sehr wohl Verhaltensweisen gibt, die nicht konditioniert wurden, sondern genetisch verankert sind.
Was den Unterschied zwischen erritten und andressiert angeht, kommen mir die Bilder von Kindern in den Sinn, die von ihren Eltern für irgendwelche Talentschaus gepuscht werden, und deren Vorführungen bestenfalls niedlich, oft genug nur peinlich bemüht sind, jedenfalls den Eindruck hinterlassen, dass die Kinder gar nicht wirklich verstehen, was sie da aufführen, sondern es einfach tun, weil es ihnen gesagt wurde. Ein echter Künstler dagegen hat einen Begriff von dem, was er will, was für ihn erstrebenswert ist, er verfügt zudem über ein Können, das weit über das hinausgeht, was er bei einer Aufführung zeigt.
Auf die Pferde übertragen sehe ich verschiedene Bereiche. Einer ist ein schlicht erzwungenes Verhalten, bei dem im Pferd Angst und Stress die dominanten Gefühle sind. Dann kommt ein mehr oder weniger spielerisch "erclickertes" oder sonstwie andressiertes Verhalten, bei dem das Pferd sich durchaus wohl fühlt, da die Zusammenarbeit mit dem Menschen angenehm ist, auch wenn die Bewegungen dabei ein bisschen "Tun als ob" sind, da ein entsprechendes ausführliches Körpertraining fehlt.
Das Körpertraining ist dann wesentlich für die gute klassische Ausbildung, d.h. das Pferd lernt nicht nur ein paar "Stückchen" für die Talentschau, sondern es lernt die ganze Palette an Bewegungsmöglichkeiten; eine solche Ausbildung kann für ein Pferd gelegentlich anstrengend sein, da es immer wieder gefordert wird, aber auch zu Aha-Erlebnissen führen, da das Pferd Bewegungsabläufe lernt, die es von sich aus eher vermeiden würde (bei meinem Pferdl beispielsweise das simple Antraben auf dem Zirkel, was dann zu folgendem Dialog führt: antraben auf dem zirkel? - unmöglich, kann ich nicht, geht nicht, dazu muss ich mich biegen, ich muss jetzt erst mal schss - fertig mit schss? dann verbieg dich mal ein bisschen im schritt - im schritt ist das ok - antraben? - nönönö, muss nochmal schss - also nochmal verbiegen im schritt, sh, kh, renvers, kh, sh links, sh, kh, renvers, kh sh rechts - sh ist gut, diagonal, diagonal, ja, jetzt geht's, jetzt will ich traben).
Und dann gibt es noch die Sternstunden, in denen der Reiter nur noch vorbereitet und zulässt, dass das Pferd sich selbst produziert, weil es nicht mehr nur tut, was von ihm verlangt wird, sondern weil ihm selbst danach zumute ist, etwas zu tun; dafür muss das Pferd aber die Bewegungsabläufe so gut gelernt haben, dass sie selbstverständlich zu seinem Repertoire gehören, und es den Reiter sozusagen nur noch als Vorwand braucht, um diese Bewegungen zu zeigen, bei denen es sich wohl fühlt.
Ganz allgemein erklären wissenschaftliche Modelle und Theorien immer nur einen Teil der "realen Welt" und betonen bestimmte Aspekte auf Kosten anderer. Von daher sollte man eine Theorie dort anwenden, wo sie hilfreich ist, aber sie auf alles und jedes anzuwenden, nur weil sie einem gefällt, ist nicht sehr produktiv. Ich brauche z.B. keine Atomphysik, um eine Hebelwirkung zu berechnen, und immer wieder erklärt zu bekommen, dass Materie aus Atomen besteht, wird irgendwann uninteressant.
Auch die "Ebene", für die eine Theorie entwickelt wurde, spielt eine Rolle. Wenn ich einen Computerfreak bitte, mir zu zeigen, wie ich Serienbriefe einrichten kann, und der mir dann erklärt, dass das Programm in C&&& geschrieben wurde und wie die diversen if-then-Schlaufen funktionieren, ist das zwar richtig, nützt mir aber nichts. Funktioniert dagegen etwas im Programm nicht richtig (ein Bug), muss der Programmierer den Code anschauen, da sich das Problem auf der Userebene nicht lösen lässt.
Nicht zu vergessen ist auch der Einfluss des Zeitgeistes auf eine Theorie, so fällt beispielsweise auf, das etwa zeitgleich mit den Genderstudies bei den Pferdeherden der Hengst als Chef der Herde von der Leitstute abgelöst wurde ...
Das Modell der Konditionierung erklärt zwar Einiges, lässt aber gewisse Bereiche ausser acht. So geht es nicht auf die innere Befindlichkeit des "Versuchsobjekts" ein, seine Motive, seine Emotionen, seine Triebe oder seine Erkenntnisfähigkeit (Modell der Black Box, was im Inneren abläuft, ist nicht messbar und daher für das Modell irrelevant). Es behandelt auch nicht die Vorgänge im Gehirn, die beim Lernen ablaufen, ebensowenig geht es auf die Frage ein, ob ein Verhalten eventuell genetisch verankert ist (wie z.B. die Gangarten bei den Pferden). Des Weiteren ist dieses Modell (typisch wissenschaftlich) "amoralisch", d.h. es kümmert sich nicht darum, mit welchen Mitteln ein bestimmtes Verhalten konditioniert wurde, es interessiert nur, dass das Verhalten konditioniert wurde.
