Pladoyer für die Besinnung auf die klassischen Prinzipien

Rund um die klassische Reitkunst

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Anchy
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Beitrag von Anchy »

Rapunzel, ein Pferd hdS zu bringen, um den Rücken schwingen zu lassen hat schon was mit " Teufel mit dem Belzebub austreiben". Das ist ja im Prinzip schon die Argumentation der Rollkurbefürworter, SO den Rücken in eine höhere Schwingungsamplitüde zu bringen.( Wobei ich DIR das jetzt wirklich nicht unterstelle)
Nee, finde ich nicht gerechtfertigt, die laufen so in Grund und Boden, wäre für mich nicht akzeptabel.

Ich denke, da gibt es noch andere Ansätze wie Cavaletti, Stangenarbeit, die vielleicht länger dauern aber eben reel für mich sind.

LG
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Unbek. Ecuyer
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Spielnase
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Beitrag von Spielnase »

Maulfrei, ich bin sehr froh, dass du diesen Thread eröffnet hast!
Und: Du sprichst mir damit aus der Seele! Vielen Dank!! :D

Auch ich kann es nicht begreifen, wie mann über NhdS einfach hinwegsehen kann, bzw. sogar behauptet, dass es einigen Pferden in einem gewissen Ausbildungsstand gut tut so geritten zu werden und korrekt ist.

Denn jeder der sich mit der Biomechanik des Pferdes beschäftig hat, sollte wissen, dass das einfach mal Mumpitz ist.

S&P, Grisu und Rapunzel:
Maulfrei fragt nach einem Literaturverweis eines klassischen Ausbilders (mit Seitenangabe), der es befürwortet Pferde (sei es auch nur für kurze Zeit und nur ein wenig) hdS zu reiten und dieses auch begründet.

Über so etwas bin ich ebenfalls noch nicht gestolpert. Aber ihr vielleicht?
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Isomer
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Beitrag von Isomer »

Im Buch von Kurd Albrecht von Ziegner "Elemente der Ausbildung" geht er auf die Möglichkeit ein Pferde hinter der Senkrechte zu reiten, um Muskeln zu lockern bzw. zu stärken. Er geht aber auch sehr deutlich auf die Gefahren ein. Ab Seite 38
„Was es alles gibt, das ich nicht brauche!“ [Aristoteles]
Max1404
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Beitrag von Max1404 »

William Cavendish, Duke of Newcastle.
In seinem Buch belegen zahlreiche Stiche, dass die Pferde u. a. bei dem Vorläufer des Schulterhereins deutlich hinter die Senkrechte gestellt und teilweise im Hals abgebogen wurden.
Nun ist zwar seine Reitlehre zwar nach neueren Erkenntnissen überholt, dennoch gilt er als Klassiker und war von Steinbrecht besonders geschätzt und wurde von ihm als "eine der Hauptquellen seiner Grundsätze" bezeichnet (Paul Plinzner über Gustav Steinbrecht; Vorwort zu meinem Exemplar des "Gymnasiums", Seite 14).
Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich keine Zeit habe, in meinem Nachdruck der Newcastle'schen englischsprachigen Originalausgabe von 1743 nach den passenden Seitenangaben zu suchen. Wer sich für diese Literatur interessiert, mag sie bitte selbst lesen.
Zuletzt geändert von Max1404 am Di, 21. Jan 2014 19:31, insgesamt 1-mal geändert.
Viele Grüße
Sabine
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Cubano
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Beitrag von Cubano »

