Seite 206 von 599
Verfasst: Do, 20. Dez 2012 16:27
von Motte
Ich sage mal so aus dem Bauch raus, was mir zu den Videos von N.O. einfällt:
Das funktioniert sicherlich, das Ergebnis ist ja sichtbar.
Ob ich das Gezeigte in der Art jetzt schön oder nicht schön finde, kann ich - ehrlich gesagt - gar nicht wirklich sagen.
Das ist so speziell, von soviel Gefühl im Allerwertesten und soviel Erfahrung geprägt, dass man hier keinen Maßstab ansetzen kann.
Das steht halt einfach so für sich. Es ist schon - auf eine Art - unvergleichlich.
Versteht irgendjemand, wie ich das meine?
Verfasst: Do, 20. Dez 2012 16:44
von horsman
Ich verstehe was Du meinst.
Ob man etwas schön findet, liegt ja auch immer in seinen eigenen Augen.
Die heutzutage eingeprägten Sehgewohnheiten wollen mit diesen Dingen nicht immer überein passen. Viele Übungen sind einem fremd (z.B. die Renverswendung zur Vorbereitung der Verstärkung auf der Diagonalen)
Zumindest aber zeigen diese Pferde doch sehr hohe Reaktions- und Arbeitsbereitschaft, hohe Beweglichkeit und Impulsion, Durchlässigkeit und Konzentration und das bei immer sehr leichter Anlehnung mit rel. langen Hälsen mit leichten offenen Genicken (aber auch nicht hinter der Hand gehend) und sehr fein und fühlend angelegten Reiterhilfen von Hand und Bein.
Und das zumindest ist doch nach den allseits bekannten und anerkannten Bewertungsmasstäben für Dressur durchaus schon mal keine ganz schlechte Sache. In der Kombination für mich auch einzigartig und das auch auf rel. normalen wenig spektakulären Pferden (zB dieser Russe). Ich für meinen Teil würde gerne verstehen, wie er das so hinbekommt.
Verfasst: Do, 20. Dez 2012 19:21
von Cubano
Mir geht es da ein wenig wie Motte. Vieles finde ich gut, einiges gefällt mir nicht und bei einigen Dingen, weiß ich einfach nicht, ob es mir gefällt oder ob nicht.
Mal zwei Beispiele, wo ich meiner Meinung sicher bin: Auf dem Video mit dem Russen in der Passage. Da gefällt mir die Tour an der langen Seite überhaupt nicht. Das Pferd ist da nun wirklich auf den Kopf geritten.
Dafür gefällt mir die Piaffe mit dem Alter Réal (tolles Pferd übrigens) auf dem 3. Video ausnehmend gut. Die ist zwar nicht fertig, aber da stimmt das Vorwärts als Grundgedanke total.
Ansonsten NO war NO und der hatte eben eine ganz spezielle Handschrift. Es hat wohl seinen Grund, dass er sich nicht kopieren lässt.
Verfasst: Do, 20. Dez 2012 20:41
von Motte
Horsmän-
ich weiß gar nicht, ob ich das jetzt so primär an Sehgewohneiten festmachen würde.
Ich sag's mal so:
Der hätte wahrscheinlich rückwärts auf'm Pferd sitzen können - und die Viecher hätten trotzdem noch sofort gezündet oder piaffiert wie nix Gutes.
Da ist so viel, was so eigentlich gar nicht gehen KANN, aber es geht trotzdem!
Und DAS ist was, was man - meiner Meinung nach - nicht "nachreiten", nicht "lernen" kann. Das ist Genialität.
Und deswegen fällt mir das einfach schwer, das zu "beurteilen". Das kann ich einfach nicht.
Das einzige, was mich richtig nervt, ist die anstrengende Musik

