Also ich kann an Jen's Führbeispiel jetzt nichts Dramatisch "zwanghaftes" erkennen.
Ich habe in etwa genau die gleiche Strategie aufgetragen bekommen, als ich als ziemlicher Anfänger (Schulpferdereiter halt) meine Isistute (verzogenes Schulpferd) neu hatte und es ernsthafte Führprobleme gab (ständig am Führer vorbei rennen, wild bockend drum rum hüpfen, beim alleine spazieren gehen nach Hause rennen wollen und als Spezialdisziplin: den führenden mit der Schulter abdrängen). Sowas ist unlustig und auch gar nicht ungefährlich.
Ergo gibt es eine Führregel und die heißt, ich lauf da hin wo ich hin will und das Pony bleibt mit dem Kopf knapp hinter meiner Schulterhöhe und da kann es von mir aus Samba tanzen, aber diese eine Regel gilt. Erstmal natürlich in der Theorie, denn das mit der praktischen Umsetzung ist ja immer so eine Sache
Aber die Arbeit daran hat dazu geführt, dass das Pferd jetzt meist den Eindruck erweckt überdurchschnittlich gut erzogen zu sein
Und dass das jetzt so ein Aufwand sein soll beim Führen auf seine Linie zu achten kann ich jetzt auch nicht nachvollziehen. Ich hab zumindest noch von niemanden beim klassischen Reiten gehört "och nee, also beim Reiten die GANZE ZEIT drauf zu achten wo ich hinreiten will, DAS ist ja wohl echt zu viel verlangt, ich kann doch außerdem nicht beim Reiten die ganze Zeit jede Bewegung des Pferdes kontrollieren und korrigieren wollen, das ist ja außerdem auch voll unfair dem Pferd gegenüber".
Und das heißt keineswegs, dass man jeden Schritt des Pferdes überwacht und keiner Fehler machen darf. Natürlich machen Pferd und Mensch trotzdem ständig Fehler, das ist ja nur menschlich (pferdisch?

). Und natürlich lässt man auch hier und da mal Fünfe grade sein und natürlich probiert das Pferd trotzdem immer wieder die Regeln zu umgehen (ich habe eine diskutierwütige Stute), aber daran beständig zu arbeiten hilft mir zum Beispiel sehr, dass die Zusammenarbeit dann eben auch in kritischen oder schwierigen Situationen funktioniert. Und meiner Erfahrung nach ist es auch so, dass es anfangs wichtiger ist IMMER auf die Einhaltung von Regeln zu pochen, wenn man dann aber mal ein paar Jahre mit einem Pferd zusammen gearbeitet hat, dann kann das Pferd auch durchaus mal unterscheiden ob in der aktuellen Situation eine Regel zu 110% gilt und es besser gar nicht erst versuchen sollte mal wieder zu diskutieren oder vielleicht auch mal nur zu 95%
Man lernt sich ja kennen, Stichwort "altes Ehepaar". Und dass man wenn die Grundlagen so weit gefestigt sind, dass im Normalfall alles funktioniert auf dem Weg über den Hof auch einfach mal irgendwie neben dem Pferd herschlappt ist dann natürlich auch drin.
Aber letztendlich bedeuten klare Regeln und dass man soweit möglich immer gleich auf gleiche Situation reagiert für das Pferd auch Beständigkeit und Nachvollziehbarkeit und meiner Erfahrung nach mögen Pferde das SEHR gerne, wenn der ungeschickte launische Grobmotoriker zumindest meistens versucht sich klar und nachvollziehbar zu verhalten. Mehr als den lobenswerten Versuch kriegt man als normalbegabter und von der Arbeit gestresster Freizeit-Legastheniker ja meist eh nicht hin.
Dass man an sowas wie dem Führen nur dann arbeitet, wenn es Probleme gibt, ist auch klar. Wenn man ein Pferd hat, dass beim Führen eh immer brav ist, brauch man das natürlich nicht. Ich musste meinem Pony z.B. nie durch positive, negative oder sonstwelche Verstärkung beibringen sich abspritzen, ansprühen zu lassen oder die Hufe vernünftig zu geben, weil das konnte es schon alles ganz manierlich. Aber WENN man etwas erarbeitet, dann finde ich die von Jen beschriebene Vorgehensweise auch am Besten und für mich persönlich als mäßig talentierter Freizeitreiter auch am Besten umsetzbar.