Anchy hat geschrieben:Rapunzel, ein Pferd hdS zu bringen, um den Rücken schwingen zu lassen hat schon was mit " Teufel mit dem Belzebub austreiben".
Moins,
lange nix mehr geschrieben, aber an dieser Stelle muss ich mich mal eben einklinken: Nein, Anchy, das hat mir Rollkur rein gar nichts zu tun und genau daran krankt aktuell auch wieder die gesamte Diskussion: HdS ist NICHT automatisch Rollkur!!! Das finde ich persönlich nicht ganz unwichtig. Fest steht – dass KURZFRISTIGES runder Einstellen durchaus einen dehnenden, gymnastizierenden Effekt auf den Pferderücken haben kann. Dazu Klaus Balkenhol (ich hoffe, der arme Mann geht hier noch als klassisch durch :wink: ): „Ein Pferd für kurze Zeit auch mal rundzustellen, also den Hals herunterzunehmen, um den Rücken zu heben, das kann als gymnastische Übung sinnvoll sein und ist nicht weiter schlimm. Darum beweisen die jetzt herumgereichten Fotos extrem tiefgestellter Pferde relativ wenig - das können ja Momentaufnahmen sein. Wenn ein Pferd aber, mit Hilfszügeln und scharfen Gebissen, sehr eng geritten und der Kopf über eine längere Phase gewaltsam tief, eng und teilweise zusätzlich seitwärts gezogen wird, dann entspricht das nicht der artgerechten Ausbildung des Pferdes. “ Quelle: Der Spiegel/ Oktober 2005.
Und genau diese Beobachtung – also die von Rapunzel – habe ich bei meinem Kurzrückenspanier auch gemacht. Es kann bisweilen helfen, wenn man eben nicht pedantisch auf die Stirn-Nasen-Linie schaut.
Aber – da bin ich ganz und gar bei S&P: Es kommt hier tatsächlich auf die Prioritäten an,die man setzt. Was mich angeht, war der schwingende (und zwar nicht nur nach unten, sondern wechselseitig schwingende) Rücken bei meinem Iberer IMMER oberste Priorität. Und dafür habe ich es auch in Kauf genommen, dass die Stirn-Nasen-Linie eben mal nicht immer dem Ideal entsprach. Aber ich gebe offen zu: Ich habe weniger ein Problem mit einem Pferd, was MAL LEICHT HdS kommt, als mit einem Schenkelgänger in vorgeblich lehrbuchartiger Silhouette.
„Steinbrecht ist nur schwer für den leichten Geist." (Nuno Oliveira)
Nach der SdA unterwegs :-)
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Anchy
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Beitrag von Anchy »

Der Unterschied zwischen tief und rund einstellen und Rollkur ist mir schon bekannt und ich habe auch nie behauptet dass Rapunzel dies betreibt. Lediglich wies ich darauf hin, dass die Argumentation für diese Methode identisch ist.
Ich find es nicht tolerierbar, wenn es vom Reiter bewußt herbeigeführt wird.

Eine Gratwanderung zur Rollkur mit mit Sicherheit.
Herr Balkenhol kann das gerne meinen. SO will ICh das nicht!
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Rapunzel
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Beitrag von Rapunzel »

Man kann es ja nochmal einstellen, weil es (auch) um das hdS ging, das VIdeo von Alizee Froment.

http://www.youtube.com/watch?v=JwyHqmsAXRs

Das Pferd geht vor allem im v/a mehr oder weniger deutlich hinter der Senkrechten. Allerdings führt es gleichzeitig alles ad absurdum, was da absolutistisch über das hdS erzählt wird. Denn NOCH besser durch den Körper schwingen, den Rücken aktiv benutzen und elastischer mit der Hinterhand unterfußen und zwar bei minimaler Hilfengebung und sichtlicher Zufriedenheit KANN ein Pferd doch kaum als dieses, und das ist auch noch ein Iberer, denen schwungvoller Gang zumeist wirklich nicht in die Wiege gelegt wurde. Der läuft auch nun kein winziges bisschen "in Grund und Boden" oder sonstwas, was dann immer gleich angeführt wird.

Und was machen wir jetzt mit diesen sehr offensichtlichen Tatsachen?

Andersherum hatten wir in dem ganzen Video-Diskussionsthread noch genau 0,0 Beispiele eines Pferdes, das dauerhaft mit der Nase deutlich vor der Senkrechten geht, Genick höchster Punkt, und dabei tatsächlich losgelassen über den Rücken schwingt. Womit ich nicht behaupten will, dass das nicht ginge oder nicht anzustreben sei.
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Anchy
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Beitrag von Anchy »

Also , auf dem Video sehe ich ein fantastisches Paar, aber kein Pferd welches aktiv tief und rund eingestellt ist.
Worauf willst Du damit jetzt hinaus?
Mir geht es wahrlich NICHT darum, dass die Nase IMMER exact vor der Senkrechten ist, die meisten DV Ritte würde sich damit schon ins AUs kicken.

Es geht doch hier jetzt um tief und rund ( ich hasse das zu schreiben)?
Wie schön und verniedlichend sich das anhört "rund". Wer will sein Pferd nicht runden. Das ist aber eine erzwungene und dem Pferd unangenehme Haltung ( es sei denn es bietes das selbst an) Schreibe ich lieber mal dabei, nicht dass man versucht, mich in eine gewisse Schublade von Geodreieckanlegern legen möchte.

