Ich finde es interessant, in welche Richtung sich die Diskussion hier entwickelt hat. Der Titel des Theads heißt „Wo fängt Rollkur an“. Ich habe in meinem Beitrag auf Seite 19 mit keinem Wort erwähnt, dass das 5jährige (! Man darf annehmen, dass derartige Pferde mit 3 Jahren bereits angeritten sind – geht ja ums Geld…) Pferd innerhalb einer Reiteinheit völlig STABIL hätte werden sollen, sondern dass die Reiterin zu mir sagte, „es wird besser“ (völlig offenlassen was dieses „es“ jetzt sei). Das mit dem „Kopf runter holen“ habe ich unter Anführungszeichen gesetzt mit dem Vermerk, dass das Pferd dann ziemlich „eng“ wurde, aber sich lt. Reiterin nicht mehr wie eine „Schlange“ die sich hin und her wendet, angefühlt hat.
Ich habe das bewusst in der Abfolge der Geschehnisse geschrieben, dass man es nachvollziehen kann. Ich habe auch erwähnt, dass das interessante in meinen Augen war, dass es NICHT die Intention der Reiterin war, das Pferd in Rollkur zu reiten. Ich habe NICHT geschrieben, dass das Pferd BEWUSST in Rollkur (mit deutlicher Kraftanwendung seitens der Reiterin) geritten wurde, sondern dass sich diese Optik „entwickelt“ hat, kurzzeitig bestehen blieb und dann das Pferd in eine „normale“ leicht hds befindliche Haltung zurückgebracht wurde – die auch nicht BEWUSST iSv aktiv aufgerichtet mit der Hand, sondern als Ergebnis dessen, wie sich das Pferd schlussendlich bewegte.
Ausgehend von diesen Beobachtungen habe ich mir dann eben die Frage gestellt, ob diese „natürliche“ Reaktion eines talentierten Reiters eben durch Kraftanwendung zu einer „Methode“ (der „Rollkur“) gemacht wurde, um relativ schnell eine Kontrollmöglichkeit aus dem Sitz zu kultivieren bei den modernen Sportpferdes mit ihrer Überbeweglichkeit (im Vergleich zu den mir in meinem Umfeld bekannten sonstigen Freizeitpferden, welche alle nicht in der Preis- und Bewegungskategorie liegen).
In der Folge gab es einen kurzen Abstecher über die Zucht.
Auf Seite 20 habe ich versucht durch einen geschichtlichen Abstecher darzustellen, dass meiner Meinung nach die „Rollkur“ als aktive Methode nur ein Symptom dafür ist, dass die Reitlehrer/Funktionäre usw. über Generationen es nicht geschafft haben, einem Großteil der Reiter andere Wege und Möglichkeiten aufzuzeigen, wie man mit dem Pferd individuell umgehen kann, sondern dass versucht wurde alle in eine „Form“ zu pressen.
Dann rissen die alten Grabenkämpfe zwischen „hds passiert einfach in der Ausbildung, ist nicht das Optimum, man arbeitet dran, dass es nicht passiert, aber wenn es passiert, ist es halt mal so“ und der Fraktion „die Nase muss um jeden Preis vor“ wieder auf kombiniert mit der Zuchtproblematik.
Dann wurde über einen Ausbilder gesprochen, über dessen Vor- und Nachteile.
Es ist schon erstaunlich, wie schwer es zu sein scheint, eine neue/andere/fremde Perspektive überhaupt in Erwägung zu ziehen oder ernsthaft darüber nachzudenken und nicht die gewohnten pauschalen Argumente aus dem Kasten zu zerren. Aber es ist bekannt, dass sich Gewohnheiten nur schwer verändern lassen. Im Ergebnis ist der Diskussionsverlauf der letzten Seiten bezeichnend für die Problematik die ich auf Seite 20 beschrieben habe: Nämlich, dass es über die letzten Jahrzehnte verabsäumt wurde, dem Reiter zu vermitteln um was es beim Reiten eigentlich geht und wie er möglichst pferdeschonend Einfluss auf das Tier nehmen kann und stattdessen NUR der Output (und sei der Output „Pferd das schwingend über den Rücken mit Selbsthaltung und Nase vor der Senkrechten läuft, weil es ansonsten kaputt geht“) UND der einzig und allein beste und richtigste Weg diesen Output herzustellen bewertet (in Gut oder Schlecht) wird. Schon irgendwie traurig, wenn wir als Reiter ständig, die gleichen sinnlosen theoretischen Diskussionen führen (inb. Nase des Pferdes) und uns in den verschiedenen „Lagern“ positionieren und uns dadurch auf THEORETISCHER Ebene bekriegen. Dadurch wird soviel Energie verschwendet. Es wäre doch so viel sinnvoller (nicht nur hier im Forum, sondern allgemein) gemeinsame praktische „Entdeckungen“ auszutauschen (diese aber nicht nach gut oder schlecht zu bewerten, sondern mehr nach Ursache und Wirkung), über Erfahrungen zu berichten und zu erklären versuchen, warum etwas funktioniert und warum nicht, wie sich etwas angefühlt hat, oder welches „Problem“ man konkret in dieser Situation in Kauf genommen hat, um ein anderes, seiner Meinung nach wichtigeres Ziel zu erreichen – und das ganze ohne vorgefertigtes Lagerdenken. Das ist natürlich aufwändiger, als in ein paar Zeilen hinzuklatschen: „der läuft hds und das ist schlecht fürs Pferd“ oder „das Pferd braucht mehr Rahmen, weil sonst hängt der Rücken durch“
Aber es würde insgesamt jedem einzelnen, der noch nicht zur göttlichen Elite gehört, wohl mehr helfen, als das theoretische Beharren auf einem Standpunkt und dann die erbärmlich rechtfertigenden Versuche, den Standpunkt dann doch den praktischen Gegebenheiten anzupassen zu müssen (arg. „kann mal passieren“ „wird aber sofort korrigiert“ „ist nicht das Ziel“ usw.).
