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Verfasst: Sa, 31. Jan 2009 10:27
von Jen
Muss nicht unbedingt der falsche Begriff sein! Für andere mag das vielleicht ja so stimmen! :)

Verfasst: Sa, 31. Jan 2009 11:11
von lancia
Ich denke, viele Menschen verbinden mit dem Wort "Tradition" ein konservatives Festhalten an starren Gepflogenheiten. Ein Stehenbleiben.
Deswegen fände ich den Begriff "altes Wissen" wesentlich besser, weil er nicht so negativ besetzt ist.

Die Orientierung an den alten Meistern hat nicht das Ziel alles eins zu eins zu übernehmen oder sich an Tradition fest zu klammern. Geht es nicht viel mehr darum, aus Erfahrungen zu lernen?
Nicht die Zeit zu "vergeuden" alle Erfahrungen selbst machen zu müssen?

Ich habe bei den alten Meistern einfach das Gefühl, dass ich mich auf dieses Wissen verlassen kann, weil es so lange überlebt hat. Es wurde immer weiter gegeben, weil es korrekt ist. Ich denke, die Zeit kann (im gewissen Rahmen, keine Frage) die Spreu vom Weizen trennen. Was wiederrum nicht heißt, dass moderne Lehren falsch bzw schlechter sind.
So wie die Bilder (oder was auch immer) wahrer Künstler heute noch überall bekannt und im Gespräch sind, um an Reiten als Kunst anzuschließen.

Verfasst: Sa, 31. Jan 2009 11:50
von Carmen
Mir ist grundsätzlich erstmal völlig egal, was und wie die alten Meister irgend etwas getan haben. Für mich steht das Pferd im Mittelpunkt. Klassisches Reiten ist für mich eine Lebenseinstellung, eine Einstellung zum Pferd, die darauf beruht, dass ich dem Tier Respekt entgegenbringe, es nicht als Sportgerät oder als bloßes Hobby betrachte.

Die Pferde geben mir soviel, dass ich nur versuchen kann, ihnen wenigstens ein bisschen davon zurückzugeben. Dazu gehört, dass ich ihnen die Arbeit so leicht wie möglich mache. Dass ich mich fortbilde, wie ich bestimmte Dinge erreichen kann, ohne mein Pferd zu einem toten Gegenstand zu degradieren. Dabei ist mir egal, von wem dieses Wissen kommt, ob das nun de la Gueriniere war oder Tante Trude. Hauptsache, es deckt sich mit meiner Einstellung zum Tier. Hauptsache, ich kann es nachvollziehen und verstehen und mit einiger Übung umsetzen. Hauptsache, meine Pferde fühlen sich dabei wohl.

Ich bin niemand, der die alten Meister in den Himmel heben würde. Sie hatten großes Wissen, große Erfahrungen und ganz vieles, vom dem wir noch einiges lernen können. Andererseits darf man nie vergessen, dass damals kaum jemand an Tierschutz gedacht hat. Die Werte waren damals anders. Auch dort (nicht nur im heutigen Reitsport) mussten die Tiere funktionieren. Ich möchte aber keinen Kadavergehorsam. Ich möchte ein mitdenkendes Pferd, das Spaß an seiner Arbeit hat, das gerne mit mir zusammen ist. Deshalb behalte ich mir vor zu bewerten, was ich lese.

Verfasst: So, 01. Feb 2009 06:11
von gimlinchen
ehrlich gesagt würde ich gerne eine andere diskussion führen - ich finde es auch interessant, wer wie mit tradition umgeht, ich würde aber auch gerne mal nur mit den leuten diskutieren, die diese alten werte grade entdecken oder schon länger für sich entdeckt haben?
interesse?
(neuer thread wäre dann fällig, logisch)

Verfasst: So, 01. Feb 2009 09:55
von lancia
@gimlinchen

Klingt spannend, aber so ganz habe ich noch nicht verstanden, was du genau meinst :?
Also warum man nun den alten Lehren und nicht dem aktuellen Trend folgt? Oder meinst du das anders?

