Blumee82 hat geschrieben:
Kannst du mir das mit anderen Bild kreieren nochmal genauer erklären? Hier stehe ich etwas auf dem Schlauch und weiß nicht, was du meinst....
Also ist das Nachgeben mit der Hand oder das Zügel verlängern/aus der Hand kauen lassen kein AKTIVES Mittel?
Ist das so, weil ich als Reiter etwas "anbiete" (den Zügel verlängere) aber keine Möglichkeit habe dies (sofort) "zu erreiten/durchzusetzten" (wisst ihr wie ich es meine?) weil das Pferde etwas tun/antworten muss... hier: dem Zügel folgen?!
(Puh, echt schwierig die Idee, mein Verständnis hier in Worte zu fassen).
Bei Herrn Karl wären dies dann im Vergleich die Abkauübungen?
Zunächst einmal, Blumee : Es gibt keine dumme Fragen, nur dumme Antworten.
Und ich finde deine Fragen höchst hilfreich, weil sie zeigen, daß du tatsächlich genau liest, mitdenkst und ehrlich verstehen möchtest. Das motiviert, sich beim Schreiben und Erklären Mühe zu geben und möglichst verständlich zu schreiben.
Außerdem bringen solche Fragen Struktur in eine Diskussion und vertiefen - wie Kiruna so treffend bemerkte. In soweit- auch von mir : Danke dafür.
Was meine ich mit "Bilder kreieren" ? Nun ich will es mal wieder mit einer Übertragung versuchen zu erklären.
Wenn ich ein Bildhauer bin, so habe ich verschiedene Techniken, einen Stein zu bearbeiten und zu formen. Es gibt unterschiedliche Werkzeuge und unterschiedliche Techniken des Schlages. Jede Technik kann eine andere Auswirkung auf einen Stein haben, aber es gibt auch verschiedene Möglichkeiten- also unterschiedliche Techniken, um einen bestimmten Effekt ( z.B. eine Kerbe) zu erzielen.
Das ist beim Reiten auch so. Es gibt verschiedene Techniken und Mittel um ein Pferd auszubilden / zu formen. Unterschiedliche Werkzeuge und Techniken können unterschiedliche Auswirkungen haben. Es gibt auch unterschiedliche Techniken, die einen bestimmten gleichen Effekt ( z.B. eine Dehnung V/A zu) erzielen.
Soweit so gut /klar ?!?
Und dann kommt die Sache mit dem Bild kreieren:
Das, was ich aus dem Stein "schaffe"- das Bild das ich kreiere- die Statue selbst.
Wenn ich als Ausbilder eines Pferdes arbeite, habe ich eine bestimmtes "Endziel" vor Augen- trage es in mir. Ich habe eine bestimmte Vorstellung von der Art und Weise, wie ich die Bewegungen, die Muskulatur und die Fahigkeiten "ausformen" möchte. Die "Form" die ich anstrebe. Und die kann durchaus von Ausbilder zu Ausbilder ziemlich unterschiedlich aussehen.
Oder um es mit den ( höchst treffenden) Worten von Herr Dr. Ritter zu sagen : " Viele Wege führen nach Rom und für jeden sieht
sein Rom ein wenig anders aus. "
Langer Rede, gar kein Sinn :
Ich
kann mit den Mitteln / Techniken der Légèreté genau das gleiche Bild schaffen, welches nach der klassisch deutschen Reitlehre angestrebt wird, nämlich:
ein Pferd welches Schwung-entfaltend, im Spannungsbogen, in korrekter Anlehnung, über den Rücken arbeitet,
Lediglich die Mittel für die "Bearbeitung " sind anders und die Vorgehensweise ( der Weg).
Dies ist eine Frage des- so nenne ich es gerne- persönlichen Geschmacks.
Ebenso verhält es sich mit der Akademischen. Auch mit diesen Mitteln kann man so ein Bild kreieren.
Daß diejenigen, die die einzelnen Systeme nutzen, zum großen Teil andere Bilder vor Augen haben, wenn sie arbeiten, kann man ablehnen, man kann es unesthetisch und auch falsch, aber all das ist eine "Geschmacksache".
Um die Technik vergleichbar zu machen, so wie die einzelnen Schulen hier und andernortes immer wieder verglichen werden, müßte man gleiche Bilder , die mit unterschiedlichen Techniken geschaffen wurden vergleichen.
Derer finden sich aber kaum welche.
Deswegen wird auch so viel herumgestritten, weil Äpfel mit Birnen verglichen werden- bzw. Madonnen mit Zentauren ( um bei der Bildhauerei zu bleiben) und nicht die Technik, mit der die Madonnen und die Zentauren geschaffen werden.
Um vergleichen zu können bräuchte man z.B. eine "deutsche Madonna" und eine gleiche " französische Madonna"- nur dann könnte man tatsächlich beurteilen welche Technik " besser" ist- sei es nun präziser, sei es nun schneller, oder feiner in der Linienführung.
Klar soweit