Verfasst: Do, 20. Dez 2012 23:35
von horsman
@cubano
also wenn du den Bunker da in der Passage "auf den Kopf geritten" siehst, das heisst also Vorhandlastig auf der Hand liegend oder durch die Hand eingeengt , dann brauchen wir uns übers Reiten nun überhaupt nicht mehr miteinander unterhalten. Dann sehen wir zwei völlig verschiedene Dinge. Lass uns besser übers Wetter reden. Wir hatte heute übrigens 24 Grad und Sonnenschein - am Niederrhein in Westdeutschland.
@Motte
Nunja, sicher hast Du Recht, dass man es N.O.niemals gleich tun wird, seine Genialität auf dem Pferd niemals erreichen wird. Das heisst aber doch nicht, dass man von ihm nicht lernen könnte (und damit meine ich nicht zu kopieren). Die Sensibilität, Beweglichkeit und der Arbeitswille seiner Pferd hatte ja Gründe. Und die sind in vielen Teilen nachvollziehbar und bis zu einem gewissen Grad (!) auch erlernbar. Wenn man immer sofort sagt, das kann man nicht erlernen, dann könnte heut auch keiner lesen und schreiben. Und, um im Beispiel zu bleiben: nur weil ich lesen und schreiben gelernt habe, bilde ich mir nicht ein, ein genialer Schriftsteller zu werden. Aber dennoch kann man doch lesen und schreiben erlernen.
Und N.O. hat ja nun auch viele viele Reiter geschult, hat Ratschläge aufgeschrieben usw. Sicher, es war auch sein Job und er musste damit seine Brötchen verdienen, aber wenn er nicht davon überzeugt gewesen wäre, dass sich ein Teil davon auch weiter geben lässt (bei dem einen mehr, bei dem anderen weniger - aber doch ein Teil), dann hätte er sicher nicht so besessen und mit grosser Ausdauer und Hingabe gearbeitet. Denke ich zumindest.
Hier übrigens eine Reiterin, die sicher auch das eine oder andere von ihm lernen konnte, um 1982 in Belgien
http://www.youtube.com/watch?v=kSnTbZvX8a4
Ja die Musik ist auch nicht die, die zum Original-Ton gehört. Die ist nachträglich drunter gelegt. Der Originalton zu diesen Bildern gefällt mir auch besser, auch wenn da auch meist Opern laufen. N.O. liebte es halt zu dieser Opern-Mucke zu reiten. Es inspirierte ihn, so sagte er.
Verfasst: Fr, 21. Dez 2012 06:11
von Cubano
horsmän hat geschrieben:@cubano
Wir hatte heute übrigens 24 Grad und Sonnenschein - am Niederrhein in Westdeutschland.
Guten Morgen, träller…
ach, das freut mich aber, dass Ihr so schönes Wetter habt
Ansonsten empfehle ich mal die Videostelle um 0,09 herum. Das Pferd läuft eindeutig in den Boden und nicht auf der HH. Übrigens hilft da auch mal die Stopptaste zwischendurch.

Das hat gar nicht zwingend mit Handeinwirkung zu tun, sondern damit, dass das Pferd offenbar in diesem Moment die Balance nach vorn verliert.
Verfasst: Fr, 21. Dez 2012 10:17
von Motte
Horsmän -
ich meinte nicht, dass man von N.O. nix lernen kann, weil er eine gewisse Genialität hat, sondern ich meinte damit, dass ich das Reiten teilweise einfach nicht beurteilen kann.
Weil es halt in Teilen so völlig anders ist, und völlig diametral dessen, was ich so gelernt habe.
Beispielsweise sein Sitz: da ist vieles so, wo man eigentlich sagt: das ist falsch, das kann so nicht funktionieren.
Bei ihm funktioniert es aber - warum auch immer. Der kompensiert das halt mit den goldenen Arschbäckchen, ganz viel Gefühl und Erfahrung.
Von daher kann ich diesbezüglich nur sagen: "wer heilt hat recht".
Aber "beurteilen" - nach bestimmten Kriterien, lässt sich das halt sehr schwer.
Nur daraus sollte man nicht den Schluß ziehen, dass der Sitz im Allgemeinen überbewertet wird.
Wir haben halt alle (!) nicht dieses goldene Arschbäckchen, dieses Gefühl und die Erfahrung. Das Niveau auf dem wir uns bewegen, beschäftigt sich halt im Großen und Ganzen primär mit der schnöden Technik. Dem "Lesen und Schreiben Lernen". Und das kann schon kompliziert genug sein - und so lange ich damit (noch) beschäftigt bin, werde ich nen Teufel tun, jemanden zu beurteilen, der über dieses Stadium mehr oder weniger "erhaben" scheint (eben weil die üblichen Kriterien hier offensichtlich ausser Kraft gesetzt werden).
Dass das hier Gezeigte durchaus inspirierend ist - oder sein kann - steht ja ausser Frage.
Die "Lesson" da mit dem Schimmel in Belgien, finde ich zum Beispiel richtig gut! Und erfrischend humorvoll und liebevoll. Zu schön der Moment in den Galopp-Pirouetten, wo die Reiterin kurzzeitig mal (ob des Gekreisels auf der Stelle) die Orientierzung zu verlieren scheint

