Tritte verlängern und verkürzen.

Rund um die klassische Reitkunst

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Ravina
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Beitrag von Ravina »

Frage: wer hier hat eigene Erfahrungen für's korrekte Zulegen?
Ich habe dieses Sommer viele Arten davon gesehen, glücklicherweise auch wirklich gute. Die guten sind eindeutig sichtbar. Es ist, als ob ein starker Energiefluss durch das Pferd gehe. Aus der Versammlung mit Hankenbeugung wird das Durchstrecken und weiter Durchfußen der Hinterbeine und das akzentuierte Heben der Vorderbeine. Im Gegensatz zur Meinung von Lipizzanerhof "Dabei gestatte ich meinen Pferden eine tiefere Einstellung des Kopfes. Dadurch kann die Muskulatur der Vorhand, die für das Vorschwingen des Vorderbeines zuständig ist, optimal arbeiten. Durch die tiefere Kopfhaltung muss ich aber in kauf nehmen das die Gangmechanig flacher wird als z.B. im arbeits Trab." steigt das Pferd in der Vorhand nach oben und öffnet in dieser Stellung das Genick.

Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass das Wichtigste die vorherige Versammlung (fühlbar fast als Energie-Ansammlung) ist. Wenn da alles richtig läuft, ist das Zulegen mit dem "Schalten in den höheren Gang" vergleichbar: die Drehzahl bleibt die Gleiche - aber der ICE fährt 300. Ich hatte das Glück, so etwas mal zu reiten. Es ist schon 10 Jahre her, aber das wunderbare Gefühl verfolgt mich noch immer: Versammlung im Schulterherein, auf die Diagonale gerademachen und die Post ging ab, quasi tiefergelegt mit federnder Leichtigkeit "WOW", und mit Schwammausdrücken ging es in die Versammlung zurück. Das war mich für mich das Ideal. Das hat nichts mit dem heftigen Sporengewackel und Zügelgezuckel zu tun, das man leider immer wieder antrifft. Da hat die FN leider ein Problem geschaffen, in dem sie auf Turnieren den Mitteltrab schon vor der Versammlung fordert..... das geht einfach nicht.

Anneli, die dieses Gefühl gerne wieder hätte
Carmen
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Beitrag von Carmen »

Okay, als Überprüfung der Durchlässigkeit ist Tritte verlängern und verkürzen gut geeignet.

@LordFado
Ich meine mit meiner Fragen, welchen gymnastischen Wert diese Übung fürs Pferd hat. Was bringt es mir, wenn es korrekt ausgeführt ist?
Denn für die Versammlung brauche ich vor allem Tragkraft, weniger Schubkraft. Daher denke ich, kann man gut versammeln ohne Tritte zu verlängern. Umgekehrt wird eher ein Schuh draus.
"Es gibt schon viel zu viele Pferde, die Gefangene sind. Wenn wir unser Pferd lieben, müssen wir [...] ihm so viel wie möglich von seiner Freiheit zurückgeben." Sylvia Loch
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Medusa888
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Beitrag von Medusa888 »

Ravina hat geschrieben:Frage: wer hier hat eigene Erfahrungen für's korrekte Zulegen?
Die guten sind eindeutig sichtbar. Es ist, als ob ein starker Energiefluss durch das Pferd gehe. Aus der Versammlung mit Hankenbeugung wird das Durchstrecken und weiter Durchfußen der Hinterbeine und das akzentuierte Heben der Vorderbeine.
Ein perfektes Zulegen kann ich gelegentlich bei uns im Stall sehen. Die Tochter des SB, die auch Bundeschampionate etc. reitet, hat eine (gewaltige) Stute ihres Vaters im Beritt. Diese Stute verlängert inzwischen aus einer deutlichen Versammlung heraus die Tritte und es ist, als ob sie schwebt. Einfach eine Augenweide. Ohne jede Kraft geritten, denn die Reiterin hat max. 50 kg Gewicht.
Ravina hat geschrieben:Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass das Wichtigste die vorherige Versammlung (fühlbar fast als Energie-Ansammlung) ist. Wenn da alles richtig läuft, ist das Zulegen mit dem "Schalten in den höheren Gang" vergleichbar: die Drehzahl bleibt die Gleiche - aber der ICE fährt 300.
Hier muss ich allerdings in Teilen widersprechen. Das korrekte Tritte verlängern aus der Versammlung heraus geht eben nur mit ausgebildeten Pferden. Meinen 5-jährigen haben mein RL (ein alter Warendorfler) und ich den ganzen Sommer über an den Mitteltrab herangeführt.