Ich denke einfach, man versucht damit ein wenig Probleme in der Grundausbildung "schnell" zu umschiffen.

Anchy
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Motte
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Beitrag von Motte »

Ich dachte, hier ist von hdS die Rede?
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Beitrag von Rapunzel »

Genau, es war von hdS die Rede, das sieht man in dem Froment-Video und das ist es, wovon ich geredet habe, ebenso wie Cubano.

Das, wovon du jetzt schreibst, ist Rollkur. Das macht hier niemand und das befürwortet auch niemand. Es wurde aber sowohl dieses oben eingestellte Video vehement kritisiert, weil das Pferd hdS geht, als auch das von dem holländischen Hengst aus der Amerigo-Werbung, weil der "zu tief und eng" geritten würde, hdS ginge und einen falschen Knick aufwiese. Die ganze Protestnummer von "maulfrei" geht ja auf die aktuelle Diskussion über besagtes Amerigo-Video zurück.
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Beitrag von esge »

Klassische Grundsätze sind hier gefragt? Dann dürfte der wichtigste sein, dass man für jedes Pferd die passende Ansprache finden muss (Egon v. Neindorff). Dass ein Pferd gearbeitet werden muss, wie das Pferd es braucht - und nicht, wie eine Idealbild es verlangt.
Loslassen hilft
esge
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Beitrag von esge »

Für mich der wichtigste klassische Grundsatz kommt übrigens von Helmuth Beck-Broichsitter: Ohne Losgelassenheit haben Sie GAR NICHTS!
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Spielnase
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Beitrag von Spielnase »

Isomer,
welche Muskeln denn genau? Halsmuskeln? Im Genick?
Woher sollen die Verspannungen kommen? Steht es dort genauer?
Benennt er eine beispielhafte Situation, in der er es anwenden würde und wie lange er ein Pferd hdS reiten würde?

Danke.
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Isomer
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Beitrag von Isomer »

Er schreibt hier explizit von der Lockerung der Rückenmuskulatur und hochholen des Rückens, auch bei nervösen Pferden.

Die Haltung des Pferdes entspricht in etwa nach Zeichnung in etwa die des Pferdes der französischen Reiterin. Also kein gewaltsam erreichtes hdS, aber sicherlich durchaus bewusst gerittenes.

Zur Anwenung kommen zwei Seiten Warnungen das ein über längeren Zeitraum so gerittenes Pferd seinen Charme und Selbstbewusstsein verliert usw. und dies nur Profis machen sollten. (Ziemlich komisches Kapitel in dem Buch aber naja...)

Im Denoix Physiotherapie fürs Pferd werden ja ebenfalls die pos EIgenschaften für den Rücken erwähnt, die ein rundes Einstellen (hds) bewirkt.
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Licornia
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Beitrag von Licornia »

esge hat geschrieben:Klassische Grundsätze sind hier gefragt? Dann dürfte der wichtigste sein, dass man für jedes Pferd die passende Ansprache finden muss (Egon v. Neindorff). Dass ein Pferd gearbeitet werden muss, wie das Pferd es braucht - und nicht, wie eine Idealbild es verlangt.

Danke, diesen Aspekt habe ich beim Lesen der Beiträge vermisst!

Ansonsten fallen mir zum Thread Bemerkungen von Manolo Oliva in "Working Equitation" ein: er schreibt sinngemäß, dass kein Reiter vorschnell u.a. über das hdS urteilen sollte, ohne genau über das Pferd und dessen speziellen Ausbildungsweg informiert zu sein. Er schreibt auch, das die Rollkur generell abzulehnen ist, dass er sich aber durchaus Situationen vorstellen kann, wo es an einem speziellen Punkt der Ausbildung sinnvoll sein kann, von dem Prinzip "Nase vor der Senkrechten" abzuweichen.
Ingesamt fordert er zu Recht einen toleranteren Umgang mit den vermeintlichen "Fehlern" anderer Reiter.

Es wäre doch eher interessant zu erfahren, warum eine bestimmte Methode in einer bestimmten Situation angewendet wird, und was sie bewirkt hat, statt generell zu unterstellen, dass der andere eine reiterliche Nullnummer ist, oder? :wink:
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