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Verfasst: Do, 15. Mär 2012 21:57
von amara
Ich guck mal, ob die St. Georg bei uns im Stüberl rumliegt... würd mich jetzt auch interessieren, wie das gemacht wurde. Ich melde mich, wenn ich den Artikel gelesen habe! *hoffe, dass die st-georg da ist...*

Verfasst: Do, 15. Mär 2012 22:21
von Cubano
Wenn nicht: Schick mir Deine Adresse per PN, ich wollte in der kommenden Woche eh ein paar Kopien machen, dann schicke ich Dir eine mit…

Re: Spannungsbogen "ohne Hand"?

Verfasst: Do, 15. Mär 2012 22:58
von Gawan
Cubano hat geschrieben:Das ist ein mehrseitiger Forschungsbericht in der Februarausgabe der St. Georg – in dem sie übrigens auch recht gründlich mit dem ach so sanften Reiten mit 2 Gramm in der Hand aufräumt. Klar kann man das anzweifeln, aber normalerweise sind ihre biomechanischen Untersuchungen recht fundiert – warum sollte das diesmal anders sein? Zusammengefasst hat sie die 500 Gramm (sprich 250 g pro Hand) als relatives Idealmaß ermittelt, wenn man das Pferd korrekt von hinten nach vorn über den Rücken gymnastizieren will und sie begründet auch ausführlich, warum das mit losen Zügeln nicht funktioniert
Cubano hat geschrieben:kurz zusammengefasst schreibt sie "Überlange Zügel ermöglichen es dem Pferd nicht, eine beständige Anlehnung zu finden. Das fördert nicht die Entwicklung der korrekten Muskulatur um eine korrekt bemuskelte Oberlinie zu erzielen." Genau das ist aber nach ihrer Studie so wichtig, um überhaupt zur sogenannten Selbsthaltung zu kommen. Bei zu langen Zügeln besteht laut der Untersuchung die Gefahr, dass das Pferd eben nicht mehr ans Gebiss herantritt. Die Folge: Verkürzte Oberlinie und somit eben keine korrekte Bemuskelung.
Ich habe da eine Verständnisfrage: Clayton nennt 500 Gramm als Idealmass, dabei ist mir aber nicht klar, ob sie damit das Totalgewicht meint, das im Maul des Pferdes landet, oder eine Kraft, die zum Gewicht der Zügel und des Gebisses dazukommt. Nach der Aufstellung von Stahlecker würde ich dieses Idealgewicht bei einer Trense mit einem Durchhang von 2 cm, bei einer Kandare mit einem Durchhang von 4 cm erreichen. Die meisten Aufnahmen moderner Dressurreiter zeigen aber Zügel ohne Durchhang, d.h. da landen auf der Zunge des Pferdes je nach Zäumung über 2 kg bis weit über 7 kg, also definitiv mehr, als Clayton empfiehlt.

Ich habe mal gelernt, der Reiter und das Pferd sollen das Gewicht der Zügel gemeinsam tragen, aber dass es nicht nötig ist, zusätzlich zum Gewicht Spannung auf die Zügel zu bringen, denn auch über einen durchhängenden Zügel kann ich Informationen aufnehmen und zurückgeben, schon ein leichtes Heben oder Senken der Hand gibt ja einen Impuls ins Maul des Pferdes. Allerdings versuche ich auch, die Zügel nicht so lang zu lassen, dass sie z.B. im Trab anfangen zu schlackern.
Minou hat geschrieben:Meine Osteopathin (Buchautorin) ist überzeugte Branderuplerin. Sie sagt: jedes Gramm das man in der Hand hat muß das Pferd von hinten schieben. Also weg vom Zügel!!! Nur BBs Reitweise ist in ihren Augen die Einzige die dem Pferd nützt.
www.horsehealing.de
Die sog. akademische Kandare, wie sie BB teilweise verwendet (http://www.barocko.de/shop/pferd/gebiss ... andare.php), hat ein rechtes Eigengewicht (das Gebiss ist massiv, nicht hohl wie manche Trensen); ich vermute mal, dass sie dadurch relativ ruhig liegt, aber schon allein durch ihr Gewicht eine Wirkung hat, das Pferd sich sozusagen an der Präsenz des Gebisses orientieren kann (ich hoffe, ich drücke mich einigermassen verständlich aus). Nach dem, was ich im Online-Kurs gesehen habe, reitet Branderup keineswegs mit weggeworfenen Zügeln, er wirkt durchaus mit der Hand ein, dabei hängen aber die Zügel meist leicht durch und die Bäume der Kandare bleiben mehr oder weniger in der Senkrechten, d.h. er hängt nicht so in der Kandare, dass die Bäume in der Waagrechten sind, wie bei vielen Sportdressurreitern zu sehen. Gemäss der stahleckerschen Aufstellung wäre er damit nahe an den laut Clayton idealen 500 Gramm.