Ich dachte auch immer: kurze Seite zurücknehmen, hinten Druck aufbauen und dann los, aber das kann ein junges Pferd gar nicht, weil die Versammlungsfähigkeit fehlt! Wir sind hier also den Weg gegangen, dass wir bereits in den kurzen Seiten "Schwung geholt" haben um dann auf der Diagonalen oder der langen Seite alles rauszulassen. Am Anfang hat er sich regelrecht verschluckt und ist aus dem Takt gekommen. Ich bin hier zunächst drüber hinweg geritten, dass ist auch der Tipp der Holländer bei den Friesen. Die Anlehnung sollte immer schön rund sein und gut über den Rücken, so dass die Hinterhand frei arbeiten kann.

Ebenfalls sind wir gleich mehrere lange Seiten hintereinander MT gegangen, gerne auch maßvoll durch die kurze Seite. Das Pferd wußte dann gleich was kommt und hat sich sehr bald selber aufgenommen, wenn er wußte: jetzt kommt zulegen.

Vielleicht war dieser Weg etwas unorthodox, führte aber über ein knappes halbes Jahr dazu, dass er jetzt ohne Eilen und ohne Taktfehler ein sehr lässiges Tritte verlängern zeigt. Mir fast schon zu lässig. Möglicherweise hat mein RL auch mit Absicht diesen Weg gewählt, weil wir für das Friesenchampionat eben Blendertritte zeigen mussten.

Das Problem mit dem Eilen und auf die Vorhand fallen kenne ich vom meinem kranken 9-jährigen Sorgenkind. Wenn es ihm gut geht, dann kommt der volle Schwung aus der Hinterhand und die Vorhand hebt sich und man glaubt, dass man schwebt. Wenn es ihm schlecht geht, dann eilt er und fällt auf die Vorhand. Grund ist mangelnde Kraft/-übertragung von der Hinterhand auf den Rücken.
Wenn der Reiter fühlt, dass von hinten nichts kommt und das Pferd nur noch strampelt, denke ich, muss es einen Schritt zurückgehen: keine ganzen langen Seiten verlangen, immer nur Trittweise zulegen und wieder einfangen, wieder zulegen. Tempi sind das Salz in der Suppe und mit der Kraft kommt der Schwung. Das kann man einfach nicht erzwingen, sondern nur durch konsequente Arbeit das Pferd befähigen eine gute Verstärkung zu gehen.
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Cat_85
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Beitrag von Cat_85 »

Medusa888 hat geschrieben:Das korrekte Tritte verlängern aus der Versammlung heraus geht eben nur mit ausgebildeten Pferden.
[...] aber das kann ein junges Pferd gar nicht, weil die Versammlungsfähigkeit fehlt!
Aber warum muss das Pferd denn schon Tritte verlängern können, wenn es noch nicht in der Lage ist sich so zu versammeln? Ich bin der Meinung, dass die Versammlung vor der Schwungentfaltung im Verlängern der Tritte kommen sollte.
Je nachdem wie viel sich das Pferd versammeln kann, soviel kann es dann auch verstärken. Mehr nicht.
LordFado

Beitrag von LordFado »

cat: wer sagt denn, dass es anders gemacht werden soll?

carmen: es schult Balance und Körpergefühl und kräftigt, insofern super-wichtig für die Gymnastizierung!
Ans
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Beitrag von Ans »