Ich kann natürlich versuchen, alle möglichen Verhaltensweisen via Konditionierung zu erklären, fragt sich allerdings, wie sinnvoll das ist. Welche Konditionierung führt dazu, dass Katzen rollig werden? Während einiger Jahre im letzten Jahrhundert rissen viele Menschen bei allen möglichen Gelegenheiten den rechten Arm hoch; kann mir mal jemand dieses Phänomen nach dem Modell der Konditionierung erklären? Wenn alle Verhaltensweisen konditioniert wären, müsste es auch möglich sein, "unerwünschte" Verhaltensweisen wie Masturbation oder Homosexualität umzukonditionieren, dies funktioniert aber nicht, wie sich in diversen Gesellschaften gezeigt hat, woran liegt das?
Was ich auch vermisse, ist die Rolle der Einsicht oder des Verstehens. Ich kann einem Schüler mit positiver und/oder negativer Verstärkung beibringen, wie er den Satz des Pythagoras anwenden soll, d.h. dass er konkrete Zahlen brav in eine auswendig gelernte Formel einsetzt, aber das, was ich als Mathelehrer eigentlich will, ist, dass der Schüler den Satz des Pythagoras versteht. Natürlich ist nicht anzunehmen, dass Pferde über Mathematik nachdenken, aber es gibt auch beim Erlernen von Bewegungen eine Art von Verstehen oder "den Dreh raushaben", und wenn ich mit Pferden arbeite, ist das "auf mein Signal A folgt dein Verhalten B" nur eine Voraussetzung, damit ich dem Pferd gewisse Bewegungsabläufe nahelegen kann, aber "den Dreh rauskriegen" muss das Pferd dann selbst.
So interessant das Modell der Konditionierung und Lerntheorien sind, für mich sind sie nur ein kleiner Teil meiner theoretischen Beschäftigung mit dem Thema Pferd, da sie so viel nun auch wieder nicht hergeben, bzw. manchmal einfach banal sind. Ich finde komplexere Modelle, die auch die Vorgänge im Pferd miteinbeziehen, viel interessanter, und ich gehe davon aus, dass es sehr wohl Verhaltensweisen gibt, die nicht konditioniert wurden, sondern genetisch verankert sind.
Was den Unterschied zwischen erritten und andressiert angeht, kommen mir die Bilder von Kindern in den Sinn, die von ihren Eltern für irgendwelche Talentschaus gepuscht werden, und deren Vorführungen bestenfalls niedlich, oft genug nur peinlich bemüht sind, jedenfalls den Eindruck hinterlassen, dass die Kinder gar nicht wirklich verstehen, was sie da aufführen, sondern es einfach tun, weil es ihnen gesagt wurde. Ein echter Künstler dagegen hat einen Begriff von dem, was er will, was für ihn erstrebenswert ist, er verfügt zudem über ein Können, das weit über das hinausgeht, was er bei einer Aufführung zeigt.
Auf die Pferde übertragen sehe ich verschiedene Bereiche. Einer ist ein schlicht erzwungenes Verhalten, bei dem im Pferd Angst und Stress die dominanten Gefühle sind. Dann kommt ein mehr oder weniger spielerisch "erclickertes" oder sonstwie andressiertes Verhalten, bei dem das Pferd sich durchaus wohl fühlt, da die Zusammenarbeit mit dem Menschen angenehm ist, auch wenn die Bewegungen dabei ein bisschen "Tun als ob" sind, da ein entsprechendes ausführliches Körpertraining fehlt.
Das Körpertraining ist dann wesentlich für die gute klassische Ausbildung, d.h. das Pferd lernt nicht nur ein paar "Stückchen" für die Talentschau, sondern es lernt die ganze Palette an Bewegungsmöglichkeiten; eine solche Ausbildung kann für ein Pferd gelegentlich anstrengend sein, da es immer wieder gefordert wird, aber auch zu Aha-Erlebnissen führen, da das Pferd Bewegungsabläufe lernt, die es von sich aus eher vermeiden würde (bei meinem Pferdl beispielsweise das simple Antraben auf dem Zirkel, was dann zu folgendem Dialog führt: antraben auf dem zirkel? - unmöglich, kann ich nicht, geht nicht, dazu muss ich mich biegen, ich muss jetzt erst mal schss - fertig mit schss? dann verbieg dich mal ein bisschen im schritt - im schritt ist das ok - antraben? - nönönö, muss nochmal schss - also nochmal verbiegen im schritt, sh, kh, renvers, kh, sh links, sh, kh, renvers, kh sh rechts - sh ist gut, diagonal, diagonal, ja, jetzt geht's, jetzt will ich traben).
Und dann gibt es noch die Sternstunden, in denen der Reiter nur noch vorbereitet und zulässt, dass das Pferd sich selbst produziert, weil es nicht mehr nur tut, was von ihm verlangt wird, sondern weil ihm selbst danach zumute ist, etwas zu tun; dafür muss das Pferd aber die Bewegungsabläufe so gut gelernt haben, dass sie selbstverständlich zu seinem Repertoire gehören, und es den Reiter sozusagen nur noch als Vorwand braucht, um diese Bewegungen zu zeigen, bei denen es sich wohl fühlt.