Tanja Xezal

Verfasst: Do, 15. Mär 2012 23:18
von horsman
Solche Messungen finde ich zwar mal ganz interessant, aber nicht das einzig seelig machende. Neben dem Gewicht auf den Zügeln sind da ja noch mehr Faktoren, die eine gute Anlehnung auzeichnen. Man kann mit 200 gramm eine schlechte A. haben oder eine gute. Ebenso mit 2kg. Ich denke wir sind uns einig, dass es wenn es (dauerhaft) über 5-10 kg geht ein sehr schlechter Zustand ist. Mir pers. ist viel wichtiger ob es zu einer lebendigen Kommunikation kommt, oder ob es ein quasi toter Zustand ist. Und das lernt man zu erfühlen. Ist es eher wie Butter oder eher wie zähes Gummi oder gar wie Holz.

Re: Spannungsbogen "ohne Hand"?

Verfasst: Fr, 16. Mär 2012 07:16
von Cubano
Gawan hat geschrieben: Ich habe da eine Verständnisfrage: Clayton nennt 500 Gramm als Idealmass, dabei ist mir aber nicht klar, ob sie damit das Totalgewicht meint, das im Maul des Pferdes landet, oder eine Kraft, die zum Gewicht der Zügel und des Gebisses dazukommt. Nach der Aufstellung von Stahlecker würde ich dieses Idealgewicht bei einer Trense mit einem Durchhang von 2 cm, bei einer Kandare mit einem Durchhang von 4 cm erreichen. Die meisten Aufnahmen moderner Dressurreiter zeigen aber Zügel ohne Durchhang, d.h. da landen auf der Zunge des Pferdes je nach Zäumung über 2 kg bis weit über 7 kg, also definitiv mehr, als Clayton empfiehlt.
Guten Morgen!
Leider habe ich die St. Georg heute morgen zum kopieren außer Haus gegeben, aber so weit ich mich erinnere, meint sie das Totalgewicht. Wobei sie auch Spitzen gemessen hat, die deutlich höher waren als das genannte Kilo.
@Horsmän: Natürlich spielen auch andere Faktoren in der Anlehnung eine Rolle – ich würde sogar sagen, eine größere als die des Gewichts. Dennoch fand ich den Versuch ganz interessant, weil ich persönlich auch davon ausgegangen bin, dass ich beim Reiten meist weniger in der Hand habe.

Re: Spannungsbogen "ohne Hand"?

Verfasst: Fr, 16. Mär 2012 08:11
von ottilie
Cubano hat geschrieben:meint sie das Totalgewicht
Ich hab den Artikel jetzt nur kurz überflogen, aber soweit ich das verstehe spricht sie immer von "Zugkraft zwischen Pferdemaul und Reiterhand" - ergo ohne Eigengewicht von Trense und Zügel.
An einer Stelle wird geschrieben daß das reine Zügelgewicht bei 250 Gramm liege, die Zugkraft je nach Erfahrung des Reiters zwischen 0,5 - 2,5 kg liegt - m.E. plus Eigengewicht.

Verfasst: Fr, 16. Mär 2012 08:21
von Thyl
Cubano hat geschrieben: @Thyl: .... Die Anlehnung ist das, was das Pferd dir in die Hand gibt, wenn es schwungvoll von hinten an diese herantritt.
Das stimmt inhaltlich mit dem überein, was ich gesagt habe (oder, wie es scheint, nur versucht habe zu sagen). Das Pferd bestimmt die Anlehnung. Du beschreibst nur den umgkehrten Fall von dem, den ich meinte. Wenn ich zB antrabe, setzt sich das Pferd und wird kürzer, indem es den Kopf etwas nach hinten-oben nimmt. D.h., es gibt mir weniger in die Hand. Beim Zulegen dehnt es sich und gibt mir mehr in die Hand.

Um dann aber es dem Pferd bequem zu machen, sollte man, wie ich es gelernt habe, den Zügel nachlassen, bis wieder derselbe Druck im Pferdemaul ist. Siehst Du diesen Punkt anders?