@carmen

ich meinte damit eigentlich auch nicht, dass "früher alles besser war" Ich denke, Menschen wie Gueriniere, Steinbrecht, Oliveira etc hatten als Ziel nicht den Kadavergehorsam. Gute Ideen können von jedem können, aber ich finde, das in den alten Lehren einfach viele gute Ideen stecken. Und zwar immer pro Pferd, wie du es ja auch beschreibst.
Und vor allem, dass was man unter "Reitertakt" versteht. Benehmen, Anstand, Respekt und Höflichkeit gegenüber Menschen und Tieren.
Ich glaube, es ist vor allem der Reitertakt, der mich so an der klassischen Reiterei so fasziniert.
Und der kann von Tante Trude genauso erfüllt werden wie von Gueriniere ;)
Oder wie Hans-Heinrich Isenbart in seiner Rede "Was ich noch sagen wollte" sagt: "Vom Pferd lernen wir Menschlichkeit."
Das ist für mich einer der Grundgedanken der klassichen Reiterei.

Verfasst: So, 01. Feb 2009 10:23
von Jen
"früher war alles besser"
dazu möchte ich noch folgendes anfügen, dass auch schon die alten Meister den "Zerfall" der Reitersitten bemängelten bzw. die schlechte Reiterei, die vielerorts gepflegt wurde, kritisierten. Reiten ist und war schon immer schwierig und ein kontroverses Thema mit vielen unterschiedlichen Sichtweisen. Es gab in der gesamten Reitergeschichet wohl noch nie Einigkeit über den Ausbildungsweg. Nur erfolgreichere und weniger erfolgreiche Ausbilder... ;)

Verfasst: So, 01. Feb 2009 10:31
von lancia
eben... Das meinte ich damit :roll:
Und halt, dass häufig (nicht immer) die guten Ausbildungswege überliefert worden sind und eben nicht die, die contra Pferd ausgelegt waren...

Verfasst: So, 01. Feb 2009 10:51
von gimlinchen
ich versuchs nochmal:
im moment diskutieren wir, wer sich wie bezeichnet und wer welche klassiker gut findet oder nicht und wer generell tradition nett oder blöd findet.

fein.

mehr interessiert mich, was ihr aus den alten oder gar nicht so alten meisten rausnehmt, wie ihr drüber denkt, welche werte ihr erwägt... was sie bei euch bewegen, was ihr damit erlebt, worüber ihr nachdenkt.

ich mach mal ein beispiel: ein gar nicht alter aber dennoch klassisch denkender horseman ist für mich mark rashid. der hat viele kluge ansätze - einer davon ist der wert des lernen düfens und des lehrers. mark zieht auch inspiration aus den asiatischen martial arts (aikido, genauer gesagt) und berichtet beispielsweise so plastische dinge wie dass er stets die reithalle / den platz mit dem selben bein voraus betritt. das hat den historischen hintergrund, dass dieses das bein ist, welches keine waffe trägt und so demut und respekt dem lernen und auch dem vierbeinigen lehrer gezollt wird. in gewisser weise passt das nicht zu mir, weil ich mit dieser kriegerischen tradition nichts zu tun habe. allerdings findeich die idee richtig, das lernen entsprechend zu würdigen.
und ich mag nun, da ich ein gewisses allter erreicht habe, die idee des lehrers - natürlich einerseits das pferd als leher, aber eben auch menschliche (angenehm doppeldeutig) lehrer. damit sind eben leute gemeint, deren wort man ernstnimmt. gute lehrer fordern dabei grade nicht, dass ich alles mache und billige, was sie sagen.