?!
Oder anders gesagt :
Was ich selbst versuche ist es, eine Madonna, die meinem deutschen Auge gefällt mit französischer Technik zu schaffen

( wobei ich vorher die deutsche Technik auch sehr fundiert gelernt habe und bei technischen Problemen darauf zurückgreifen kann

)

- unfair, aber nützlich! )
Zur Frage , ob Nachgeben eine aktive Hilfe ist ?
Ja, aber keine sehr effektive.
Warum ? Weil ich nicht sicher sein kann, daß das Pferd tatsächlich den Nachgeben nach vorne folgt.
In der deutschen Lehre gibt es keine Technik, die den Pferd zuverlässig und abrufbar die Dehnung v/a vermittelt, bzw. sie dem Pferd erlernbar kommuniziert.
Man kann versuchen, dies über Nachgeben zu erreichen- dazu muß aber bereits Dehnungsbereitschaft, Anlehnung oder zumindest Losgelassenheit da sein.
Oder man kann versuchen dies über einen Vorwärtsimpuls in Kombination mit Nachgeben zu erwirken- aber auch hierbei braucht man die Bereitschaft vom Pferd, diesen umzusetzen.
Desweiteren kann man reiten und reiuten und hoffen und warten, bis das Pferd Losgelassenheit und vorwärts erlangt und dann in Dehnungsbereitschaft kommt.
Man hat keine Technik / keine Möglichkeit, dem Pferd jederzeit und verbindlich zu sagen : "Pferd
jetzt dehne dich ! Und dehne dich genau
da hin!"
Ein Pferd macht sich eng ? Keine Chance, außer Gas geben! Ein Pferd verwirft sich? Schwierig und mühsam!
In der Légèreté, wie man sie bei Herrn Karl lernt, gibt es hierfür ein gezieltes Lernen- eine erlernbare Technik und in Folge eine absolut zuverlässige Abrufbarkeit der Dehnung- und darüberhinaus nicht nur
irgendwie, sondern ganz präzise anweisbar wie und wohin.
Man kann damit das Pferd ganz genau dahin schicken, wohin man es haben möchte .
So kann man dem Pferd in Losgelassenheit, Anlehnung und vor allem auch in
Vorwärts (!) helfen, auch wenn es hibbelig herumhirscht, sich verspannt und sich verhält.
Und zwar nicht nach 35 Runden Trab auf dem Zirkel, sondern- so es auf diesem Weg ausgebildet ist, sofort.
Dieses Können ist von unschätzbarem Wert - für einen Ausbilder, für dessen Schüler die es lernen können UND und
vor allem für die Pferde !
Einen weitern Vorteil dieses Systems ist für mich, die systematische, verständliche - entmystifizierte und damit lernbare Vermittlung der einzelnen Komponenten und damit auch der Verstehbarkeit von Zusammenhängen.
Ganz ohne " du musst nur hinfühlen und schon nach 50 Jahren lernst du es" , sondern schlicht, pragmatisch, nüchtern, ja mathematisch aufbereitet .
Natürlich hat das auch Risiken- nämlich, daß eben dieses Fühlen hintenrunterfällt, aber dem kann man ja als anwendenderAusbilder entgegenwirken.
Und nun ist mein Beitrag aus Versehen- denn das hatte ich wirklich gar nicht beabsichtigt

- ein Plädoyer für diese Schule gworden. Man möge es mir nachsehen, mich begeistern einfach viele Erkenntnisse, die ich über die Ausbildung bei Herrn Karl bekommen durfte und darf.
Für mich eine ganz riesige Bereicherung