Andersherum betrachtet fördern ganz kleine, fast unsichtbare und kurze Sequenzen von vorsichtigem Tritte verlängern beim jungen Pferd die Durchlässigkeit.
Dabei reden wir ja von keiner Trabverstärkung sondern von einem leichten Tritte verlängern, wobei natürlich immer ein Augenmerk auf dem Ausbildungsstand des Pferdes liegen muss, und je nachdem muss eingeschätzt werden, wie viel mehr man verlängern kann.
Anfangs ist das wirklich minimal und für den Zuschauer nicht zu sehen, dabei geht es für den Reiter einzig und allein um Reaktion, die er spüren kann.
Das Wichtige daran ist aber das sorgfältige Zurückführen. Darin liegt der eigentliche Sinn.
Wichtig ist eine entsprechende Rahmenerweiterung des Pferdes, um die Fußfolge zu erhalten, und Losgelassenheit zu ermöglichen.
Je nach Ausgeprägtheit des Tritte verlängerns mehr, oder eben weniger.
Außerdem ist-gerade am Anfang der Ausbildung, oder auch wenn es gerade an erste kleine versammelte Sequenzen geht, wichtig, immer wieder das Vorwärts zu erhalten.
Ohne zu rennen, aber die Elastizität muss erhalten bleiben.
knowi
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Beitrag von knowi »

Gegenfrage: Warum Versammlung ohne Verstärkung? Alleine das Dehnen und Strecken (das Vorstrecken der Vorderbeine, das Vorziehen der Schultern, die Dehnung von Hals u. Rückenmuskulatur) an und für sich halte ich für sinnvoll. Zudem, wie schon erwähnt wurde, ist es eine tolle Balanceschulung.
V.a. für Pferde mit limitierten Gängen sehe ich im Tritte Verlängern die erste Möglichkeit den Gang/Raumgriff zu verbessern. Denn über weitere Tritte ohne Beschleunigung - i.d.R. durch eine korrekte DH, da diese zunächst das Verstärken erleichtert -komme ich deutlich aus kurzen "Nähmaschinengängen" heraus. Auch wenn das Pferd noch nicht auf dem Niveau ist sich korrekt zu versammeln. (Ich spreche hier auch nicht von einer spektakulären Verstärkung, sondern einem ersten Verlängern der Tritte.)
Für mich baut das aufeinander auf. Das korrekte Tritte verlängern, Impulsion schaffen, das Pferd leicht am Bein haben und anschließend, wenn die nötige Impulsion vorhanden, das Pferd entsprechend vorbereitet und körperlich in der Lage ist, die Versammlung. Und da kann man die Gänge dann richtig stilisieren/verbessern

Und dann kann ich m.M.n. auch die Versammlung nutzen um die Verstärkung zu verbessern.

Liebe Grüße!
Knowi
Jedes Werden in der Natur, im Menschen, in der Liebe muss abwarten, geduldig sein, bis seine Zeit zum Blühen kommt.
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Cat_85
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Beitrag von Cat_85 »

@ LordFado: Es wurde gesagt, dass es dem Pferd über die Versammlung nicht beigebracht werden kann, weil es noch nicht soweit ist. Also wurde ein anderer Weg gewählt. Und ich frage mich halt, ob das dann so gut ist.
Warum Versammlung ohne Verstärkung
Das würde ich ja auch nicht sagen. Sondern nur soweit Versammlung und Verstärkung wie auch das Gegenstück geht.

Kann natürlich sein das ich das grad ein bisschen falsch verstehe. Wenn von Verstärkung gesprochen wird habe ich immer nur diese Bidler von verspannten strampelnden Pferden im Kopf. Wenn man es natürlich nur soweit macht wie es eben geht, also zum Beispiel eine minimale Trittverlängerung, ist das was anderes.
Carmen
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Beitrag von Carmen »

Sondern nur soweit Versammlung und Verstärkung wie auch das Gegenstück geht.
So würde ich das auch sehen. Eine Art Gleichgewicht zwischen beidem.