(Bsp.: ich erzähle desmond, dass ich derzeit damit hadere, dass mein RL dinge anders sagt als desmond. antwort: frag, warum er das anders sagt und bild dir eine meinung. ich muss nicht recht haben. )

ichmöchte grade gerne herausfinden, was solche leute ausmacht, u.a. weil das ein bisschen auch mit meinem job zu tun hat.

mark rashid sagt, dass man beim reiten nur besser werden kann durch "ride all the time", also wenn ich softness lernen will, dann ist das nicht nur 45min am tag der fall, sondern immer, beim einkaufen, beim arbeiten, im zug und und und... immer halt.

naja, sowas in der art würde ich gerne von euch wissen :D

Verfasst: So, 01. Feb 2009 10:51
von Carmen
@lancia
Ich habe mich auch nicht auf dich oder jemand anderen im Speziellen bezogen. Nur manchmal hat man einfach den Eindruck, dass früher einfach alles besser war und viele die "gute alte Zeit" etwas verherrlichen.
Ich finde ja auch, dass man ganz viel von den "Alten" lernen kann.

Verfasst: So, 01. Feb 2009 10:57
von lancia
Jetzt versteh ich was du meinst :D Ja, das gehört wirklich in einen neuen Fred. Würd mich auch interessieren, was andere da für Erfahrungen haben.

Edit:
@carmen
Dann sind wir doch alle einer Meinung :D Ja, das mit dem "früher war alles besser-Extrem" nervt mich auch ein wenig

Verfasst: So, 01. Feb 2009 11:14
von sinsa
Meiner Meinung nach gibt es auch ReitKUNST ohne, dass man in der Vergangenheit verwurzelt sein muß.
Reitkunst ist für mich überspitzt gesagt nicht, wenn ich im Kostüm und nachgebauter Ausrüstung reite und dabei "alte Meister" zitiere. Es ist auch nicht alles immer leicht und Hutschigutschi. Reitkunst ist für mich das, wonach ich strebe, wenn ich irgendwas mit dem Pferd mache - und das kann auch spazieren gehen, spielen, Gelassenheitsübungen machen oder sonstwas sein - aber wenn ich etwas mit dem Pferd mache, dann möchte ich es motivieren und ich möchte, dass das Pferd davon profitieren kann. REITkunst ist mir da eigentlich schon ein zu eingeschränkter Begriff.
Für mich ist die Kunst, im Umgang mit dem Pferd, dass ich ein motiviertes Pferd habe, dass am Ende des Tages "glücklich" aus der Wäsche schaut und über die Zeit an Muskulatur, Ausdruck und Selbstbewußtsein gewinnt.
Mit welchen "Reitlehren" ich das genau erreiche, finde ich nicht so wichtig und ob man früher einen Säbel trug oder nicht ist mir auch völlig Wumpe - ich habe ohnehin nicht vor in die Schlacht zu ziehen.
Weil ich gerade dabei bin und mich hier vermutlich eh gerade in die Nesseln setze:
Meiner Beobachtung nach sind die Richtlinien der FN und die Ausbildungsskala extrem einfach geschrieben und dennoch muss immer wieder die FN den Kopf für schlechtes Reiten hinhalten. Daher wundert es mich, wenn Menschen, die die RLs und die Skala nicht in Ansätzen zu verstehen scheinen, dann plötzlich in der Lage sein sollen, ausgerechnet die "alten Meister" zu verstehen :kopfkratz:

Und nun dürft ihr mich hängen, erschießen und mich vierteilen :mrgreen:

Aber bitte bedenken: Ich meine keinen hier aus der Runde. Es handelt sich hier um meine persönlichen Erfahrungen.

Verfasst: So, 01. Feb 2009 11:30
von Steffen
Jen hat geschrieben:"früher war alles besser"
dazu möchte ich noch folgendes anfügen, dass auch schon die alten Meister den "Zerfall" der Reitersitten bemängelten bzw. die schlechte Reiterei, die vielerorts gepflegt wurde, kritisierten.
und das ist noch harmlos formuliert. Die sog. alten Mister haben sich teilweise derart gegenseitig attackiert, dass es schon fast schwer fällt überhaupt noch zwischen Hetze und Lehre zu unterscheiden. Wer ein Kostprobe möchte, kann sich ja mal die Schriften von Steinbrech einerseits und Baucher andererseits antun.