Verfasst: Fr, 16. Mär 2012 08:23
von Thyl
amara hat geschrieben:Ich glaube, dass viele das Gewicht, dass sie in Händen tragen MASSIV unterschätzen. 2cm Durchhang am Trensenzügel entspricht bereits 0,5 KILOGRAMM im Maul .
Äußerst interessante Daten!!

Da hier Kraftmessungen durchgeführt worden sind, sollte das wahrscheinlich eigentlich Kilopond heißen, oder?

Re: Aus dem Bauch heraus: falsch verstanden

Verfasst: Fr, 16. Mär 2012 08:27
von Cubano
Guten Morgen!
Thyl, bei meiner Anmerkung von gestern bezog ich mich auf diesen Satz von Dir – ich denke auch nicht, dass der Versuch zwingend mit Reitern gemacht wurde, die Anlehnung mit ziehen verwechseln.
Thyl hat geschrieben:Sieht so aus, als wenn die Autorin in St. Georg von einem falschen Anlehnungskonzept ausgeht. Ihre Ableitungen deuten stark darauf hin, dass sie davon ausgeht, dass der Reiter durch irgendwie geartetes Ziehen am Zügel die Kopfstellung des Pferdes festlegt. Wie es ja auch in der Regel geschieht.
Zu Deiner Frage: Das kommt entscheidend darauf an, wie ich das Pferd im Rahmen behalten will und muss. Beispiel zulegen. Wenn Du da mehr in die Hand bekommst, kann das an der Dehnung liegen, aber auch daran, dass das Pferd Dir aus Balancegründen gerade aus dem Rahmen fällt. Deshalb lässt sich Deine Frage pauschal gar nicht beantworten.

@ottilie: Danke - ich hatte das echt nicht mehr im Kopf.

Verfasst: Fr, 16. Mär 2012 12:34
von Gawan
Ich kenne den Artikel aus der St. Georg nicht, aber ich habe zwei Artikel von Hilary Clayton gefunden, die das Thema behandeln:
http://cvm.msu.edu/research/research-ce ... 0Jan11.pdf
http://cvm.msu.edu/research/research-ce ... ne2011.pdf

Nach der Messung, wie sie im ersten Artikel beschrieben wird, wird jeweils alles gemessen, also der gemessene Zug enthält schon das Gewicht der Zügel.

Der zweite Artikel enthält einige interessante Anmerkungen:
One of my consistent findings over many research studies describing the rider’s interaction with the horse is that horses perform better when the rider’s actions are consistent and predictable from the horse’s standpoint. Therefore, the rider’s ability to receive the horse’s contact with a steady hand is paramount in encouraging the horse to relax his neck and seek the bit.
Das verstehe ich so, dass das Verhalten des Reiters für das Pferd vorhersehbar sein sollte, es kommt also mit einer Hand, die immer etwa den selben Kontakt anbietet, besser zurecht, als wenn mal viel, mal wenig Kontakt da ist.

Ein weiteres Zitat:
Lightness should not be confused with giving away the reins. The rider is responsible for holding the reins short enough for the horse to reach to the bit and take an elastic contact with the rider’s hand. Overly long reins do not allow the horse to find a consistent contact and do not facilitate development of the correct musculature to achieve self-carriage and a correctly muscled topline.
Leichtigkeit heisst nicht, die Zügel wegzuwerfen, der Reiter muss dem Pferd den Kontakt ermöglichen, was mit überlangen Zügeln nicht möglich ist; überlange Zügel helfen also nicht, eine korrekte Muskulatur zu entwickeln.

Was ich in dem Text nicht in dieser Form finde, sind die 500 g als Idealmass. Sie stellt fest, dass erfahrene (Dressur)reiter 1 bis 5 Pfund als korrekt empfinden, und sie fordert, dass dem Pferd ein gleichmässiger Kontakt angeboten wird, aber sie schreibt nicht, es müssen so und so viel Gramm sein.

Interessant wäre ein Vergleich z.B. mit Westernreitern im kalifornischen Stil, die ihr Pferd auf Bosal und Spade bit ausgebildet haben; auch bei diesen darf die Länge der Zügel nicht willkürlich schwanken, aber ein Spade bit mit 5 Pfund Zug zu verwenden, wäre wohl kaum pferdefreundlich.