.
Und auch das Lob am Ende finde ich total .... repektvoll. Das ist nicht einfach nur ein "super gemacht", sondern ein "danke, du hast mir gerade nen schönen Moment geschenkt".
Finde ich gut.
Verfasst: Fr, 21. Dez 2012 10:58
von horsman
Jo, ich hatte den Eindruck, die Reiterin findet aus der Pir. nicht mehr heraus
Also was seinen Sitz anbelangt, würd ich zweierlei sagen:
Zum einen finde ich
nicht, dass der grundsätzlich vom Lehrbuchschema jetzt so stark abweichen würde, dass man den Eindruck haben müsste, dass es nicht funktionieren könnte. Ausser dem gesenkten und hin wieder schief gestellten Kopf, sehe ich da keine grosse Abweichung.
Zum anderen lehrt einen das, was viel wichtiger ist als seinen Sitz in irgend ein Lehrbuch-Schema zu pressen: nämlich den Sitz zum einen (unten rum) völlig gelöst zu gestalten und zum anderen (oben rum) genug Stabilität zu verleihen. Und dann seinen Sitz effektiv dazu einzusetzen, wozu er gedacht ist: das Pferd möglichst wenig stören und wenn nötig dem Pferd sinnvoll helfen. Dazu sind zeitweise Abweichungen vom starren Lehrbuchschema erlaubt, ja notwendig.
(Anmerkung: Arbeit an des Reiters Sitz wird deshalb natürlich nicht weniger nötig sein, sondern eher mehr, weil man lernen muss individuell zu fühlen und nicht einem starren Schema zu genügen)
Und es sind ja nicht nur die goldenen Arschbäckchen. Es sind ja insbesondere auch sein Hand- und vor allem aber wohl sein Beingebrauch, der aus einem völlig locker herab hängendem Bein entspringt.
Verfasst: Fr, 21. Dez 2012 11:32
von Motte
horsmän hat geschrieben:
Also was seinen Sitz anbelangt, würd ich zweierlei sagen:
Zum einen finde ich nicht, dass der grundsätzlich vom Lehrbuchschema jetzt so stark abweichen würde, dass man den Eindruck haben müsste, dass es nicht funktionieren könnte. Ausser dem gesenkten und hin wieder schief gestellten Kopf, sehe ich da keine grosse Abweichung.
Das zum einen. Und: wenn du mal die Erfahrung gemacht hast, welche Auswirkungen ein (unbewusst) schief getragener Reiterkopf haben kann (der hat nämlich direkten (!) Einfluss auf die Wirbelsäule und damit direkten Einfluss auf deinen Sitz), dann wunderts einen halt noch mehr, dass die Pferde bei N.O. so laufen wie sie laufen.
Zum anderen: die Handhaltung ist nun auch eher "speziell".
Das sind so Sachen, wo man sich hüten sollte, hier 1:1 zu übernehmen... - bei ihm funktionierts. Bei mir würde eine solche Handhaltung definitiv NICHT funktionieren.
horsmän hat geschrieben:
Zum anderen lehrt einen das, was viel wichtiger ist als seinen Sitz in irgend ein Lehrbuch-Schema zu pressen: nämlich den Sitz zum einen (unten rum) völlig gelöst zu gestalten und zum anderen (oben rum) genug Stabilität zu verleihen. Und dann seinen Sitz effektiv dazu einzusetzen, wozu er gedacht ist: das Pferd möglichst wenig stören und wenn nötig dem Pferd sinnvoll helfen. Dazu sind zeitweise Abweichungen vom starren Lehrbuchschema erlaubt, ja notwendig.
Hmmm...naja, das ist wieder die Sache mit dem Huhn und dem Ei...*find*. Meiner Meinung nach gibt es schon so gewisse "Grundparameter", die einen erstmal ermöglichen, überhaupt balanciert sitzen zu können - und DANN und DESWEGEN erst Fühlen zu lassen. Und erst DANN kann ich doch dran gehen, effektiv einzuwirken. Ich spreche jetzt von unsereiner Graswurzelreiter, gell?
horsmän hat geschrieben:
Und es sind ja nicht nur die goldenen Arschbäckchen. Es sind ja insbesondere auch sein Hand- und vor allem aber wohl sein Beingebrauch, der aus einem völlig locker herab hängendem Bein entspringt.
Klar - mit goldenen Arschbäckchen meine ich nicht nur die tatsächlichen Arschbäckchen, sondern das ist für mich ein Synonym für "Gefühl, Intuition".
Verfasst: Fr, 21. Dez 2012 12:10
von horsman
Motte hat geschrieben:[
Hmmm...naja, das ist wieder die Sache mit dem Huhn und dem Ei...*find*. Meiner Meinung nach gibt es schon so gewisse "Grundparameter", die einen erstmal ermöglichen, überhaupt balanciert sitzen zu können - und DANN und DESWEGEN erst Fühlen zu lassen. Und erst DANN kann ich doch dran gehen, effektiv einzuwirken. Ich spreche jetzt von unsereiner Graswurzelreiter, gell?
Ja klar, das steht natürlich völlig ausser Frage.
Da kommt es immer drauf an, auf welcher Stufe sich der jeweilige Reiter befindet. Einem Sitzlegasteniker bspw. ohne jedwede Körperkontrolle muss man damit erst mal nicht kommen.
Dennoch kann man von vornherein auch vermeiden, Reiter in Fehler zu treiben, z.B. wenn man sie auf fordert unentwegt mit den Beinen zu treiben oder etwa die Absätze herunter zu drücken. Ich weiss - das tut ja niemand