Verbessert Verstärken wirklich das Gleichgewicht? Bringt es das Pferd nicht eher aus dem Gleichgewicht? Versteht mich nicht falsch, ich hab nichts gegen Tritte verlängern. Ich kann mir nur gerade den Nutzen nicht so richtig vorstellen.
Ist es nicht eher eine Lektion, die zugunsten der ganggewaltigen Warmblüter an Wichtigkeit gewonnen hat?
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Susanne
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Beitrag von Susanne »

Also, ein gewisses "Go" sollte zumindest immer abrufbar sein. Nun sitze ich hier schon ein Weilchen über diversen Ritten und versuche Takt und Frequenz "mitzuzählen". Muß nachher mal das Metronom suchen gehen...
Liebe Grüße
Susanne
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Cat_85
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Beitrag von Cat_85 »

Carmen hat geschrieben:Ist es nicht eher eine Lektion, die zugunsten der ganggewaltigen Warmblüter an Wichtigkeit gewonnen hat?
Das denke ich auch.
Aber Susanne hat auch recht, man sollte ein gewissen Grad der Verstärkung abrufen können. Doch denke ich das es teilweise echt übertrieben wird. Vor allem bei Pferden, die einfach nicht so weit sind.
Carmen
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Beitrag von Carmen »

Klar muss man mal etwas stärker vorwärts reiten. Allein schon, um das Pferd nicht in der Versammlung "verrecken" zu lassen.
Außerdem macht es ja auch Spaß. :D
Ich finde nur, es wird größtenteils überbewertet.
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Jen
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Beitrag von Jen »

Die Versammlung ist nur dann wirklich gut und reell, wenn die Energie und Kraft der HH über den Rücken auf die Vorhand übertragen werden kann. Da dies am Anfang in der Versammlung sehr oft verloren geht und das Pferd gern "klebrig" und "zäh" wird oder sich auf die Vorhand abstellt, ist es zwingend nötig, immer wieder zu kontrollieren, ob die HH immer noch frei nach vorne durchschwingt und dazu sind die Tritte verlängern da. Bei einem Pferd, das von Natur aus schon eher zäh und faul ist, ist es sehr wichtig, dass zuerst die Energie leichter fliessen kann, von hinten nach vorne und da macht es mehr Sinn, zuerst schauen, dass leicht die Tritte verlängert werden können, bevor man anfängt zu versammeln, sonst wird's nur ein langsam schlurfen statt eine Versammlung. Hingegen ein Pferd, das eher "bulldozert" und einen laaangen Bremsweg hat, bei dem ist es sinnvoll die Versammlung eher schon etwas früher dranzunehmen, um das Pferd reaktiver zu machen und das Gleichgewicht nicht so nach vorne werfen zu lassen. Schlussendlich sollte man das Gefühl haben, man hat einen Ball unter sich, den man jederzeit in jede Richtung verschieben kann, anhalten kann und egal in welcher Gangart oder welchem Tempo wieder weiterreiten kann. Deshalb sind ja die übergänge so wichtig, nicht nur zwischen den Gangarten, sondern eben auch innerhalb der Gangarten, weil diese das Pferd reaktiv und durchlässig machen.
Liebe Grüesslis, Jen
***
Das Maul des Pferdes ist kein Bremspedal! Martin Plewa
Motte
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Beitrag von Motte »

Schlagt mich,

aber ich "benutze" das Tritte verlängern gerne dazu, mein Pferd aktiver, aufmerksamer und durchlässiger zu bekommen.

Und dazu reite ich nicht stundenlang Tritte verlängern, sondern immer mal wieder kurze Reprisen. Z.B.: aus der Ecke kehrt, zum Hufschlag Tritte verlängern. Kurze Seite mal Tritte verlängern. mal ne halbe lange Seite Tritte verlängern etc.

Die mehr versammelnde Arbeit ergibt sich daraus eigentlich fast von selbst.

Gruß
Motte
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cinnamon
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Beitrag von cinnamon »

knowi hat geschrieben:Gegenfrage: Warum Versammlung ohne Verstärkung?
ebend.
im heuschmann ist gut erklärt, wie man über die schubkraft zur tragkraft kommt und warum man diese reihenfolge grob einhalten sollte (wobei da vieles auch ineinander übergreift, ähnlich der ausbildungsskala).
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