@ Ulrike: danke- das trifft den Nagel auf den Punkt!
@ Fortissimo: jep, das mit dem mobilen Araber kenn ich auch selbst – und habe das selbst auch „herausgefunden“, dass „Kopf unten“ zu weniger Schlangen-Bewegungen führt. Allerdings habe ich damals dann diese Strategie zu lange aufrecht erhalten (weil mir von der RL angewiesen wurde, ich solle das Pferd so schön in Dehnungshaltung reiten, damit der Rücken hochkommt) und es ist für den Reiter anfangs schon auch bequemer zu sitzen, als dieses schlagenmäßige hin und her. Aber die Nase blieb dabei halt auch immer hinter der Senkrechten. Was mich interessieren würde: wenn dir dein Pferd zu tief kommt, es aber weniger Schlangenbewegungen macht (und somit vermutlich auch etwas angenehmer zu sitzen und lenken sein wird) und du es dann wieder „hochholst“, bleibt dann das „stabile“ Gefühl unter deinem Hintern oder fängt es dann gleich wieder an „zu wackeln“? Wenn es wieder zu „wackeln“ anfängt, sind diese Bewegungen unter deinem Hintern dann relativ „langsam“, sodass du sie bewusst mitbekommst (inb. die Bewegungen in den BEIDEN Gesäßknochen, sodass du das Gefühl hast, wie wenn du mit dem Pferd gehen würdest? Ich finde es persönlich inzwischen viel interessanter über solche Dinge zu sprechen, die man herausgefunden hat und wie sich das dann jeweils angefühlt hat und was die Reaktion des Pferdes war und wie man auf dieser Basis was verändern könnte, und nicht so sehr, ob in jeder Minute alles immer perfekt nach Plan läuft
@ Rapunzel: Ja, du hast meine Beiträge schon richtig verstanden

Vielleicht sollte man Reiten mehr mit Kindererziehung vergleichen. Bei beiden wird man erst am Lebensende wissen, ob man es „richtig“ gemacht hat und sämtliche Erziehungsratgeber können doch nicht verhindern, dass man Fehler macht. Ich glaube inzwischen, dass es das pauschale „gute“ Reiten in dem Sinn von „Richtig“ und „Falsch“ gar nicht gibt, sondern das es im Endeffekt nichts anderes ist, als die möglichst harmonische Aneinanderreihung von einzelnen Bewegungen des ganzen Körpers (Pferd und Reiter). Im Idealfall verhindert man durch eine abwechselnde Belastung der Beine, des Rückens usw, dass ein Körperteil auf kurz oder lang verschleißt, weil es zuviel gebraucht wird. Ich glaube es war Dr. Ritter, der in seinem Buch geschrieben hat, dass in der Hofreitschule in Wien ein wesentlicher Bestandteil der Ausbildung ist, dass nach einer Bestimmten Anzahl von TRITTEN (glaublich 3, 6 oder 9, und nicht Minuten!) immer eine andere Belastungssituation (nicht unbedingt gleichzusetzen mit Haltung) für das Pferd hergestellt wird. Ich glaube es geht wirklich vielmehr um den ständigen zunächst sichtbareren und dann immer unsichtbareren Wechsel der Belastung der einzelnen Körperbereiche, das „gutes“ Reiten auszeichnet und deshalb ist es den „guten“ Reitern zumeist auch einfach wurscht, wo der Kopf und der Hals sind, weil diese zwei Komponenten meistens am Anfang (von JEDER Reiteinheit) eben am offensichtlichsten zeigen, dass etwas noch nicht stimmt. Und wenn man dann im Laufe des Reitens das Pferd und den Reiter in sich besser und gemeinsamer organisiert hat, passen auch Kopf und Hals zum Rest vom Pferd. Man wird sich als Reiter zunächst immer nur auf einen Problembereich konzentrieren müssen (und hoffen dass es der ist, der am meisten positive Veränderungen bringt) und nach das ganze Pferde-Puzzle zusammenbauen – in jeder Reiteinheit aufs Neue. Und dieses Puzzle-Bauen an sich, sollte man als Reiter gerne machen, nicht das Bewundern des „fertigen“ Bildes.