Verfasst: Fr, 21. Dez 2012 12:25
von Motte
horsmän hat geschrieben:
Dennoch kann man von vornherein auch vermeiden, Reiter in Fehler zu treiben, z.B. wenn man sie auf fordert unentwegt mit den Beinen zu treiben oder etwa die Absätze herunter zu drücken. Ich weiss - das tut ja niemand

Nö, natürlich nicht

Verfasst: Fr, 21. Dez 2012 12:29
von Max1404
Der Russe ist das Pferd, bei dessen Ausbildung sich NO am engsten an Baucher orientiert hat. Vielleicht ist es deshalb für viele von uns noch schwerer zu verstehen, was genau er da auf dem Pferd macht und warum es funktioniert.
Ich möchte in diesem Zusammenhang noch einmal das Video von Willi Schultheis in die Runde werfen:
http://www.youtube.com/watch?v=ySSNcvJ2-TE Auch hier scheint der Sitz "problematisch" zu sein, und er wurde von vielen hier kritisiert. Das Pferd aber läuft genial und erfüllt alle Anforderungen, die man an eine klassisch orientierte Ausbildung stellen kann.

Verfasst: Fr, 21. Dez 2012 12:35
von Motte
Ich habe übrigens ein Video gefunden, welches die Schwächen des Sitzes von N.O. zeigt (meiner Meinung nach):
http://www.youtube.com/watch?v=MWEk8SPD2io
Abgesehen von der Tatsache, dass das verlangsamt läuft und deswegen etwas "täuscht", sieht man speziell am Ende, dass N.O. da doch in deutlichere Sitznot gelangt. Unter "fein" und "geschmeidig" stelle ich mir jedenfalls etwas Anderes vor.
Was ich jetzt aber auch nicht zu tragisch finde. Sein Sitz ist halt offensichtlich nicht für Gangarten wie den starken Trab dauerhaft geeignet.
Die Entwicklung IN das Zulegen ist ja gelungen.
Verfasst: Fr, 21. Dez 2012 12:55
von Max1404
Man sieht jedoch deutlich, dass der Sitz unmittelbare Auswirkungen auf das Pferd hat: an einer Stelle entstehen plötzlich leichte Taktstörungen.

Trotzdem ist der Bewegungsablauf des Pferdes in der Verstärkung sehr gut. Hier ist wirklich alles herausgeholt, was dieses Pferd geben könnte, und wenn man wie ich der festen Überzeugung ist, dass die Verstärkung der Prüfstand für die richtige Grundlagenarbeit und die richtig errittene Versammlung ist, wurde hier alles richtig gemacht.

Verfasst: Fr, 21. Dez 2012 12:58
von Rapunzel
Was meint ihr in diesem Zusammenhang zu der Trabverstärkung am Schluss dieses Videos?
http://www.youtube.com/watch?v=VuoA40RL ... =endscreen