Tanja Xezal

Verfasst: Fr, 16. Mär 2012 12:41
von horsman
nunja, das sind jetzt keine allzu neuen Erkenntnisse :wink: aber die Amis brauchen halt etwas länger um vom Cowboy zum Reiter zu gelangen und dem Europäer glauben sie eh nichts, weil sie nicht wissen wo Europa liegt. :lol:

Offensichtlich bestätigt diese "Studie", was die klass. Meister und ja letztlich auch die heutige Reitlehre schon immer predigen.

Verfasst: Fr, 16. Mär 2012 12:59
von Phanja
Gawan hat geschrieben: Der zweite Artikel enthält einige interessante Anmerkungen:
One of my consistent findings over many research studies describing the rider’s interaction with the horse is that horses perform better when the rider’s actions are consistent and predictable from the horse’s standpoint. Therefore, the rider’s ability to receive the horse’s contact with a steady hand is paramount in encouraging the horse to relax his neck and seek the bit.
Das verstehe ich so, dass das Verhalten des Reiters für das Pferd vorhersehbar sein sollte, es kommt also mit einer Hand, die immer etwa den selben Kontakt anbietet, besser zurecht, als wenn mal viel, mal wenig Kontakt da ist.


Tanja Xezal
Ich finde, das läuft unter anderem darauf hinaus, dass das Pferd die Hilfengebung der Hand verstanden haben sollte. Sprich - das Pferd hat im Lauf der Ausbildung eklärt bekommen, was es tun soll und wie es auf die Hand reagieren soll (was meiner Ansicht nach heutzutage vielen Pferden fehlt ...). Das führt eben dazu, dass das Pferd die Hilfengebung des Menschen verstehen und in gewisser Weise auch voraussehen kann.

Verfasst: Fr, 16. Mär 2012 13:25
von skywalker
Overly long reins do not allow the horse to find a consistent contact and do not facilitate development of the correct musculature to achieve self-carriage and a correctly muscled topline.
Heißt das dann jetzt aber nicht auch, dass z.B. Longieren (ohne Hilfszügel) muskulär niemals was bringen kann?

Ich bin übrigens auch ziemlich sicher, dass fast jedes Gebiss allein schon über 500g bis zu 1 kg auf die Waage bringt. Das ist ja kein Gewicht, das hat schon ein dünneres Taschenbüchlein... kann mir deshalb nicht vorstellen, dass sie das mitrechnet.

Verfasst: Fr, 16. Mär 2012 17:05
von Cubano
Gawan hat geschrieben: Der zweite Artikel enthält einige interessante Anmerkungen:
One of my consistent findings over many research studies describing the rider’s interaction with the horse is that horses perform better when the rider’s actions are consistent and predictable from the horse’s standpoint. Therefore, the rider’s ability to receive the horse’s contact with a steady hand is paramount in encouraging the horse to relax his neck and seek the bit.
Das verstehe ich so, dass das Verhalten des Reiters für das Pferd vorhersehbar sein sollte, es kommt also mit einer Hand, die immer etwa den selben Kontakt anbietet, besser zurecht, als wenn mal viel, mal wenig Kontakt da ist.
Yep, ich denke auch, dass sie damit den beständigen,also gleichbleibenden Kontakt meint. Sprich: Nicht in einer Sekunde annehmen und in der anderen zuviel wegwerfen. Textlich erinnert mich die englische Version des zweiten Links stark an das, was auch in der St. Georg stand. Die 500 g Idealmaß standen gleich vorn auf der Aufmacherseite, neben zwei Fotos, einmal mit zu starker und einmal mit korrekter Anlehnung. Da muss ich nach dem WE noch mal den genauen Wortlaut nachsehen.

Verfasst: Fr, 16. Mär 2012 18:38
von Lou mit Lucy
Overly long reins do not allow the horse to find a consistent contact and do not facilitate development of the correct musculature to achieve self-carriage and a correctly muscled topline.
Wörtlich übersetzt:
"Überlange Zügel erlauben dem Pferd nicht, einen beständigen Kontakt zu finden und erleichtern nicht die Entwicklung der richtigen Muskulatur, um Selbsthaltung und eine korrekt bemuskelte Oberlinie zu erreichen."

Da steht gar nichts von unmöglich, sondern lediglich, dass überlange Zügel es nicht erleichtern. Und darüber sind sich doch eigentlich alle einig? Dass ein Spannungsbogen "ohne" möglich ist, aber mit steter, leichter Anlehnung leichter zu erreichen?

LG, Lou