Den Wert der Klassik erkennt man oft erst daran, was sich später bewährt und damit durchsetzt, wobei natürlich auch diejenigen, die sich nicht durchgestezt haben, immerhin hier und da einzelne Ansätze hatten, derer es sich zu erinnern lohnt.

Oliveira war einer der wenigen, der gerade nicht auf eine spezielle Lehre eingeschworen war, sondern vieles in Einklang gebracht hat, was doch eigentlich so gegensätzlich ist.

Die Gefahr bei der Beschäftigung mit den großen Meistern sehe ich darin, dass man schnell abhebt und sich mit Dingen beschäftigt, die man eigentlich gar nich wirklich versteht. Man glaubt zwar, das Gelesene vom Worte her verstehen zu können, aber das System, das dahintersteckt und ohne dass es eben nicht funktioniert, wurde noch gar nicht durchschaut. Das ist so ähnlch, als wenn ein 4-Klässler sich mit der Relativitätstheorie beschäftigen möchte, weil er Einstein so beeindruckend findet :roll:

Die Schriften der Großen Meister wurden nicht für uns 5 mal die Woche Freizeitreiter geschrieben. Natürlich ist es mal ganz spannend so etwas zu lesen, aber ich bin sicher, dass die Sekundärliteratur, die solche Lehren auf unsere heutige Sprache und das Verständnis eines Freizeitreiters herunterbricht wesentlich nützlicher sind.

Wenn man dann die großen Meistern auch noch mit ein wenig asiatischer Martial Arts Philiosphie und indischen Gurumeditation mischt :roll: , kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie da etwas herauskomen soll, das einem beim täglichen Arbeiten an sich und an der Reiterei weiterhilft. Bescheidenheit und Selbsterkenntnis sind wohl die wesentlichen Voraussetzungen für gutes Reiten. Also besser immer auf dem Teppisch bleiben... :wink:

Verfasst: So, 01. Feb 2009 11:36
von gimlinchen
äh?

es ist genau mein anliegen, zu schauen, was fürs eigene (bescheidene) reiterleben nützt.
und ich finde durchaus, dass man sich da umsehen kann, egal wo. wenn der viertklässer was gescheites aus der einstein-lektüre zieht - warum soll mans ihm vermiesen?
ich wehre mich auch dagegen, dass lesen und bescheidenheit sich widersprechen.

Verfasst: So, 01. Feb 2009 11:36
von Carmen
Vor allem glaube ich, dass die alten Meister ganz viele Dinge voraussetzen und somit auch nicht explizit niedergeschrieben haben, weil sie diese Dinge für selbstverständlich hielten. Für uns dagegen ist vieles davon eben nicht selbstverständlich, so dass uns vielleicht der eine oder andere Schritt fehlt.

Verfasst: So, 01. Feb 2009 11:37
von Steffen
sinsa hat geschrieben:Daher wundert es mich, wenn Menschen, die die RLs und die Skala nicht in Ansätzen zu verstehen scheinen, dann plötzlich in der Lage sein sollen, ausgerechnet die "alten Meister" zu verstehen :kopfkratz:
"hängen oder erschießen" - im Gegenteil, Du bringste es ganz genau auf den Punkt. Allerdings fällt es nicht immer leicht, sich eigene Mittelmäßigkeit einzugestehen. Aber was erwarten wir eigentlich?
Ein Hobbytänzer wird sich auch nicht mit einem Profi vergleichen und dessen Trainingsmethoden übernehmen. Wenn er es dennoch versucht, wird er vermutlich scheitern. Also lieber Schritt für Schritt und dafür langsam aber reell weiterkommen.